Protocol of the Session on October 12, 2016

Herr Minister, das Stichwort „Blaue Plakette“ ist gefallen. Uns würde interessieren, wie wir Belastungen für Handwerker, für Lieferanten, die von aus wärts kommen, so gering wie möglich halten können. Was ist da von Ihrer Seite geplant?

Vielen Dank für die Frage. Diese Frage wird ja häufig gestellt. Wenn wir so zusagen einen Vorstoß zu einer gesetzlichen Regelung über die Bundes-Immissionsschutzverordnung unternehmen, wer den solche Details nicht geregelt, bei der Anwendung kommt es aber natürlich zu solchen Regelungen. Sie erinnern sich vielleicht an die Einführung der gelben und der grünen Um

weltzonen. Dort stellte sich jeweils vor Ort immer die Frage: Welche Ausnahmen gelten? Ich habe gestern auch noch ein mal mit der Wirtschaftsministerin und der CDU-Fraktion über diese Frage gesprochen. Wir erkennen an, dass Fahrzeuge, die nur einige Male im Jahr in den Ballungsraum einfahren, kom plett ersetzt werden müssten, obwohl es sich um Spezialfahr zeuge handelt und es sich nicht rechnen würde, diese zu er setzen.

Hierfür wird es Ausnahmeregelungen geben, und es wird auch eine Übergangsfrist geben. Damit könnten Handwerker, die beispielsweise ein Fahrzeug extra für ihre Zwecke umgebaut haben, weiterhin eine Zeit lang einfahren.

Ein weiteres Beispiel sind die Campingfahrzeuge, die bei spielsweise zwei Mal im Jahr rein- und rausfahren. Dafür müssen Sonderregelungen getroffen werden. Das Ziel ist ja, dass wir die Masse der Dieselfahrzeuge besser machen.

Eine weitere Zwischen frage, Herr Kollege Haußmann von der FDP/DVP.

Sehr geehrter Herr Mi nister, gestern bei der Landespressekonferenz hat Minister präsident Kretschmann gesagt, die Hauptquellen für Stickoxi de aus dem Autoverkehr seien nicht die Fahrzeuge von Pri vatnutzern, und beim Feinstaub spielten die neueren Diesel keine Rolle mehr. Das ist sicherlich auch richtig. Dann hat er gesagt, die blaue Plakette sei ein Technologietreiber. Jetzt wis sen wir aber, dass die blaue Plakette im Grunde genommen auch Fahrzeuge betrifft, die mit Sicherheit keine Technologie treiber mehr sind, sondern schon dem Stand der Technik ent sprechen, und wir beispielsweise beim Diesel schon über Eu ro 6 hinausgehen.

Deswegen die Frage von mir: Die blaue Plakette soll ja erst ab 2020 gelten. Wenn man jetzt wie Ministerpräsident Kretsch mann an Flottenfahrzeuge, an Dienstfahrzeuge denkt, dann ist das Thema aufgrund der Laufzeit von Leasingfahrzeugen in diesem Zeitraum doch im Grunde genommen für gewerbliche Nutzer im großen Stil eigentlich schon so weit abgearbeitet, dass die blaue Plakette da keinen Sinn mehr macht.

Herr Minister.

Den Zeitpunkt 2020 können wir heute ja noch nicht genau festlegen, sondern wir sagen: Wir wollen, dass eine Marktdurchdringung von mindestens 80 % erreicht sein muss, bis das „scharfgeschal tet“ werden kann. Wir rechnen damit, dass das ungefähr im Jahr 2020 erreicht sein wird.

Wenn wir überhaupt nicht ankündigen würden, dass die blaue Plakette kommt, hätten wir eine viel langsamere Durchdrin gung. Wenn man die normale Modernisierungsrate zugrunde legt, kommt man nicht annähernd auf den erforderlichen An teil neuerer Fahrzeuge. Wir haben – das muss man sagen – auch in Baden-Württemberg und auch im Ballungsraum Stutt gart eine vergleichsweise alte Flotte. Die Fahrzeuge sind im Durchschnitt älter als acht Jahre.

Die jetzige Situation, in der der Diesel in der öffentlichen Dis kussion ist und es unklar ist, mit welchem Fahrzeug man in Zukunft vielleicht noch fahren darf, wird dazu führen, dass die Leute zunächst einmal gar keine neuen Autos kaufen, son

dern abwarten. Dann erhöht sich das Durchschnittsalter der alten Flotte noch weiter.

