Klar ist: Diese Technologien bieten viele Chancen, viele Mög lichkeiten. Klar ist auch, dass es das eine oder andere Risiko gibt, aber die halte ich alle für bewältigbar. Das ist machbar – ob es der Datenschutz ist oder auch die technologischen Schwierigkeiten, auch ethische Fragen sind; denen werden wir uns stellen. Man kann sie beantworten. Es ist ja nicht so, dass sie alle unlösbar wären und nur die Technik die Proble me lösen würde. Auch wir können unsere politischen Lösun gen anbieten.
Zu dem Thema, wir, die Grünen, wären ideologisch geformt, und es sei ja erstaunlich, dass wir jetzt so oft über Technolo gie reden. Herr Haußmann, eines will ich schon klarmachen: Jede Art von Verkehrspolitik – egal, ob es gesagt wird oder nicht – basiert natürlich auf Werteentscheidungen, auf Nor men. Ich lege großen Wert darauf, dass wir keine werte- und normenfreie Verkehrspolitik machen.
Ich möchte, dass wir auch diesen technologischen Prozess be gleiten, und zwar mit einem klaren Wertegerüst. Das heißt zu nächst einmal: Wir wollen nachhaltige Mobilität sichern. Wir wollen mehr Sicherheit im Verkehr, Menschenleben retten – sehr werthaltig, so eine Forderung –, und wir wollen die Le bensqualität in den Städten verbessern. Wir wollen die Mobi lität insgesamt verbessern und ermöglichen. Denn es kann ja nicht das Ende der Mobilitätsgeschichte sein, dass alles im Stau steht. Ich meine, es ist doch eine Herausforderung, das mit neuen Technologien so zu lösen, dass wir auf Dauer Men schen mobil halten und zugleich das Klima und die Umwelt schützen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Andreas Kenner SPD und Hans Peter Stauch AfD – Zuruf von den Grünen: Sehr gut!)
Das Land Baden-Württemberg, die Landesregierung – und zwar auch schon die Vorgängerregierung – hat sich sehr schnell mit der Frage auseinandergesetzt: Was müssen wir wirtschafts politisch, wissenschaftspolitisch und verkehrspolitisch tun, um das autonome Fahren, das teilautonome Fahren zu beglei ten, zu entwickeln? Wir sind das sehr realistisch angegangen. Manche haben ja Illusionen unter dem Motto verbreitet: „In fünf Jahren läuft alles automatisch und ist alles automatisiert.“ Das mag vielleicht auf dem Testfeld so sein, aber nicht im re alen Leben, im realen Verkehr.
Viele technische und juristische Hindernisse sind zu nehmen. Das allergrößte Problem, das ich sehe, ist übrigens ein Akzep tanzproblem. Werden die Menschen umsteigen? Wie reagie ren die Menschen, wenn im Stadtverkehr ein fahrerloses Au to vorbeikommt? Man kann es ja sehen: In Deutschland gibt es nur eine U-Bahn – in Nürnberg –, die fahrerlos ist. Alle an deren fahren mit einem Zugführer, obwohl das System ja ei
Wir haben als Menschen mit unserem Sicherheitsbedürfnis schon auch Probleme mit Technologien, wenn wir unsere per sonelle Verantwortung abgeben. Wir müssen es zusammen bringen, dass wir auf der einen Seite die technischen Mög lichkeiten nutzen, auf der anderen Seite jedoch immer noch die Menschen als diejenigen bewahren, die steuern und die Verantwortung tragen. Das ist mir wichtig.
Wir haben jetzt das digitale Testfeld erfolgreich ausgeschrie ben. Wir haben viele und gute Bewerbungen erhalten, und am Ende ist dann unter den guten Bewerbungen das Angebot aus Karlsruhe – von KIT, FZI sowie den Städten Karlsruhe und Bruchsal – angenommen worden, weil es unter den guten An geboten das beste war.
Genau dort soll das entwickelt und begleitet werden, worüber wir heute diskutiert haben. Dies ist ja noch nicht die Realität, sondern wir müssen ja erst einmal auf unseren Straßen Infra strukturen im Testformat aufbauen, bei denen Autos mit Au tos kommunizieren und Autos mit der Infrastruktur kommu nizieren. Wissenschaftler sollen begleiten und schauen: Ist die Infrastruktur, die wir haben – etwa im Telekommunikations bereich –, ausreichend? Wie kann sie so entwickelt werden, dass sie sicher funktioniert, dass nichts passiert?
