Protocol of the Session on September 28, 2016

Ich erinnere mich an alte Akten von 1965, in denen in Brie fen geschrieben stand: „Ich muss leider meinen Arbeitsplatz ablehnen, da ich keine Wohnung in Stuttgart gefunden habe.“ Es handelt sich also nicht um ein neues Phänomen. Dieser per manente Bedarf an Wohnraum ist ein Ausdruck unserer Stär ke.

Mit diesem Thema umzugehen stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen, weil wir natürlich stark gewachsen sind. Allein in der Region Stuttgart sind in den letzten Jahren von 2011 bis 2014 insgesamt 67 000 Menschen zugewandert. Das muss man erst einmal bewältigen.

Dass die Flüchtlinge uns diese Situation noch einmal klarer vor Augen führen und verstärken, liegt auf der Hand. Hier gilt es Antworten zu finden. Einige Antworten sind bereits gege ben worden. Allmählich kommen die Regierungen in Bund und Ländern zu den Handlungen, die wir seitens der FDP seit Langem gefordert haben, nämlich zum einen dafür zu sorgen, dass bei der Verteilung der Flüchtlinge in Europa eine gemein same Politik gefahren wird, und zum anderen, dass – auch da für treten wir ein – Flüchtlinge nicht per se im Land bleiben dürfen. Wenn sie vor einem Krieg flüchten, haben sie den Sta tus eines Menschen, der für die Zeit des Krieges in seinem Heimatland hier in unserem Land Schutz sucht und danach wieder nach Hause geht.

All dies muss in Zukunft sicherlich deutlicher herausgearbei tet werden. Wir werden nicht müde, von der Bundesregierung zu fordern, hier mehr Klarheit zu schaffen; denn die Verunsi cherung im Volk ist natürlich da. Die können wir nicht weg reden.

Die Menschen suchen nach klaren Antworten. Eine klare Ant wort ist für uns: Geben wir den Menschen Schutz, die ihn brauchen, für die Zeit des Schutzbedürfnisses – mit der An sage, dass sie danach wieder in ihre Heimatländer zurückge hen –, und schaffen wir endlich ein Einwanderungsgesetz nach dem Vorbild anderer Länder, das ermöglicht, dass wir die Menschen in unser Land holen, die wir brauchen, um das,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Sehr richtig!)

was die Wohnraumknappheit heute bewirkt – nämlich die Nachfrage nach Arbeit in unserer Region –, weiter zu stärken.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Deswegen haben wir natürlich jetzt und auch künftig einen Bedarf an Wohnraum; diesen Wohnraum müssen wir schaf fen.

Die grün-rote Regierung hatte das schon erkannt. Das Stellen der Weichen verlief langsam und teilweise leider kontrapro duktiv. Die Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes von 3,5 % auf 5 %, die Mietpreisbremse, die Leerstandsmeldungen, die Verschärfungen in der LBO in Verbindung mit zusätzlichen neueren Kostenfaktoren wie – ich möchte nur einige nennen – Begrünungen und Schaffung von Stellplätzen hat zu höhe ren Kosten und zu weniger Lust auf das Bauen geführt. Wir brauchen jedoch den privaten Investor. Denn am Ende des Ta ges kann es nicht sein, dass wir – als Staat – uns der Aufgabe annehmen, Wohnraum in größerem Stil zu schaffen. Vielmehr muss dies eine Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sein, die Lust darauf haben, die Entwicklung der Kom munen in unserem Land aktiv zu gestalten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der ABW)

Was für tolle Sachen da auch auf dem Baugebiet laufen, ha ben wir gestern Abend auf einer Veranstaltung der Bauinge nieure gehört. Hier sind sehr viele Entwicklungen im Gange – neue Planungsverfahren etc. –, die helfen, das Wohnen güns tiger zu machen. Die angesprochene Wohnraum-Allianz ist sicherlich eine gute Sache, um weitere Anreize zu schaffen. Sie können aber sicher sein, dass wir Sie hier sehr kritisch be gleiten werden und prüfen werden, ob Sie das, was Sie hier andenken, auch tun. Vor allem muss man aufpassen, dass man nicht zu lange plant und am Schluss nichts passiert. Denn of fensichtlich ist es in der letzten Legislaturperiode nicht gelun gen, die Dynamik zu erhöhen.

