Protocol of the Session on July 21, 2016

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Grundsätzlich waren wir uns, glaube ich, insgesamt einig, dass uns die Ergebnisse, die wir in den VERA-8-Untersuchungen vorgefunden haben, definitiv nicht zufriedenstellen können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Herr Kern, es freut mich, dass Sie hier so intensiv klatschen. Allerdings konnte ich nicht vernehmen, welche Erkenntnisse Sie aus der Untersuchung ziehen, außer, dass die Erkenntnis se, die wir aus ihr ziehen, falsch seien.

Das Nicht-Zufriedenstellen ist das eine. Es besteht jedoch auch kein Grund zur Panik. Aber klar ist – Frau Boser, Sie ha ben es bereits angesprochen; auch so viel gehört zur Wahrheit –, dass sich die Ergebnisse im Bereich der Qualitätsanalyse in Baden-Württemberg zunehmend und Schritt für Schritt ver schlechtert haben.

Wir haben im Übrigen auch im Gymnasialbereich, der im VERA-8-Vergleich sehr gut dasteht, die Erkenntnis ziehen können, dass andere Bundesländer durchaus qualitativ zule gen und wir auf unserem Niveau verharren. Auch dies muss in einer ehrlichen Analyse festgehalten werden. Daraus wird aber auch deutlich, dass wir auch im Bereich der Gymnasien künftig schauen müssen, wie wir dort die Qualität halten kön nen.

Über die Begrifflichkeiten „Schulkonsens“ und „Schulfrie den“ lässt sich streiten, Herr Kern. Ich glaube jedoch, dass deutlich wird, was damit gemeint ist, nämlich, dass wir uns nicht weiter über ideologische Schulstrukturen austauschen und erfreuen – oder auch nicht erfreuen –, sondern dass es da rum geht, welcher Inhalt mit welcher Qualität in den einzel nen Schularten vermittelt wird.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie des Abg. Dr. Heinrich Kuhn [fraktionslos])

Lassen Sie mich ein klares Bekenntnis zum leistungsstarken Bildungssystem abgeben. Die Vergleiche können Sie von Finnland über Asien oder auch in anderen Ländern vorneh men. Eine Gemeinsamkeit werden Sie finden, nämlich ein kla res Bekenntnis zu leistungsbezogenen Standards auf der ei nen Seite und Verlässlichkeit und Behutsamkeit in der Wei terentwicklung der Strukturen auf der anderen Seite.

Dazu kommt – daran müssen wir auch alle gemeinsam gesell schaftlich noch arbeiten – eine hohe Wertschätzung von Poli tik und Bevölkerung für die Arbeit der Lehrinnen und Lehrer und den Lehrerberuf an sich.

Deshalb kann ich Ihnen nur sagen, Herr Räpple: Das, was Sie heute den Lehrerinnen und Lehrern unterstellt haben – sie hät ten nicht die richtige Qualität und richtige Motivation –, fin de ich ungeheuerlich. Ich schätze die Arbeit unserer Lehrerin nen und Lehrer sehr. Sie geben sich in einer immer schwieri ger werdenden Zeit sehr viel Mühe. Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Auf Lehrern „rumzuhauen“ hat uns noch nie wei tergeführt. Dies trägt auch zu keiner qualifizierten inhaltlichen Debatte bei.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Bei diesem Thema den Fokus auf die Qualität von Bildung zu richten ist die Grundaussage der grün-schwarzen Landesre gierung und des Koalitionsvertrags. Meine große Hoffnung ist, dass wir parteiübergreifend darüber streiten mögen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

wie wir diese Qualität in den einzelnen Schularten darstellen, uns aber darauf verständigen, dass wir eben keine Schulstruk turdebatten benötigen, sondern uns vor Augen führen müssen, was in einem Haus tatsächlich unterrichtet wird und mit wel chem Erfolg.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So machen wir es!)

Welche Lehren können wir aus VERA 8 ziehen? Was die Spra chen anbetrifft, stehen wir traditionell nach wie vor sehr gut da. Wir haben z. B. im Bereich der deutschen Orthografie ein ganz zentrales Problem. Außerhalb der Gymnasien klaffen die Ergebnisse der Schularten hier sehr weit auseinander. Deshalb müssen wir uns und werden wir uns – es wurde bereits in ver schiedenen Beiträgen angesprochen – der Themen Recht schreibung und „Erlernen von Mathematik“ – von Rechnen – in der Grundschule annehmen.

Dort wird die Basis insgesamt gelegt. Ich muss Ihnen schon eines sagen: Insgesamt ist es gut, was in den Grundschulen alles an zusätzlichen Erwartungen definiert wird. Ich lese zu nehmend über Medienkompetenz und Programmierung, lese davon, dass man jetzt an den Grundschulen programmieren lernen muss. Wunderbar. Mir ist in Bezug auf die Grundschu len nur eines wichtig – dies zeigt VERA 8 auch –: Bevor man programmieren lernt, wäre es mir persönlich wichtiger, wenn die Schüler lesen, schreiben und rechnen könnten,

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der FDP/DVP, der AfD und den fraktionslosen Abgeordneten)

weil für eine gute Präsentation, eine souveräne Präsentation am interaktiven Whiteboard eben auch die richtige Recht schreibung wichtig ist.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Und le serlich schreiben, das wäre auch einmal gut! – Ge genruf: Wahnsinn! – Oh-Rufe)

Konzentrieren wir uns jetzt einmal auf das Wesentliche.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD – Heiterkeit – Zuruf: Genau!)

Für das Thema Rechtschreibung im Bereich der Grundschu le besteht bereits eine Rechtsverordnung, die schon in der ver gangenen Legislaturperiode in Kraft getreten ist. Darin geht es darum, wie Rechtschreibung in Grundschulen erlernt wird.

