Cameron und der niederländische Premierminister Mark Rut te taten sich zusammen und entwarfen ein EU-Reformpapier. Doch kurz zuvor kam ein stürmischer Herr aus Luxemburg namens Juncker in die politische Arena und baute mit militä rischem Drill einen überbordenden EU-Stab auf, der immer mehr Macht und Einfluss gewann.
Cameron wollte mit Juncker über Reformen und den Status seines Landes sprechen, u. a. auch über eine Begrenzung der Milliardenzahlungen in ein schwarzes Loch namens EU. Doch Juncker, von Martin Sedlmayr beraten, wedelte jeglichen Wi derspruch zu seiner Politik in jener polternden und benebel ten Leutseligkeit weg. Da blieb Cameron nichts anderes üb rig, als sein Volk zu befragen. Den Rest kennen Sie alle.
Mit rationaler Handlungsweise hätte sich der Austritt Groß britanniens, vielleicht auch im Interesse der baden-württem bergischen Wirtschaft, verhindern lassen.
Werte EU-Anhänger – oder soll ich besser sagen: EU-Jünger? –, wissen Sie, warum die Tories jetzt haushoch die Wahlen ge wonnen haben? Weil die Briten wussten, was mit Frau von der Leyen auf sie zukommen würde.
Denn erfreulicherweise hat sie den Green Deal – oder sollten wir „grünes Geschäft“ sagen? by the way: wer ein „grünes Geschäft“ macht, sollte zum Arzt gehen –
noch kurz vor den britischen Unterhauswahlen verkündet, da mit auch der letzte unentschlossene Wähler für den Brexit stimmen kann.
Was hier auf uns zukommt, ist die Ausgeburt der Planwirt schaft; dies sprengt jegliche Vorstellungswelt, wie wir sie viel leicht aus der DDR-Zeit noch kennen.
Oder wie sind die Corporate-Governance-Strukturen denn sonst zu bewerten? Da soll ein komplettes Wirtschaftssystem auf radikale Ökobuchhaltung umgestellt werden. Hauseigen tümer sollen zu ideologischen Renovierungen gezwungen werden. Ab 2025 heißt es, ohne Schadstoffausstoß mobil zu sein – das bedeutet den endgültigen Todesstoß für den Ver brennungsmotor.
Mit diesem „grünen Geschäft“ fühlen sich viele Briten an ih re Schullektüre von „1984“ oder „Schöne neue Welt“ erinnert. Das wollen die Briten nicht, und ich bin mir sicher, viele Deut sche wollen das auch nicht.
Das Resultat kennen Sie: Die Tories gewannen, und zwar haushoch – haushoch! Das Austrittsabkommen wurde im Un terhaus beschlossen; Großbritannien verlässt die Glaubens kongregation EU,
denn dieser wird Europa erfassen. Wenn die Inhalte dieses von NGOs erstellten Papiers bekannt werden, werden Sie die Früchte Ihrer Unfähigkeit und Ihrer Zustimmung zur EU selbst ernten.
Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es so weit: Der Aus tritt der Briten aus der EU vollzieht sich – und ich sage: end lich.
Endlich – das sage ich aber nicht mit dem Duktus einer AfD, die das mit Sektenanalogien aus dem Fundus ihrer eigenen Erfahrungen auf die EU überträgt.
Vielmehr musste diese Hängepartie, die wir jetzt über ganz viele Monate erlebt haben, irgendwann einmal zu Ende ge hen. Deswegen sind wir der Meinung: Ein Ende mit Schre cken ist besser als ein Schrecken ohne Ende. Wir haben nun reinen Tisch und können auf Augenhöhe über die zukünftigen Beziehungen verhandeln. Ich möchte aber auch klar sagen: Wir, die FDP, hätten die Menschen in Großbritannien gern in der EU behalten, meine Damen und Herren,
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Als Zahler! – Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)
und zwar nicht nur, weil sie mit uns gemeinsame Werte tei len, nicht nur, weil sie mit uns eine Politik, in der das Geld nicht über die – –
(Abg. Stefan Räpple AfD: Sie belügen die Wähler! Etatismus! Zentralismus! – Zuruf des Abg. Dr. Hei ner Merz AfD)
Herr Räpple, wenn Sie nicht einmal eine Frage stellen kön nen, dann halten Sie sich mit Ihren Wortmeldungen doch ein fach zurück.