Warnen möchte ich die Landesregierung ausdrücklich vor Überlegungen, den Grunderwerbsteuersatz weiter zu erhöhen, wie es in manchen Bundesländern passiert ist. Mit der Erhö hung von 3,5 % auf 5 % haben Sie bereits eine Bremse ein gebaut. Die Überlegung, den Ersterwerb künftig vielleicht da durch zu fördern, keine Grunderwerbsteuer zu erheben, hal ten wir für den falschen Weg, weil er insgesamt zu Verzerrun gen führt.

Generell sollte die Politik nach unserer Meinung sehr stark auf die Subjektförderung abheben, wenn es darum geht, Men schen, die sich Wohnraum nicht aus eigener Kraft leisten kön nen, zu unterstützen.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW)

Denn die Subjektförderung hilft dem Einzelnen, eigenverant wortlich in eine Richtung zu gehen, die zu ihm persönlich, mit allen Komponenten, passt. Ob der Bürger dann sagt: „Ich will lieber weniger Wohnraum in einem bestimmten Wohngebiet haben, wo die Mieten teuer sind“, oder ob er sagt: „Ich will lieber in einem Gebiet wohnen, wo die Mieten günstiger sind und ich dafür mehr Fläche habe“, das muss er selbst entschei den können.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW – Zu ruf von der ABW: Das ist Symptombekämpfung!)

Uns ist darüber hinaus natürlich ganz wichtig, dass wir keine Ballung von Menschen einer bestimmten sozialen Schicht ha ben. Das können wir, wenn wir eine Objektförderung vorneh men, nur sehr schwer verhindern. Alle Erfahrungen auf die sem Gebiet sind negativ. Insofern halten wir die Subjektför derung gegenüber der Objektförderung für den eindeutig bes seren Weg.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Wilfried Klenk CDU)

Das Thema Wohnungsbau wird uns bestimmt die ganze Le gislaturperiode über begleiten.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner ABW: Klar! Wegen der Integration, klar!)

Wir alle müssen viel tun. Wir müssen die Kommunen unter stützen. Die Themen sind alle bereits genannt worden. Ich will den Blumenstrauß von Maßnahmen nicht noch einmal wie derholen. Einzig die Subjektförderung im Vergleich zur Ob jektförderung als weitere Möglichkeit, die wir zur Verfügung haben, habe ich in den Ausführungen bisher vermisst.

Wir müssen zusammenarbeiten und die Dinge voranbringen. Lösungen zu schaffen wird manchmal leichter, wenn der Druck groß ist. Wenn die Nachfrage besonders hoch ist, ist der Druck auf alle größer. Vielleicht schaffen wir es dann, schneller zu Entscheidungen zu kommen, die uns alle weiter bringen, als wenn wir die Dinge weiter nur in unseren Gremi en diskutieren und am Schluss nichts passiert. Ich würde mich freuen, wenn uns das gelingt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Regierung erteile ich Frau Ministerin Hoffmeister-Kraut das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Es ist keine Frage: Wir haben in etlichen Regionen des Landes schon seit einiger Zeit angespannte Wohnungsmärkte. Dabei sind durchaus nicht überall dieselben Marktsegmente betroffen. So

sieht die Situation z. B. an den Hochschulstandorten anders aus als in anderen Orten mit Nachfrageüberhängen.

Die heutige Marktsituation ist die Folge einer ganzen Reihe von Faktoren. Die zyklische Entwicklung der Wohnungsbau tätigkeit, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, hatte die Zahl der Baufertigstellungen absinken lassen. Auf eine steigende Nachfrage nach Wohnraum konnte der Markt – auch das wie derum ein Charakteristikum des Wohnimmobilienmarkts – nicht kurzfristig reagieren. Dabei kam dieser Nachfragean stieg nicht speziell durch den Flüchtlingszustrom zustande, sondern als Summe mehrerer, teilweise bereits viel länger wir kender Effekte: die durch eine stabile wirtschaftliche Lage im Unterschied zu anderen Ländern ausgelöste Nachfrage nach mehr Wohnraum, eine wachsende Zahl beruflich bedingter Zweitwohnungen angesichts steigender Anforderungen an die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, die wachsende Nachfrage nach akademischer Ausbildung, die typischerweise einen frü hen Ortswechsel weg von der Familienwohnung zur Folge hat, die allgemein bekannte demografische Entwicklung, die gerade in Baden-Württemberg festzustellenden verstärkten Wanderungsgewinne aus der Binnenwanderung und daneben sicherlich auch die verschiedenen Wanderungsüberhänge im Verhältnis zum europäischen und außereuropäischen Ausland.

