Vor allem auch in der Entlohnung erhoffen wir uns einen spür baren Anstieg; denn diese bedeutet schließlich auch Anerken nung und Wertschätzung der Arbeit, die tagtäglich an hilfsbe dürftigen Menschen erbracht wird, in Zeiten, in denen es lei der fast nicht mehr möglich ist, sich um seine kranken und al ten Angehörigen selbst zu kümmern. Durch aus finanziellen Gründen notwendig gewordene Berufstätigkeit oder aufgrund von Alltagsstress und damit einhergehender Überlastung ist es schlicht und einfach nicht mehr möglich, sich in unserem reichen Deutschland um die eigene Mutter oder den eigenen Vater zu kümmern.
Eine wesentliche Forderung der Pflegekräfte ist die nach mehr Zeit für den persönlichen Kontakt, für ihre wahre Passion, al te Menschen in ihren letzten Jahren menschenwürdig und re spektvoll zu begleiten, so wie es in einer zivilisatorischen und humanistischen Gesellschaft selbstverständlich sein sollte.
Doch Zeit ist Geld und leider gerade in den Pflegeberufen Mangelware, auch wegen der völlig überzogenen Dokumen tationspflicht bis zum Grab. Das muss sich ändern. Ob dies durch diese Reform geschieht, dessen sind wir uns nicht si cher. Wir werden es sehen.
Im Augenblick sehen wir die Reform noch nicht als den gro ßen Paukenschlag gegen Pflegenotstand und Pflegefrust. Viel leicht ist ein Anfang gemacht; aber es muss mehr passieren. Denn das sind wir den Menschen schuldig, die sich bis heute in der Pflege für wenig Geld für ihre Mitmenschen und Pati enten aufopfern.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Zunächst eine Anmerkung zu Frau Baum, die die Entlohnung angesprochen hat: Vor ungefähr drei Wochen hat der Bundestag das Pflegelöhneverbesserungs gesetz verabschiedet; da geht es um die bessere Entlohnung. Die AfD hat dagegen gestimmt. – Dies nur zu Ihrer Informa tion.
Schon seit etwa 30 Jahren wird in Deutschland über die soge nannte generalistische Pflegeausbildung diskutiert. Zum En de der letzten Legislaturperiode wurden nach sehr langen und schwierigen Diskussionen im Bund endlich die gesetzlichen Weichen für die Umsetzung gestellt. Das Gesetz tritt ab 2020 in den wesentlichen Punkten auch in unserem Bundesland in Kraft.
Eine einheitliche Ausbildung in den Bereichen Alten-, Kran ken- und Kinderkrankenpflege, wie sie bereits in den meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten besteht, soll nun auch in Deutsch land eingeführt werden und zu einer höheren Attraktivität des Berufs führen.
Weitere Ziele sind, die Pflegeberufe zukunftsgerecht weiter zuentwickeln und vor allem auch inhaltliche Qualitätsverbes serungen vorzunehmen.
Es soll also ein modernes, gestuftes und durchlässiges Pflege bildungssystem geschaffen werden. Hierbei ist wichtig, dass die sich wandelnde Versorgungsstruktur und die künftigen Pflegebedarfe mitgedacht werden und dass die notwendige Basis auch für ein lebenslanges Lernen sowie für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen werden kann.
Ich weiß, dass es auch Kritik an dieser Reform gab und gibt. Aber jetzt ist der Beschluss nun einmal getroffen, und wir soll ten mit aller Kraft an die Umsetzung gehen.
Jetzt kommt es darauf an, wie diese Umsetzung in BadenWürttemberg verläuft. Hier steht die Erfüllung des bundes rechtlichen Rahmens mit landesrechtlichen Regelungen na türlich an erster Stelle. Deshalb beraten wir diesen Gesetzent wurf heute in zweiter Lesung. Die Ansatzpunkte für Verord nungen und Erlasse sind da natürlich ein ganz zentraler Punkt; das ist sicherlich nachvollziehbar.
Wichtiger aber ist, dass unser Herr Minister Lucha zeitnah in der Lage ist, den Rahmen, den wir ihm heute gesetzgeberisch geben, auch inhaltlich zu füllen. Denn die Ausbildungsstätten müssen sich auf die konkrete Umsetzung vorbereiten können, und dazu brauchen sie natürlich auch strukturelle Unterstüt zung.
Einige der drängendsten Fragen möchte ich hier gern kurz an sprechen. Der Bund hat bereits einen Rahmenlehrplan vorge legt, an dem sich die Länder orientieren können. Die Landes regierung muss die landesspezifische Umsetzung damit auch schnell auf den Weg bringen und dabei die Träger der Ausbil dungsstätten einbeziehen.
