Sie wird mit Erfolg angewendet und könnte im Grunde ge nommen ab morgen, also noch vor den Sommerferien, als Grundlage für die Schulen in Baden-Württemberg dienen.
Der zweite Punkt, der nach wie vor nicht geklärt ist, ist das Thema Arbeitsgemeinschaften. Eine jahrgangsübergreifende Gruppenbildung ist grundsätzlich nicht möglich. Die Rege lungen zur Gruppenzusammensetzung gelten auch für Arbeits gemeinschaften bzw. den Ergänzungs- oder den Ganztagsbe reich. Dazu haben wir nichts gelesen. Vielleicht ist das The ma aber auch abgeräumt. Das würde uns freuen. Denn ansons ten würde das das Aus bedeuten für Chöre, Orchester, Bands und weitere Instrumentalmusik-AGs, auch für Arbeitsgemein schaften zu den unterschiedlichen Sportarten, Theater-AGs, Technik-AGs und AGs für Querschnittsaufgaben wie den Schulsanitätsdienst, insbesondere auch für Schulkooperatio nen wie beispielsweise das gerade in Baden-Württemberg so erfolgreiche Modell der Musikmentoren.
Der dritte Punkt, der insbesondere für die Musikschulen und die Vereine sehr wichtig ist und für das nächste Jahr entschei dend ist, betrifft die Nutzung der Räumlichkeiten der Schulen für den Unterricht. Das ist entscheidend dafür, ob die Musik schulen und die Vereine weiterhin ihre qualifizierte Ausbil dung durchführen können.
Frau Ministerin, nutzen Sie das Know-how unserer Schulen und Verbände. Wir hoffen, dass sich das Kultusministerium im Bewusstsein unserer breiten humanistischen Schulausbil dung entsprechend orientiert.
Ein Gymnasium hat, wie ich finde, eine sehr schöne Beschrei bung für den Musikzug gefunden. Ich darf zitieren:
Die Schüler profitieren in vielfacher Weise von einer in tensivierten musikalischen Ausbildung. Musizieren – ob alleine oder in der Gruppe – macht nicht nur Spaß, son dern fördert die Konzentrationsfähigkeit, das Selbstver trauen und die Präsentationskompetenz. Durch das ge meinsame Musizieren im Unterricht und in den AGs wer den die sozialen Kompetenzen gestärkt. Einfühlungsver mögen und gegenseitiger Respekt sind Grundlagen der musikalischen Arbeit in der Gruppe.
Oder wie es der Ulmer Hirnforscher Professor Manfred Spit zer sagte: „Musik macht die Menschen schlauer.“
Vor weiteren nicht abgestimmten Entscheidungen wäre es al so vielleicht besser, einmal ein Musikinstrument in die Hand zu nehmen oder kräftig zu singen – natürlich mit Abstand.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Singen und Blasmusik dürfen an unseren Schulen nicht verstummen. Ja, das stimmt. Ich freue mich, dass hierüber Konsens zwischen allen Betei ligten besteht.
Ich bin selbst begeisterter Musiker, singe und spiele Jazz – nicht hier und heute –, und ich singe auch in einem Chor.
Was begeistert mich so am Singen? Singen verbindet. Ganz gleich, woher man kommt, ganz gleich, welche Erfahrungen man gemacht hat, wenn man gemeinsam singt, schafft das Nä he und baut Brücken zueinander, zu anderen Kulturen, zum eigenen Inneren. Musikalische Bildung ist essenziell für die menschliche Entwicklung, sie ist Nährboden für Selbstbe wusstsein, für soziale Empfindsamkeit, für Aufmerksamkeit. Künstlerisches Schaffen, gleich, auf welchem Niveau, regt die Fantasie an und wirkt auf vielen Ebenen positiv, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.
Musikalische Erlebnisse wie Chor- und Orchesteraufführun gen, Musicals und vieles mehr bereichern den Schulalltag, können mitreißen und anspornen. Das gilt für diejenigen, die auf der Bühne stehen, genauso wie für die Zuhörenden. Ge rade in Zeiten, die durch monatelanges Abstandhalten und das Vermeiden menschlicher Kontakte geprägt sind, können Kul tur und insbesondere die Musik den Menschen so viel geben.
Die Nähe, die Musik schafft, versetzt uns in die Lage, den durch den physischen Abstand entstehenden Mangel zu über winden.
Besonders an unseren Schulen hilft das gemeinsame Musizie ren beim Sozialisierungsprozess und fördert die Schulgemein schaft. Singen schafft ein psychisches Wohlbefinden und ist zudem der Gesundheit förderlich. Wir haben es gerade wie der gehört. Eine Studie der Universität Hamburg beweist bei spielsweise, dass beim gemeinsamen Chorsingen das „Ku schelhormon“ Oxytocin ausgeschüttet wird,
Wir wollen hier nicht schneiden, wir wollen verbinden. – Anstatt also das Singen und die Blasmusik gänzlich zu ver bieten, sollten wir im Gegenteil nach Wegen suchen, die mu sikalische Praxis an Schulen unter Pandemiebedingungen zu ermöglichen.