Von einer allgemeinen Wohnungsnot in Baden-Württemberg zu sprechen geht indes an der Realität vorbei. Baden-Würt temberg hat einen hohen, wachsenden Wohnungsbestand und auch einen vielfach hohen bis sehr hohen Wohnungsversor gungsgrad. Das heißt natürlich nicht, dass die Wohnungspo litik im Land nicht vor großen Herausforderungen steht. Der Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode zeigt deutlich, welche zentrale Bedeutung die Koalitionspartner dem Thema Wohnen in unserem Land beimessen.

Bereits vor der Sommerpause habe ich die Wohnraum-Alli anz gestartet. Mit dieser breit angelegten Plattform streben wir Verständigungen in möglichst vielen bislang kontrovers dis kutierten Punkten an, die für Defizite in der Wohnraumver sorgung verantwortlich gemacht werden. Anknüpfend daran wollen wir uns auf allen politischen Ebenen dafür einsetzen, dass die als richtig erachteten Veränderungen angegangen werden: beim Bund, bei uns im Land, aber auch im kommu nalen Bereich. Ich halte diesen konsensual ausgerichteten Handlungsansatz für den letztlich einzig erfolgversprechen den Weg hin zu einer nachhaltigen Stärkung des Wohnungs baus und damit zu einer Entspannung der Wohnungsmärkte, wo ein Nachfrageüberhang besteht.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Die positive Resonanz auf die Auftaktveranstaltung im Juli hat mir gezeigt, dass wir auf diesem Weg richtig unterwegs sind, und die Reaktionen auf die ersten Sitzungen der gebil deten Arbeitsgruppen für die einzelnen Themengebiete bestä tigen dies.

Das Land selbst wird den ihm möglichen Beitrag zur Verbes serung der Wohnraumversorgung leisten. Damit dieser bei spielsweise in der Förderung in den Wirkungen optimiert wird, sind die interessierten Kreise – anders als früher – in die Überlegungen zur konzeptionellen Ausgestaltung der Wohn raumförderung des Landes im kommenden Jahr bereits jetzt einbezogen. Eine Änderung ist dabei schon im Koalitionsver

trag vorgezeichnet: Wir werden die bisher nebeneinander be stehenden Förderprogramme für die allgemeine, sozial orien tierte Wohnraumförderung und für Wohnungen für Flüchtlin ge in den Anschlussunterbringungen zu einem Programm zu sammenführen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Unterschiedliche Förderungen bilden nur die Grundlage für Neiddebatten, und das wollen wir nicht. Unser Ziel in der Wohnraumförderung ist die Schaffung von zusätzlichem neu en, gebundenen Wohnraum. Über dessen Belegung dann dis kriminierungsfrei zu entscheiden ist Aufgabe der jeweiligen Verfügungsberechtigten. Sie wissen in aller Regel auch, wel che Nachbarschaften im Quartier möglich sind.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, eines muss an dieser Stelle noch deutlich hervorgehoben werden: Es wird nicht die Förderung des Landes sein, die den Hauptbeitrag zur Überwindung der Wohnraumversorgungsengpässe im Land leistet. Das wäre allein schon von der finanziellen Größenord nung her eine gänzlich illusionäre Vorstellung. Ich strebe zwar für die kommenden Jahre eine Erhöhung des aktuellen För dermitteleinsatzes in der Wohnraumförderung um mehr als 20 % an, doch dieses Angebot gilt bekanntlich nur für ein Marktsegment: das der sozial orientierten Wohnraumförde rung – ein Marktsegment, in dem sich die Nachfrage durch Investoren nicht beliebig steigern lässt.

