Protocol of the Session on May 20, 2020

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Walker.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in drit ter Lesung die Aufnahme der Schuldenbremse in die Landes verfassung. Änderungen der Landesverfassung bedürfen ei ner qualifizierten Zweidrittelmehrheit, und sie müssen in drei Lesungen beraten werden. Das sind hohe Hürden, die zeigen,

welche Bedeutung die heutige Beratung und auch die Abstim mung haben.

Die Debatten heute haben sich ausschließlich um die Corona krise gedreht. Die Coronakrise zeigt, welche dramatische Bri sanz die Verankerung der Schuldenbremse in unserer Landes verfassung in den letzten Monaten bekommen hat.

Kaum jemand hätte sich vor wenigen Wochen noch vorstel len können, wie sich eine so massive weltweite wirtschaftli che Krise, die wir jetzt erleben, entwickeln könnte. Deutlich wird das jetzt in den letzten Tagen durch die Steuerminder einnahmen, die wir hier im Land Baden-Württemberg zu ver zeichnen haben, von über 3 Milliarden € im Landeshaushalt 2020. Weitere Milliarden werden es im kommenden Jahr sein.

Die Coronapandemie zeigt uns also, wie schnell sich finanz politische Rahmenbedingen um 180 Grad drehen können. Ich bin froh, dass wir in den letzten Jahren, in denen das Land fi nanziell sehr gut dastand – das wissen wir alle –, konsequent Risikovorsorge betrieben haben, Schulden abgebaut haben und natürlich auf der Basis unserer guten Landeshaushalts ordnung mit anspruchsvollen Tilgungsverpflichtungen dafür gesorgt haben, dass wir jetzt ausreichend finanzielle Hand lungsspielräume haben, meine Damen und Herren.

(Beifall – Zuruf: Sehr gut!)

Heute können wir froh sein, dass wir die Schuldenbremse des Grundgesetzes Ende letzten Jahres in die Landeshaushaltsord nung aufgenommen haben. Nur durch diese gesetzliche Ände rung hatten wir jetzt die Möglichkeit, in Notsituationen, bei Naturkatastrophen und in einem konjunkturellen Abschwung, den wir jetzt erleben, vom Verschuldungsverbot abzuweichen.

Diese Ausnahmen haben in den letzten Wochen ihre erste gro ße Bewährungsprobe bestanden, würde ich sagen, und sie ge ben uns in den nächsten Monaten die Sicherheit, haushaltspo litisch handlungsfähig zu sein und zu bleiben.

(Beifall)

Das ist der große Unterschied zur sogenannten schwarzen Null. Die Schuldenbremse verleiht uns, dem Haushaltsgesetz geber, die nötige Flexibilität, um angemessen auf Notlagen und auch auf konjunkturelle Sondersituationen reagieren zu können.

Wir müssen dabei aber auch die Zukunft im Blick behalten, und genau das leistet die Schuldenbremse, die wir heute in der Verfassung verankern wollen. Schulden müssen immer in ei ne Politik eingebettet sein, die dafür sorgt, dass auch künfti ge Generationen noch Gestaltungsspielräume haben. Die Schul denbremse gibt hierzu kluge Vorgaben für Tilgungsverpflich tungen und Tilgungspläne.

Bei alldem – das zu betonen ist mir wichtig – ist die Schul denbremse eben kein Hemmnis für öffentliche Investitionen. Das zeigen auch namhafte wissenschaftliche Untersuchungen der vergangenen Jahre. Aber klar ist auch: Die Schuldenbrem se verpflichtet dazu, Prioritäten zu setzen, verantwortlich zu haushalten und eine kluge Steuer- und Wirtschaftspolitik zu betreiben, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Ich halte daher nichts von der in diesen Tagen auch immer wieder zu hörenden These, dass der staatlichen Verschuldung keine Grenzen gesetzt werden sollten. Das funktioniert schon politisch nicht, das funktioniert aber auch ökonomisch nicht und auch nicht ökologisch. Eine ungebremste Verschuldung ist eine waghalsige Wette auf ewig niedrige Zinsen, und sie macht uns dauerhaft von Wachstum abhängig. Deshalb ist ei ne Schuldenbremse sinnvoll und wichtig und verdient auch Verfassungsrang.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Anlauf bis zu dieser heu tigen dritten Lesung und der letzten Abstimmung zur Aufnah me der Schuldenbremse in unsere Landesverfassung war lang. Es war auch eine Kraftanstrengung; es gab viele Sitzungen, Beratungen. Aber ich denke, das Ergebnis kann sich am En de sehen lassen und verdient wirklich eine breite Zustimmung hier im Plenum.

