Protocol of the Session on May 6, 2020

Meine Damen und Herren, wir haben die Menschen neuroti siert und die Wirtschaft in eine Lähmungsstarre versetzt. Wir brauchen jetzt nicht eine Überprüfung der Maßnahmen, wir brauchen nicht ein Stufenprogramm, Herr Reinhart. Wir brau chen vielmehr ein klares Wort. Wir brauchen einen Exit mit einem Paukenschlag, der die unternehmerischen Kräfte, die Gestaltungskräfte wieder freisetzt, die wir jetzt brauchen, um aus der Krise herauszukommen.

Wir brauchen einen Befreiungsschlag, der den Wahn zerstört, den wir, die Politik, hier selbst erzeugt haben.

(Vereinzelt Beifall)

Das ist die Sache. Vor allem müssen wir jetzt wieder auf Frei willigkeit und auf Aufklärung setzen – statt auf Dekrete, Ver bote und Gebote. Wir müssen es so machen, wie es die Schwe den von Anfang an gemacht haben.

Meine Damen und Herren, hören wir auf, hier herumzuschwa feln. Es ist nicht mehr die Zeit, zu schwafeln.

(Zuruf: Sie schwafeln!)

Es ist die Zeit, zu handeln. Stellen wir uns vor die Menschen. Wir haben die Macht dazu, zu sagen: Der Wahn ist vorbei, es läuft alles wieder normal – nicht irgendwann, sondern ab mor gen. Das ist jetzt unsere Aufgabe.

(Vereinzelt Beifall)

Nun darf ich Frau Minis terin Dr. Hoffmeister-Kraut für die Regierung ans Redepult bitten – wenn wir es noch einmal gereinigt haben.

(Abg. Anton Baron AfD: Wir möchten ein Datum, Frau Ministerin! 11. Mai!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heu te über die Zukunft Baden-Württembergs, über die Zukunft der Wirtschaft und die Perspektiven in unserem Land disku tieren.

Die schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgewirkungen der Coronapandemie treten immer deutlicher zutage. Die Mehr zahl der Branchen – das macht eben die Dimension dieser Kri se aus – und so gut wie alle Länder sind davon betroffen. Das hat es in der Nachkriegszeit so noch nie gegeben.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Die Gefahr plötzlich eintretender Kettenreaktionen und inter nationaler Schockwellen ist noch lange nicht ausgestanden – wir erleben das ja schon jetzt in der Realität –, allein schon deshalb, weil die meisten Länder über weniger Reserven und weniger gut ausgebaute wirtschaftlich-soziale Auffanginstru mente verfügen als wir hier bei uns in Baden-Württemberg, in Deutschland.

Lassen Sie mich eines voranstellen: Der Umstand, dass wir in Deutschland die gesundheitlichen Schäden der Pandemie

(Abg. Stefan Räpple AfD: Der Idiotie!)

mit relativ niedrigen Todeszahlen einigermaßen gut begren zen und dadurch eine gefährliche Überlastung des Gesund heitssystems vermeiden konnten,

(Abg. Stefan Räpple AfD: So ein Blödsinn!)

wird uns auch wirtschaftlich helfen und den Weg zu einem Wiederaufstieg leichter und vermutlich auch kürzer machen,

(Abg. Stefan Räpple AfD: Ist das Märchenstunde?)

als dies woanders, in anderen Ländern möglich sein wird.

(Beifall – Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Ich möchte hier auf Studien verweisen, etwa auf einen inter essanten Beitrag des Tübinger Ökonomieprofessors und IAWDirektors Wilhelm Kohler, der auf internationale Studien zu den Folgewirkungen der Spanischen Grippe vor rund hundert Jahren verweist. Diese empirischen Studien, die auf die USA bezogen waren, zeigen, dass die Regionen, die beim Schutz der Bevölkerung am erfolgreichsten waren, sich auch wirt schaftlich wieder am schnellsten erholen konnten.

Was folgt daraus? Wir dürfen die Erfolge, die wir bei der Ein dämmung der Infektionszahlen und beim Gesundheitsschutz erzielt haben, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

(Beifall)

Der Weg zurück zur Normalität wird folglich nicht von heu te auf morgen möglich sein, aber er hat begonnen. Das Coro na-Infektionsgeschehen hat sich gut entwickelt. Wir sollten diesen Weg jetzt in wohlüberlegten Schritten gehen und fort setzen.

(Abg. Anton Baron AfD: 11. Mai!)

Deshalb sind weitere Öffnungen – bei einer Ladenfläche über 800 m2 im Einzelhandel, bei Friseuren und in der Fußpflege – seit Montag dieser Woche richtig.

Die schrittweise Öffnung von Schulen und Kinderbetreuung, die von unserer Kultusministerin konsequent, aber mit Augen maß vorangetrieben wird, damit die Menschen zur Arbeit ge hen können, ist auch für die Wirtschaft von enormer Bedeu tung.

