Protocol of the Session on October 16, 2019

Meine Damen und Herren, mir ist kürzlich einmal bei einer bestimmten Maßnahme vorgehalten worden, dass wir diese nur fünf Mal im Jahr durchgeführt hätten. Daraus hat der Fra gesteller den Schluss gezogen, eigentlich hätten wir das doch gar nicht einführen müssen. Doch! Bei den fünf Personen, bei denen wir diese Maßnahme gemacht haben, war das dringend notwendig, weil es sich um fünf brandgefährliche Personen gehandelt hat.

So ist es bei den meisten dieser Maßnahmen. Sie finden bei über elf Millionen Einwohnern im ganzen Jahr nur in einem zahlenmäßig sehr begrenzten Bereich statt. Häufig kann man das an zwei Händen – von der Größenordnung her – abzäh len.

Sie wissen selbstverständlich, Herr Abg. Binder – ich will es aber trotzdem hier noch einmal sagen –: Jede dieser Maßnah men unterliegt einem Richtervorbehalt. Das heißt, ein Staats anwalt muss davon überzeugt werden – in jedem Einzelfall –, und ein Richter muss die Maßnahme in jedem Einzelfall ge nehmigen. Massenhafte Überwachung ist also wirklich fern jeder Realität. Was die Bürger kommunizieren, interessiert uns einen feuchten Dreck. Das interessiert uns überhaupt nicht. Was aber hochkriminelle Personen, Terroristen, Gefähr der kommunizieren, das interessiert uns. Ich füge dem per sönlich hinzu: Was sich im widerwärtigen Bereich der Kin derpornografie abspielt, das interessiert mich auch. Denn de nen würde ich auch gern das Handwerk legen.

Über diese Dinge sind wir mit dem Koalitionspartner seit ge raumer Zeit im Gespräch.

Ich verstehe Ihre Nachfrage, und ich verstehe auch die nächs te Frage, verstehe, dass Sie das fragen.

(Lachen des Abg. Sascha Binder SPD)

Aber Sie werden sicherlich verstehen, dass ich diese Verhand lungen hier jetzt nicht in aller Öffentlichkeit und nicht mit Ih nen führe. Das werden wir in gewohnt erfolgreicher Art und Weise liebevoll innerhalb der Regierungskoalition besprechen.

(Lachen bei der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: „Liebevoll“!)

Vielen Dank.

Moment, Herr Minister. Es gibt weitere Fragen, zumindest noch zwei Fragen.

Gern.

Bitte, Herr Abg. Binder, stel len Sie Ihre Zusatzfrage.

Herr Minister, ich dachte eigent lich, meine erste Frage war einfach, nämlich, an welchen Stel len Sie nichts verändern wollen. Da bin ich jetzt aus Ihrer Ant wort allerdings nicht schlau geworden.

Jetzt haben Sie die Begründung gegeben, dass man in der Po lizei Baden-Württemberg eigentlich an einer Onlinedurchsu chung nicht vorbeikommt nach allem, was Sie gerade begrün det haben. Habe ich das richtig verstanden?

Herr Abg. Binder, ich kann Ihnen eine ganze Rei he von Dingen sagen, die wir nicht verändern wollen. Das ist z. B. der § 1 des Polizeigesetzes, der ja sehr bedeutsam und wichtig ist. Den beabsichtigen wir nicht zu ändern.

(Lachen des Abg. Sascha Binder SPD)

Sie versuchen natürlich, mich jetzt mit einzelnen Punkten zu locken. Aber in diesem Punkt kann ich Ihnen eine klare Ant wort geben – das weiß der Koalitionspartner –: Ich denke, dass wir die Onlinedurchsuchung brauchen.

Ich nenne ein Beispiel. Nehmen Sie den rechtsextremistischen Attentäter von Halle. Das ist nach allem, was wir bisher wis sen, das typische Tätermuster des sogenannten Lonely Wolf, also der Person, die vereinsamt zu Hause sitzt und sich im dunklen Zimmerlein vor dem Computer radikalisiert, die aber nicht mit Dritten kommuniziert. TKÜ-Maßnahmen, also Te lekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, kann man nur dort machen, wo auch Kommunikation stattfindet. Wenn aber der Einsame nur vor seinem Bildschirm sitzt und nicht mit dritten Personen in Kontakt tritt, gibt es keine Kommunikati on, die man überwachen kann.

