Protocol of the Session on January 29, 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Lange war es ein Drama ohne Ende. Kaum ein Tag verging, an dem nicht ein weiterer Akt des britischen Dramas vonstat tenging. Nun steht es deutlich fest,

(Abg. Anton Baron AfD: Deutlich! Sehr deutlich!)

aber es herrscht noch immer eine Lähmung und Ungewissheit angesichts dessen, was kommen mag.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Für die Lan desregierung!)

Kollege Schweickert. – Populismus, von dem wir heute Morgen natürlich schon einiges mitbekommen haben, hat da zu geführt, dass Britannien zu seinem Schaden aus der EU austritt.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau, deswegen wurde mit über 50 % dafür gestimmt! – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Wir müssen dafür sorgen – hier im Land und in ganz Deutsch land –, dass es keine Diskussion über einen „Dexit“ gibt.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das kön nen wir ja ändern, Herr Kollege! Das können wir än dern!)

Wir wollen, dass Deutschland, dass Baden-Württemberg in der EU bleibt.

Meine Damen und Herren, der 31. Januar ist ein historischer Tag. Nach 47 Jahren Mitgliedschaft in der Gemeinschaft ver lässt Britannien die EU. Natürlich ist das ein trauriger Tag für ganz Europa. Europa wird sich ändern. Das wird viele Folgen haben, und wir müssen dafür sorgen, dass wir einiges davon abfedern können.

Schauen wir uns kurz einmal die wirtschaftlichen Folgen die ses Brexits an. Man muss wissen, dass die Wirtschaftskraft Großbritanniens der Summe der Wirtschaftskraft der 18 kleins ten Länder in der EU entspricht. Es wird uns alle wirtschaft lich treffen, auch Baden-Württemberg. Natürlich wird es Bri tannien treffen. Es gibt dort auf mittlere Sicht Wachstumsver luste und Einkommensverluste für die Bürger.

(Abg. Anton Baron AfD: Nach welcher Quelle?)

Es dürften weniger Direktinvestitionen nach Britannien flie ßen. Man sieht schon jetzt, dass Direktinvestitionen im rest lichen Europa zunehmen.

Auch wir in Deutschland werden betroffen sein. Vom ifo-In stitut gibt es Untersuchungen, wonach wir Wachstumseinbu ßen zwischen 0,11 und 0,23 % hinnehmen müssen. Das wird auch Baden-Württemberg betreffen. Schon in den letzten drei Jahren hatten wir bei den entsprechenden Exporten einen Ein bruch um 32 %. Ausschlaggebend dafür ist unsere exponier te Stellung bei Exporten in den Bereichen Automobile und Pharma.

Vor Kurzem hat die Wirtschaftsministerin in Baden-Württem berg bekannt gegeben, dass ungefähr 70 000 Arbeitsplätze vom Export nach England abhängig sind. Sie sind im Augen blick nicht in Gefahr, aber wir müssen einiges tun, damit das so bleibt.

Wir brauchen dringend ein Handelsabkommen, ein faires Han delsabkommen mit Britannien. Dieses Handelsabkommen muss allen Voraussetzungen entsprechen, dass der Handel gut weitergeht. Gründlichkeit muss dabei vor Schnelligkeit ge hen. Wir brauchen für unsere Wirtschaft Sicherheit für die Zu kunft.

Meine Damen und Herren, damit wird klar, dass uns der Bre xit sehr trifft. Wir müssen dafür sorgen, dass wir dies alles ab federn. Von Friedrich Dürrenmatt stammt der Satz:

Was alle angeht, können nur alle lösen.

Ich danke der Landesregierung, dass sie sehr frühzeitig ein Folgenabschätzungsgutachten erstellt hat und sehr frühzeitig ein Übergangsgesetz geschaffen hat. Wir brauchen Rechtssi cherheit für die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Nur Si cherheit sorgt für eine gute Entwicklung.

Meine Damen und Herren, der Brexit ist nicht mehr abwend bar. Es ist schade – für uns alle –, aber jetzt kommt es darauf an, dass wir in einer schwierigen Verhandlungsrunde zu gu ten Ergebnissen kommen. Hierfür wünsche ich uns gute Ner ven und viel Mut.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Für die SPD spricht Herr Abg. Fink.

Guten Morgen, Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Auch im neuen Jahr unter halten wir uns wieder über den Brexit. Geändert hat sich aber ein bisschen was: Mittlerweile gibt es einen Fahrplan für die Trennung. Ein Satz, den man bei einer Trennung oft hört, lau tet ja: „Wir können doch gute Freunde bleiben.“ In diesem Fall müssen wir alles dafür tun, dass dieser Satz – ausnahms weise – ernst gemeint ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn auch im neuen Jahr hat sich eines nicht geän dert: Der Brexit ist und bleibt ein schwerer Fehler.

Wir müssen jetzt gemeinsam schauen, dass wir das Beste da raus machen. Aber warum ist denn dieser Brexit ein so schwe rer Fehler? Ganz einfach deshalb, weil der Brexit für ein Zu rück in die Nationalstaaten steht. Dieses Zurück in die Nati onalstaaten führt zu Egoismus, dieser Egoismus führt zu Kon flikten, und Konflikte zwischen Nationalstaaten führen am En de immer zu Auseinandersetzungen und im schlimmsten Fall zu Krieg.