Wir haben hier eine Situation vorliegen, in der die Menschen in Großbritannien nicht nur unsere Werte geteilt haben, son dern in der wir sie gerade mit Blick auf eine Begrenzung der Ausgabenpolitik immer an unserer Seite hatten. Das werden wir nun sehr vermissen.
Thema ist auch, dass Deutschland jetzt natürlich mehr bezah len muss, weil Großbritannien Nettozahler der Europäischen Union war. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Mit dieser Feststellung, mit dieser Analyse können wir auch schon die Probleme abholen. „Der Brexit ist durch, es lebe der Brexit!“ Das könnte man in Abwandlung eines „König“-Zitats eigentlich sagen. Denn jetzt beginnt tatsächlich die Arbeit. Es ist ein bisschen wie bei den runden Geburtstagen. Man wird am 1. Februar aufwachen und feststellen: Es hat sich nichts geändert. Es hat sich auch deshalb nichts geändert, weil die Regeln jetzt erst einmal für zwei Jahre festgeschrieben sind.
Das heißt aber für uns: Wir müssen das Freihandelsabkom men jetzt zügig angehen. Wir müssen zumindest probieren, das Zeitfenster, das die britische Seite aufgemacht hat – im merhin; allerdings nur bis Ende des Jahres; das halte ich für etwas unrealistisch; das möchte ich auch klar sagen –, zu nut zen, um Fortschritte zu erzielen, damit es nicht zum harten Brexit kommt – für alle Beteiligten.
Eine Frage: Wie erklären Sie Ihren Wählern, wenn Sie mit Schlagworten wie „Bürokratieabbau“ und der Aussage „Die FDP steht für weniger Bürokratie“ in den Wahlkampf ziehen, dass Sie so ein erbärmliches Bürokratiemonster wie die EU mit unseren Steuergeldern füttern wollen und es so für gut er achten, wenn korrupte Politiker in Rumänien deutsche Steu ergelder bekommen, um sich selbst die Taschen zu füllen? Wie erklären Sie das Ihren Wählern?
Herr Räpple, wenn Sie sich anschauen, was wir hier in Deutschland an Bürokra tie auf EU-Regelungen draufsatteln, was andere Länder nicht tun – Sie brauchen heute nur einmal den Pressespiegel zu le sen: Frankreich hat Kassenbons verboten –, dann erkennen Sie, dass doch wir diejenigen sind, die immer noch eins drauf setzen. Das kann man doch nicht auf die EU schieben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: So ist es! – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)
In dieser Situation wird es selbstverständlich auch Entwick lungen geben, die bei uns zu unabwendbaren Einschnitten füh ren. Ich bin mir sicher: Die Nordirland-Regelung, die im Raum steht, wird ein Unruheherd bleiben. Das Verbleiben im Zollverbund mit Großbritannien bei gleichzeitiger Zollfrei heit zur EU schafft definitiv mannigfaltige Missbrauchs- und Umgehungsmöglichkeiten. Das wird Schlagzeilen für die Bou levardpresse in England liefern.
Deswegen ist die Frage: Was müssen wir tun? Was muss Ba den-Württemberg in der EU tun? Zuerst einmal müssen wir, Herr Minister Wolf, darauf drängen, dass das Thema Freihan delsabkommen nicht hinter der Klimagesetzgebung und hin ter den Endverhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrah men verschwindet. Denn auch wenn der Zeitplan äußerst am bitioniert ist – der Einsatz ist es definitiv wert.
Zweitens: Die EU muss in diesem Freihandelsabkommen die Interessen der verbleibenden Mitglieder vertreten. Wir müs sen darauf achten, keine Regulierung zu bekommen, bei der nachher Großbritannien zu einer Art vorgelagertes Ellis Island wird, wo sich eine Anti-EU-Politik entwickeln kann, wo man mit niedrigen Konditionen Leute anlockt, um das Ganze dann über den Freihandel ohne Barrieren in die EU zu bringen, mei ne Damen und Herren.