Insofern wurde der Spruch des Ministerpräsidenten, den Sie zitiert haben, vielleicht ein bisschen missverstanden. Er mein te: Das ist sozusagen ein Modernisierungstreiber. Denn rich tig ist: Die Norm Euro 6 gilt; nur Neufahrzeuge mit diesem Standard können heute noch verkauft werden. Neufahrzeuge mit einem niedrigeren Standard können heute nicht mehr ver kauft werden. Ob jedoch eine Flotte modernisiert wird oder nicht, hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab.

Die blaue Plakette ist, wenn Sie so wollen, ein Modernisie rungstreiber; denn sie bewirkt, dass die Leute eventuell frü her als geplant umsteigen oder dass Unternehmen, die vor der Entscheidung für eine Neuanschaffung stehen und darüber nachdenken, einen Euro-5-Diesel – die gerade günstig sind – zu kaufen, doch lieber die Finger davon lassen, weil die Ge fahr besteht, dass ein solches Fahrzeug mit Einführung der blauen Plakette keine Einfahrberechtigung mehr bekommt.

Unsere Ansage ist: Wir brauchen sehr schnell, und zwar mög lichst im nächsten halben Jahr, eine Aussage darüber, was die Politik will, um diesen Attentismus aufzubrechen und nicht noch dazu beizutragen, dass die Flotten älter werden. Wir brauchen eine Ansage, die bewirkt, dass Unternehmen wie Privatleute sich auf die neue Situation einstellen können und rechtzeitig entscheiden können, ob sie frühzeitig auf ein neu es Fahrzeug setzen. Wenn wir einmal vom Jahr 2020 ausge hen, wäre ein im Jahr 2014 gekaufter Euro-5-Diesel dann sechs Jahre alt. Das bedeutet nicht automatisch das Ende die ses Fahrzeugs. Aber wer sich frühzeitig auf die Einführung der blauen Plakette einstellt, kann sich rechtzeitig darum be mühen, das Fahrzeug dahin zu verkaufen, wo keine Fahrver bote drohen.

Auf die Einleitung Ihrer Frage hin will ich doch noch einmal deutlich machen: Die grünen Umweltzonen sind nur zu einem Zweck eingerichtet worden, nämlich zur Reduktion der Fein staubbelastung. Das haben wir nun besser im Griff, die Stick oxidbelastung hingegen nicht. Die Europäische Kommission will Baden-Württemberg und Stuttgart jedoch vor dem Euro päischen Gerichtshof wegen beidem anklagen, weil wir in Stuttgart die Grenzwerte sowohl im Feinstaubbereich als auch bei den Stickoxiden noch nicht einhalten.

Danke schön, Herr Minis ter. – Gibt es weitere Fragen? – Kollege Renkonen.

Sehr geehrter Herr Minis ter, der Presse war zu entnehmen, dass die Deutsche Bahn 22 Güterumschlagsplätze schließen will. Das läuft ja den Plänen der Verkehrsminister und auch Ihren Plänen total entgegen; denn das führt zu noch mehr Lärmbelastung und noch mehr Luftbelastung.

Mich würde Folgendes interessieren: Was wollen die Ver kehrsminister in Deutschland dagegen tun, und gibt es Pläne, wie der Güterverkehr weiter auf die Schiene verlagert werden kann?

Herr Minister.

Vielen Dank. – Tatsächlich waren die Entwicklungsperspektiven des Schie nengüterverkehrs auch ein Tagesordnungspunkt.

Auch dazu gab es eine Beschlussfassung, die einstimmig war – übrigens von Baden-Württemberg eingebracht und vorge tragen –, da wir über die Ankündigung der Bahn sehr verär gert waren. Die Bahn hat ja angekündigt, in Baden-Württem berg 22 solcher kleineren Güterverladestationen zu schließen. Nun wissen auch wir, dass die kleinen Verladestationen nicht das Gros des Transports ausmachen, aber es ist doch ein schlechtes Zeichen. Wenn sich die Bahn immer weiter aus der Fläche zurückzieht, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass immer mehr Lkws auf der Straße die Güter transportie ren.

Deshalb ist der Tenor dieser Beschlussfassung, die wir ein stimmig gefällt haben – Baden-Württemberg ist also nicht das einzige Bundesland, das betroffen ist –: Wir wollen nicht, dass sich die Bahn aus der Fläche zurückzieht, und wir fordern die Deutsche Bahn auf, die angekündigten Regelungen noch ein mal zu überprüfen bzw. zurückzunehmen. Einige hat sie auch schon zurückgenommen. So gab es u. a. im Rheintal die Ver rücktheit, dass ausgerechnet ein Steinbruch, der bisher mit Schiene angedient wurde und Schotter für die Rheintalbahn produziert, zukünftig keine Verladestation mehr haben sollte bzw. diese abgestellt würde, sodass man anschließend den Schotter mit dem Lkw zur Schiene fahren müsste. Das ist ein Musterbeispiel, wie sich eine Technologie im Transportsys tem selbst lächerlich macht – wenn man das nicht hinbe kommt. Wir haben es Gott sei Dank geschafft, auch mithilfe der Bahn, dies zu korrigieren.