Ich möchte mich herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU, der SPD und auch der FDP/DVP für das gemein sam erarbeitete Ergebnis bedanken. Ich danke der Finanzmi nisterin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die wichtigen Vorarbeiten und die gute Zusammenarbeit in den Arbeitskreissitzungen und darüber hinaus. Außerdem danke ich dem Rechnungshof für die konstruktive Zusammenarbeit und die wichtigen Anstöße und Debattenbeiträge, die er uns auf dem Weg zu diesem Gesetzentwurf geliefert hat.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Nun hat das Wort Herr Abg. Tobias Wald für die CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir heute in dritter Le sung beraten und anschließend beschließen, dürfen wir durch aus als historisch bezeichnen: Wir schreiben die Schulden bremse in unserer Landesverfassung fest. Nachhaltiges Haus halten erhält in Baden-Württemberg endlich Verfassungsrang, und somit wird heute auch ein elementarer Baustein unseres Koalitionsvertrags beschlossen. Das haben wir unseren Mit bürgerinnen und Mitbürgern in Baden-Württemberg verspro chen, und das halten wir auch. Heute ist ein guter Tag für Ba den-Württemberg und ein sehr guter Tag für die jüngere Ge neration in unserem Land.

Meine Damen und Herren, ein sehr langer Prozess liegt hin ter uns. Vor zehn Jahren wurde im Grundgesetz die Schulden bremse verankert. Dies war seinerzeit eine wichtige Leitplan ke für die Haushaltspolitik der Zukunft. Die Implementierung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in der Landesverfas sung ist nun d e r Meilenstein in der Geschichte der Haus halts- und Finanzpolitik von Baden-Württemberg.

Wir haben das Gesetzgebungsverfahren in Zeiten steigender Steuereinnahmen begonnen und beenden es in der schlimms ten Krise seit 1945. Die Erfahrungen der letzten Wochen, ja fast Monate – massive Steuereinbrüche, eine starke Rezessi on, ein hoher Anteil an Kurzarbeit, kurzum: die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – haben uns gelehrt: Die Schuldenbremse in unserer Landesverfassung ist wichtiger denn je.

Wir haben in einem geordneten Verfahren mit großer parla mentarischer Mehrheit vorausschauend, mit klaren Tilgungs vereinbarungen eine Kreditermächtigung beschlossen. Dies zeigt: Unser Weg ist richtig und wichtig. Kredite können nur mit einer großen Mehrheit dieses Hohen Hauses aufgenom men werden, und es bestehen klare Vorgaben zur Rückfüh rung der Schulden in einem entsprechenden Zeitraum.

Wir verschieben die Schuldentilgung nicht auf die Zeit, in der unsere Kinder oder Enkel die Verantwortung tragen. Nein, wir nehmen in absoluten Notsituationen zum Schutz unserer Mit menschen und Unternehmen Kredite auf und führen diese in einem überschaubaren Zeitraum auch wieder zurück. Das ist das Gebot der Stunde, und das ist für mich eine nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik. Für die CDU-Fraktion ist das so sicher.

Kreditaufnahmen sind in Notsituationen wichtig, denn sie ver schaffen unserer Wirtschaft Vertrauen in die Politik, sie geben den Menschen in Baden-Württemberg Rückhalt und Sicher heit.

