Protocol of the Session on July 20, 2016

Deswegen frage ich die Landesregierung:

Erstens: Frau Ministerin, am vergangenen Montag hat das Ausbildungsbündnis Baden-Württemberg, das bereits seit über zehn Jahren erfolgreich tätig ist, getagt. Wie schätzen Sie, wie schätzt die Landesregierung und wie schätzen die Bündnis partner die aktuelle Situation am Ausbildungsmarkt ein?

Und die zweite Frage, die ich anschließen darf: Die Regional direktion der Bundesagentur für Arbeit hat für September 2016 7 000 unbesetzte Ausbildungsplätze prognostiziert. Was tun Sie, die Regierung, und was tun die Bündnispartner, um diese Betriebe bei der sehr wichtigen Funktion der Nach wuchsgewinnung zu unterstützen?

Ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen.

Das Wort für die Beantwor tung erteile ich Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktuelle Situation am Ausbildungsmarkt wird schon seit 2004 im Ausbildungsbünd nis mit den entsprechenden Akteuren, die diesen Bereich be einflussen, zweimal im Jahr diskutiert. Vertreten sind die Ar beitgeber, die IHKs und Handwerkskammern, die freien Be rufe, die Bundesagentur für Arbeit, die kommunalen Landes verbände, die Gewerkschaften und das Land.

Am Montag wurde unter meiner Leitung dieses Spitzenge spräch durchgeführt. Wir haben uns ausgetauscht über die ak tuelle Situation. Ich habe diese Art des Austauschs als sehr po sitiv wahrgenommen, weil in diesem Rahmen vertrauensvoll gemeinsam diskutiert werden kann und wir gemeinsam mit den Bündnispartnern für die duale Ausbildung – das geht eben auch nur im Team – hier Potenziale erarbeiten und diese auch entsprechend angehen.

Zur Situation im Jahr 2015 konnten wir positive Nachrichten verkünden. Der Rückgang bei der Zahl der neuen Ausbil dungsverträge konnte gestoppt werden. 73 821 neue Ausbil dungsverträge wurden zum 30. September abgeschlossen. Das bedeutet ein Plus von 0,9 % gegenüber dem Vorjahr.

Der Ausbildungsmarkt 2015 war dennoch nach wie vor ge kennzeichnet durch ein sogenanntes Mismatch, eine Lücke von 6 131 Ausbildungsstellen, die trotz ca. 9 000 noch auf Ausbildungsplatzsuche befindlichen Bewerbern – ein Teil Un versorgte, nämlich 866, ein Teil alternativ Verbliebene, die wieder weiter beschult werden – nicht besetzt werden konn ten. Dieses Mismatch gilt es auch anzugehen. Darauf werde ich nachher eingehen.

Grundsätzlich wird es immer eine gewisse Divergenz geben. Wir können nie alle Interessen und alle Angebote aufeinander abstimmen, aber wir haben hier Maßnahmen im Sinn und ge hen diese auch an, um diesen Gap zu schließen.

Für das Jahr 2016 prognostiziert die Bundesagentur für Ar beit eine leichte Zunahme der Zahl der Bewerber in der Grö ßenordnung von ungefähr 1 000 und eine starke Zunahme bei den gemeldeten Ausbildungsplätzen in der Größenordnung von etwa 5 000. Im Ergebnis wird dies voraussichtlich dazu führen, dass am Stichtag 30. September 2016 eine höhere Zahl von unbesetzten Ausbildungsplätzen entstehen wird. Derzeit geht man von ca. 7 000 aus.

Wir befinden uns hier auf einem Bewerbermarkt und haben deshalb die Aufgabe, vonseiten des Landes Aktionen zu un terstützen und mit den Bündnispartnern weiter voranzutrei ben.

Erfreulicherweise – das ist ein sehr gutes Signal – wird die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge steigen. Die IHK meldet einen Anstieg um ca. 2 % und das Handwerk – das freut mich besonders – einen Anstieg um 7 %.

Für bemerkenswert halte ich auch die Tatsache, dass im ver gangenen Jahr die Zahl der jungen Menschen mit Abitur, die eine Ausbildung begonnen haben, um 7 % angestiegen ist.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann [fraktionslos])

Es ist also die Tendenz festzustellen, dass die duale Ausbil dung wieder attraktiver wird und vermehrt auch junge Men schen mit Abitur diesen Weg ins Berufsleben wählen.

Nun zu den Maßnahmen, die von den Bündnispartnern ange strebt und auch umgesetzt werden:

Erstens wollen wir die Wertschätzung der dualen Ausbildung weiter steigern. Derzeit sind schon Ausbildungsbotschafter aktiv; sie sind in den Schulen unterwegs, um den jungen Men schen dort direkt zu vermitteln, was es bedeutet, einen Aus bildungsberuf zu ergreifen. Unternehmen entsenden Azubis, und diese berichten vor Ort in den Schulen direkt den jungen Menschen von ihren Erfahrungen und versuchen, bei diesen die Begeisterung für Ausbildungsberufe zu wecken.