(Zuruf von der AfD: Für die SPD offenbar!)

Das klingt ein bisschen wie eine Weisheit von Meister Yoda aus „Star Wars“. Aber es hat in diesen Tagen einen besonders ernsten Hintergrund, wenn wir uns nämlich vor Augen füh ren, wozu ein solcher Nationalismus im schlimmsten Fall füh ren kann. Deshalb ist es unsere gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Populisten und Nationalisten nicht Wahlen ge winnen, wie sie es beim Brexit getan haben, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Nun haben wir in Baden-Württemberg auch die Aufgabe, da mit umzugehen. Politik hat da mehrere Handlungsfelder. Zum einen geht es um den rechtlichen Rahmen, den wir abstecken müssen. Das geschieht mit dem Brexit-Übergangsgesetz. Da haben Sie uns auch an Ihrer Seite.

Ein weiterer wichtiger Teil von Politik ist aber, die Menschen umfassend und gründlich zu informieren. Wenn man sich bei uns in Baden-Württemberg darüber informieren möchte, was der Brexit für unser Land bedeutet, kann man ja auf die Idee kommen, auf der Homepage des Ministeriums der Justiz und für Europa nachzuschauen. Denn schließlich erleben wir hier immer einen Minister, der mit großem Engagement und mit Leidenschaft für Europa unterwegs ist. Leider finden Sie auf der Homepage nichts zum Thema Brexit – außer Redebeiträ gen.

Man kann dann sagen: Wir haben einen Ministerpräsidenten, der zu Recht sagt: Europa ist für uns Staatsräson. Also schaut man einmal auf die Homepage des Staatsministeriums. Auch da finden Sie viele europapolitische Themen, aber kein Wort zum Brexit.

Da ich ein cleveres Kerlchen bin,

(Heiterkeit)

habe ich mir gedacht: Ich schaue mal auf die Homepage des Wirtschaftsministeriums. – Ich bin höchst erfreut, dass es kei nen Widerspruch im Gremium gibt.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Falsch, Herr Kollege!)

Auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums gibt es dann tatsächlich eine ausführliche Rubrik zum Thema Brexit. Und es gibt nicht nur eine ausführliche Rubrik, es gibt auch wun derschöne Fotos: das Neue Schloss und darüber in großen Let tern: „Immer auf dem neuesten Stand“. Und dann klicken Sie mal auf die Frage: „Wie ist der aktuelle Verfahrensstand?“ Dann taucht auf, dass am 25. November 2018 der Europäi sche Rat das letzte Mal etwas zum Brexit beschlossen habe, dass es im britischen Unterhaus noch keine Meinung dazu ge be und wie kompliziert doch die Backstop-Lösung sei. Wir haben es vom Kollegen Kößler gehört: Es geht um 70 000 Ar beitsplätze, es geht um die Zukunft Europas, und Sie schaffen es nicht einmal, eine Homepage zu aktualisieren. Das ist pein lich, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Und das ist auch gefährlich, weil mit dieser Haltung etwas übernommen wird, was wir ja selbst erleben, nämlich, dass die Menschen teilweise keine Lust mehr haben, sich mit dem Thema Brexit zu beschäftigen,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Was hat das mit Lust zu tun?)

sondern nur sagen: Hauptsache, es geht irgendwann vorbei.

Das dürfen wir jedoch nicht zulassen. Wir müssen dafür sor gen, dass wir weiterhin mit großer Lust für Europa eintreten, wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass wir für ein vereintes Europa eintreten. Gerade die sozialdemokratische Fraktion wird das mit großer Kraft tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abg. Sänze spricht für die AfD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorweg: Wir werden das Gesetz nicht behindern, aber wir werden uns enthalten. Eines kann ich Ihnen aber nicht er sparen: meine unverhohlene Freude über eine Regierung, die auf ihr Volk hört –

(Beifall bei der AfD)

unerfreulich für die EU, ein Sieg für die direkte Demokratie.

Sie wissen sicherlich, warum es dazu kam. 2010 haben die Tories ihre absolute Mehrheit verloren. Das sollte sich viel leicht die CDU auch merken: Ursache war die UKIP. Viel leicht hier demnächst die AfD? Der damalige Premierminis ter Cameron war gezwungen, den Zustand der EU zu reflek tieren. Resultat: Irgendwas stimmt nicht. Die Mehrheit des britischen Volks will eine solche EU nicht. Sie wollen ein ge meinsames Europa, aber sie wollen keine Bürokratiemonster, und sie wollen schon gar nicht gegängelt werden.

Die Briten haben die EU als Angebot der gemeinsamen Zu sammenarbeit verstanden und nicht als Instrument der Gän gelung – und schon gar nicht der Bevormundung.

(Beifall bei der AfD)

Cameron und der niederländische Premierminister Mark Rut te taten sich zusammen und entwarfen ein EU-Reformpapier. Doch kurz zuvor kam ein stürmischer Herr aus Luxemburg namens Juncker in die politische Arena und baute mit militä rischem Drill einen überbordenden EU-Stab auf, der immer mehr Macht und Einfluss gewann.