Protocol of the Session on July 21, 2016

Es ist schwierig. Die Heterogenität der Schülerschaft ist längst in allen Schularten ein Thema. Ganz besonders stark – das wissen wir – gilt das für Gemeinschaftsschulen, es gilt aber in gleichem Maß für Realschulen. Deshalb ist der Weg – das wurde angesprochen; es läuft nun einmal viel über zusätzli che Lehrerinnen und Lehrer –, die Realschulen zu stärken, in dem dort zusätzliche Deputate zur Verfügung gestellt werden, richtig. Wir werden das entsprechend für den Haushalt 2017 anmelden, um dort dann auch beginnen zu können.

Sie entscheiden heute bei der Zweiten und Dritten Beratung des Dritten Nachtrags für 2016 über die Bereitstellung zusätz licher Deputatsstunden für die Grundschulen und die Gymna sien. Das ist gerade auch im Grundschulbereich dringend not wendig, weil diese Stunden dort genau in die Bereiche Deutsch und Mathematik gehen sollen. Auch dies geht in die richtige Richtung.

Wir müssen weiter daran arbeiten, wie wir die Qualität entwi ckeln können, wie wir die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung auch begleitend hinsichtlich der Frage: „Was wird mit wel cher Qualität in den einzelnen Fächern gemacht?“ unterstüt zen können. Dieses betrifft natürlich die Grundschule, aber auch insgesamt alle weiterführenden Schulen. Da gibt es Auf gabenstellungen, denen wir uns stellen wollen.

Herr Fulst-Blei, Sie haben das Thema Transparenz angespro chen. Die Vergleichsarbeiten VERA 8 sind bisher als Instru ment ausschließlich für die innere Schulentwicklung angelegt. Wir werden das in dieser Hinsicht ändern. Wir wollen, dass die Befunde künftig von der Schulaufsicht auch mit den Schu len besprochen werden können.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)

Es geht mir dabei nicht darum – damit es nicht missverstan den wird –, Schulen an den Pranger zu stellen oder irgendein Schulart-Bashing zu machen. Es geht mir vielmehr darum, mit den Schulen gemeinsam daran zu arbeiten: Was muss in den einzelnen Klassen, in den einzelnen Niveaus verbessert werden? Wie können wir seitens der Schulaufsicht dabei hel fen? Wo müssen die Lehrerinnen und Lehrer unterstützt wer den? Dies kann durch VERA 8 sehr zielgerichtet gemacht wer den. Dies wollen wir deshalb künftig als Instrument dafür ein setzen, um beim Qualitätsthema – Verlässlichkeit und Quali tät – konkret weiterzukommen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Wie gesagt, wir müssen den Schularten, die wir haben, hel fen, sich so aufzustellen, wie sie es müssen, um die Schüle rinnen und Schüler, die dort unterrichtet werden, bestmöglich auf den beruflichen Weg und auf das Leben, auf das, was sie sich künftig wünschen und vorstellen, vorzubereiten. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Ich lade Sie ausdrücklich ein, dies gemeinsam mit mir zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

In der zweiten Runde erteile ich für die Fraktion der FDP/DVP Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Frau Präsidentin! Diese Ak tuelle Debatte war dringend notwendig, weil sie für jede Frak tion in einer eigenen Art und Weise sehr erhellend war.

Zunächst zu dem, was Frau Boser gesagt hat: Sie hatten ge sagt, es sei doch ein toller Erfolg, dass beim Lernstand der Abstand zwischen Realschulen und Gemeinschaftsschulen kleiner geworden sei, und das sagen Sie angesichts von ins gesamt sehr schlechten Ergebnissen. Das erinnert mich ein bisschen an das sozialdemokratische und offensichtlich auch das grüne Verständnis von sozialer Gerechtigkeit. Die ist näm lich dann verwirklicht, wenn es allen gleich schlecht geht.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Zum Kollegen Dr. Fulst-Blei: Uns „Gemeinschaftsschul-Ba shing“ vorzuwerfen, wenn wir uns dafür einsetzen, dass die Gemeinschaftsschule nicht privilegiert wird, sondern eine Er gänzung des vielfältigen Bildungssystems ist, ist ein Witz, weil wir sagen: Für uns darf es keine Schüler erster und zwei ter Klasse geben, was die finanzielle Ausstattung der Schulen angeht.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Nein, die Gemeinschaftsschule hat bei uns selbstverständlich ihren Platz. Im Schulsystem von Baden-Württemberg hat es sie immer gegeben – wir haben nie etwas anderes gesagt –,