Weiter gibt es die Kampagne „gut-ausgebildet.de“. Diese Kampagne wird vom Wirtschaftsministerium unterstützt. Wir posten in diesem Rahmen Videos auf YouTube. Dabei konn ten wir vor Kurzem eine Klickzahl von einer Million errei chen. Die neuen Medien gilt es auch zu nutzen, um junge Menschen für eine Berufsausbildung zu begeistern; auch hier können wir sie direkt erreichen.

Wir machen verstärkt Informationsveranstaltungen und Wer bung an den Gymnasien. Vorhin wurde schon erwähnt, dass die Zahl der Abiturienten, die eine duale Ausbildung gewählt haben, gestiegen ist; das freut uns sehr.

Zweitens: Wir wollen die Berufsorientierung vor allem an den Realschulen und an den Gymnasien weiter verbessern. Das wird uns durch das neue Schulfach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung“ gelingen. Außerdem laufen begleitend Tandems an den Schulen. Das heißt, Berufsberater und Be rufsorientierungslehrer arbeiten hier zusammen, um den jun gen Menschen Rat zu geben und um die Vorteile der dualen Ausbildung entsprechend zu vermitteln.

Weiter läuft die Initiative „Pro Beruf“. Das heißt, junge Men schen können in Werkstätten von Bildungszentren ganz prak tisch erproben, welche Arten von Ausbildungen sie wählen können. Es ist quasi Learning by Doing; es wird ihnen etwas gezeigt, und sie können selbst Hand anlegen. Sie können qua si direkt Mechatroniker an Maschinen arbeiten sehen und er fahren somit, was in diesem Ausbildungsgang auf sie zu kommt.

Der dritte Ansatzpunkt ist, die direkten Übergänge von der Schule in den Beruf weiter zu fördern. Für Jugendliche mit Förderbedarf gibt es den neuen Bildungsgang „AV Dual“. Auch in meinem Wahlkreis gibt es eine Modellregion, die das eingeführt hat. Der Bildungsgang „AV Dual“ wird sehr gut angenommen. Diese Art der Beschulung basiert auf zusätzli

chen Praktikumstagen. Die jungen Menschen haben zwei Praktikumstage pro Woche. Hiermit will man die Menschen, die einen gewissen Förderbedarf haben, für den Arbeitsmarkt gewinnen, sie an die Ausbildung heranführen, unterstützen und an unserer Gesellschaft teilhaben lassen. Dadurch stärken wir aber natürlich auch die Unternehmen in unserem Land, indem wir auch diese jungen Menschen als Fachkräfte ausbil den können. Dies gelingt uns auch ganz gut; die Zahlen sind positiv und steigen. Wir können hier zunehmend Erfolge ver zeichnen. Das freut mich ganz besonders.

Viertens: Wir haben eine neue Zielgruppe im Fokus, und zwar die Studienabbrecher. Auch hier gibt es ein großes Potenzial für die duale Ausbildung. Wir versuchen, dort direkt anzuset zen. Derzeit läuft eine gemeinsame Studie von Wissenschafts ministerium und Wirtschaftsministerium, u. a. um dieses Po tenzial näher zu analysieren und einen guten Zugang zu fin den, um diese jungen Menschen direkt abzuholen und ihnen entsprechende Möglichkeiten aufzuzeigen. Der Abbruch ei nes Studiums ist, denke ich, immer eine schwere Entschei dung. Wenn man diese jungen Menschen direkt erreicht, dann kann man ihnen helfen. Gleichzeitig wird dadurch unser An liegen, die duale Ausbildung weiter zu fördern, erfüllt.

Die fünfte große Aufgabe ist es, Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen. Es gibt hier ein großes Potenzial von jungen Men schen. Wir haben auch bereits einige Maßnahmen eingeleitet: Es gibt VABO-Klassen zur Sprachvermittlung an den beruf lichen Schulen, und wir haben seit Beginn dieses Jahres so genannte Kümmerer eingesetzt, die Flüchtlinge dahin gehend beraten, ein Praktikum oder eine Ausbildung aufzunehmen. Das ist keine ganz triviale Aufgabe, weil es die duale Ausbil dung, wie sie in Deutschland angeboten wird, in anderen Län dern nicht gibt. Man kennt sie in anderen Ländern in dieser Form nicht. Man muss die jungen Menschen erst einmal auf klären.

Man muss ihnen auch den Mehrwert der dualen Ausbildung aufzeigen, dass dadurch zwar der Einstieg ins reguläre Berufs leben später erfolgt – man muss anfänglich verzichten –, man aber danach die Perspektive hat, auf ein anderes Einkommens niveau zu kommen und interessante Aufgaben übertragen zu bekommen. Das gilt es diesen jungen Menschen zu vermit teln. Diese Aufgabe wird Schritt für Schritt angegangen. Wir versuchen hier nach und nach Fortschritte zu erzielen.