Gleichwohl – denken Sie an den Attentäter von Dr. Lübcke – sind möglicherweise auf diesem Computer Tausende von Ha kenkreuzen oder ist anderes Zeug mehr. Aber es ist halt auf diesem einen Computer, auf dem nicht mehr nach außen kom muniziert wird.

Oder ich nenne einen anderen Fall. Auf dem Computer sind möglicherweise Hunderttausende von Bildern aus dem Be reich der Kinderpornografie, die aber nie kommuniziert wor den sind, sondern beispielsweise über einen festen Träger ganz klassisch per Post geschickt worden sind. Da nützt die TKÜ nichts. Trotzdem ist der ganze Müll auf dem Computer.

Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, des rechten Terrors – diese Personen bedienen sich natürlich vollumfänglich die ser Dinge – oder auch zur Bekämpfung der Kinderpornogra fie halte ich gemeinsam mit den Sicherheitsexperten die On linedurchsuchung für ein wichtiges Instrument. Dass das po litisch schwierig ist, das ist allgemein bekannt. Mir sind auch die Bedenken, die der Koalitionspartner hat, wohlbekannt.

Das ist ein Punkt, um den wir – das will ich einmal ganz of fen sagen – im Augenblick miteinander ringen. Sobald wir un sere konstruktiven und guten Gespräche zu einem guten En de gebracht haben, wird es selbstverständlich einen entspre chenden Gesetzentwurf der Landesregierung, der Koalition, geben. Dann haben wir miteinander Gelegenheit, das natür lich im Landtag von Baden-Württemberg auch ausführlich zu beraten.

Herr Abg. Zimmermann, Sie haben das Wort.

Herr Minister, Sie haben mir mit der Frage des Kollegen Binder und der Antwort eigent lich den Großteil meiner vorbereiteten Frage weggenommen. Denn Sie sagten zu Beginn: Unsere Behörden brauchen eine gute rechtliche Grundlage.

Jetzt haben Sie die Notwendigkeit der Onlinedurchsuchung angesprochen. Ich denke, die CDU-Landtagsfraktion sieht die Notwendigkeit, diese Onlinedurchsuchung im Polizeigesetz festzuschreiben. Teilen Sie diese Auffassung? Oder haben Sie bislang schon Erfahrungen gemacht – durch das im Jahr 2017 geänderte Polizeigesetz –, nach denen das, was es bereits gibt, genügend wäre? Vieles haben Sie schon beantwortet; die Fra gen wiederholen sich. Aber die Onlinedurchsuchung – Sie ha ben das Beispiel Lübcke genannt – sehe ich als dringend not wendig an, wenn es sonst keine Korrespondenz gibt, die mit der TKÜ überwacht werden kann.

Herr Abg. Zimmermann, ich persönlich glaube, dass wir das auch im präventiven Bereich brauchen, also nicht nur, um schwere und schwerste Straftaten aufzuklären, son dern auch, um schwere und schwerste Straftaten – Terroran schläge und anderes mehr – zu verhindern. Deswegen glaube ich, dass wir dieses Instrument auch im polizeilichen Bereich, im präventiven Bereich – also nicht nur bei der StPO verortet –, im Polizeigesetz brauchen.

Wie gesagt, darüber sprechen wir mit dem Koalitionspartner. Das ist ein Thema, über das wir uns auch noch nicht abschlie ßend verständigt haben.

Andere Bereiche kommen hinzu. Herr Abg. Zimmermann, ich habe beispielsweise die Bodycam erwähnt. Das ist ja ein Punkt, der der CDU-Fraktion auch außerordentlich wichtig gewesen ist. Ich bin den Koalitionsfraktionen und dem Land tag insgesamt sehr, sehr dankbar, dass wir zu einem frühen Zeitpunkt die rechtliche Grundlage für die Bodycam schaffen konnten. Das ist die Voraussetzung dafür gewesen, dass wir diese Technik jetzt in Baden-Württemberg im Echtbetrieb ha ben. Darüber – jedenfalls ist das mein Eindruck – sind die Po lizeibeamtinnen und Polizeibeamten in unserem Land auch sehr froh – auch darüber, dass wir die beste Technik haben, die es gibt.

