Es muss ja auch für die Zeit nach den Sommerferien noch et was übrig bleiben. Insofern glaube ich, dass die Debatte an dieser Stelle weitergeht.
Herr Dr. Kern, ich weiß, dass Ihnen das Thema Referendare sehr am Herzen liegt. Aber ich bitte die Wirtschaftspartei FDP einfach mal, eine Umfrage bei den eigenen Mitgliedern zu machen und sie zu fragen, ob es irgendein Unternehmen gibt, das jemanden am 1. August eines Jahres einstellt, obwohl man weiß, dass man ihn erst ab dem 15. September brauchen wird.
Ich kenne keinen einzigen Arbeitsvertrag, der so funktioniert, dass man sagt: „Ich gebe dir einfach mal sechs Wochen lang Geld, und wenn du dann da bist, ist es gut.“ Deswegen kann ich die Debatte, die ausgerechnet von Ihnen ausgeht, nicht wirklich verstehen.
Was das Stichwort „1 Gbit/s“ angeht, wissen Sie selbst, wie viel ein 1-Gbit/s-Anschluss ist. 6 000 von 9 000 km Breitband kabel wurden allein in dieser Legislaturperiode verlegt. Wir haben dafür über 1 Milliarde € ausgegeben, und wir arbeiten weiter daran.
Was die Endgeräte betrifft – Sie haben gesagt, man solle doch endlich die Endgeräte zur Verfügung stellen –: Sie wissen selbst besser als viele andere in diesem Saal, dass wir 130 Mil lionen € zur Verfügung stellen, um Endgeräte zu bestellen, und zwar nicht im nächsten Jahr, sondern für das nächste Schuljahr. Dadurch, dass der Weg hierfür nun frei ist und die Geräte sofort bestellt werden können, ist auch an dieser Stelle tatsächlich ein Meilenstein gesetzt. Insofern ist es manchmal besser, nicht alles schlechtzureden.
Sehr geehrter Herr Dr. Fulst-Blei und auch Herr Dr. Kern, weil Sie mir eine andere Realität unterstellt haben: Meine Realität stammt aus Telefonaten, aus Videokonferenzen, aus persönli chen Besuchen bei Schulen. So, wie Sie vorhin von dem al leinerziehenden Vater berichtet haben, so ist auch das, was ich sage, das Ergebnis eigener Recherchen. Vielleicht sollten wir die unterschiedlichen Rechercheergebnisse einmal zusammen werfen.
Nachdem wir jetzt alle erkannt haben, dass nicht zuletzt durch das Agieren der Landesregie rung Lernzeit in erheblichem Maß verloren gegangen ist, stel len wir fest, dass bedeutsame Schritte zur Arbeit mit digitalen Hilfsmitteln an den Schulen durchgeführt worden sind – und zwar von den Lehrern, nicht vom Kultusministerium.
Deshalb erstens unsere Forderung: Die Digitalisierung von Bildungsplattformen muss vorangebracht werden, um im Fal le der erneuten Schließung einer Schule oder einzelner Klas sen das Lernen online stattfinden lassen zu können.
Zweitens müssen, damit in Zukunft das Lernen eigenverant wortlich und individuell erfolgen kann, die Lerninhalte ver bindlich vorgegeben werden, und sie müssen durch Tests ab gefragt werden können.
Drittens: Stellen Sie endlich in den Sommerferien, nicht zu letzt für Ihre geliebte Lernbrücke, die ausgebildeten Lehrkräf te und Referendare fest ein. Dann haben Sie wenigstens an dieser Stelle etwas Vernünftiges getan.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Frau Kultusministerin, in der Tat ha ben Sie und die FDP eine deutlich unterschiedliche Wahrneh mung, was den Stand der digitalen Bildung in Baden-Würt temberg angeht. Ich sage nur: Schlusslicht mit Sachsen-An halt, was das schnelle Internet in Baden-Württemberg und in den Schulen angeht. Das darf nicht ausreichen; damit darf man sich nicht zufriedengeben. Hier müssen Sie deutlich mehr tun.
Diese Istsituation ist nicht nur so. Sie dürfen sich damit nicht zufriedengeben, sondern müssen deutlich mehr machen. Ihre Luftschlösser, was die digitale Bildung angeht, bauen Sie er staunlich stabil.
Zum Thema „Arbeitslosigkeit in den Sommerferien“ darf ich Ihnen, wenn Sie schon der FDP da nicht glauben, etwas sa gen. Der Beamtenbund hat am 15. Juli dieses Jahres eine Pres semitteilung herausgegeben, in der er dringend an Sie appel liert, diese unsägliche Arbeitslosigkeit bei den angestellten Lehrerinnen und Lehrern und Referendaren zu beenden. Ich zitiere:
Baden-Württemberg ist laut einer Studie der Bundesagen tur für Arbeit mit Abstand das Bundesland, das die meis ten angestellten Lehrerinnen und Lehrer während der Sommerferien in die Arbeitslosigkeit schickt, um sie zum neuen Schuljahr erneut in den Schuldienst zu überneh men.
„Wer von Wertschätzung jener spricht, die während der Pandemie sich für die Gesellschaft engagieren, darf Leh rerinnen und Lehrer nicht ausgrenzen.“ Jetzt, wo coro nabedingt zusätzlich Lehrkräfte für den Präsenzunterricht
fehlten, sei es an der Zeit, alte Spargewohnheiten zulas ten angestellter Lehrkräfte sowie Referendarinnen und Referendaren endlich über Bord zu werfen. Daran festzu halten sei hingegen nichts anderes als mangelnde Wert schätzung der Betroffenen, die das Land in Zeiten der Co rona-Pandemie mehr denn je brauche.