Viele Kolleginnen und Kollegen sagten: Es ist ein Jammer, dass wir uns seit Jahrzehnten einig sind und sagen, wir müs sen mehr tun, damit die Güter auf der Schiene transportiert werden, es seit Jahrzehnten aber genau in die andere Richtung geht.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. So haben sich z. B. die Rahmenbedingungen eher zulasten der Schiene verschlech tert, und es gibt keine richtige Strategie, wie man die Verla gerung erfolgreich schafft. Deshalb die Aufforderung, dass der Bund jetzt einmal Pläne vorlegen soll, welche Perspekti ve er sieht und was er tun will, wie er erreichen will, dass die Netzkapazität für den Güterverkehr gestärkt wird. Denn oft traten schon Probleme auf, dass ein Unternehmer, wenn er sagt, er würde gern einen Zug fahren lassen, keine Trasse mehr bekommt, weil es Engpässe gibt und keine Möglichkeit vor handen ist, zusätzliche Güterzüge fahren zu lassen.

Wir brauchen also ganz klar eine Ausbaustrategie, und wir wollen die Netzkapazität im Güterverkehrssektor stärken und auch lange Güterzüge ermöglichen. Ein positives Zeichen ist immerhin: Staatssekretär Odenwald sagte – auch aufgrund dieser Kritik und da er sich selbst, als Mitglied im Aufsichts rat der Bahn, ebenfalls darüber ärgert, dass da nichts voran geht –, der Bund werde jetzt zusammen mit der Bahn eine Ar beitsgruppe einrichten, die einen strategischen Ansatz in Sa chen Schienengüterverkehr entwickeln kann.

Vielen Dank. – Eine wei tere Frage, Herr Abg. Dr. Bullinger.

Herr Minister, Sie haben vorhin von gewissen Ausnahmen gesprochen, z. B. für Handwerker oder Schausteller, die nur wenige Male hinein fahren, oder auch Zulieferer, die nur einmal, dreimal, fünfmal hineinfahren.

Es gibt natürlich auch noch andere Nutzer von Verbrennungs motoren, z. B. Baumaschinen. Eine Baumaschine kann man aufgrund der langen Lebensdauer – z. B. für eine Rüttelplat te sind es 40, 50 Jahre – lange nutzen, und es ist sicher in der Ökobilanz sinnvoller, die Langlebigkeit eines solchen Pro dukts dem gegenzurechnen, was an Emissionen verursacht wird. Sind auch für solche Gerätschaften, für solche Verbren nungsmotoren Ausnahmen vorgesehen?

Auch bei den Oldtimern muss man sich die Frage stellen, in wieweit man dort Ausnahmen vorsieht.

Also ganz konkret: Ist gerade in der Branche, in der Maschi nen angetrieben werden – keine Fahrzeuge, Autos, sondern Baumaschinen oder andere Gerätschaften, z. B. im Land schafts- und Gartenbau –, vorgesehen, dass man unter Berück sichtigung der Gesamtökobilanz Ausnahmen macht?

Herr Minister.

Vielen Dank. – Wir gehen nicht davon aus, dass man mit dem Rasenmäher durch die Stadt fährt. Insofern braucht man dafür keine Aus nahmeregelung. Aber für die anderen Arten von Maschinen, die unterwegs sind, wird das sicher zu erwägen sein.

Übrigens haben wir bei Baumaschinen nicht so sehr das Pro blem mit den Stickoxiden, sondern eher mit der Feinstaubpro duktion. Eine Raupe oder ein Dieselaggregat, das Strom er zeugt und den ganzen Tag läuft, ist tatsächlich eine Feinstaub schleuder. Aus diesem Grund haben wir per Verordnung fest gelegt, dass man in Luftreinhaltegebieten, die hoch belastet sind – nicht in allen, aber in Stuttgart, Ludwigsburg und ei nem dritten Ort –, solche Maschinen nur mit Partikelfilter ein setzen kann.

