Ich habe Ihnen ja die Bedenken, die es mal grundsätzlich gegen das Thema Videostream geben kann, auf geführt. Ich war 27 Jahre lang im Gemeinderat, und ehrlich ge sagt tue ich mich ziemlich schwer damit, mich daran zu erin nern, dass wir regelmäßig größere Probleme mit der Tatsache gehabt hätten, dass die Anzahl der Zuschauer so groß gewe sen wäre, dass wir diese nicht hätten unterbringen können. Herr Kollege Hinderer, selbst unter Infektionsschutzgesichts punkten ist es jedenfalls bei der Stadtratssitzung in Heilbronn regelmäßig möglich, alle Zuhörer und Zuschauer, alle, die zu hören oder zuschauen wollen, unterzubringen. Der Infektions schutz ist dabei gut einzuhalten.
Es passt auch nicht, was Sie sagen; denn das würde im Grun de genommen auch dann gelten, wenn eine Ratssitzung statt fände. Auch dann müssten Sie ja unter den Zuschauern ent sprechende Abstände einhalten, und dann hätten Sie genau dasselbe Problem.
Ich bin gerade noch bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Binder, Frau Präsidentin. Mit Ihrer Er laubnis würde ich das gern fortsetzen.
Es hindert Sie im Übrigen niemand daran, Ihren Vorschlag in dieses Gesetzgebungsverfahren einzubringen, dies auch per Videostreaming zu ermöglichen. Wenn Sie das alles hinrei chend – auch in Bezug auf datenschutzrechtliche Probleme oder auch auf andere Probleme, die möglicherweise auftreten können – und überzeugend darlegen, dann bin ich ganz sicher, dass eine Mehrheit dieses Hauses Ihnen auch folgen wird. Wenn es jedoch nicht so überzeugend ist, dann funktioniert das möglicherweise nicht.
Herr Minister, es gibt eine wei tere Bitte um Zulassung einer Zwischenfrage, und zwar von Herrn Abg. Dr. Schweickert. Lassen Sie diese zu?
Wir haben als Parla ment und als Ausschuss ja bereits eine gewisse Erfahrung mit Onlinesitzungen. Diese klappen mal besser und mal nicht so gut. Ich war als Ausschussvorsitzender immer sehr froh, dass, wenn eine Videoverbindung einmal abgebrochen war – aus welchen Gründen auch immer – und man kurz vor einer Ab stimmung stand, ich den einen oder anderen Kollegen zumin dest telefonisch zuschalten konnte, damit das Prozedere ge wahrt blieb.
Deswegen noch einmal die Frage. Ich habe ja Verständnis da für, dass Sie daran arbeiten wollen, dass die Verbindungen besser werden, sodass man solche Probleme in Zukunft nicht mehr hat. Aber wir haben im ländlichen Raum noch genügend Gemeinden, bei denen das ein Problem darstellt. Deswegen verstehe ich es, ehrlich gesagt, nicht.
Vielleicht können Sie mir erklären, warum man daran festhält. Es soll ja nicht zum Standard werden. Aber wenn ich aus schließe, dass sich jemand per Telefon zuschalten kann, dann benachteilige ich doch den ländlichen Raum.
Wenn es dann ein Problem gibt, mache ich die Abstimmung möglicherweise angreifbar. Denn das war dann möglicherwei se die Stimme, auf die es angekommen wäre.
Ich will den Dingen nicht vorgreifen; aber das wäre doch ei ne Möglichkeit – wenn das drinsteht –, solche Unklarheiten auszuräumen.
Herr Abgeordneter, lassen Sie uns das noch dis kutieren. Die Gründe sind ja vom Kollegen Hockenberger schon dargelegt worden, und ich habe meine Argumente hin zugefügt.
Was Sie ansprechen, ist ein weiterer Punkt. Im Grunde ge nommen ist es einfacher, sich aus einer Telefonkonferenz zu verabschieden und nicht mehr anwesend zu sein, ohne dass andere dies merken, als bei einer Videokonferenz, weil man dort ja noch regelmäßig auf dem Bildschirm sichtbar ist.
Lassen Sie uns gemeinsam an dieser Aufgabe arbeiten. Ich sa ge es seit nunmehr vier Jahren: Entscheidend für das Techno logieland Baden-Württemberg als Flächenland ist es, dass wir hier überall, bis hin zum letzten Schwarzwalddorf, das schnel le Internet haben. Das ist entscheidend. Wenn uns diese Co ronazeiten für dieses Thema noch einmal einen zusätzlichen Schub geben für die Erkenntnis, dass es einfach essenziell ist, hier voranzukommen, dann wäre das auch etwas sehr Schö nes, und dann sind Videokonferenzen hoffentlich sehr bald überall technisch einwandfrei möglich.