Wir werden dafür werben, dass auch aus dem Kreis der Ge nossenschaften sowie der Kunden von Bauträgern oder der Privaten von unseren Förderangeboten in der Mietwohnraum förderung Gebrauch gemacht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Diese stehen ihnen zwar schon heute offen, doch bin ich mir nicht sicher, dass alle denkbaren Investoren jenseits der klas sischen Nachfrager aus dem Kreis der kommunal beteiligten Wohnungsunternehmen die erforderlichen Informationen ha ben. Man darf sich allerdings nichts vormachen: Angesichts des attraktiven Marktumfelds auf der einen Seite und der rechtlichen Grenzziehungen für unsere Fördertätigkeit ande rerseits sind die so noch zu hebenden Potenziale begrenzt.

Ungeachtet dessen müssen wir uns deutlich stärker als bislang mit jenen Stellgrößen befassen, die den frei finanzierten Woh nungsbau in all seinen Erscheinungsformen beeinflussen. Hier ist eine große Zahl von Aspekten kritisch zu beleuchten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Ich nenne nur das Flächenangebot als solches als unverzicht bare Voraussetzung für eine Steigerung der Fertigstellungs zahlen im Wohnungsbau – ganz gleich, ob wir von einem Be darf von 60 000, 75 000 oder 80 000 Wohnungen als jährli chem Fertigstellungsbedarf ausgehen –; die Schwierigkeiten in den Planungsverfahren, die im Einzelfall zu baureifen Flä chen führen – die oft genug schon enorm viel Zeit kosten, von inhaltlichen Hemmnissen ganz abgesehen –;

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ui, ui!)

die Vielzahl von baulichen Anforderungen, denen ein Vorha ben heute genügen muss – mit der Konsequenz, dass die Kos ten massiv steigen –; oder die Dauer, über die sich die Bau genehmigungsverfahren immer wieder hinziehen, bis über haupt mit der Realisierung begonnen werden kann; aber auch die Schwierigkeiten, denen sich einzelne Gruppen Bauwilli ger in jüngster Zeit aufgrund der Umsetzung der EU-Wohn immobilienkreditrichtlinie in Deutschland ausgesetzt sehen, wenn es um die Erlangung des erforderlichen Fremdkapitals geht.

All diese Aspekte und noch weit mehr werden in der Wohn raum-Allianz vorbehaltlos zu beleuchten sein. Es wird darum gehen müssen, manche Gewichtung, manche Rechtfertigung neu zu hinterfragen. Das ist mein, das ist unser Verständnis einer lösungsorientierten Auseinandersetzung mit den Hemm nissen, die einem noch stärkeren Anstieg der Neubauleistung entgegenstehen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Dabei ist es mir wichtig, zu verdeutlichen, dass es nicht um kurze Effekte gehen kann, um beispielsweise über ein, zwei Jahre herausragend hohe Zahlen von Fertigstellungen zu er reichen und dann rasch wieder sinkende Zahlen konstatieren zu müssen. Wir müssen hier langfristig denken.

Ich stimme mit maßgeblichen Stimmen der Wohnungswirt schaft überein, dass es darum gehen muss, die Voraussetzun gen für eine Verstetigung der Wohnungsbauleistung auf einem angemessenen Niveau zu schaffen. Nur auf diesem Weg wer den wir es mit Blick in die Zukunft schaffen, auch jene Zahl von Ersatzbauten zu realisieren, die sich bei wirtschaftlich ge botener Betrachtung als unverzichtbar erweisen. Denn wir müssen uns klar darüber sein, dass die Anpassung der vorhan denen Gebäudesubstanz angesichts der veränderten Nutzungs anforderungen, aber auch neuer, unverzichtbarer baulich-tech nischer Anforderungen an wirtschaftliche wie technische Grenzen stößt.

Die Herausforderungen dieses notwendigen Erneuerungspro zesses dort, wo eine Modernisierung nicht sachgerecht mög lich ist, werden wir deshalb in unseren Austausch mit den be teiligten Kreisen in der Wohnraum-Allianz einbeziehen.