Protocol of the Session on October 15, 2020

Ich kann schon jetzt sagen: Die Bewertung erfolgt natürlich in einer positiven Grundhaltung, weil wir solche Initiativen für gut halten. Es ist gut, wenn sich Strecken reaktivieren las sen. Aber wir können das nicht unter Ausblendung jeder Wirt schaftlichkeit tun, sondern auch die Wirtschaftlichkeit muss beachtet werden.

Vielen Dank.

Vielen Dank. – Gibt es da zu noch Nachfragen? – Herr Abg. von Eyb, bitte.

Herr Minister, nach dem Sie den ersten Schritt schon gelobt haben – Sie erinnern sich, ich hatte Ihnen die Studie übergeben, als Sie kürzlich in Crailsheim waren –: Gibt es denn Chancen, dass sich das Land an der Finanzierung der weiteren Planungskosten beteiligt? Wie müsste man das dann initiieren?

Prinzipiell gibt es die Fördermöglichkeiten des Bundes. Wir haben demnächst neue gesetzliche Regelungen, was wir alles fördern und un terstützen können. Dazu gehören auch Planungskosten. Wie

gesagt, der Bund selbst hat inzwischen ein Interesse an der Reaktivierung von Strecken und fördert das sehr hoch. Wir haben neue Fördersätze, wie wir das dann kofinanzieren. Ich denke also, es gibt gute Voraussetzungen, dass in Zukunft die Pläne zur Reaktivierung von Strecken nicht allein an den Kommunen hängen bleiben.

Besten Dank. – Gibt es noch weitere Nachfragen? – Herr Abg. Baron, bitte.

Herr Minister, es freut mich auf je den Fall, dass die Ergebnisse an meinem Geburtstag bekannt gegeben werden. Soll da auch – so habe ich Sie verstanden – das vollständige Gutachten zu der Kochertalbahn vorliegen?

Nein, das haben Sie falsch verstanden. Die Gutachten kann man nicht im Schnell schritt machen. Wir stellen unsere Bewertung vor, die wir nach bestimmten Kriterien vorgenommen haben, die aber noch wei tere Untersuchungen nach sich ziehen wird. Das ist eine Ein schätzung.

Die zur Reaktivierung vorgeschlagenen Projekte – das kann ich schon heute sagen – sind sehr unterschiedlich. Es sollen Strecken reaktiviert werden, die es schon gibt, auf denen nur kein Personenverkehr mehr stattfindet. Das ist viel einfacher umzusetzen, weil es dort immerhin schon Güterverkehr gibt.

Es gibt aber auch Strecken, wo ganze Teile fehlen, wo man die Trasse zum Teil verlegen will. Dort braucht es noch viel tiefere und weiter gehende Untersuchungen, um dann sagen zu können, ob das geht oder nicht.

Dementsprechend werden wir das Ganze einteilen in Projek te, die schon weit fortgeschritten sind und sehr schnell begon nen werden könnten, Projekte, für die man noch weitere Un tersuchungen braucht, und Projekte, für die man vielleicht noch mehr Untersuchungen braucht.

Herr Abg. Baron, das ist jetzt Ihre dritte Frage. Die muss ganz kurz sein. Sie dürfen ei gentlich nur zwei Nachfragen stellen.

Das ist jetzt die zweite Nachfrage – tatsächlich, Frau Kurtz.

Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank. – Wann rechnen Sie denn ungefähr mit den vollständigen Ergebnissen zu den Un tersuchungen? Diesbezüglich hatte ich schon einmal vor nicht allzu langer Zeit nachgefragt. Da wurde mir gesagt: März 2020. Jetzt haben wir schon Ende des Jahres.

Die Frage kann ich nicht beantworten, weil ich genau wissen müsste, was al les noch fehlt. Ich kann auch nicht sagen, wie lange Ingeni eurbüros brauchen, um bestimmte Sachverhalte zu errechnen. Da überfordern Sie einen Minister. Ich bin auch niemand, der einfach eine Prognose in den Raum wirft, die er dann nicht mehr halten kann.