Das sind Fragen, die in den kommenden Jahren bearbeitet werden. An diesem Testfeld können kleine und große Firmen teilnehmen. Das ist ein offenes, öffentlich gefördertes Test feld. Deswegen ist es auch wichtig, dass alle einen Zugang haben. Das ist auch für uns eine wichtige Voraussetzung. Wir stellen nochmals 2,5 Millionen € zur Verfügung, um bei die ser neuen Infrastruktur Tests und Erprobungen zu betreiben und Erfahrungen zu sammeln. Da können die Wissenschaft ler aus Ulm oder aus Stuttgart mitmachen, und an diesem Test feld können sich auch Stuttgart und Ludwigsburg andocken. Da sind wir im Gespräch. Wir haben uns vorgenommen, eine zweite Stufe zuzuschalten, um das Projekt zu erweitern.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Hans Peter Stauch AfD – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut!)
Für mich ist eines der wichtigsten Ziele dieser neuen techno logischen Entwicklung, dass es uns gelingt, Mobilität sicher zu gestalten. Ich finde es nach wie vor bedrückend, dass wir in Baden-Württemberg mehrere Hundert Verkehrstote pro Jahr haben. In Deutschland sind es fast 4 000 Tote, europaweit noch sehr viel mehr. Es ist leider nicht so, dass in den letzten Jahren die Unfallzahlen nur abwärts gingen, sondern in den letzten zwei Jahren sind die Zahlen wieder hochgegangen.
Das ist für mich eine Herausforderung. Diese Systeme kön nen da eine Hilfe sein. All diese Auffahrunfälle, die wir in den letzten Tagen beobachten konnten, wären mit neuen Techno logien vermeidbar gewesen. Deswegen glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass im Lastverkehr diese Sicherheitstech nologien sehr schnell verpflichtend kommen müssen.
Wir wollen diesen Prozess vorantreiben, begleiten und för dern – nicht blind, aber natürlich positiv. Denn wir glauben, dass wir in Baden-Württemberg damit nicht nur über Mobili tät reden, sondern wir reden damit auch über die Zukunft un seres Landes. Natürlich ist es richtig, dass sich die Arbeits plätze in der Automobilindustrie mit dieser Technologie ver ändern werden; das ist doch keine Frage. Aber wir müssen fra gen: Wie sichern wir die Arbeitsplätze in unserem Land? Was ist unser Anteil? Welche neuen Technologien müssen wir im Rahmen dieser neuen Entwicklung bieten? Was ist ein neues Geschäftsfeld und sichert die Arbeitsplätze?
Wir werden das Ganze, bezogen auf das Automobil, nutzen und weiterentwickeln. Aber ich lege großen Wert darauf, dass wir auch den öffentlichen Verkehr mit einbeziehen. Echtzeit information ist ohne Digitalisierung nicht denkbar, die Ver netzung der verschiedenen Verkehrsträger ist ohne Digitali sierung ebenfalls nicht denkbar.
Genau das fördern wir nun in einem zweiten Projekt, das wir „moveBW“ nennen. Da haben wir verschiedene größere und kleinere Industrieunternehmen, Wissenschaftler und Wissen schaftsinstitutionen zusammengebunden, die am Beispiel des Ballungsraums Stuttgart zeigen, wie man alle modernen In formationstechnologien nutzt: zur Verkehrssteuerung, zur Ver kehrslenkung, zu einem bewussten – ich sage einmal – vor sorglichen Nutzen der Infrastruktur. Man bekommt rechtzei tig die Information: Wenn du jetzt losfährst, brauchst du an derthalb Stunden, wenn du eine halbe Stunde später fährst, nur noch eine Dreiviertelstunde, und wenn du mit dem Fahr rad zur nächsten S-Bahn fährst, können wir dir genau sagen, wann du ankommst.