Ebenso ist die jetzt möglich gewordene stufenweise Öffnung von Einrichtungen der außerschulischen beruflichen Bildung ein wichtiges Signal. Damit können die Prüfungsvorberei tungskurse wieder anlaufen, können sich die Auszubildenden auf ihren Abschluss vorbereiten.

(Beifall)

Das sind wichtige Schritte, aber uns allen ist klar: Es bleibt noch einiges zu tun. Auch Unternehmen in den von Einschrän kungen weiterhin stark betroffenen Branchen, etwa in der Gas tronomie und der Hotellerie, brauchen eine klare Perspektive.

Zusammen mit Tourismusminister Guido Wolf und den Wirt schaftsministern von Nordrhein-Westfalen und Niedersach sen habe ich in der Wirtschaftsministerkonferenz ein Stufen konzept vorgestellt, für das wir in Baden-Württemberg auch schon Abstands- und Hygieneregeln entwickelt haben.

(Abg. Anton Baron AfD: Wo ist dieser Plan?)

Ich erwarte – –

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schweickert zu?

Ich würde das am Ende meines Beitrags tun; dann kann ich meine Ausführungen entsprechend mit Ihnen teilen, und wir können dann in die Diskussion ge hen.

(Zurufe, u. a. Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Der Trick mit der Redezeit funktioniert aber nicht!)

Ich erwarte, dass die Regierungschefs von Bund und Ländern, die gerade tagen, heute den Weg für solche Öffnungskonzep te frei machen, die in den Ländern in eigener Verantwortung und unter Berücksichtigung der jeweiligen Infektionslage um gesetzt werden können. Der bayerische Ministerpräsident ist hier wieder einmal vorausgegangen.

(Zurufe)

Normalität heißt in Zeiten von Corona, dass wir Wirtschaft und Infektionsschutz so gut wie irgend möglich zusammen denken. Es darf kein Entweder-oder geben, sondern es muss ein Sowohl-als-auch geben.

(Beifall)

Dennoch ist uns allen klar: Es wird auf absehbare Zeit kein Zurück zum Status quo ante geben. Es bleiben gewisse Ein schränkungen bestehen. Es wird viele Unternehmen geben, deren laufende Einnahmen unter den laufenden Kosten sind. Dabei bleibt die Liquiditätsfrage akut.

Unsere mittlerweile mit dem Bundesprogramm zusammenge führte Soforthilfe für Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftig ten ist sehr erfolgreich, auch im Vergleich dazu, was es in an deren Ländern an Schwierigkeiten gab. Mittlerweile sind rund 240 000 Anträge gestellt und Auszahlungen in Höhe von 1,6 Milliarden € vorgenommen worden. Noch nie hat es ein För derprogramm in dieser Größenordnung gegeben. Mein herz licher Dank geht an dieser Stelle sowohl an die Industrie- und Handelskammern, an die Handwerkskammern für die erste Prüfung und die Annahme der Anträge als auch an die L-Bank für die weitere Prüfung und Auszahlung.

(Beifall)

Das Programm läuft noch bis Ende Mai. Natürlich müssen wir auch hier Wege aufzeigen: Wie soll es denn weitergehen?

Angesichts der beispiellosen Auswirkungen der Coronakrise auf die Wirtschaft in unserem Land müssen wir die Soforthil fe auch über das Ende dieses Monats hinaus fortsetzen, und zwar branchenübergreifend für alle Unternehmen, die weiter hin stark betroffen sind. Denn diese Betriebe tun sich schwer, Kredite in Anspruch zu nehmen, Kredite bewilligt zu bekom men, und deshalb müssen wir diesen Betrieben, wenn wir sie erhalten wollen, zur Seite stehen.

(Beifall)

Deshalb werden wir die Soforthilfe für Unternehmen von bis her 50 auf bis zu 100 Mitarbeiter und einen Direktzuschuss von bis zu 50 000 € erweitern. Hier sind wir natürlich auch in Gesprächen mit dem Bund, um eine Harmonisierung der Pro grammkulisse frühzeitig anzulegen. Doch auch hier warten wir nicht, bis der Bund in die Umsetzung geht, sondern wir gehen erneut voran.

Akuter Unterstützungsbedarf herrscht insbesondere in der ganzen Breite und Vielfalt der Hotels und Gaststätten in un serem Land. In dieser Situation wollen wir ihnen mit einem von Herrn Minister Wolf bereits angekündigten und auf den speziellen Bedarf der Branche abgestimmten Nothilfepro gramm zur Seite stehen. Geplant ist eine einmalige Liquidi tätshilfe in Höhe von 3 000 € für betroffene Betriebe des Gast gewerbes, die um jeweils 2 000 € für jeden Beschäftigten – in Vollzeitäquivalenten – erhöht wird.

(Beifall)