Ferner muss die Landesregierung die Bildung von Ausbil dungsverbünden unterstützen. Speziell die Universitätsklini ken sind hier sehr gefragt, sich im Bereich Kinderkranken pflege zu beteiligen.
Schließlich muss sie die Finanzierung für zusätzlich anfallen de investive Kosten für alle Pflegeschulen regeln, die nicht an Krankenhäuser angebunden sind.
Zusätzlich besteht natürlich auch noch die Frage, wie sich das Land in Bezug auf die Beschlüsse der „Konzertierten Aktion Pflege“ verhält. Denn auch hier hat Baden-Württemberg die Zielvereinbarung unterschrieben, für ca. 10 % mehr Ausbil dungsplätze in der Pflege zu sorgen. Hierzu hatten wir eine Große Anfrage gestellt. Herr Minister, Sie haben die Frage da zu leider für uns sehr unbefriedigend beantwortet. Vielleicht können Sie später noch etwas dazu sagen.
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Frage wich tig, wie Sie gemeinsam mit Frau Kultusministerin Eisenmann unter den Schulabgängern für die Pflegeausbildung werben, damit wir die zusätzlichen 10 % bei den Ausbildungsplätzen tatsächlich erreichen.
Ich fasse zusammen: Uns liegt ein durchaus notwendiger Ge setzentwurf zur landesrechtlichen Umsetzung eines wirklich wichtigen bundesrechtlichen Reformprojekts in der Pflege vor. Das Gesetz ist zum einen Voraussetzung, zum anderen aber auch ein sehr großer Auftrag, das Pflegeberufegesetz in Ba den-Württemberg schnell und umfassend umzusetzen.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vor liegenden Gesetzentwurf zur Ausführung des Pflegeberufege setzes setzen wir die generalisierte Pflegeausbildung um. Im Grunde genommen ist das mehr organisatorischer Natur; es geht nicht um die Pflegeausbildung oder um die Entscheidung über eine generalisierte Ausbildung an sich. Aufgrund des Bundesgesetzes sind aber viele Einzelheiten zu regeln, etwa Verordnungsermächtigungen zur Ausgestaltung der generali sierten Pflegeausbildung, Lehrpläne oder die Organisation von Pflegeschulen und vor allem deren Finanzierung. Für uns war das wichtig.
Wir haben die Zusage des Ministers, dass nicht nur Pflege schulen, die an Krankenhäusern angesiedelt sind, sondern auch Pflegeschulen in freier Trägerschaft sowohl eine Finan zierung als auch eine Perspektive haben. Wir haben ja schon von meinen Vorrednerinnen gehört, dass dies helfen soll, die Pflege in Baden-Württemberg zu stärken, sodass wir mit der generalisierten Pflegeausbildung einen Impuls für BadenWürttemberg bekommen.
Aber lassen Sie mich noch einmal auf die generalisierte Pfle geausbildung und auf den Prozess eingehen. In der letzten Le gislaturperiode gab es eine Enquetekommission „Pflege“. Auch die FDP/DVP-Fraktion hat eine generalisierte Pfle geausbildung als solche unterstützt. Wir haben aber schon in der letzten Legislatur darauf hingewiesen, dass uns Durchläs sigkeit und Vielschichtigkeit wichtig sind.
Wir haben die Situation, dass wir auch einjährige Ausbildun gen brauchen, damit Berufsanfänger einen Start haben und sich dann weiterqualifizieren können. Deswegen brauchen wir die Durchlässigkeit für Pflegeassistentinnen und Pflegeassis tenten und die Möglichkeit einer Anrechnung der Berufsjah re.
Wenn man – wie Frau Kollegin Krebs und Frau Kollegin Hart mann-Müller – betont, dass man die Qualifikation verbessern will, so muss man, wenn man sich den Lehrplan anschaut, für die Altenpflege schon feststellen, dass der Qualitätsstandard abgesenkt wird – was fast zwangsläufig der Fall ist, weil wir eine breitere Ausbildung vorsehen.
Ganz entscheidend wird natürlich sein, ob es gelingt, die Men schen, die diese Ausbildung durchlaufen, auch in der Alten pflege zu halten.
Es gibt eben auch Gehaltsunterschiede gegenüber den Kran kenhäusern. Das wird entscheidend sein. Wir wissen, dass wir in den nächsten 15, 20 Jahren 40 000 zusätzliche Pflegekräf te in der Altenpflege brauchen. Sie haben die Zahlen genannt; die Menschen werden älter. Das wird ein ganz wichtiger Part, den wir im Auge behalten sollten.