Das sind die Bereiche, die wir vorantreiben wollen und müs sen; denn moderne Verkehrspolitik ist an allen Verkehrsträ gern orientiert und schafft die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Di gitalisierung im Bereich des Verkehrs bietet uns große Mög lichkeiten, wenn wir sie nutzen, wenn wir sie ergreifen und wenn wir sie entlang klarer Wertvorstellungen gestalten: mehr Sicherheit im Verkehr, besserer Umweltschutz, Klimaschutz im Verkehr, den Mobilitätskomfort und die Mobilitätsmög lichkeiten verbessern und dabei die Verkehrsträger so vernet zen, dass sie für die Menschen viele Vorteile bringen und die Menschen damit gut und flüssig, sicher und ohne Stress un terwegs sein können.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und fraktionslosen Abgeordneten – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Ich glaube, das ist eine ziemliche Herausforderung für Poli tik und Wirtschaft sowie für die einzelnen Menschen. Wir soll ten diese Herausforderung ohne Jammern und ohne Zetern an nehmen und mit positiver Grundhaltung angehen und sagen: Wir packen das.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Welch ergreifende Worte unseres Verkehrsministers! Es scheint am Einfluss der CDU zu liegen, dass man in Baden-Württemberg und in Deutsch land jetzt neue Schwerpunkte setzt.
Das, was zum Thema Sicherheit gesagt wurde, teile ich aus drücklich. Das waren nämlich genau Punkte, die wir schon vor drei Jahren mit unserer Mobilitätsoffensive vorgestellt hat ten, die wir zum Teil aus einer Initiative des ehemaligen FDPWirtschaftsministers Posch in Hessen übernommen haben, bei der unter dem Stichwort „Staufreies Hessen“ 40 Einzelmaß nahmen durchgeführt wurden, und zwar insbesondere im Be reich der Infrastruktur für die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen zur Verbesserung der Sicherheit. Deswegen freut es mich, dass diese Botschaft jetzt auch in Baden-Württem berg angekommen ist.
Herr Minister, Sie haben von einem Wertegerüst gesprochen. Dem stimmen wir zu. Aber zu einem Wertegerüst gehört eben auch, dass man das sinnvoll macht und alle Beteiligten mit nimmt.
Ich will ein Beispiel nennen: Die überhastete Einführung ei ner blauen Plakette, die Sie ja fordern, würde de facto das Aus für die Baufirmen in Stuttgart und vielen anderen Großstäd ten bedeuten. Denn man braucht einfach Zeit für die Umrüs tung. Dafür sind erhebliche Investitionen nötig.
Es gehört eben auch zum Wertegerüst, dass man nicht bloß das umsetzt, was man gern hätte, sondern auch das, was für die Wirtschaft und die Infrastruktur in Baden-Württemberg erforderlich ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich nehme die Botschaft wohl auf – im Koalitionsvertrag steht es drin – und gehe davon aus, dass Sie künftig solche Mobi litätskonzepte genauso schön und motiviert machen wie Rad modenschauen in Baden-Württemberg.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erle digt.
Zweite und Dritte Beratung des Gesetzentwurfs der Lan desregierung – Gesetz über die Feststellung eines Dritten Nachtrags zum Staatshaushaltsplan von Baden-Württem berg für das Haushaltsjahr 2016 – Drucksache 16/240
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von zehn Minuten je Frakti on und von ebenfalls zehn Minuten für den Zusammenschluss fraktionsloser Abgeordneter festgelegt.
Sehr verehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bei der Ein bringung des Nachtragshaushalts bereits diskutiert: Dieser Haushalt konzentriert sich auf das Wesentliche. Er stellt si cher, dass wir nach den Unwettern den Menschen in Not hel fen können, sie ausreichend unterstützen können. Er stellt si cher, dass diese neue Landesregierung arbeitsfähig ist. Er stellt sicher, dass wichtige Bildungsprojekte wie die Stärkung des Gymnasiums oder auch der Grundschulen weitergeführt wer den können. Und er stellt sicher, dass die Integration von Flüchtlingen in ausreichend vielen Vorbereitungsklassen ge lingen kann.
Dies alles haben wir bei der Einbringung diskutiert. Es ist deutlich geworden: Der Nachtragshaushalt wird seinem An spruch als Arbeitshaushalt gerecht.
Im Finanzausschuss haben wir den Gesetzentwurf eingehend diskutiert. Unstrittig sind neben den Hilfen für die Unwetter geschädigten vor allem die Maßnahmen im Bildungsbereich. Wir haben es heute Morgen ausführlich diskutiert. Aber es geht hier jetzt auch um die Qualität der Zahlen, der Beschlüs se, die wir treffen wollen. Deswegen möchte ich durchaus noch ein paar Worte dazu sagen.