Wenn Sie auf Kritik stoßen, wird aus dieser Politik des Ge hörtwerdens eine Politik der heruntergelassenen Jalousie.
Dann haben Sie mir vorgeworfen, ich hätte über Themen ge sprochen, die hier nicht Gegenstand der Debatte wären: Lehrerstellen, Bildungsplan, Energiewende und dergleichen mehr. Nur am Rande bemerkt: Derjenige, der erklärt, das The ma sei ein anderes, hat anschließend fünf Minuten über das Jagdgesetz und fünf Minuten über Bildungspläne gesprochen, und die Kollegin Sitzmann hat nur über derlei Themen ge sprochen: über den EnBW-Deal, über Herrn Mappus und über den Bildungsplan. Also der Vorwurf, wenn man bei einer Re gierungserklärung eines Ministerpräsidenten andere Punkte anspreche, gehöre das nicht zum Thema, fällt auf Sie und Ih re eigene Koalition zurück.
„Was sollen Postkarten?“, rufen Sie den Jägern zu. Das ist schon eine erstaunliche Haltung, Herr Ministerpräsident. Ei nerseits erzählen Sie immer, Sie wollten Beteiligungsformen schaffen, Sie wollten eine Politik des Gehörtwerdens, Sie wollten die Betroffenen einbeziehen, noch bevor der Referen tenentwurf eines Gesetzes fertiggestellt ist. Wenn die Betrof fenen Ihnen dann aber Postkarten schreiben, rufen Sie den
Landesjägermeister an und fragen, was das soll. Das verste hen Sie unter Bürgerbeteiligung, Herr Ministerpräsident.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist eine neue Erfahrung!)
Da haben Sie die Maske wieder einmal fallen lassen. Wie sol len sich denn die Betroffenen sonst an Sie wenden? Sollen sie alle in das Staatsministerium kommen? Wird dann jeder Jä ger einzeln empfangen, oder wie stellen Sie sich das vor, Herr Ministerpräsident? Nein, das ist auch wieder ein deutliches Beispiel dafür, dass Sie nur empfänglich für Lob sind; dann funktioniert die Politik des Gehörtwerdens. Wenn Sie kriti siert werden, lassen Sie die Jalousie herunter und beschweren sich auch noch bei den Betroffenen.
Gleichzeitig, Herr Ministerpräsident, haben Sie zum Volks entscheid über Stuttgart 21 auch eine bemerkenswerte Aussa ge getätigt. Sie haben einerseits erklärt – ich darf zitieren –, Sie stünden ohne Wenn und Aber zum Ergebnis des Volksent scheids. Andererseits haben Sie der CDU-Fraktion gerade er klärt, die Entscheidung sei für Sie hart, und deshalb könne man Ihnen im Grunde nicht zumuten, auch zu einer Veranstal tung zu gehen, bei der das Projekt gefeiert wird.
Doch, doch, das hat er erklärt. Die Entscheidung sei hart, und Sie wollten sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Ja, wenn man sagt, man lasse sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen, ist klar, dass vorher eine andere Entscheidung gefällt worden ist, Herr Ministerpräsi dent. Das Amt des Ministerpräsidenten bedeutet nicht, nur zu regieren und Regierungserklärungen abzuhalten. Vielmehr heißt „Ohne Wenn und Aber zu Entscheidungen stehen“ auch, der Repräsentationsfunktion für das Land gerecht zu werden,
und wenn die politische Entscheidung für Stuttgart 21 getrof fen ist, haben Sie das Land auch bei diesem Projekt zu reprä sentieren.
Dann erklärt der Herr Ministerpräsident, das Land BadenWürttemberg brauche einen Nationalpark. Warum eigentlich? Warum brauchen wir dringend einen Nationalpark? Hat das Land Baden-Württemberg in Zeiten der Haushaltskonsolidie rung und in Zeiten anderer Probleme nicht größere Sorgen? Natürlich mag ein solcher Nationalpark ganz nett sein. Aber das zentrale Argument, das ich von Ihnen immer gehört habe, war
Arten schützen können Sie auch in Bannwäldern, Frau Kol legin Lindlohr –: „Baden-Württemberg braucht einen Natio nalpark, weil wir hier noch keinen haben.“ Dieser Logik ge
horchend müsste die Schweiz dringend über die Einführung einer Hochseeflotte nachdenken, meine Damen und Herren. Das kann nicht das entscheidende Argument sein.
