Protocol of the Session on October 17, 2019

(Abg. Anton Baron AfD: Herr Sckerl, was ist denn da los? – Abg. Carola Wolle AfD: Die Aktuelle De batte behandelt das Thema Sicherheit! – Weitere Zu rufe – Lebhafte Unruhe)

Last, but not least – man muss es immer wieder benennen –: Der ständige Gast Ihrer Landtagsfraktion, das AfD-Parteimit glied Wolfgang Gedeon, darf nach einem Urteil des Berliner Landgerichts als Holocaustleugner bezeichnet werden.

(Abg. Carola Wolle AfD: Die Aktuelle Debatte be handelt das Thema Sicherheit!)

Entschuldigung, Herr Sckerl. Einen kleinen Moment, bitte. Wir halten auch die Redezeit kurz an.

Es gibt einen Ordnungsruf für den Zuruf „Sie sind ein Anti semit!“.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los]: Ein absoluter Witz ist das!)

Die Redezeit ist weiterhin angehalten. Sie, Herr Abg. Dr. Fiechtner, haben sich angemeldet und wollen nachher selbst von hier vorn reden.

(Abg. Anton Baron AfD: Frau Kurtz, wie oft wurde Herr Gedeon als Antisemit bezeichnet? Zweierlei Maß, oder was? Das kann doch nicht sein! – Abg. Thomas Axel Palka AfD: Das ist parlamentarische Gepflogenheit, Frau Präsidentin!)

Es reicht jetzt mit den Zwischenrufen. Ich bitte jetzt um et was mehr Disziplin und Ruhe. Die persönliche Zuordnung ei nes solchen Begriffs zieht einen Ordnungsruf nach sich.

(Zurufe von der AfD)

Jetzt bitte ich um Aufmerksamkeit. – Herr Abg. Sckerl, Sie haben das Wort.

(Abg. Carola Wolle AfD: Herr Sckerl soll zu diesem Thema sprechen!)

Würden Sie jetzt bitte den Mund halten!

Herr Gögel, wollen Sie, auch mit Blick auf die nur ganz knapp gescheiterte Wieder aufnahme von Herrn Gedeon in Ihre Fraktion, weiterhin ernst haft behaupten, Antisemitismus habe bei Ihnen keinen Platz?

(Abg. Bernd Gögel AfD: Wollen Sie ernsthaft diese Frage stellen? Ja?)

Das Gegenteil ist richtig. Antisemitismus wird bei Ihnen nicht nur geduldet, er ist bei wachsenden Teilen Ihrer Partei und auch Ihrer Landtagsfraktion salonfähig. Wie gesagt, wir kön nen das rauf und runter diskutieren. Aber vor diesem Hinter grund sind wir nicht bereit, mit Ihnen über Sicherheitsfragen zu diskutieren – damit das klar ist.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Sie sind dafür kein Diskussionspartner.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Leis tungsverweigerung nennt man das, Herr Sckerl!)

Dann darf ich Herrn Abg. von Eyb für die CDU das Wort geben.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Vom Po dium aus darf man andere als Antisemiten bezeich nen, anscheinend ohne Ordnungsruf! Das ist interes sant! – Abg. Anton Baron AfD: Wir werden dagegen Einspruch erheben! Das ist zweierlei Maß hier im Parlament! Eine Frechheit! – Unruhe)

Herr Abg. von Eyb, Sie haben das Wort.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Rechts staatlichkeit gibt es nicht! – Gegenruf des Abg. Da niel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wird das eigentlich nicht geahndet?)

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und sehr geehrte Kollegen! Die Ereig nisse von Halle haben uns wieder bewusst gemacht, wie ver letzlich unsere Gesellschaft letztendlich ist und wie wenig es tatsächlich gelingt, einzelne Personen vor einem solchen Ver brechen zu bewahren. Dieser Anschlag ist ein widerwärtiger Angriff auf unser aller Zusammenleben, in dessen Mitte die jüdische Gemeinschaft seit vielen Jahrhunderten einen gro ßen Beitrag leistet. Nur eine Tür verhinderte, dass wir heute nicht über ein noch schlimmeres Verbrechen reden müssen.

Gegen eine solche Attacke auf die Minderheiten in unserem Land und damit auch auf unsere Gesellschaft müssen diejeni gen, die Wert auf ein offenes und freies Leben legen, zusam menstehen. Klar muss jedoch auch sein: Wenn wir alle Plät ze mit den höchstmöglichen Sicherheitsvorkehrungen ausstat ten, an die man in diesem Zusammenhang denken kann, mag das beruhigend wirken; dennoch werden dadurch nicht alle Taten verhindert werden können. Trotz der Notwendigkeit ent sprechender Sicherheitsvorkehrungen müssen wir uns doch auch die Frage stellen: Wie weit soll das eigentlich gehen? Moscheen, Kirchen, Kindergärten, Schulen, Gerichte, Parla mente, Rathäuser, Notariate, Bahnhöfe – fast an allen solchen Orten hat es bereits schwere Verbrechen gegeben. Synagogen sind besonders gefährdet.