Herr Minister, es gibt eine wei tere Zwischenfrage, und zwar von Herrn Abg. Baron. Lassen Sie diese zu?
Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe eine Frage – wir hatten dieses Thema auch in der gest rigen Gemeinderatssitzung –: Es geht bei der Durchführung von Videokonferenzen auch um die dazu erforderliche Soft ware. Planen Sie, die Gemeinden dabei zu unterstützen, eine Software bereitzustellen und vielleicht in größerer Menge ent sprechende Lizenzen einzukaufen, um so vielleicht Geld spa ren zu können und zu vermeiden, dass jede Gemeinde ihre ei gene Softwarelösung finden muss?
Schon der Respekt gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung verbietet dem Innenministerium, den Kom munen irgendwelche technischen Lösungen aufzudrücken.
Aber selbstverständlich ist es den Kommunen unbenommen, sich beispielsweise zusammenzuschließen oder darauf hinzu wirken, dass die kommunalen Landesverbände hier unterstüt zend tätig werden. Denn durch die Abnahme größerer Bestell mengen sind natürlich niedrigere Preise zu erzielen.
Das sehe ich aber nicht als vorrangige Aufgabe des Innenmi nisteriums. Wir helfen den Kommunen; wir lassen die Kom munen nicht allein. Wir schaffen die Möglichkeiten, aber die Beschaffung von technischem Equipment ist nun nicht die pri märe Aufgabe des Innenministeriums. Ich bitte da um Ver ständnis.
Herr Minister, ich habe eine weitere Wortmeldung für eine Zwischenfrage, und zwar von Herrn Abg. Rottmann.
Vielen Dank, Herr Minister. – Sie sagten, es gehe darum, jede Kommune anzuschließen. Es gab ja in den vergangenen Jahren einige Fortschritte, aber so ganz sind wir noch nicht an dem Punkt, dass in den nächsten Monaten damit zu rechnen ist. Wann, schätzen Sie, wird auch die letzte Kommune in Baden-Württemberg an die entspre chenden Breitbandmöglichkeiten angeschlossen sein, damit die Digitalisierung tatsächlich so voranschreitet, wie Sie es sich ja wünschen? Von welchem Zeitrahmen reden wir da im Moment?
Das ist eine Frage, Herr Abg. Rottmann, die in Deutschland überhaupt niemand in seriöser Weise beantwor ten kann.
Diejenigen, die Ihnen diese Frage beantworten, tun dies nicht seriös. Das können wir so nicht beantworten.
Wir haben in den vergangenen drei Jahren, was die 50-Mbit/sVersorgung angeht, um 20 Prozentpunkte zugelegt; wir sind jetzt bei über 90 % der Haushalte mit 50 Mbit/s. Wir nehmen sehr viel Geld in die Hand.
Ich kann Ihnen sagen, Herr Abg. Rottmann: Allein mit dem, was wir durch Zuschussbescheide in den Kommunen ansto ßen, wird nach meiner Überzeugung bis weit in die Mitte die ses Jahrzehnts noch Glasfaserkabel in Baden-Württemberg verbaut werden.
Warum ist das so? Baden-Württemberg ist wunderschön – die Schwäbische Alb, der Schwarzwald. Aber Glasfaserkabel dort zu verlegen ist sportlich – mit den Tälern, mit den Gesteinen, in die das Glasfaserkabel teilweise eingebracht werden muss, und vielem anderen mehr.
Und weil das nicht trivial ist, kostet es auch sehr, sehr viel Geld. Deswegen lassen wir die Landkreise, die Kommunen bei dieser Frage nicht allein.
Ich kann Ihnen guten Gewissens sagen, dass wir inzwischen ein Tempo aufgenommen haben, das kaum mehr steigerbar ist, weil die Baukapazitäten – also diejenigen, die den Graben ausheben – voll ausgelastet sind. Das, was wir tun können, haben wir inzwischen aufs Gleis geschoben, weil das von ent scheidender Bedeutung ist. Jeden Tag werden es mehr Städ te, Gemeinden, Dörfer, die an das schnelle Internet kommen und wo das Glasfaserkabel überdies direkt ins Haus reicht. Das ist die Gigabitwelt direkt im Haus.