Dann haben Sie die Frage nach einem lokalen Veto in Zukunft aufgeworfen. Herr Ministerpräsident, man kann – das konze diere ich Ihnen gern – durchaus der Auffassung sein: Es gibt bei zentralen Entscheidungen, die im Landtag oder im Deut schen Bundestag zu treffen sind, nicht das Recht auf ein lo kales Veto. Es gibt Projekte von übergeordneter Bedeutung, bei denen es möglicherweise notwendig wird, sie auch gegen lokalen Widerstand durchzusetzen.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob es Sinn macht, ausge rechnet einen Nationalpark gegen lokale Widerstände durch zusetzen und sich einzubilden, ein Nationalpark wäre ein Er folg, wenn die Menschen vor Ort ihn nicht wollen. Darüber kann man noch einmal gesondert diskutieren. Was aber Ihnen und Ihrer Regierung vorzuwerfen ist, Herr Ministerpräsident, ist, dass genau diese Erwartungshaltung hinsichtlich eines lo kalen Vetos erweckt worden ist, und zwar durch Ihren Minis ter Bonde, der erklärt hat: „Wir machen diesen Nationalpark nur, wenn die Bürger vor Ort ihn wollen.“ Und da wundern Sie sich, dass die Bürger im Nordschwarzwald dieses Verspre chen am Ende auch einfordern?
Abschließend ein Wort zum Bildungsplan. Ohne Zweifel, Herr Ministerpräsident, ist es richtig, sich zu den Prinzipien der To leranz zu bekennen. Das gilt nicht nur für sexuelle Vielfalt, das gilt auch für religiöse Vielfalt, das gilt auch für Toleranz gegenüber Menschen unterschiedlicher Herkunft. Nur: Wenn Ihre Politik der Beteiligung, wenn Ihre Politik des Gehörtwer dens, wenn der Dialog mit der Bevölkerung tatsächlich so funktionieren würde, wie Sie sich das einbilden – diesen Ein druck haben Sie
heute auch vor diesem Haus zu erwecken versucht –, dann stelle ich mir schon die Frage, warum es zum ersten Mal – wirklich zum ersten Mal – in der Geschichte des Landes Ba den-Württemberg zu gewaltsamen Auseinandersetzungen um einen Bildungsplan gekommen ist.
Da ist doch etwas schiefgelaufen, Herr Ministerpräsident, und dafür trägt Ihre Regierung die Verantwortung.
Sie können doch nicht sagen, andere seien schuld, wenn Sie die Sensibilitäten in der Bevölkerung offensichtlich so falsch eingeschätzt haben, dass die Menschen auf dem Schlossplatz wegen eines Bildungsplans aufeinander losgehen. Da hat Ih re Regierung versagt.
Auch an dieser Stelle wird deutlich: Das eine ist das Reden hier von diesem Pult im Landtag aus zum Thema „Bürgerbe teiligung und direkte Demokratie“, das andere ist die Realität
in unserem Land, und zwischen der Realität in unserem Land und Ihren Reden gibt es einen meilenweiten Unterschied.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Grünen haben sich gegründet mit dem Grundsatz, dass wir die Schöpfung, die natürlichen Le bensgrundlagen bewahren wollen.
Weil wir das wollen, waren und sind wir für einen National park. Wenn Sie jetzt sagen, ein Nationalpark sei ja ganz nett, Herr Kollege Rülke, dann frage ich mich, ob Artenschutz, ob Naturschutz, ob die Bewahrung der Schöpfung für Sie einfach nur ganz nett sind.
Ich kann nur sagen: Für uns ist das fundamental, und für uns ist das eine grundsätzliche Orientierung unserer Politik. Dar an werden wir festhalten.
Das hat nichts mit einer Hochseeflotte in der Schweiz zu tun. Dieser Vergleich, Herr Rülke, zeigt nur, dass Naturschutz und Artenschutz für die FDP in Baden-Württemberg keinen Stel lenwert haben.
Auch beim Kollegen Hauk mache ich mir ernsthaft Gedan ken. Sie haben gesagt, beim Landesjagdgesetz müsse man ge wichten: Umweltschutz, Naturschutz, Tierschutz, das alles zähle weniger als die Interessen der Jäger.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Menschenschutz! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie bitte et was zur Fledermaus und zum Milan!)
Das alles zähle weniger als die berechtigten Interessen der Jä gerschaft. Das, Herr Kollege Hauk, sehen wir nicht so. Auch hier gilt, dass die Bewahrung der Schöpfung, dass Natur schutz, Artenschutz und Tierschutz für uns grundlegende Wer te sind. Sie waren ja dafür, den Tierschutz in die Landesver fassung aufzunehmen. Da widersprechen Sie sich nun selbst, oder Sie entlarven sich, wenn Sie sagen, dass Naturschutz, Ar tenschutz, Umweltschutz für Sie weniger wichtig sind.
Herr Hauk hat aber gesagt, sie zählten weniger in der Ab wägung. Das haben Sie gesagt, und das wird man im Proto koll nachlesen können. Ich kann nur sagen: Das ist für uns nicht so, meine Damen und Herren.