Protocol of the Session on October 16, 2019

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Wolf.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Abg. Sänze, ich unterstelle zu Ihren Gunsten,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Rein hold Gall SPD: Gewagt!)

dass Sie sich darüber im Klaren sind, dass der Gesetzentwurf, den Sie hier vorlegen, unserer Verfassung widerspricht, und dass das, was in diesem Gesetzentwurf steht, weder angemes sen noch praxistauglich ist. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie sich dessen bewusst sind.

Ich unterstelle Ihnen in gleicher Weise, dass Sie diesen Pro zess trotzdem anstreben und diese Debatte führen, um der Öf fentlichkeit weismachen zu wollen, alles, was sich um Euro pa und die Europäische Union dreht, triefe nur so vor Intrans parenz.

(Zurufe von der AfD, u. a.: Jawohl! – Ein wahres Wort!)

Das ist verwerflich, und dagegen wehren wir uns, meine Da men und Herren.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Im Übrigen: Ich bin ja nun regelmäßig in unserer Landesver tretung in Brüssel, um dort Gespräche zu führen, Netzwerke zu pflegen, Veranstaltungen abzuhalten, baden-württembergi sche Interessen geltend zu machen. Das Einzige, was ich aus Ihren Reihen zu dieser Arbeit in der Landesvertretung in Brüs sel bisher gehört habe, waren Mittelkürzungsvorschläge, war der Vorwurf – –

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Herr Dr. Merz, Sie wollte ich jetzt gerade loben. Denn Sie sind der Einzige, der bei einem Empfang in Brüssel dabei war. Sie sind der Einzige – und Ihr ehemaliger Kollege Berg. An sonsten habe ich von Ihnen und Ihrer Fraktion an Lobbyarbeit in Brüssel noch nichts, aber auch gar nichts erlebt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Gott sei Dank!)

Da könnte man sich einmal für Europa einbringen, meine Da men und Herren.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Da wären wir ja blamiert, wenn die da auftreten!)

Meine Damen und Herren, Europa ist eben nicht nur eine An gelegenheit der EU-Institutionen in Brüssel und in Straßburg. Das wissen Sie ja auch. Mehr denn je ist es wichtig, EU-Vor haben auch in den Mitgliedsstaaten, -ländern und -regionen zu behandeln. Dabei die Landesparlamente einzubeziehen ist für mich und die Landesregierung eine Selbstverständlichkeit.

Unsere Landesverfassung bietet mit Artikel 34 a eine hervor ragende Grundlage für eine sehr weitreichende Beteiligung des Landtags. Das ist heute bereits in mehreren Beiträgen an geklungen.

Im Vergleich zu anderen deutschen Bundesländern ist diese Be teiligung verfassungsmäßig gut abgesichert. Mit dem EULG, dem Gesetz über die Beteiligung des Landtags in Angelegen heiten der Europäischen Union, haben wir bereits seit 2011 eine vorbildliche und weitreichende einfachgesetzliche Rege lung geschaffen. Schon im Jahr 2011! Da war das in anderen Bundesländern noch ein Fremdwort. Da haben wir uns mit der Frage befasst, wie wir Landesinteressen, wie wir baden-würt tembergische Interessen stärker mit der europäischen Ebene vernetzen.

Davon profitiert die europapolitische Debatte im Land. Für die Landesregierung sind diese Debatten eine wichtige Grund lage für ihre eigene Positionierung in EU-Angelegenheiten.

Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD zielt darauf ab, die se bewährte Kooperation von Regierung und Landtag in Eu ropaangelegenheiten aus dem Lot zu bringen, und das, Herr Kollege Sänze – ich unterstelle einmal, dass Ihnen Rechts staatlichkeit wichtig ist –, in einer Weise, wie sie verfassungs rechtlich bedenklich ist. Ihr Gesetzentwurf trifft auf nicht un erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, was Sie einfach ausblenden. Sie sind noch nicht einmal bereit, sich damit aus einanderzusetzen. Das ist ein merkwürdiges Verständnis von Rechtsstaatlichkeit.

(Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Allein deshalb kann diese Landesregierung diesen Gesetzent wurf nicht unterstützen.

Der Europaausschuss und der Ständige Ausschuss haben den Gesetzentwurf beraten. Eine deutliche und fraktionsübergrei fende Mehrheit hat gegen den Entwurf gestimmt.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Immer schon!)

Das ist ein eindeutiges Votum. Aus Sicht der Landesregierung teile ich die Einschätzung und Bewertung des Ausschusses.

Bei der ersten Lesung am 26. Juni 2019 habe ich bereits kurz erläutert, warum das Justiz- und Europaministerium bei dem Gesetzentwurf verfassungsrechtliche Bedenken hat und prak tische Probleme sieht.

Der Vorschlag, die Unterrichtungspflicht auf sämtliche EUAngelegenheiten auszuweiten, würde auf allen Seiten zu ei nem erheblichen Mehraufwand ohne erkennbaren Mehrwert führen. Welchen Sinn soll es haben, ohne jegliche Filterung auf Landesinteressen Berichtsbögen zu jedem denkbaren EUVorstoß zu liefern?

Beim Landtag, dem vermeintlichen Nutznießer, würde der Vorschlag zu einer immensen Informationsflut und bürokra tischem Aufwand führen. Dies widerspricht dem Ziel einer wirkungsvollen Beteiligung des Landtags. Denn Überinfor mation ist auch eine Art der Desinformation. Ja, man kann Überinformation geradezu taktisch einsetzen.

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Wenn ich will, dass Informationen an jemandem vorbeigehen – ich räume ein, ich habe dieses Instrument politisch auch schon genutzt –, wenn ich will, dass an einem Gremium In formationen vorbeigehen, dann muss ich es überinformieren. Das genau wollen wir nicht. Wir wollen es auf die zentralen Punkte, die landesrelevant sind, reduzieren.

