Wir können, denke ich, auch feststellen, dass wir auch mit dem Instrumentarium vorangekommen sind. Das mag nicht immer alle hier einen. Aber ich finde, dass gemeinsame An leihen und echte Investitionszuschüsse, die jetzt ins Spiel kommen, etwas sind, was uns in Europa gefehlt hat. Ich möch te auch dem Bundesfinanzminister dafür danken, dass er zu sammen mit seinem französischen Kollegen Le Maire schon im Mai mit dem ersten Rettungsprogramm im Umfang von 540 Millionen € den Grund dafür gelegt hat, auf dem der jet zige Schritt erst richtig in Fahrt kommen konnte.
Zweiter Punkt: Was können die Parlamente noch verändern? Ich will schon sagen: Es ist schade, dass der Kompromiss da rauf aufgebaut hat, dass sich zum einen die Haushaltsstruktur in Europa nicht wesentlich verändert hat und dass zum Zwei ten Kürzungen bei Programmen erfolgt sind, die wir für be dauerlich halten. Horizon Europe ist gekürzt worden. Auch der Fonds für einen gerechten Übergang ist gekürzt worden – im Umweltbereich, auch für die Kohlereviere. Das ist auch nicht gut.
Wir hätten bei ERASMUS gern eine kräftigere Steigerung ge habt, als sie jetzt erfolgt ist. Aber es ist immerhin eine Steige rung. Das muss man eben auch sagen.
Und wir sollten uns bei den Hausaufgaben für die Zukunft auch noch Gedanken machen: Wie sind eigentlich die Eigen einnahmen der Europäischen Union? Sie wissen: CO2, Plas tik und Internet müssen bei den Eigeneinnahmen für das Eu ropäische Parlament ein Thema sein.
Dritter und letzter Punkt: unsere eigenen Hausaufgaben. Herr Minister, ich rede nicht über die Frankreich-Konzeption, die ja in der Verantwortung des Staatsministeriums liegt, das sich in diese Geschichten eigentlich einbringen sollte. Am Anfang fand ich die Ankündigung nett, aber am Ende wusste ich beim Durchlesen nicht so recht, was ich darin wirklich an Neuem finde.
Ich finde auch, dass wir selbst zu den „Vier Motoren“ wieder mehr beitragen dürfen. Auch sollten wir in der Lage sein, die deutsche Präsidentschaft dazu zu nutzen, dass wir sagen, was wir priorisieren. Anderes wiederum muss nicht unbedingt sein, z. B. dass wir im Katastrophenschutz alles noch europäisch machen. Aber es gibt Dinge, die wir einfach angehen sollten.
Letzter Punkt an dieser Stelle: Ja, die deutsche Präsidentschaft muss sich mit Rechtsstaatlichkeit auseinandersetzen. Das ist die Basis, auf der vieles andere eben nur gedeihen kann.
Sie sind die Chefin hier im Ring. Ich will deswegen nur einen letzten Satz zur Rechtsstaatlich keit sagen: Am Ende entscheidet sich bei der Bevölkerung in Ungarn, in Polen, wie wir dort werben können. Ich finde, dass Polen ein gar nicht so schlechtes Beispiel war. Es kommt nicht
darauf an, nur zu sagen: „Ich zeige mit dem Finger auf dich.“ Vielmehr kommt es auch auf das an, was in den Ländern pas siert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die EU-„Titanic“ hält weiter Kurs auf jeden Eisberg, den sie nur finden kann. Auf der Brücke stehen Frau Merkel, Herr Macron und Frau von der Leyen als Kapitän/-innen und geben Befehl: „Sofort 100 Milliarden € per EU-Arbeitslosen versicherung an die Déplorables der früheren Arbeiterklasse.“ „Ja“, rufen die Rudersklaven, denn es ist ja die EU-„Titanic“. Und Sie kennen die EU: Der Schiffsmotor ist aufgrund von Abgasvorschriften stillgelegt worden. CO2-neutral muss des halb von den Steuersklaven – Entschuldigung, ich meinte eben natürlich die Rudersklaven – gerudert werden.
Frau Merkel denkt: Toll, da haben wir so viele Arbeitsplätze geschaffen. Einfach diese blöde Dampfmaschine stilllegen, und schon haben wir Tausende von neuen Arbeitsplätzen auf den Ruderbänken.
Doch irgendwie funktioniert das nicht. Die Chinesen ziehen locker und lachend, glücklich an der EU-„Titanic“ vorbei, während würziger Kohlerauch aus ihrem Kamin dampft. „Ahoi“, sagen die Chinesen, „und vielen Dank, dass ihr so blöd seid.“
Verdutzt schauen sich die Kapitäne Merkel, Macron und von der Leyen an: „Oh, wir fallen ja immer weiter zurück, wir wer den immer ärmer und spielen in der Welt immer weniger ei ne Rolle“, und rufen dann ihren Spindoctor, Frau Lagarde, von der EZB. Diese hat einen phänomenalen Plan: Wir bau en eine riesige Kanone auf das Schiffsdeck. Dann befüllen wir diese Kanone mit ganz, ganz viel Geld, sagen wir mal, mit 500 oder 750 Milliarden € oder mit 1,8 Billionen €, mischen etwas Schießpulver dazu, bum, zünden wir diese EU-EZBGeldschuldenkanone, und die marode EU-„Titanic“ wird durch die Zauberalchemie von EZB und EU für einen kurzen Moment nach vorn geschubst.