(Zuruf von der SPD: Doch!)

aber als Ergänzung, nicht als Ersatz des gegliederten Bil dungswesens. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordneten sowie des Abg. Winfried Mack CDU)

Die Kontroverse zwischen SPD und CDU, ob die intrinsische Motivation oder die extrinsische Motivation das Entscheiden de ist, zeigt doch, dass beide Parteien den Lehrern in BadenWürttemberg im Grunde misstrauen.

(Zurufe von der CDU: Oje!)

Die FDP/DVP weiß: Die Lehrer wissen selbst, wann die in trinsische und wann die extrinsische Motivation die richtige ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Letzter Punkt – ich komme zum Schluss – an die Kultusministerin: Frau Eisenmann, Sie haben gesagt, Sie hätten nichts an Vorschlägen gehört, wie wir Qualität ins Bildungswesen bringen können. Ich kann Ihnen mit zwei Punkten helfen:

Erstens: Wir, die FDP/DVP-Landtagsfraktion, haben im Jahr 2014 ein Impulspapier genau zu diesem Thema vorgelegt,

(Der Redner hält das Impulspapier „Für mehr Frei heit und Eigenverantwortung in unserem Bildungs wesen – Ein liberales Schulkonzept als Diskussions grundlage für einen stabilen Schulfrieden in Baden- Württemberg“ hoch.)

das ich Ihnen gern zur Verfügung stellen kann. Wenn Sie sa gen, das sei zu dünn, Sie wollten mehr lesen, sage ich: Es gibt auch Landtagsabgeordnete, die vernünftige Bücher schreiben: „Friede den Schulen! Gedanken zur Bildungspolitik“.

(Der Redner hält das genannte Buch hoch. – Beifall bei der FDP/DVP, der AfD und den fraktionslosen Abgeordneten – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Von wem? Zeig mal her! – Unruhe)

Ich darf um Ruhe bitten! – Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Boser das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es etwas ruhiger ist – – Danke schön.

Ich möchte nochmals betonen: Für uns in der Koalition wird es wichtig sein, das Thema „Qualität in Schulen und Unter richt“ für die nächsten Jahre als eines der Schwerpunktthe men zu definieren und dabei alle an einen Tisch zu holen. Da bin ich der Frau Ministerin sehr dankbar für ihre Herange hensweise auch jetzt im Zusammenhang mit VERA, die noch einmal genau definiert hat, wie wir das Thema umsetzen wol len, wie wir auch die Problemstellung angehen wollen. Ich glaube, es wird für alle Beteiligten im Schulleben wichtig sein, dass man da jetzt gut analysiert und die richtigen Schlüsse da raus zieht.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Zum Kollegen Fulst-Blei: Natürlich brauchen wir auch die Unterstützung durch zusätzliche Lehrerstellen für bestimmte Maßnahmen. Das machen wir mit dem Nachtrag, über den wir heute Mittag beraten. Wir müssen uns aber auch im Bildungs system – das war schon in den vergangenen fünf Jahren ein

wichtiges Thema für uns – genau die Maßnahmen daraufhin anschauen, welche Wirkungen sie haben. Dabei müssen wir manche Maßnahmen vielleicht auch überdenken.

