Da hätten Sie bei Ihrer Ministerin einen Zwischenruf ma chen müssen. Denn diese hat da noch gar nicht gewusst, dass sie einen rechtlichen Rahmen setzen muss; sie hat nur einen gefordert.
Von Ihnen werden Briefchen an die Kommunen geschrieben, in denen es heißt, Sie wollten plötzlich nur noch „sorgsam be gleiten“. Es ging nicht um sorgsame Begleitung. Es ging um Führung in der Krise, und genau die wurde nicht ausgeübt.
Die Kommunen brauchten von Ihnen derzeit höchstens einen Brief, in dem Sie sich für die Ministerin entschuldigen,
Die Städte und Gemeinden haben Ihnen schon vor Wochen gesagt, dass Sie keine Erwartungen wecken sollen, die Sie am
Schluss nicht erfüllen können. Sie konnten all das, was Sie an Aussagen ins „Schaufenster“ gestellt haben, am Schluss nicht einhalten.
Aber Sie sind ja nicht allein in der Regierung. Da ist ja auch noch die grüne Fraktion, die stärkste Fraktion im Landtag. Diese hat sich dann beteiligt, indem sie am vergangenen Frei tagnachmittag die Kitas angeschrieben und gefragt hat, was man denn so brauche, um wieder zu einer Öffnung zurückzu kehren.
Man muss sich das einmal vorstellen: Am vergangenen Mon tagmorgen sollten die Kitas öffnen. 90 Stunden vorher fällt der Ministerin ein, zu sagen, dass es nicht so schnell gehe. 70 Stunden vorher fällt den Grünen ein, dass man mal nachfra gen könnte, wie eine Öffnung aussehen sollte. 40 Stunden vor her wird die entsprechende rechtliche Regelung gemacht.
Dazwischen liegt nur noch der Sonntag. Da rennt die Minis terin mit einer Eierschachtel in den Wald, um mal zu erklären, wie schön es ist, wenn die Eltern mit den Kindern im Wald Sachen aufsammeln. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Frau Minis terin: In dieser Krise wird mehr erwartet, als dass Sie eine Ei erschachtel liefern.
In dem Moment, in dem Sie in die Kitaschließung gingen, wussten Sie, dass es Tage X geben wird, an denen man stu fenweise wieder öffnet. Von Anfang an hätten Sie Gespräche führen können – mit den Erzieherinnen und Erziehern, die sich zu Recht Sorgen machen, mit den Eltern, mit den Trägern vor Ort –, um entsprechende Pläne aufzulegen. All das ist nicht passiert. Sie haben Politik per Pressemitteilung gemacht und sich außerdem munter um alle anderen Themen im Land ge kümmert. Aber die Kinder, die wieder in ihre Kita wollen, zah len am Schluss den Preis dafür.
Frau Eisenmann, dieses Land stellt sich der größten Krise sei ner Geschichte, und zwar generationenübergreifend und soli darisch. Die heutigen Kinder, die dieses Land in Zukunft stem men werden, haben eine zuständige Ministerin erlebt, die sich für alles interessiert, nur nicht dafür, dass sie wieder eine ge öffnete Kita besuchen können. Das ist ein schwerer Schaden für die Politik in unserem Land.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Kinder und Jugendliche sind system relevant. Sie und ihre Familien haben Anspruch auf unsere Solidarität und auf gezielte Unterstützung mit und nach Co rona. Wir haben in dieser Krise in vielen Bereichen schnell, engagiert und wirkungsvoll gehandelt, um die Menschen vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen und die wirtschaftli
chen Folgen der Coronakrise abzumildern. Darauf und auf die vielen verständigen Menschen in unserem Land können wir zu Recht stolz sein.
Zur Risiko-Nutzen-Abwägung gehört jedoch immer auch die ehrliche Betrachtung der Nebenwirkungen, die alle politischen Entscheidungen haben. Gerade weil uns Kinder und Jugend liche besonders am Herzen liegen, ist es an der Zeit, eine ers te Bilanz der sozialen und emotionalen Folgen zu ziehen und daraus zu lernen. Denn die Krise ist trotz aller Erfolge noch lange nicht überstanden.
Umso wichtiger ist es, dass wir auf die Verletzlichsten in die ser Gesellschaft schauen, dass wir kein Kind zurücklassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein kritischer Blick ist des wegen keine Majestätsbeleidigung, sondern Voraussetzung für gemeinsames Lernen. Ob es dafür immer Ihres rhetori schen Holzhammers bedarf, lieber Kollege Born, darf aller dings bezweifelt werden. Sie erinnern mich an ein Sprichwort, das der legendäre Psychologe Paul Watzlawick gern zitiert hat.
Wir sagen: Klartext und lösungsorientierte Verantwortlichkeit schließen sich nicht aus, sie gehören zusammen.
Zum Klartext gehört: Viele Kinder und Jugendliche verkraf ten die besonderen Belastungen der Coronakrise relativ gut, andere keineswegs.
Kindern und Jugendlichen fehlt bei geschlossenen Kitas und Schulen nicht nur das Lernumfeld, sondern auch die ganzheit liche Förderung. Frühkindliche Bildung hat durch den Drei klang aus Bildung, Erziehung und Betreuung eine enorme Be deutung für die späteren Lebenschancen. Lange versäumte Zeiträume schlagen sich dementsprechend nieder.
Die Gewaltambulanz Heidelberg geht infolge der Kontaktbe schränkungen von einer Verdreifachung der Zahl der Kindes misshandlungen aus.
Ich komme dazu. – In sozialer Isolation steigt für Kinder und Jugendliche zudem das Risiko, Opfer sexualisierter Ge walt zu werden – im persönlichen Umfeld wie im Internet.
Selbst für die große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen, denen es zu Hause richtig gut geht, ist die Belastungsgrenze oft erreicht oder überschritten, ebenso wie für ihre mit Home office und Homeschooling oft mehrfach geforderten Eltern. Deshalb ist es gut, dass Schulen, Kitas und andere Angebote nun nach den Kriterien des Infektionsschutzes Schritt für Schritt wieder geöffnet werden können.
Es liegt in der Verantwortung des Landes, diesen Prozess zu begleiten und mitzugestalten – mit einem strukturierten Dia log mit den Kommunen, den Schulen, den Eltern und den frei en Trägern. Wir brauchen also mehr als die Verständigung auf einen rechtlichen Rahmen, den die Verantwortlichen vor Ort dann irgendwie ausfüllen müssen.