Wir wissen, für eine wirksame Beteiligung durch den Land tag ist eine Fokussierung auf die EU-Vorhaben, bei denen wirklich Auswirkungen auf Baden-Württemberg zu erwarten sind, sinnvoll. Die Regierung muss diese aufbereiten und dem Landtag so eine fundierte Arbeitsgrundlage geben. Das tun wir.

Herr Sänze, Sie werden mir beipflichten, dass ich im Aus schuss die Position vertrete, im Zweifelsfall eher einen Vor gang zu viel als zu wenig vorzulegen, weil man ja im Einzel fall darüber streiten kann, ob dabei tatsächlich Landesinteres sen berührt sind oder nicht.

Auch die zweite vorgesehene Änderung, die weitgehende Bin dung der Landesregierung an Stellungnahmen des Landtags, begegnet starken rechtlichen Bedenken. Die weitreichende Bindung außerhalb des Bereichs der ausschließlichen Gesetz gebungskompetenz der Länder dürfte vom Grundsatz der Ge waltenteilung nicht mehr gedeckt sein. Der Vorschlag wider spricht der Konzeption des Bundesrats als Vertretung der Lan desregierungen, nicht der Landesparlamente.

Aus dem Vorschlag spricht zudem ein tiefes Misstrauen ge genüber dem Abstimmungsverhalten der Landesregierung im Bundesrat. Das kann ich Ihnen nicht nehmen. Das ist das gu

te Recht der Opposition. Aber es gibt nicht wirklich einen An lass dafür. Es gibt so gut wie keinen Fall, in dem bei einem EU-Vorhaben die Bewertungen des Landtags und der Landes regierung auseinandergefallen sind. Sie werden mir keinen Vorgang dieser Art vorlegen können, in dem die Landesregie rung entgegen der Position des Landtags im Bundesrat abge stimmt hätte.

Die Grenze des Zulässigen dürfte vor allem dadurch über schritten sein, dass die Übertragung von Hoheitsrechten im Bereich von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes mit er fasst wird. Jedoch wäre auch eine ausnahmslose Bindung der Landesregierung bei der Übertragung von Gesetzgebungszu ständigkeiten der Länder verfassungsrechtlich bedenklich.

Bereits die bestehende Regelung in Artikel 34 a Absatz 2 der Landesverfassung war seinerzeit erheblichen verfassungs rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Diese wurden letztlich zu rückgestellt wegen der Beschränkung auf Angelegenheiten der ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenz und der Möglichkeit, im Extremfall von der Haltung des Landtags ab zuweichen. Diese Bedenken würden mit der vorgeschlagenen Änderung wieder aufleben. Im Gesetzentwurf der AfD-Frak tion wird nämlich eben keine unmittelbare Betroffenheit mehr gefordert, und es soll keine Ausnahme mehr geben, aus erheb lichen Gründen des Landesinteresses abzuweichen. Beides zusammen erscheint uns zu viel des Guten, und beides zusam men spricht schon verfassungsrechtlich gegen diesen Gesetz entwurf.

Sie müssen mir nachsehen, dass ich als Justizminister mich schon veranlasst sehe, bei Gesetzentwürfen, die diesem Haus vorgelegt werden, auch diese rechtliche Prüfung vorzuneh men. Wir würden das bei der Vorlage eines anderen Entwurfs, egal, von welcher Fraktion dieses Hauses, in gleicher Weise tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fachausschüsse haben den vorliegenden Gesetzentwurf der AfD, wie wir meinen, zu Recht abgelehnt. Die parlamentarische Beteiligung in EU-An gelegenheiten darf keine verfassungsrechtliche Pflichtübung sein, sondern sie ist die Voraussetzung für eine breite Debat te. Die Landesregierung nimmt diese Debatte ernst und wür de sich freuen, wenn wir an dieser Stelle noch häufig über Eu ropa und die EU reden würden – unter Berücksichtigung der fein austarierten Balance, die unsere Verfassung vorsieht, im Miteinander zwischen Regierung und Parlament und nicht im Gegeneinander.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD)

Meine Damen und Her ren, jetzt hat noch Kollege Dr. Gedeon das Wort, wenn keine anderen Wortmeldungen mehr vorliegen. – Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie, Herr Abg. Dr. Gedeon, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zum Inhalt will ich mich nicht wei ter äußern. Es wäre nur schön, wenn man jetzt endlich einmal dieses AfD-Bashing sein ließe und einfach auf die Argumen te einginge.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das, was Sie da treiben, langweilt allmählich.

Aber eine Äußerung von Herrn Minister Wolf möchte ich doch kommentieren. Da hat sich bei mir nämlich innerlich der Hut hochgehoben. Sie haben nämlich im Zusammenhang mit ei nem Vorwurf gegen den Abgeordnetenkollegen Merz gesagt, er wäre bei der Lobbyarbeit in Brüssel nie dabei gewesen.

(Zurufe von der AfD, u. a.: Genau!)

Herr Minister, was heißt denn das? Sie degradieren unsere parlamentarische Tätigkeit auf Lobbyarbeit in Brüssel. Was ist denn das für ein Verständnis von einem Parlament? Das geht nicht!

(Beifall bei der AfD)

Heißt das, es geht nicht mehr um die Kooperation von ver schiedenen Regierungsebenen, sondern die Zentralregierung hat die ganze Macht, während wir nur Lobbyarbeit machen können?

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Mir als jemandem, der noch irgendetwas vom Parlament er wartet, dreht sich da der Magen um. Denken Sie bitte einmal darüber nach, Herr Minister. Vielleicht können Sie etwas Ver nünftiges dazu sagen.