Das ist in Stuttgart übrigens auch zwingend. Denn jeder merkt: Stuttgart ist eine große Baustelle mit vielen Teilbaustellen. Würde die Deutsche Bahn auf ihrer Baustelle noch mit alten Geräten arbeiten, wäre die Situation noch viel fataler. Aber das wird auch städtisch überprüft. Die Bahn hat uns zugesi chert, dass sie sich strikt an diese Verordnung hält.

Danke schön. – Eine wei tere Frage, Kollege Marwein.

Herr Minister, das Thema Digitalisierung beschäftigt ja alle, auch im Verkehrswesen, in allen Bundesländern wie auch im Bund. Wurde über das The ma „Vernetztes Fahren“ und über das Thema „Automatisier tes, autonomes Fahren“ diskutiert, oder wurde darüber viel leicht sogar ein Beschluss gefällt?

Herr Minister.

Danke. – Über seine Aktivitäten dazu hat auch der Bundesverkehrsminister berichtet, und die Länder haben ihrerseits einen Beschluss un ter der Überschrift „Automatisiertes und vernetztes Fahren“ vorbereitet.

Die Länder unterstützen ausdrücklich, dass der Bund da ak tiv ist und Testfelder eingerichtet hat. Ich selbst habe das zum Anlass genommen, vorzuschlagen, dass wir auf der nächsten Verkehrsministerkonferenz einen Schwerpunkt auf das The ma „Automatisierung und Digitalisierung“ setzen. Dabei soll der Bund berichten, was bei seinen Projekten läuft. Wir in Ba den-Württemberg haben ja ein eigenes Projekt „Digitales Test feld“, das wir zusammen mit der Universität Karlsruhe und der Stadt Karlsruhe entwickeln. Wir sollten so etwas einmal vorstellen und auch über die großen Fragen reden.

Der Bund hat eine Ethikkommission eingerichtet, die sich auch mit Fragen beschäftigt wie: Wer ist schuld, und wer trägt die Verantwortung im Krisenfall oder im Dilemmafall? Der Bundesverkehrsminister hat schon angekündigt, dass er den Computer sozusagen mit dem Menschen gleichsetzt. Wenn der Computer fährt, dann hat er sozusagen die Verantwortung, bzw. der Hersteller des Geräts hat dann die Verantwortung. Trotzdem bleiben ethische Fragen, die zu klären sind.

Wir haben den Bund aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die internationalen Abkommen dahin gehend verändert wer den, dass diese Elemente des automatisierten und digitalisier ten Fahrens, die ja in der Wiener Konvention zum Teil heute noch ausgeschlossen sind, aufgenommen werden.

Wir sehen in diesen Instrumenten die Möglichkeit, Verkehr effizienter, umweltfreundlicher und sicherer zu gestalten. Aber das ist kein Automatismus. Vielmehr muss man genau schau en: Was von all diesen Techniken bringt wirklich etwas, und was ist eher teurer Schnickschnack, dessen Nutzen vielleicht nicht so groß ist?

In diesem Sinn ist die Beschlussfassung auch sehr einmütig erfolgt. Ich glaube, alle wissen, dass die nächsten Jahre im Be reich der Automobilwirtschaft in diesem Entwicklungsbereich stattfinden und dass Deutschland als Automobilstandort schau en muss, an dieser Entwicklung teilzuhaben. Wer da nicht vorn dran ist, läuft Gefahr, dass er in wenigen Jahren vom Markt weg ist, weil das, was man in den nächsten Jahren zu bieten hat, die Elemente sind, die sicherlich marktentscheidend sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Vielen Dank. – Eine wei tere Frage, Kollege Keck, bitte.

Vielen Dank, Herr Minister. – Einerseits sprechen Sie von der blauen Plakette, von der Eu ro-6-Abgasnorm, von der Motortechnik. Wir wissen ja, dass die Luft aus dem Auspuff in Ballungszentren sauberer heraus kommt, als sie vorn eingesaugt wird.

Andererseits spreche ich die Hochrheinstrecke, die Bodensee gürtelbahn an. Da besteht ein absolutes Dieselloch. Da fährt man noch mit alten Dieselloks durch die Lande. Das ist auch nicht in Einklang zu bringen mit Ihrer Intention, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Deswegen meine Frage – Sie hat ten EU-Fördermittel speziell für die Hochrheinstrecke ge nannt –: Können Sie uns einen Termin nennen, wann es mit der Elektrifizierung der Hochrheinstrecke und/oder der Bo denseegürtelbahn tatsächlich losgeht? Gibt es da jetzt einen Termin?

(Abg. Felix Schreiner CDU: Wann kommt der Durch bruch?)