Schule ist mehr als Wissensvermittlung, sie gibt Struktur und ist auch elementar für die Persönlichkeitsentwick lung der Kinder und Jugendlichen und ein soziales Mit einander.
und ergänze: Gerade die kulturelle Bildung spielt hierbei ei ne wesentliche Rolle. – Da geben Sie mir recht, sehe ich. Sehr schön.
Nicht umsonst hatte das Land im Jahr 2010 einen Fachbeirat ins Leben gerufen, der sich mit dem Angebot und den Erfor dernissen der kulturellen Bildung befasst hat. In den Empfeh lungen des Fachbeirats, die die beiden betroffenen Ministeri en feierlich entgegengenommen haben, hat neben der musi kalischen und künstlerischen Bildung in der Schule auch die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kulturinstitutionen einen hohen Stellenwert.
Hierzu gehört, dass Schulklassen Theateraufführungen und Konzerte besuchen. Doch auch das ist ihnen derzeit verboten, obgleich sich die Institutionen mühevoll mit den Hygienean
forderungen auseinandergesetzt haben und diese mit ihren Hy gieneplänen akribisch erfüllen. Dafür steht das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gerade. Es bleibt mit hin die Frage im Raum, warum dieses Verbot vonseiten des Kultusministeriums weiterhin aufrechterhalten wird.
Wenn ich mir noch etwas wünschen dürfte, dann das, dass endlich auch in den Berufsschulen und in den beruflichen Gymnasien wieder Musik- und Kunstunterricht stattfinden.
Jedem jungen Menschen soll kulturelle Bildung zugutekom men. Das Kompetenzzentrum „Kulturelle Bildung“, das wir in den Koalitionsverhandlungen gemeinsam auf den Weg ge bracht haben, wird in Kürze seine Arbeit aufnehmen. Eine zentrale Erkenntnis wird dabei vermutlich sein, dass es das konstruktive Mitwirken aller Beteiligten braucht, ohne Scheu klappen, ohne Neid und ohne Arroganz, um das Beste zu erzie len, was wir unseren Kindern bieten können: eine wirklich gu te kulturelle Bildung, die das aktive musikalische und künst lerische Tun ebenso umfasst wie das Verstehenlernen von Kunst über die gesamte Schullaufbahn hinweg und auch dar über hinaus.
„Alles muß gehörig singen.“ Das forderte Johann Mattheson 1739 in seinem Lehrwerk „Der vollkommene Capellmeister“. Die Forderung, alles solle singen – alles, nicht alle –, drückt aus, dass Singen die Grundlage jeder Musikausübung ist, auch der Instrumentalmusik. Recht hat der alte Mattheson.
Man muss einmal erfahren haben, wie eine gesangliche Linie entsteht, und gefühlt haben, wie Rhythmus, Artikulation und Dynamik einer Melodie Tiefe geben, um Musik überhaupt verstehen zu können.
Dabei ist Musizieren ein elementares Bedürfnis. Die Stimme ist das erste, was Kinder gebrauchen und ausprobieren. Es macht Spaß zu singen.
Es gehört zur Entfaltung der menschlichen Existenz von den ersten Lautäußerungen an. Musikinstrumente sind neben Jagd werkzeugen die ersten Artefakte, die wir kennen. Denn Mu sik begeistert, sie beseelt und belebt, und sie prägt jeden von uns. In einem Satz: Singen und Musizieren sind unentbehrli che Bestandteile jeder ganzheitlichen Bildung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie merken es schon: Ich stehe heute auch als Lobbyist der Musik in Baden-Würt temberg vor Ihnen – als Dirigent und als Übungsleiter, was die Musikerziehung und die Amateurmusik betrifft
Sie müssen nicht singen –, als Musikwissenschaftler und Leiter des Karlsruher Max-Reger-Instituts auch für die Hoch kultur.
Ja, das Musikland Baden-Württemberg ist in Gefahr – aber in anderer Hinsicht, als der Titel suggeriert.
Es ist in Gefahr durch ein Virus, das das gemeinsame Singen und Musizieren massiv einschränkt, durch ein Virus, das auch die üblichen Konzertformate unmöglich macht. Klar ist: Vor schnelle Öffnungen können für das Musikland Baden-Würt temberg ebenso verheerende Folgen haben wie ein langer Lockdown.
Das ist also eine höchst prekäre Lage für Chöre und Orches ter, für Konzertveranstalter, für Theater und für die Vereine. Und es ist eine Belastung für unsere gesamte Gesellschaft. Das ist so – aber nicht, weil sich das eine amusische Landes regierung so ausgedacht hätte. Ganz im Gegenteil: Auf diese Landesregierung und unsere CDU-Fraktion kann sich das Mu sikland Baden-Württemberg verlassen.
Ich zähle es Ihnen auf. Wir haben gerade in diesem Haushalt die Mittel für Musik- und Kunstschulen aufgestockt – von 10 auf 12,5 % der Kosten für das pädagogische Personal.