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich als Minister und mein Haus tun alles, dass diese Reaktivierungsprojekte ziemlich schnell kommen. Nicht zuletzt deswegen haben wir die Initi ative auch schon vor zwei, drei Jahren begonnen und haben sie gut vorbereitet.

Die Besonderheit ist, dass wir in Baden-Württemberg ohne Bundesunterstützung gestartet sind. Dass der Bund jetzt nach gezogen hat, ist eine bedeutende Verbesserung. Das wird dem Ganzen einen Drive geben, weil jetzt mehr Geld im Spiel ist. Früher hätten wir vieles für gut befinden müssen und hätten gleichzeitig sagen müssen: „Wir haben aber kein Geld.“ Jetzt kann man sagen: Am Geld sollte es wohl nicht scheitern.

Vielen Dank. – Die Be handlung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 3 ist damit be endet.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 4 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. D r. E r i k S c h w e i c k e r t F D P / D V P – R e c h t s l a g e z u m S t a n d o r t v o n O r t s t a f e l n – A b l e h n u n g v o n R e f o r m e n d u r c h d a s B u n d e s v e r k e h r s m i n i s t e r i u m ( B M V I )

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen, ich frage die Landesregierung zu einem Thema, das wir hier in der Fragestunde schon ein mal behandelt haben:

a) Wie interpretiert die Landesregierung angesichts dessen,

dass sie selbst eine Bundesratsinitiative zu Änderungen der Regelungen zur Aufstellung von Ortstafeln ablehnt und den Bund bei dieser Thematik am Zuge sieht, Aussagen des Staatssekretärs im BMVI, der eine Änderung bestehender Normen für „nicht angezeigt“ hält und ausreichende Lö sungsmöglichkeiten auf Landes- bzw. kommunaler Ebene sieht (vgl. Bundestagsdrucksache 19/22089, Frage 107)?

b) Welche weiteren Schritte gedenkt die Landesregierung –

angesichts der Ablehnung einer Reform durch das BMVI – zu unternehmen, insbesondere im Hinblick darauf, dass sowohl von den unteren Straßenverkehrsbehörden als auch von Anwohnerinnen und Anwohnern, aber auch von ganz vielen Bürgermeistern jeglicher parteipolitischer Couleur, die da aktiv sind und sich für Reformen einsetzen, verstärkt Änderungen gewünscht werden, die auch der Bekämpfung von Lärmspitzen dienen?

Vielen Dank. – Jetzt muss das Redepult noch kurz desinfiziert werden. Dann darf ich nochmals Herrn Minister Hermann bitten, für die Regierung zu antworten.

Frau Präsiden tin, Herr Abg. Schweickert, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schweickert bleibt an seinen Themen dran. Das kann ich auf jeden Fall bestätigen. Wir haben das Thema tat sächlich schon in einer früheren Mündlichen Anfrage behan delt. Darauf haben Sie eine schriftliche Antwort bekommen – zum einen mit der Drucksache 16/7558 und dann nochmals mit der Drucksache 16/8364-6 als Nachreichung zur Mündli chen Anfrage.

Trotzdem ist es ein virulentes Thema. Sie sind nicht der Ein zige, der sich immer wieder über dieses Thema aufregt. Selbst der Ministerpräsident hat mich schon gefragt: „Kannst du da nichts machen?“ Ich möchte die Frage jetzt aber doch sehr se

riös und detailliert beantworten, weil das, glaube ich, auch für Sie in der Argumentation, wenn Sie von Bürgern angespro chen werden, sehr wichtig ist.

Bei dieser Frage geht es letztlich nicht um die Ortstafeln selbst, sondern um Lärmschutz. Das ist der eigentliche Grund der Frage. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Lärmschutz zu betreiben. Es ist nun mal oft so, dass man vor Ort sagt: „Verschieb doch einfach das Ortsschild, dann gilt Tempo 50, und dann ist das Problem mit dem Lärm geregelt.“ Aber so einfach ist es nicht.