Ich glaube, es ist richtig, dass wir in unser Bildungssystem in vestieren, wie wir es auch in den vergangenen fünf Jahren ge macht haben, aber im Bildungssystem braucht es nicht immer nur mehr Geld, sondern es braucht für die Bildung richtig an gelegtes Geld, und dafür stehen wir, die Fraktion GRÜNE. Wir stehen für eine nachhaltige Finanzpolitik. Das muss auch für den Bildungsbereich gelten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich möchte schon noch ein Wort zu den VERA-8-Ergebnis sen sagen. Denn natürlich ist es richtig, hier über die Leis tungsergebnisse zu diskutieren. Auch für uns ist es wichtig, dass wir ein leistungsstarkes Bildungssystem haben. Wir wol len nicht, dass es leistungsfrei ist und jedes Kind tun und las sen kann, was es will. Nein, wir wollen ein leistungsstarkes Bildungssystem. Davon lebt Baden-Württemberg als Wirt schaftsstandort. Das ist unser wichtigstes Kapital.

Wir müssen uns aber auch bei den einzelnen Schularten die Unterschiede bewusst machen. Viele Schularten leben auch davon, dass sie eine hohe Sozialkompetenz, eine hohe Fach lichkeit und handwerkliche Fähigkeiten vermitteln, und wir sollten diese Fähigkeiten nicht kleinreden, sondern wir soll ten sie genauso hoch anrechnen. Denn wir brauchen auch Kin der und Jugendliche, die soziale Fähigkeiten haben, die hand werkliche Fähigkeiten haben. Dass natürlich eine Leistungs grundlage vorhanden ist, spricht ja für sich selbst. Das ist kei ne Frage. Aber wir sollten daher auch in diesem Zusammen hang ganz klar die Wertigkeit und die hohe Qualität von Schu len in anderem Zusammenhang nicht vergessen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU)

In diesem Sinn wünsche ich mir tatsächlich, dass wir diese Diskussion weiter versachlichen, dass wir uns ideologiefrei er zeigen und dass wir wirklich alle am Schulleben Beteilig ten an einen Tisch holen, um die Ergebnisse zu analysieren – innerhalb der Schularten, auch innerhalb der einzelnen Ergeb nisse, was denn die Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer bedeutet, welchen Einfluss die Schulbauten haben, ob die rich tigen Schulangebote vorhanden sind, was mit den sächlichen Ausstattungen ist usw. Wir sollten alle an einen Tisch holen. Wir sollten mit allen Beteiligten reden, um dann zu analysie ren: Was können die nächsten Schritte sein? Wie können wir unser Bildungssystem in Baden-Württemberg weiter voran bringen?

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

(Zuruf)

Sie haben keine Redezeit mehr; deshalb.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Frau Ministerin Eisenmann, vielen Dank für die Ausführungen. Wir werden Sie kritisch begleiten; das kann ich Ihnen zusagen. Insbesondere wird es mich interessieren, wie Sie in der Zukunft vorgehen. Die For derung ist Ihnen ja sicherlich bekannt, gerade auch zur Ana lyse der VERA-8-Ergebnisse eine schulartenübergreifende Ar beitsgruppe einzurichten, um die Datenanalyse auch einmal vorwegzunehmen.

Ich möchte Ihnen mitgeben – diesen Hinweis habe ich auch in meinem ersten Redebeitrag deutlich zu machen versucht –: Wenn Sie von einem Leistungsvergleich reden, sage ich: Die ser Leistungsvergleich ruht auf klaren Zieldefinitionen. Dann ist es umso wichtiger, dass ein breiter Konsens darüber be steht, dass diese Zieldefinitionen allen Schularten die gleichen fairen Chancen geben. Denn ansonsten wird im Grunde ein Schrauben an genau dieser Größe am Ende, in fünf Jahren ir gendwann einmal dazu führen können, dass manche Schular ten in der Möglichkeit der Leistungsbeurteilung bevorzugt werden und manche eben nicht.

Auch das kann ich Ihnen zusagen: Wir werden ein sehr, sehr kritisches Auge darauf haben. Denn die ersten Gespräche auch von Leuten aus dem Gemeinschaftsschulbereich mit der Mi nisteriumsspitze endeten eher unter dem Kontext „sehr er nüchternd“. Das spiegle ich Ihnen zurück. Vielleicht haben Sie auch die Möglichkeit, da nachzuarbeiten.