Wir stärken den Landesmusikrat und seine Projekte. Wir un terstützen das Zertifizierungsprogramm der Landesakademie in Ochsenhausen für Grundschullehrer, da ein Mangel besteht. Wir entwickeln Modelle für außermusikalische Musikange bote an beruflichen Schulen. Wir haben die Übungsleiterpau schale erhöht und stützen aktuell die Vereine. Wir bezuschus sen den Ausbau der Akademien in Plochingen und Staufen. Und Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland – das einzige Bundesland! –, das während der Coronakrise die So loselbstständigen, das heißt freischaffende Künstler und Mu siklehrer, mit 1 180 € im Monat stützt.
(Beifall – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Weitere Zurufe, u. a.: Das muss man sich einmal vor stellen! – Das ist einmalig! – Sehr gut!)
Dem Titel der Aktuellen Debatte dagegen entnehme ich, dass vielleicht jemand das Musikland Baden-Württemberg zur Dis position stellt. Das ist nicht der Fall. Es besteht eine Diver genz zwischen tatsächlicher Lage, zwischen real zu führender Diskussion und dem etwas aufgeregten Tonfall des Titels.
Wie ist denn die Lage? Wir tragen Verantwortung für die Bür gerinnen und Bürger. Es geht um kluge Regelungen für die ganze Gesellschaft, aber im Verantwortungsbereich des Kul tusministeriums für anderthalb Millionen Schülerinnen und Schüler und für über 140 000 Lehrkräfte. Es geht um konkrete Fragen: Welche Ansteckungsgefahren bestehen? Mit welcher Wahrscheinlichkeit? Welche Annahmen zu Übertragungswe gen bestätigen sich und welche nicht? Dann ist abzuwägen: Wie schaffen wir mit einem durchdachten Schulunterricht bes te Chancen für die Schülerinnen und Schüler statt beste Chan cen für das Virus?
Auf der Grundlage der bisherigen Risikoeinschätzungen wur den restriktive Vorgaben gemacht. Inzwischen liegt uns eine aktualisierte Stellungnahme des Freiburger Instituts für Mu sikermedizin vor. Sie erlaubt uns, neue Schlussfolgerungen zu ziehen – Schlussfolgerungen, die übrigens auch andere Länder gezogen haben.
So wird es auch im weiteren Verlauf der Pandemie sein. Das Leitmotiv „Im Zweifel für die Vorsicht“ bedeutet auch: Wenn die Risikoeinschätzungen günstiger ausfallen, kann man das Vorgehen anpassen.
Nichts anderes haben wir, die Regierungsfraktionen, bisher getan. Wir haben den Menschen viele Einschränkungen zu muten müssen. Wir haben der Öffentlichkeit jederzeit reinen Wein eingeschenkt. Wir haben uns an wissenschaftliche Er kenntnisse gehalten und niemandem nach dem Mund geredet. Und wir haben Führung übernommen. Die Menschen erken nen das, und deshalb ist die Zustimmung groß.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde schon ge sagt: Wir haben sinnvolle Regelungen für die Musikschulen in diesem Land gefunden. Es gibt Obergrenzen für Gruppen: 20 Personen an der Zahl. Es werden Abstände definiert: 2 m für Sängerinnen und Sänger sowie Blasmusikerinnen und Blasmusiker; denn hier besteht die Gefahr. Und es muss in tensiv gelüftet werden.
Aus meiner eigenen Erfahrung als Orchesterleiter sage ich Ih nen: Bei aller Differenz zum Normalbetrieb kommt man mit diesen Regelungen in der Praxis gut zurecht.
Deshalb halten wir es auch für sinnvoll, für Chöre und En sembles eine Anpassung der Corona-Verordnung für die Mu sikschulen und den allgemeinen Schulbetrieb herzustellen – wissend, dass die Unterrichtsvoraussetzungen für Schulen und Musikschulen ähnlich, aber keineswegs gleich sind.
Klar ist: Wo Abstände nicht einzuhalten sind, wo die räumli chen Voraussetzungen eben nicht passen, gilt immer das Vor sichtsprinzip. Die Kollegien und Schulleitungen in unserem Land haben in der Coronazeit viele kreative und sinnvolle Lö sungen gefunden, die auf die Situation vor Ort zugeschnitten sind. Ich bin sicher: Dieser Verantwortung werden sie auch hier gerecht.
Darüber hinaus ist jede weitere Vorsichtsmaßnahme gut, et wa das Tragen eines Mundschutzes beim Singen oder das
Summen bzw. Mitsummen in der Klasse im eigentlichen Mu sikunterricht, gut gelüftete Räume und CO2-Messgeräte als Indikatoren für verbrauchte Luft und, ganz vorneweg, kurze Einheiten und das Bilden kleinerer Gruppen.