Deswegen muss ich ein bisschen ausholen. Es ist so: Die Kommunen haben die Möglichkeit, Baugebiete auszuweisen. Sie weisen in einer Erschließungsphase häufig Baugebiete ent lang einer Straße aus. Damit sind sie eigentlich in der Pflicht, Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen. Dafür gibt es sogar Ori entierungswerte, z. B. bei reinen Wohngebieten 50 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts. Das sind eigentlich anspruchs volle Werte. Bei Gemischtgebieten geht es dann hoch auf 55/45 bzw. 60/50 dB(A). Das müssen die Kommunen tun, wenn sie das machen.

Was heißt „müssen“? Das sind Orientierungswerte, auf deren Grundlage sie ihre Maßnahmen ergreifen müssen. Es sind kei ne strengen Grenzwerte. Insofern muss ich eher „sollen“ als „müssen“ sagen. Sie müssen dann eben bei der Gestaltung des Baugebiets z. B. darauf achten, wie die Häuser in dem Gebiet angeordnet werden usw. Das machen sie in der Regel auch. Dazu komme ich gleich.

Was immer wieder gefragt wird: Warum setzen wir das Schild nicht so, dass die Geschwindigkeit beschränkt wird? Da muss ich sagen: Man kann nicht beliebig Geschwindigkeitsbeschrän kungen machen. Das ist leider so. Das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrs-Ordnung sind ihrem Geiste nach im Wesentlichen daran orientiert, dass man den flüssigen Verkehr organisiert, und nicht an Klimaschutz und an Lärmschutz. Das alles sind Dinge, die nachrangig später gekommen sind.

(Abg. Anton Baron AfD: Und das von Ihnen! Das verwundert mich!)

Deswegen glaube ich, dass wir eine umfassende Reform des Straßenverkehrsgesetzes und auch der Straßenverkehrs-Ord nung brauchen. Wir sind gerade dabei, mit den Ministern über die Bußgelder in der Straßenverkehrs-Ordnung zu reden. Ich kann Ihnen sagen: Es ist nicht so einfach, alle unter einen Hut zu bekommen. Da merkt man, dass es unterschiedliche Vor stellungen davon gibt, wie Verkehr zu organisieren ist.

Das Verkehrszeichen „Ortstafel“ ist genau definiert. Dazu gibt es leider inzwischen auch schon viele gerichtliche Urteile, die ziemlich eindeutig sagen, was ein Ortsbeginn ist und was nicht. Vereinfacht kann man sagen: Ob der Ort beginnt, hängt nicht davon ab, ob ein paar Häuser an der Straße stehen, son dern die Bebauung muss so sein, dass von dort an auch die Straße genutzt wird, also die Zufahrt zur Straße genutzt wird. Das ist der Hauptunterschied.

Jetzt passiert Folgendes: Die Kommunen gehen mit der Er schließung der Häuser auf die andere Seite – also die nicht der Straße zugewandte Seite; da gibt es meist keine Zufahrt, nur von der anderen Seite –, und damit schaffen sie die Voraus

setzung dafür, dass dies nach bisheriger Rechtsprechung ge nau nicht der Ortsbeginn ist. Das ist das Problem. Deswegen kann man da nicht einfach sagen: „Dann verschieben wir es halt,“ weil nach der Definition dort nicht der Ortsbeginn ist. Nur wenn die Häuser zur Straße hin erschlossen würden, dann wäre es der Fall. So ist es aber meist nicht.

Es bleibt noch die Frage nach einer Geschwindigkeitsbegren zung zur Lärmreduzierung. Da muss ich sagen: Ich bin als Mi nister sehr dafür, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, aber die se sind wirklich beschränkt. Es ist festgelegt, dass man immer sehr genau die Gründe anführen muss, wenn man eine Tempo beschränkung machen will. Man kann nicht einfach sagen: Das machen wir mal zur Lärmreduktion oder zur Sicherheit. Das muss man schon alles genau regeln und belegen. Manch mal ist es auch mir unangenehm, dass ich etwas nicht einfach machen darf, sondern dass es da sehr genaue rechtliche Grund lagen gibt – sowohl für den Standort des Ortsschilds als auch für die Frage, ob man Geschwindigkeitsbeschränkungen ein führen kann.