Es gibt bereits zahlreiche Studien zu diesem Thema, auf die sich beispielsweise auch das Kunstministerium bei seinen Empfehlungen für den Probenbetrieb von Chören und Blas musikvereinen stützt. Die wichtigsten Erkenntnisse der Stu die möchte ich ganz kurz mit Ihnen teilen: Uns allen ist be kannt, dass das Infektionsrisiko an der frischen Luft deutlich geringer ist als in geschlossenen Räumen. Daher ist es bei gu tem Wetter – damit meine ich: eigentlich bei jedem Wetter, außer bei Regen – möglich und auch sinnvoll, an der frischen Luft zu musizieren.
Das führt mich zum nächsten Punkt. Allein durch regelmäßi ges und gründliches Lüften kann das Risiko beim Musizieren
in geschlossenen Räumen wesentlich reduziert werden. In ei ner gemeinsamen Studie des Bayerischen Rundfunks mit dem Universitätsklinikum Erlangen und dem Universitätsklinikum München wird eine Stoßlüftung nach ca. zehn Minuten Pro be empfohlen. Wir sollten es den Musikpädagoginnen und -pädagogen an den Schulen zutrauen, diese Lüftungsinterval le, wie auch die anderen Hygienebedingungen, einzuhalten.
Ein weiterer Punkt sind die Abstandsregelungen. Hierzu gibt es unterschiedliche Studien. Zu einem Mindestabstand von 2 m rät beispielsweise das Freiburger Institut für Musikerme dizin an der Hochschule für Musik Freiburg, das die Luftbe wegung sowohl bei Sängerinnen und Sängern als auch bei ver schiedenen Blasinstrumenten gemessen hat. Bieten die Klas senzimmer oder Musiksäle der Schulen nicht die hierfür er forderliche Größe, kann man möglicherweise in die Schulau la oder in die Sporthalle ausweichen. Allen Studien ist gemein, dass sie zeigen, wie unter Beachtung verschiedener Parame ter das gemeinsame Singen und das Spielen von Blasinstru menten auch in Zeiten des Coronavirus möglich sind.
Ich gehe davon aus, dass sich das Ministerium für die Zeit nach den Ferien in den Schulen an die Praxis, die bereits jetzt in den Musikschulen ausgeübt wird, anlehnen wird – so, wie es unsere bildungspolitische Sprecherin in einem Schreiben an die Ministerin gefordert hat. Beispielsweise sind in den Musikschulen Gruppen mit bis zu 20 Personen erlaubt. Auch hier gilt der Mindestabstand von 2 m beim Unterricht im Ge sang und in Blasinstrumenten. In der entsprechenden Coro na-Verordnung, die vom Kultus- und vom Sozialministerium erlassen wurde, wird die Installation einer durchsichtigen Schutzwand zwischen jeder Schülerin oder jedem Schüler und der Lehrkraft empfohlen.
Nicht nachvollziehbar erschiene mir auch, warum verschie dene Jahrgangsstufen nicht gemeinsam miteinander musizie ren sollten. Mit diesem Verbot würde Schulchören, Schulor chestern, Big Bands und anderen Ensembles die Grundlage entzogen. Ebenso würde auch das gemeinsame Theaterspiel, beispielsweise in einer Theater- oder Musical-AG, unmöglich gemacht. Ich habe aber vorhin von der Ministerin gehört, dass sie sagte, die AGs seien nach den Ferien nicht gefährdet, so dass ich annehme, dass dies auch hierfür gilt und dass die jahr gangsübergreifende gemeinsame Arbeit erlaubt wird. Davon gehe ich jetzt einmal aus – oder ich habe etwas falsch verstan den.
Welchen Sinn hätte es, wenn Kinder in einem Freizeitchor un ter den genannten Hygienemaßnahmen gemeinsam singen dürften, aber nicht im Schulchor? Wenn sie auf dem Weg zur Schule im selben Bus fahren, wenn sie in den Ferien in den Lernbrücken oder auch zu Hause im privaten Raum in Kon takt zueinander kommen, warum dann nicht auch in der Schule?
Hier sieht man, wie wichtig es ist, dass Anweisungen und Ver ordnungen konsistent und nachvollziehbar sind.
Fehlt diese Qualität, ist es natürlich schwer bis nahezu unmög lich, die Einhaltung von Restriktionen einzufordern.
Unter dem Gesangs- und Musizierverbot hatten vor allem die jenigen Kinder und Jugendlichen zu leiden, die aus Haushal ten kommen, in denen Musizieren nicht zum Alltag gehört.
Für sie ist ein ganz wichtiger Ausgleich einfach weggefallen. Ich hoffe, dass das nach den Ferien wieder funktionieren wird.
Mit dem Verzicht auf nahezu jegliche praktische musikalische Tätigkeit im Rahmen der Schule wären auch die Ergebnisse jahrelanger hervorragender Arbeit von Musikpädagoginnen und -pädagogen gefährdet. Einen Chor oder ein Orchester kann man nicht einfach so wieder aus dem Boden stampfen, wenn er oder es einmal weg ist.
Ich freue mich umso mehr, dass nun, nachdem der Posaunen schall aus den Verbänden überall im Land das Kultusministe rium erreicht hat, dort der Mut aufgebracht wird,
die getroffene Entscheidung zu revidieren. Man konnte es heu te in der Zeitung lesen: Musik-AGs, das Singen in der Schu le und das Spielen von Blasinstrumenten werden ab dem kom menden Schuljahr – selbstverständlich unter Einhaltung der erforderlichen Hygienebedingungen – wieder zugelassen.