Klar ist für uns, die CDU-Fraktion: In der jetzigen Situation eine Haushaltssperre zu erlassen wäre ein Rückfall in die Zeit der Weimarer Republik.

(Zuruf)

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben auch in der Coronakrise ein klares Finanz- und Haushaltskon zept. Wir handeln verantwortungsvoll und umsichtig, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall)

Für uns ist wichtig, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Deshalb: Der vorliegende Gesetzentwurf zur Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung stellt klare Kriteri en und Bedingungen zur Schuldenaufnahme auf, ohne unse ren Staat handlungsunfähig werden zu lassen.

Klar ist für uns: Wir werden die Schuldenbremse nicht auf weichen. Wir stehen für eine nachhaltige Finanz- und Haus haltspolitik. Wir nehmen damit Rücksicht auf die nächsten Generationen.

Lassen Sie mich zum Schluss Danke sagen. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, der SPDFraktion und der FDP/DVP-Fraktion für die guten und sehr guten interfraktionellen Beratungen.

Danken möchte ich auch unserer Finanzministerin Edith Sitz mann, unserer Finanzstaatssekretärin Gisela Splett sowie al len Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzministerium, die diesen interfraktionellen Dialog stets konstruktiv und fach lich fundiert moderiert und begleitet haben. Ich danke aber auch dem Rechnungshof für seine Mitberatung. Danken darf ich abschließend auch für die guten Beratungen im Finanz- und im Innenausschuss.

Wir haben für unser Land eine sehr gute Lösung gefunden. Darauf können wir alle stolz sein.

Die CDU-Fraktion stimmt dieser Verfassungsänderung zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall – Das Redepult wird desinfiziert.)

Als Nächster hat nun Herr Abg. Stickelberger für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat – – Oh, klebrig.

(Heiterkeit – Zuruf: Das Redepult ist noch feucht!)

Es ist in der Tat ein besonderer Tag des Parlaments, wenn die Verfassung geändert wird. Ich glaube, in den letzten 20 Jah ren war das nicht oft der Fall. Einmal haben wir die Vorschrif ten für Volksabstimmungen und Volksbegehren geändert. Frau Walker, Sie haben zu Recht auf die hohen Hürden hingewie sen: die Zweidrittelmehrheit, die für einen solchen Beschluss erforderlich ist.

Das ist auch ein Ausdruck dafür, dass sich die Regelungen un serer Verfassung offensichtlich bewährt haben. Ich glaube, un serer Verfassung ist auch gebührend Respekt gezollt

(Zuruf: Ja!)

bei der Prüfung und Abwägung entsprechender Änderungen.

Es ist nun weiß Gott nicht so, dass sich diese Verfassungsän derung aufgedrängt hätte. Vorausgegangen ist ein intensiver Diskurs, in dem man sich auch mit kritischen Einwänden aus einandergesetzt hat. Das war kein leichtes Unterfangen. Es gab ja durchaus Bedenken: Reicht es nicht aus, wenn das Grundgesetz geändert wird, also der Bund tätig wird? Ist es sinnvoll angesichts des Investitionsbedarfs insbesondere auch der öffentlichen Hand? Erst recht in Zeiten von Corona: Ist es da sinnvoll, eine Schuldenbremse auch landespolitisch zu ver ankern?

Für uns, die SPD-Fraktion, sind im Wesentlichen vier Punk te für unsere Zustimmung maßgebend.

Aus unserer Sicht ist der Gesetzentwurf Ausdruck einer funk tionierenden föderalen Struktur, einer Struktur, wie sie Arti kel 109 Absatz 1 des Grundgesetzes entspricht, wonach Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig sind.

Deshalb ist es wichtig, dass das Land aktiv an der Weiterent wicklung dieser Finanzverfassung mitwirkt, sich als selbstbe wusstes Land zu seiner eigenen Staatlichkeit bekennt und ei gene Akzente setzt. Das findet Niederschlag in diesem Ge setzentwurf.