Ich will Ihnen sagen – ich komme gerade frisch von der Ver kehrsministerkonferenz und den Verhandlungen zur Straßen verkehrs-Ordnung –: Ich habe es eingebracht, dass man es er leichtern sollte, Tempo-30-Beschränkungen – Tempo-30-Zo nen – in Kommunen einzurichten. Aber das ist nicht mehr heitsfähig.

Übrigens, wenn ich das einmal sagen darf – da verrate ich kei ne Geheimnisse –: Die Kollegen von der FDP sind da nicht hilfreich. Die sind eher für die freie Fahrt, jedenfalls in grund sätzlichen Fragen – nicht in Einzelfragen; das stelle ich fest. Es ist völlig egal, ob der Bürgermeister ein roter, grüner oder schwarzer ist, vor Ort ist er für Lärmschutz. Auch der Abge ordnete ist in seinem Wahlkreis für den Lärmschutz, wenn ihm drei Bürger schreiben. Aber wenn wir die allgemeine Regel ändern wollen, tun wir uns ziemlich schwer, eine Mehrheit zu finden. Das muss ich so deutlich sagen, weil ich da schon mehrfach gegen die Wand gelaufen bin.

Jetzt zu den Fragen: Wie machen Sie weiter? Was tun Sie? Wir haben das natürlich geprüft. Sie haben es selbst auch zi tiert; deshalb will ich das komplette Zitat – ich habe es dabei – aus den Ausführungen des Abgeordneten und Parlamenta rischen Staatssekretärs Steffen Bilger von August nicht noch einmal wiederholen. Es ist ganz eindeutig: Er sagt, er sehe keine Notwendigkeiten und keine Möglichkeiten, etwas an den förmlichen Faktoren zur Geschwindigkeits- oder Lärm reduzierung zu ändern.

Das ist nicht das erste Mal, und aus diesem Grund sehe ich davon ab, eine Initiative zu starten, von der ich schon von vornherein wüsste, dass es hierzu keinerlei Entgegenkommen des Bundes gibt und keine Aussicht besteht, dass da etwas ge schieht.

Ich kann nur sagen: Die Kommunen müssen bei ihren eige nen Planungen den Lärmschutz tatsächlich früher ins Visier nehmen und dürfen nicht zuerst planen und denken: Jetzt ha ben wir wieder schöne Grundstücke; zum Problem des Lärm schutzes können wir hinterher noch kommen.

Kommunen müssen auch Maßnahmen ergreifen, die es recht fertigen, beispielsweise Tempobeschränkungen zu verhängen.

Das geht. Wenn man z. B. die Straßen entsprechend gestaltet oder die Ortsmitte gestaltet, kann man auf einer Geschwin digkeitsreduktion bestehen. Das wird dann in der Regel auch genehmigt. Viele Kommunen nutzen das ja bereits. Es gibt in zwischen viele Kommunen, die Tempo 30 innerorts angeord net haben – aber immer entweder aus Gründen der Sicherheit oder des Lärmschutzes oder aus Gründen der städtebaulichen oder kommunalen Gestaltung.

Vielen Dank, Herr Minis ter. – Jetzt hat Herr Abg. Dr. Schweickert noch eine Nachfrage.

Herr Minister, vielen Dank für die Ausführungen. Mir geht es ja darum, das Ping pongspiel, das ich zwischen Bund, Land und Kommune sehe, zu beenden und vor Ort eine Lösung hinzubekommen. Das ist der Grund, warum ich an den Themen dranbleibe.

Was Sie jetzt ausgeführt haben, kann ich in Bezug auf Neu baugebiete verstehen. Wir haben aber die Probleme – insbe sondere in meinem Wahlkreis – insbesondere im Bestand. Dort ergibt sich das Problem beispielsweise durch eine Ver kehrsmengensteigerung, und da tut man sich dann schwer, nachträglich noch irgendwelche Maßnahmen einzuleiten. – Das ist der erste Punkt.