Weiter gibt es die neue Initiative „ProBeruf für Flüchtlinge“, bei der Flüchtlinge in Werkstätten geschult werden und ihnen praktisch aufgezeigt wird, welche Berufe es gibt.

Eine weitere Perspektive ist

(Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit ange zeigt.)

ich muss jetzt zum Ende kommen; hier wird „Sprechzeit be endet“ angezeigt – das neue Integrationsgesetz, das jetzt auf Bundesebene verabschiedet wurde. Das gibt natürlich auch in diesem Bereich sehr viel mehr Sicherheit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Gibt es weitere Fragen? – Herr Abg. Paal.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD meldet sich.)

Es geht nach der Fraktionsstärke.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ich weiß!)

Daher ist alles in Ordnung. Ich bitte, die Fragen kurz zu stel len und so, dass auch die Antwort kurz ausfallen kann. Dann können mehr Fragen gestellt werden. – Vielen Dank.

Frau Präsidentin, ich mache es sehr kurz. – Frau Ministerin, Sie hatten „AV Dual“ erwähnt, ein Modellprojekt in vier Regionen in Baden-Württemberg. Ei gentlich ist es schon kritisch, wie viele Jugendliche im Sys tem sind und Hilfe oder Unterstützung brauchen. Kann man heute schon sagen, ob das Modellprojekt, wenn es ausläuft, verstetigt oder ausgeweitet wird, oder ob es bei einem Mo dellprojekt bleibt, das verlängert wird? Können Sie dazu schon Aussagen machen? Oder ist es für das Thema zu früh, und es kommt erst bei den Haushaltsberatungen auf den Tisch? Denn es muss ja auch finanziert werden.

Wir unterstützen die AV-DualBegleiter mit 1,4 Millionen € über zwei Jahre hinweg. Der zeit weiten wir das Angebot aus. Wenn sich das weiterhin be währt, dann wird das mit in die Beratungen eingebracht und diskutiert.

Ich kann aber jetzt an dieser Stelle keine Versprechungen ma chen.

Okay. – Jetzt hat sich noch Herr Abg. Röhm gemeldet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das hat sich erüb rigt!)

Das hat sich erübrigt.

Dann darf ich Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei das Wort erteilen.

Frau Ministerin, vielen herz lichen Dank für die sehr positive und faire Darstellung, weil vieles in den letzten fünf Jahren auf Initiative unseres Minis ters Nils Schmid vorangeschritten ist. Ich denke, wir haben eine gute Tradition, gemeinsam für die Fortentwicklung des dualen Systems in Baden-Württemberg einzustehen.

Zu zwei Aspekten, der YouTube-Werbung und dem Kampf gegen hohe Studienabbrecherquoten: Haben Sie Rückmeldun gen aus den Betrieben, aus den Kammern, wie zufrieden die se mit den Maßnahmen sind? Vorhin verwiesen Sie auf die allgemeinen Zugriffszahlen. Das betrifft aber mehr die Ju gendlichen, die Nachfragenden. Welche Rückmeldungen ha ben Sie denn von den Kammern und aus den Betrieben?

Die zweite Frage kurz im Anschluss; Sie sprachen vorhin von einem Gap, von einer Lücke, zwischen dem, was verlangt werde, und dem, was nachgefragt werde. Es gibt spezielle Lü cken im Bereich der sozialen Berufe, der technischen Berufe, der gastronomischen Berufe. Welche Vorstellungen haben Sie, um diese Lücke zwischen Angebot von und Nachfragen nach Ausbildungsplätzen zu schließen?

Die Spitzengespräche über die Ausbildungssituation finden schon seit 2004 statt. Das ist ei ne sehr gute Einrichtung, die sich auch bewährt hat. Es geht ja auch um Schulpolitik, um Bildungspolitik an den berufli chen Schulen. Hier besteht allgemeiner Konsens. Hier gibt es einen Frieden. Das freut mich sehr.

Die langfristig angelegten und nachhaltig wirkenden Maßnah men gilt es natürlich auch weiterzuführen. Das nun einer Re gierungsperiode zuzuordnen wird, denke ich, schwierig. Da hat jeder die Verantwortung, hier zu unterstützen. Das macht auch durchaus Sinn.

Viele Maßnahmen, wie sie jetzt gerade auch mit YouTube-Vi deos durchgeführt werden, wurden zusammen mit den Kam mern ins Leben gerufen. Das geschah in Abstimmung. Ob uns Zahlen vorliegen zu Zusammenhängen, wer durch das An schauen dieser Videos letztlich in Ausbildung kommt, könn te ich erfragen. Das werde ich auch tun.

Hinsichtlich der sozialen Berufe und bestimmter Berufsgrup pen – ich denke dabei auch an das Handwerk, an Bäckereien, an Metzgereien, an die Gastronomie – unterstützen wir die Wirtschaftsorganisationen. Wir haben jetzt beispielsweise den DEHOGA mit einem Millionenprogramm unterstützt, um die Qualität der Ausbildung in diesem Bereich zu verbessern und hier aktiv zu werden.