Es ist im Übrigen auch richtig, dass wir die Daten nicht ir gendwo bei Amazon speichern, sondern auf polizeieigenen Geräten, die im Grunde genommen keine Schnittstelle zum Internet haben. Aber auch hier gibt es einen Optimierungsbe darf; denn Beamtinnen und Beamte sagen mir: Wir sind in ei ner Lage, da befinden wir uns zunächst noch im Freien, aber dann verlagert sich die Messerstecherei vom Parkplatz in die Diskothek, und in der Diskothek müssen wir als Erstes

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Abschalten!)

die Kamera abschalten, weil wir uns dann in einem geschlos senen Raum befinden. Das leuchtet den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nicht ein, und deswegen ist das auch ein Punkt, bei dem der Innenminister glaubt, dass wir das Poli zeigesetz weiterentwickeln müssen. Auch das ist ein Punkt, worüber wir in der Koalition liebevoll im Gespräch bleiben

(Lachen des Abg. Sascha Binder SPD)

und ganz sicher, würde ich einmal sagen, jedenfalls noch in diesem Jahr – gern auch etwas schneller – zu einem Ergebnis kommen – und hoffentlich zu einem Ergebnis, das in Ihrem Sinn, verehrter Herr Abg. Zimmermann, sein wird.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Umfassend beant wortet! Ich bewundere, dass Sie das alles ohne jegli che Notizen machen können! – Oh-Rufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, das waren Fachinhalte!)

Meine Damen und Herren! Herr Abg. Zimmermann, vielen Dank. Sie sind jetzt nicht dran.

Herr Abg. Binder hat das Wort für die nächste Frage.

Herr Minister, vielen Dank für die Beantwortung meiner zweiten Frage, die mich zu meiner drit ten Frage motiviert hat, weil Sie ja bereit sind, dem Parlament auch Ihre eigene Meinung oder die Meinung des Innenminis teriums hier kundzutun.

Deshalb die Frage: Im Zusammenhang mit der Diskussion um ein neues Polizeigesetz war immer auch die Frage der Perso nenkontrollen bei Großveranstaltungen in der Diskussion. Können Sie uns erklären, wo hier die Notwendigkeit besteht, gesetzliche Änderungen vorzunehmen, und woher diese Dis kussion kommt? Kommt sie aus der Polizei heraus? Was ist die Begründung?

Damit ich mich nicht noch einmal melden muss: Wann haben die Polizei sowie die Bürgerinnen und Bürger im Land Klar heit, wann die Dinge, die Sie für notwendig halten, tatsäch lich im Gesetz stehen? Heißt: Wann kommt es in den Land tag?

Herr Abg. Binder, ich habe die Hoffnung, dass wir jedenfalls noch in diesem Jahr zu einem Ergebnis kom men. Dann werden wir das auch in den Landtag einbringen. Das ist die Zielsetzung. Aber ich habe auch nichts dagegen, wenn wir etwas schneller zu Potte kommen.

(Abg. Sascha Binder SPD: Nicht, dass ihr zu lange kuschelt! – Vereinzelt Heiterkeit)

Ich weiß gar nicht, was Sie dagegen haben sollten. Aber, kein Neid!

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Sascha Binder SPD: Man muss auch einmal zum Ende kommen!)

Ach, wissen Sie, Herr Abg. Binder, entscheidend ist, dass man etwas produziert. Wenn ich mir die letzte Wahlperiode und das anschaue, was Sie z. B. in Sachen Bodycam zustan de gebracht haben, dann ist es mir lieber, wir nehmen uns ein bisschen Zeit und haben dann sehr gute Ergebnisse für die Po lizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Gut Ding will manch mal auch Weile haben.

Was die Personenkontrollen angeht, wissen Sie, dass wir bei bestimmten Veranstaltungen Probleme haben. Auch das ist ein Punkt, den wir liebevoll mit dem Koalitionspartner bespre chen.

Vielen Dank für die liebevol len Ausführungen, Herr Minister.

(Heiterkeit – Minister Thomas Strobl: Sehr gern, Frau Präsidentin!)

Ich rufe das nächste Thema auf, gemeldet von der CDU-Frak tion:

M a ß n a h m e n p l a n „ R e d u z i e r u n g v o n L e b e n s m i t t e l v e r l u s t e n “

Für die CDU-Fraktion darf ich Herrn Kollegen Epple das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Lebensmittelverschwendung – das Wort ist in aller Munde. Wir haben urbane Lebensbedingungen. Viele leben in der Großstadt. Man kann sich kein Borstenvieh oder Ähn liches mehr halten. Wenige leisten körperliche Arbeit, sodass niemand in der Familie die Reste wegisst. Somit fallen Le bensmittelabfälle an.