Merkel, Macron und von der Leyen schauen Frau Lagarde verträumt an: „Die ist ja so intelligent. Was für ein großarti ger Plan!“ Da fragt der niederländische Schiffsjunge Rutte ganz leise: „Und was machen wir, wenn das Geld verschos sen ist? Die Geldkanone ist ja nur ein Strohfeuer und löst kein einziges wirkliches Problem.“ Während Merkel, Macron und von der Leyen auf den kleinen Rutte ungnädig herabschauen, sagt Spindoctor Frau Lagarde: „Alles kein Problem. Wir ma chen einfach noch mehr Geld aus warmer Luft, CO2. Da schie ßen wir die Kanone einfach noch mal ab.“ Währenddessen schippert die EU-„Titanic“ stetig auf den Eisberg zu. Vorn auf der Schiffsspitze, verbannt und verachtet vom Rest der Crew, stehen die politischen Verbannten der AfD, und wir rufen so laut wir können: „Halt, halt! Wir müssen das Ruder herum reißen. Wir fahren auf einen Eisberg.“ Doch die Kapitän/ -innen auf der Brücke und leider auch Herr Kretschmann und Herr Wolf hier im Land sind so beschäftigt mit ihren Fantas tereien, dass sie keiner hört.
Meine Damen und Herren, unsere Fraktion hat Herrn Kretsch mann einen offenen Brief geschrieben. Wir möchten vom Mi nisterpräsidenten wissen, wie er die dramatisch steigende Net tobelastung Baden-Württembergs für die EU bewertet. Mer kel und Macron wollen die Nettobelastung Baden-Württem bergs mehr als verdoppeln. Statt 3,5 Milliarden € sollen wir etwa 8 Milliarden € Jahr für Jahr nach Brüssel überweisen. Gleichzeitig kollabieren unsere Steuereinnahmen und unsere Wirtschaft. Das Thema „Kürzungen im Landeshaushalt“ steht an.
Und welche Worte findet die Landesregierung dazu? Herr Mi nister Wolf, Ihr Quartalsbericht enthält keine einzige Zahl zur zusätzlichen Belastung Baden-Württembergs. Stattdessen zwei Absätze nur nichtssagender Trivialitäten und Oberfläch lichkeiten. Einen solchen Bericht vorzulegen ist unprofessio nell, undemokratisch und möglicherweise sogar unaufrichtig. Denn dass Sie nicht wissen, wie viel uns dieser Wahnsinn kos tet, das glaube ich Ihnen nicht wirklich.
In der schriftlichen Stellungnahme zur entsprechenden EUVorlage fand sich nur ein furchtbarer Satz: „Es fließen keine Steuermittel vom Land Baden-Württemberg direkt in den EUHaushalt.“ Man müsste jetzt mehr Zeit haben, um die ganze Irreführung und Verachtung des Bürgers herauszuarbeiten.
Meine Damen und Herren, es geht so nicht weiter. Bringen wir endlich unser gemeinsames Schiff Deutschland auf einen guten Kurs. Oder noch besser: Verlassen Sie die Brücke.
Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sollten dem So zialminister Lucha einmal sagen, dass er aufpassen muss, wenn er sagt, er sei sich nicht sicher, ob Fasching im März nächsten Jahres stattfinde, denn das interpretiert die AfD so, dass sie jetzt den Fasching auf heute vorverlegt.
Meine Damen und Herren, wir waren als Europapolitiker sel ten so überrascht wie Anfang dieser Woche bei diesem been deten EU-Gipfel. Man war überrascht, dass es der zweitlängs te Gipfel wurde, aber man war auch überrascht, dass man sich schon Ende Juli über das komplette Finanzpaket geeinigt hat te. Allerdings waren wir, die Freien Demokraten, auch über die Verhandlungsposition von Frau Merkel und Herrn Mac ron überrascht. Denn 500 Milliarden € nicht rückzahlbare Auf bauhilfe plus 250 Milliarden € für Kredite sind ein Wort und vor allem, Herr Kollege, ein gebrochenes Wort von Frau Mer kel bezüglich der Vergemeinschaftung von Schulden.
Was natürlich genauso schwer wiegt, ist, wenn man vonsei ten der Bundesregierung von „Verzwergung“ spricht, wenn von Herrn Macron „die neuen Briten“ hochstilisiert werden. Meine Damen und Herren, bisher hat Deutschland die übli che Mittlerrolle übernommen. Diese wurde jetzt verlassen.