Dem ist wenig hinzuzufügen. Die Koalition könnte, wenn sie wollte, in dieser Zeit diesen unwürdigen Zustand beenden.
Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 1 unserer Tagesordnung er ledigt.
Aktuelle Debatte – Musikland Baden-Württemberg in Ge fahr – Singen und Blasmusik dürfen an unseren Schulen nicht verstummen! – beantragt von der Fraktion der FDP/ DVP
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Musik wäre es ganz schön leise. Nach dem Lockdown, wie wir ihn alle er lebt haben, gibt es erfreulicherweise wieder die ersten zarten musikalischen Aktivitäten im Musikland Baden-Württemberg. Darüber freuen wir uns natürlich sehr.
Wir, die FDP/DVP-Landtagsfraktion, erkennen auch an, dass das Land bemüht ist, die vielfältigen musikalischen Aktivitä ten zu unterstützen. Wir danken ausdrücklich allen in Musik, Kunst und Kultur Engagierten, die in der Coronakrise über viele Monate sehr verantwortungsvoll agiert haben, aber nach wie vor eine sehr schwierige Situation haben.
Gerade weil es aber so extreme und existenzgefährdende Rah menbedingungen sind, muss das staatliche Handeln besonders sensibel und umsichtig sein.
Niemand will die völlige Freigabe, aber wir brauchen eine gu te Balance zwischen Verantwortung für den Gesundheits schutz und Musikausbildung.
Daher ist nicht passend gewesen, wie die Vorgaben des Kul tusministeriums für den Regelbetrieb in den Schulen unter Pandemiebedingungen geregelt waren: Singen in geschlosse nen Räumen ist ausgeschlossen. Auch die Verwendung von Blasinstrumenten ist im Schuljahr 2020/2021 an den Schulen des Landes Baden-Württemberg nicht gestattet.
Das sorgte für eine landesweite Verunsicherung in den Schu len. Der Bildungsplan hätte nicht mehr erfüllt werden können. Die Kernfächer würden nicht mehr vermittelt, Gesangsklas sen wären tabu, Schülerinnen und Schüler, die im nächsten Jahr in den Fächern Gesang oder Blasinstrument für das Ab itur Prüfungen hätten ablegen wollen, hätten sich oder haben sich bereits jetzt große Sorgen gemacht. Das Kerncurriculum des Schulfachs Musik umzusetzen wäre nicht mehr möglich gewesen.
Das hat nicht nur die FDP/DVP-Landtagsfraktion gewundert. Es war nicht nachvollziehbar, warum in den Schulen nicht möglich sein sollte, was in den Musikschulen möglich war, was in den Musikhochschulen möglich war und was für die Vereine und Kirchen möglich war.
Insofern danken wir der Ministerin, Ihnen, liebe Frau Eisen mann, dass Sie gestern an die Öffentlichkeit gegangen sind und eingelenkt haben. Die vielen besorgten Rückmeldungen, die wir erhalten haben, die vielen Proteste, die Petitionen und nicht zuletzt die Beantragung dieser Aktuellen Debatte durch die FDP/DVP-Landtagsfraktion haben hierzu sicherlich ent scheidend mitgeholfen. Sie haben jetzt und heute Gelegenheit, dem Parlament und der Öffentlichkeit die weiteren Schritte zu erklären.
Trotzdem bleibt Kritik an der Art und Weise dieses unsensib len Vorgehens. Es lagen Vorschläge auf dem Tisch. Mit einer besseren Einbindung der Schulen und Musikexperten hätte es erst gar nicht so weit kommen müssen. Ich bin wirklich sehr beeindruckt von den konstruktiven und verantwortungsvollen Lösungsansätzen, von denen ich in den Gesprächen, die ich in den letzten Wochen mit Schulen und Musiklehrern geführt habe, gehört habe. Dafür sage ich herzlichen Dank. Sie sor gen mit dafür, dass Baden-Württemberg weiterhin Musikland bleibt.
Herzlichen Dank auch an den Landesmusikrat, den Landes musikverband, den Landesverband der Musikschulen und den Bundesverband Musikunterricht für ihre wichtigen und sehr hilfreichen Impulse in dieser Sache.
Dennoch bleiben einige Fragen. Ich habe in der „Stuttgarter Zeitung“ gelesen, dass Sie, Frau Ministerin, gesagt haben, man sei aktuell an Lösungen dran. Das wundert uns schon, weil die Lösung im Grunde genommen auf dem Tisch liegt. Seit dem 25. Juni 2020 gibt es die Corona-Verordnung für Mu sik-, Kunst- und Jugendkunstschulen. Insofern könnten Sie hier heute sagen: Wir wenden diese Corona-Verordnung, die es seit Wochen gibt, auch für die Schulen an.
Dann brauchten Sie nicht an Lösungen zu arbeiten. Dann könnten Sie auch gleich in die Umsetzung gehen. Lieber Herr Röhm, Sie kennen diese Corona-Verordnung ja auch.
Sie wird mit Erfolg angewendet und könnte im Grunde ge nommen ab morgen, also noch vor den Sommerferien, als Grundlage für die Schulen in Baden-Württemberg dienen.