Ich freue mich darüber. Vielleicht erinnern Sie sich daran, wie ich noch vor vier Jahren hier im Landtag von Baden-Würt temberg viel Gelächter geerntet habe, als ich gesagt habe: Un ser Ziel ist es, dem letzten Schwarzwaldhof das schnelle In ternet zu bringen. Inzwischen, in den vergangenen drei Jah ren, haben wir Hunderte, wenn nicht Tausende von Schwarz waldhöfen an das schnelle Internet angeschlossen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun noch einmal zurück zum eigentlichen Thema. Ein Punkt ist wichtig: Die se Videokonferenzen – darauf hat Abg. Hockenberger auch zu Recht hingewiesen – sollen nicht zu einer einfachen, norma len Alternative zur üblichen Gemeinderatssitzung werden. Vielmehr wollen wir das auf eine bestimmte – ich will es ein mal so sagen – Notsituation beschränken. Hier wollen wir den Kommunen eine entsprechende Hilfestellung geben, jeden falls denen, die eine solche Hilfestellung beanspruchen wol len. Die lassen wir nicht allein.
Aber es wird auch in Zukunft nicht möglich sein, dass ein Ge meinderat entscheidet: Wir machen jetzt einfach mal nur noch Videokonferenzen. Das wollen wir nicht. Wir wollen keine komplette Digitaldemokratie, sondern wir wollen, dass es der Normalfall ist, dass Gemeinderäte und Kreisräte zusammen kommen – so, wie ich es im Übrigen auch richtig finde, dass Parlamente zusammenkommen und beispielsweise ihre Ple nardebatten nicht nur per Videokonferenz oder per Telefon schaltkonferenz abhalten.
Dass wir heute hier sind, obwohl es selbstverständlich Prob leme mit dem Infektionsschutz gibt und dies eine Herausfor derung darstellt – es bringt tatsächlich auch eine gewisse Ge fahr in puncto Infektionen mit sich –, und wir heute dennoch eine Landtagssitzung machen – man könnte diese ja auch als Videokonferenz durchführen –, das geschieht vollkommen zu Recht. Und da sollten wir bei den Kommunen keinen ande
ren Maßstab anlegen, als es der Landtag von Baden-Württem berg – zu Recht – für sich selbst in Anspruch nimmt.
Schließlich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, soll noch ei ne Regelungslücke, die es doch beachtlich lange Zeit gege ben hat, geschlossen werden: Den Kreistagen wird nun auch ermöglicht, über Gegenstände einfacher Art im Wege der Of fenlegung oder im schriftlichen oder elektronischen Verfah ren zu beschließen. Dies ist ja für die Gemeinderäte eine gän gige und bereits langjährig geübte Praxis. Offensichtlich hat seinerzeit der Gesetzgeber aus Gründen, die sich mir nicht er schließen, das gleiche Recht den Kreistagen nicht zugebilligt; das werden wir nun egalisieren.
Ich möchte auch den Gemeinden und Landkreisen meinen Dank aussprechen für den großen Beitrag, der derzeit von un zähligen Händen für die Bewältigung der Lage vor Ort geleis tet wird. Das ist wirklich außerordentlich beachtlich. Unsere kommunale Selbstverwaltung, dieses großartige Erfolgsmo dell – die süddeutsche Ratsverfassung noch einmal im Beson deren –, bewährt sich auch in dieser Krise. Ohne kommunale Selbstverwaltung kämen wir nicht so gut durch die Krise; oh ne die vielen Tüchtigen in den Landkreisen und Gemeinden ginge das nicht so gut.
Auch den kommunalen Landesverbänden, mit denen die Lan desregierung selbstverständlich in einem fortlaufenden, sehr engen Kontakt ist, danke ich für die hilfreichen Impulse.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so, wie wir jetzt gemein sam das Kommunalverfassungsrecht ein Stück weit in die di gitale Welt bringen – jedenfalls als eine Option, als eine Mög lichkeit in Krisenzeiten, in Notzeiten –, so gehen wir schon seit vielen Jahren gemeinsam mit den Kommunen den Weg in die digitale Welt. Das, was heute durch die Koalitionsfrak tionen eingebracht worden ist, ist gleichzeitig aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass wir uns der digitalen Welt nicht un terordnen, sondern dass diese Innovation der Digitalisierung ein Hilfsmittel ist, um in bestimmten Zeiten unsere kommu nal verfasste Demokratie weiterhin gestalten zu können. Das ist unsere Vorstellung von moderner, innovativer kommuna ler Selbstverwaltung, und deswegen danke ich den Koaliti onsfraktionen noch einmal für diesen zukunftweisenden Ge setzentwurf. So gestalten wir gemeinsam mit den Landkrei sen und Kommunen die Gigabitzeit im 21. Jahrhundert.