Man hat sich von Anfang an auf die Seite von Herrn Macron gestellt. Die Franzosen haben ja die Europapolitik schon im mer mit größtmöglichen kreditfinanzierten Zahlungsströmen verbunden. Ganz offen: Da fehlt halt ein Wolfgang Schäuble als Kassenwart in Europa, meine Damen und Herren.
Man kann deshalb diesen Fünf – es sind nicht nur die „Spar samen Vier“: Niederlande, Österreich, Dänemark, Schweden, sondern auch die Finnen haben dann zum Schluss das Ganze noch unterstützt –, die sehr proeuropäisch hineingegangen sind, dankbar sein, dass sie dafür gesorgt haben, dass aus et was Schlechtem ein einigermaßen ordentlicher Kompromiss wurde. Deswegen bin ich diesen „Sparsamen Fünf“ dankbar. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir da auch noch ei ne Schippe drauflegen können, meine Damen und Herren.
Außerdem geht es hier nicht nur um das Feilschen um das Ver hältnis zwischen Zuschüssen und Krediten, sondern auch um das Einfordern von Reformen. Da ist es so, dass ich mir mehr Wettbewerbsfähigkeit als Voraussetzung für eine Auszahlung aus dem Fonds gewünscht hätte. Es ist eine positive Überra schung des Gipfels, dass man Hilfen nicht mit der Gießkan ne ausbringt, sondern dass diese an konkrete Fortschritte ge bunden werden. Der Ansatz eines Rechtsstaatlichkeitsmecha nismus, der jetzt gefunden worden ist, mag zwar verankert sein, aber seien wir einmal ehrlich: Im Moment ist er zahnlos.
Eine negative Überraschung ist die Schlagzeile, die dieser Mehrjährige Finanzrahmen nach dem Gipfel einnehmen wird. Denn die Kürzung bei Forschung, bei internationalem Aus tausch und Klimaschutz bei gleichzeitiger Festschreibung der Mittel für die Landwirtschaft und die Strukturfonds – – Das heißt nicht, dass man da weniger für die Bäuerinnen und Bau ern ausgeben sollte, sondern man wäre halt an die Bürokratie herangegangen und hätte vom Gesamtvolumen heruntergehen können, meine Damen und Herren.
Deshalb wirkt das so ein bisschen, wie wenn den Regierungs chefs gegen Ende die Puste ausgegangen ist für eine abgewo genere Entscheidung, und somit hat man jetzt den Brocken dem Europäischen Parlament vorgeworfen, welches das si cher nicht so schlucken wird. Es wird noch Zeit sein, sich zu verständigen, hoffentlich etwas mehr Priorität auf Bildung, auf Forschung und Digitalisierung zu legen, aber auch auf ei ne Vertiefung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspoli tik und einer gemeinsamen Grenzsicherung.
Man kann sagen: Die deutsche Ratspräsidentschaft hat mit ei nem Paukenschlag begonnen, allerdings mit einem Pauken schlag, der die Entwicklung der Europäischen Union hin zu einer stärkeren Vergemeinschaftung von Aufgaben und auch von Finanzströmen nach vorn bringt.
Wir sehen den Einstieg in eine Schuldenvergemeinschaftung über den Absicherungsmechanismus der Aufbaufinanzierung und am Ende natürlich auch eine deutliche Ausweitung der EU-Steuern als Eigenmittel für den EU-Haushalt, bis diese Mittel dann im Jahr 2058 wieder zurückzuzahlen sind –
und das Ganze ohne wesentliche Diskussionen in der europä ischen Öffentlichkeit. Und mal ganz ehrlich: Wir haben hier an diesem Pult vor nicht allzu langer Zeit die Juncker-Szena rien diskutiert. Wenn ich mir aber diese Diskussion der Jun cker-Szenarien anschaue, dann könnte ich meinen, es wären schon Jahrzehnte vergangen.
Deshalb, meine Damen und Herren, sind die Positionen jetzt gesetzt. Nach aller politischen Erfahrung wird das Ganze zu einer Mehrbelastung der europäischen Bürgerinnen und Bür ger führen. Denn es glaubt doch wohl niemand, dass die Mit gliedsstaaten die Belastungen in gleicher Höhe zurückfahren werden. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, wie mit den Friktionen aus diesem Gipfel umgegangen wird, ob das Pulver der deutschen Ratspräsidentschaft damit verschossen ist oder ob Frau Merkel die Kraft hat, neben den Finanzthe men noch andere Themen zu verhandeln. Aber wer freude strahlend nach Hause fährt, wird wohl gerade bei der Reform des Asylsystems nicht weiter zu Kompromissen bereit sein.
Mein Fazit: Im Unterschied zu den Kollegen der CDU und auch denen der Grünen, Frau von der Leyen, Frau Merkel be steht kein Grund für Euphorie. Es ist kein historischer Durch bruch. Aber – das muss man anerkennen – es ist für 27 Staa ten ein akzeptabler Kompromiss, der ausgehandelt worden ist, dank der „Sparsamen Fünf“, und dank der „Sparsamen Fünf“ ist das Ganze positiv für Deutschland und positiv für BadenWürttemberg.