In Halle war es wohl so, dass ein zu einem Verbrechen berei ter Mensch, als er merkte, dass ihm das geplante Blutbad nicht gelingen würde, andere ihm zufällig begegnende Personen kaltblütig ermordete. Es wird auch zukünftig nicht möglich sein, Menschen herauszufiltern, die als Einzeltäter, ohne ent sprechende vorbereitende Kommunikation mit anderen, zu dem Schluss kommen, andere Menschen – aus welchen Mo tiven auch immer – umzubringen. Auch hier kann eine Ge sellschaft nur das leisten, was leistbar ist.

Aber als Staat können wir leisten. Wir können nämlich über all da, wo Menschen sich auffällig verhalten, etwas genauer hinschauen. Wo werden Konstruktionspläne heruntergeladen? In welchen Foren radikalisieren sich Menschen? In welch auf fälliger Weise kleidet sich möglicherweise ein Mensch? Trägt er gegebenenfalls Tattoos mit Symbolen, die auf eine entspre chende Geisteshaltung schließen lassen? Welche Musikver anstaltungen, wie sie besonders im Ausland stattfinden, be sucht jemand, um dort auszuleben, was in Deutschland ver boten ist? Auf welche szenetypischen Sprachmuster müssen wir achten?

Um alle Möglichkeiten zu nutzen, die der Staat hat, um Men schen mit einer solchen Gesinnung unter die Lupe zu nehmen, bedarf es einer erheblichen Ausweitung der personellen Res sourcen, und es bedarf auch einer Ausweitung entsprechen der Möglichkeiten. Diese Ressourcen muss ein Staat zur Ver fügung stellen, wenn er spürt, dass dies notwendig ist, weil sich Verbrechen dieser Art häufen.

Aber es gibt einen weiteren Zusammenhang, auf den ich hin weisen möchte: Wir werden den Eindruck nicht los, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen Tätern, die sich zu schweren, politisch motivierten Straftaten hinreißen las sen, und dem ihnen innewohnenden Gefühl, dass es Teile der Bevölkerung, vielleicht auch eine gewisse Partei, gibt, die die se Ansichten mittragen und ein solches Verhalten möglicher weise im Stillen gutheißen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [frak tionslos]: Klar, die CDU, Herr von Eyb! Die ist auch noch mit dabei!)

Die Grenzen dessen, was sagbar ist, haben sich verschoben. Ich schließe nicht aus, dass Äußerungen wie die von Herrn Brandner – der Kollege Sckerl hat sie gerade schon beschrie ben – schlichtweg mithelfen, Täter tatgeneigt zu machen. Wir erinnern uns auch an die Aussage oder den Hinweis von Herrn Gauland, der sagte: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogel schiss in über tausendjähriger erfolgreicher deutscher Ge schichte.“ Wenn das nicht zu einem Klima der Gewaltbereit schaft beiträgt,

(Abg. Anton Baron AfD: Herr von Eyb, er war 40 Jahre CDU-Mitglied! Also ehrlich!)

dann weiß ich nicht, was man noch sagen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Das heißt – Herr Kollege – mit anderen Worten: Sechs Milli onen industriell vernichtete Juden sind nach Ansicht dieses Herrn keiner Rede mehr wert.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Anders habe ich es nicht verstanden.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Ein einsamer Wolf könnte sich durch das Bekenntnis Björn Höckes auf dem Kyffhäuser-Treffen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2018, als er sich bei der Wahl zwischen Schaf und Wolf für den Wolf entschied, ebenso ermutigt fühlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, derartige Äußerungen ver giften

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

das politische Klima auf unerträgliche Art und Weise.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Wir alle haben die Pflicht, dagegenzuhalten, wo uns dies mög lich ist. Das gilt auch für uns hier im Landtag.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Nicole Ra zavi und Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU sowie Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr sachlich! Sehr gut!)

Nun darf ich das Wort Herrn Abg. Binder für die SPD geben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Was wir in Halle erleben muss ten, war ein Anschlag auf jüdisches Leben in Deutschland, und es war ein Anschlag auf die Demokratie, auf unsere Ge sellschaft; denn wir stehen an der Seite von Menschen jüdi schen Glaubens in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kol legen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Die von der AfD beantragte Aktuelle Debatte wird weder die sem Anschlag gerecht, noch wird die Rede des Herrn Abg. Gögel irgendwie der Sicherheitslage in Deutschland und in Baden-Württemberg gerecht. Wenn uns der Vorsitzende einer Fraktion, von der ein Mitglied rechtmäßig durch die Polizei des Platzes verwiesen werden musste,