Ein Punkt, auf den wir hingewiesen haben: Baden-Württem berg ist ein Flächenland. Wenn wir eine generalisierte Pfle geausbildung haben, in der Kinderkrankenpflege, Kranken pflege und Altenpflege verbunden sind, müssen wir insbeson dere im ländlichen Raum schauen, dass wir das so organisie ren können, dass die Tätigkeit auch für junge Menschen at traktiv bleibt.
Ein Beispiel: In Villingen-Schwenningen, wo das Klinikum einen großen Einzugsbereich hat, muss es auch für junge Men schen, die vielleicht kein Auto oder keinen Führerschein be sitzen, möglich sein, in diesem Bereich Fuß zu fassen und ei ne attraktive Ausbildungsgrundlage zu haben. Das ist, glaube ich, eine Herausforderung.
Uns Freien Demokraten war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass man einen guten Zugang haben sollte. Man sollte auf grund dieser generalisierten Ausbildung jetzt keine Formali en einziehen, die es jungen Menschen schwerer machen, in diesen Beruf einzusteigen. Dann hätten wir nämlich nicht er reicht, was wir erreichen wollen.
Deswegen brauchen wir leichte Einstiegsmöglichkeiten auch am Rande dieser generalisierten Pflegeausbildung, damit wir die Pflege tatsächlich attraktiver machen. Das ist uns wichtig; das werden wir im Blick behalten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon erwähnt: In Baden-Württemberg sind aktuell etwa 400 000 Menschen auf Pflege angewiesen. Sie alle wissen: Es werden mehr. Wir werden mehr.
Genauso sicher ist: Es fehlen heute schon qualifizierte Pfle gefachkräfte. Natürlich bedeutet das: Wir brauchen mehr Per sonal, wir brauchen gut qualifiziertes und gut bezahltes Per sonal. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, damit die Pfle gekräfte nicht von einem Zimmer ins nächste hetzen und am Ende des Tages völlig ausgebrannt nach Hause gehen. Viel mehr sollen sie sich für jeden Einzelnen Zeit nehmen können und ihren Job gut und richtig machen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen auch gute Auf stiegsmöglichkeiten, um den Pflegeberuf im Gesamten attrak tiver zu machen. Damit meinen wir und meine ich ausdrück
lich die Möglichkeit, in der Pflege eine Berufskarriere am Bett und an den Patienten zu machen und eben nicht nur in der Lei tung im Dienstzimmer oder in der Ausbildung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen – wir sind in der Pflegefamilie geprägt; das haben Sie alle angespro chen –: Dass wir das heute so gut umsetzen können, ist auf unsere gemeinsame Arbeit in der vergangenen Enquetekom mission zurückzuführen. Das muss man an dieser Stelle er wähnen. Ich darf heute stellvertretend allen Kräften in der Pflege ein großes Dankeschön ausrichten.
Dieses Dankeschön ist eine Liebeserklärung an die Menschen für das, was sie leisten, wie sie Tag für Tag mit den zu Pfle genden umgehen. Diese Menschen machen Tag für Tag einen hervorragenden Job.
Es war in der Tat ein langer Ritt; Kollegin Wölfle hat das an gesprochen. Die Pflegeberufereform des Bundes war leider viele Jahre ein sehr interessengruppengeleiteter Prozess. Wir sind im Prinzip auch wieder zu spät dran. Wir, Bund und Län der, haben es aber auch über die parteipolitischen Grenzen hinweg gemeinsam geschafft. Dafür noch mal allen ganz herz lichen Dank.
Ich wiederhole noch kurz: Am 1. Januar 2020 wird es keine spezielle Ausbildung mehr für Kranken-, Alten- und Kinder krankenpflege geben, sondern die sogenannte generalistische Ausbildung, weil – das wissen wir, weil wir uns in den letz ten Jahren sehr damit beschäftigt haben – die Differenzierung in die Bereiche Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkran kenpflege gar nicht mehr zeitgemäß ist und auch nicht mehr den Entwicklungen, den Lebensläufen und den Lebenswirk lichkeiten entspricht. Denn die Bedürfnisse der Menschen in Krankenhäusern, in der ambulanten Pflege und, wenn man äl ter ist, auch in der stationären Pflege sind wesentlich komple xer geworden und hängen auch wesentlich mehr von der je weiligen Lebenslage ab.