Es gibt verschiedene Methoden – es wurde angesprochen: Schreiben nach Hören –, und es gibt verschiedene Konzepte.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Mir geht es nicht darum, den Druck auf die Kinder insgesamt zu erhöhen; er ist aus verschiedenen Gründen ohnehin schon sehr hoch. Aber ich glaube sehr wohl, dass Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen das sind, was in Klasse 4 in der Grundschule erreicht sein muss.

Ich glaube nicht, dass die Sekundarstufe I dazu da ist, die Mängel, die in diesem Bereich entstanden sind, zu beheben. Denn die Sekundarstufe I hat andere Inhalte.

Wir werden uns diese anschauen. Wir werden die Lehrerin nen und Lehrer sehr konkret darin unterstützen, dieses Ver

mögen durch gezielte Konzepte an die Kinder heranzubrin gen. Ich glaube, dass es manchmal besser ist, auf das eine oder andere Konzept zu verzichten und sich darauf zu konzentrie ren, was insgesamt tatsächlich die Zielsetzung ist.

Frau Ministerin, lassen Sie ei ne Zwischenfrage der Frau Abg. Dr. Baum zu?

Selbstverständlich.

Bitte.

Vielen Dank. – Frau Minis terin, meinen Sie wirklich, dass es Kindern, die einmal das Schreiben nach Gehör gelernt haben, es also falsch gelernt ha ben, später leichter fällt, es richtig zu tun?

Wenn Sie mir zugehört hätten,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

wüssten Sie, dass ich eben sagte, dass es Konzepte in der Grundschule gibt, die wir überprüfen werden. Dass das Schrei ben nach Hören ein Konzept davon ist, ist allgemein bekannt.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Gescheitert!)

Es gibt auch noch andere Konzepte, und wir schauen uns die se an. Das war eben meine grundsätzliche Aussage. Wir kön nen Kindern in den Klassen 1 und 2 nicht etwas vermitteln, wenn in den Klassen 3 und 4 andere Ansprüche erhoben wer den. Diese Einschätzung teile ich.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Chris tina Baum AfD: Danke schön!)

Schön, dass wir da einer Meinung sind.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Endlich eine Kul tusministerin, die es erkannt hat!)

Das Zweite, was uns Sorgen machen muss, ist das Thema „Mathematik, Rechnen“. Man muss auch sagen, dass dabei die Ergebnisse gerade in der Werkrealschule – es wurde schon angesprochen – schlichtweg nicht gut, vielmehr beängstigend schlecht sind. Nach dem Wegfall der verbindlichen Grund schulempfehlung ist die Übertrittsquote auf die Werkrealschu le von ehemals 24 % auf nunmehr 16 % eingebrochen. Mo mentan sind in der Gesamtschau noch rund 6 % der Schüle rinnen und Schüler auf Werkrealschulen. Das führt dazu, dass die Schülerinnen und Schüler dort ein deutlich niedrigeres Leistungsniveau haben, die Klassen relativ klein sind und da durch auch das Problem besteht, dass fachfremder Unterricht erteilt werden muss. Das haben Sie verschiedentlich zu Recht angesprochen.

Wir müssen uns anschauen, wie wir bei den Werkrealschulen, aber auch – meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das gehört zu einer ehrlichen Diskussion – bei den Gemeinschafts schulen gerade im Bereich Mathematik die Ergebnisse, die ei nen nicht zufriedenstellen können, insgesamt verbessern kön nen.

Ich glaube, dass es da Möglichkeiten und Zielsetzungen gibt. Auch dies ist im Koalitionsvertrag verankert, nämlich die

Überarbeitung und die Bewertung dessen, wie wir dies in den Schularten verlässlich und behutsam, aber zielorientiert bezo gen auf die Qualität deutlich weiterentwickeln können. Wir müssen dort nachjustieren, wo es notwendig ist, um den Leis tungserfolg der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Tosender Applaus bei den Grünen!)

Lassen Sie mich noch eines sagen – auch dies als klares Be kenntnis –: Leistungsnachweise sind keine Schande.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der FDP/DVP und der AfD)

Der Sinn der Schule ist, dass Schülerinnen und Schüler dort etwas lernen. Natürlich darf man nicht alles völlig überhöhen und muss man auch bei Eltern werben, nicht alles, was an No ten hängt, in den Mittelpunkt zu stellen. Aber insgesamt brau chen wir Leistungsnachweise, um zu wissen, wo die Kinder und Jugendlichen stehen, welche Perspektiven sie haben und wo wir nacharbeiten und unterstützen müssen.

Herr Röhm, auch das ist ein Thema, das wir angehen werden – Sie haben es angesprochen –: Auf den Lehrer kommt es an. Das stimmt. Wir müssen ihn begleiten und unterstützen. Das werden wir tun. Wir werden deshalb unter dem Gesichtspunkt der Fachlichkeit die Lehrerausbildung kritisch überprüfen, um zu erreichen, dass der Unterricht verbessert wird und die fach lichen und fachdidaktischen Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer weiter gestärkt werden.

Es ist schwierig. Die Heterogenität der Schülerschaft ist längst in allen Schularten ein Thema. Ganz besonders stark – das wissen wir – gilt das für Gemeinschaftsschulen, es gilt aber in gleichem Maß für Realschulen. Deshalb ist der Weg – das wurde angesprochen; es läuft nun einmal viel über zusätzli che Lehrerinnen und Lehrer –, die Realschulen zu stärken, in dem dort zusätzliche Deputate zur Verfügung gestellt werden, richtig. Wir werden das entsprechend für den Haushalt 2017 anmelden, um dort dann auch beginnen zu können.