Ich komme zum Ende meiner Ausführungen in der ersten Run de. Es ist keine Sensation eingetreten. Wir sind am Zug. Wir springen nicht auf einen Zug auf, sondern wir lenken ihn in eine Richtung, in die er bisher nicht gefahren ist, und wir be schleunigen. Es ist dringend nötig, diese kleine Richtungsän derung vorzunehmen. Wir holen nach, was verpasst worden ist.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischen der Be handlung der medienträchtigen Tagesordnungspunkte 1 und 3 erörtern wir jetzt ein sehr wichtiges Thema. Ich möchte hier einen kurzen Rückblick über die Entwicklung in diesem Be reich geben. Ich muss dafür nicht all das wiederholen, was die Kollegen Locherer, Hahn und Winkler gesagt haben. Vielmehr möchte ich einen kurzen Rückblick geben, einiges richtigstel len und Ihnen erklären, wie es fachlich zu bewerten ist.
Meine Damen und Herren, die Gemeinsame Agrarpolitik, das, was jetzt auf uns zukommt, ist beschlossen. Die Beschlüsse
wurden in Brüssel und auf der Agrarministerkonferenz in München getroffen. Ich sage vorweg: Ich kann sehr gut mit diesen Beschlüssen leben.
Bereits vor Beginn der Verhandlungen in Brüssel habe ich klar und deutlich gesagt: Ein Betrieb mit einer Größe von über 1 000 ha bedarf keiner großen Unterstützung. Wenn in einem solchen Betrieb ordentlich gewirtschaftet wird und man dort etwas vom Geschäft versteht, dann ist der Betrieb auf dem globalen Markt sehr wohl konkurrenzfähig. Deshalb ist es richtig, dass wir entweder eine entsprechende Degression vor nehmen oder die Fördersätze für die ersten Hektar anheben. Herr Räpple vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptver band hat eine stärkere Förderung der ersten 50 ha eines Be triebs gefordert. Wir haben jetzt den richtigen Weg eingeschla gen.
Aber man muss wissen – darauf werde ich später noch näher eingehen –, welche Auswirkungen die Förderungen auf einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb haben. Erhält der Be trieb 1 600 € pro Jahr mehr, so entspricht das einer Förderung von 133 € pro Monat. Davon können Sie 80 Liter Diesel kau fen, aber nicht damit die Existenz des Betriebs sichern. Die ser Förderbetrag ist besser als gar keine Förderung. Die För derung geht in die richtige Richtung; sie ist positiv zu bewer ten. Aber mit dieser Förderung können Sie die Betriebe, die kein Eigenkapital gebildet haben und von der Substanz leben – es handelt sich um ein Viertel aller landwirtschaftlichen Be triebe hier –, nicht retten.
Wir müssen hier ehrlich zueinander sein und klar und deut lich sagen: Die Förderung geht in die richtige Richtung, ent spricht aber nicht dem, was vor allem die Betriebe benötigen, deren Einkommen sich im Durchschnitt bewegt.
Das Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe in BadenWürttemberg liegt deutschlandweit am unteren Ende. Das zeigt die Statistik; dies lässt sich auf die Größe der Betriebe zurückführen. Im Durchschnitt liegt das Einkommen der land wirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg bei 30 000 €; im bundesdeutschen Vergleich liegt der Durchschnitt bei 40 000 €. Man muss diese Zahlen kennen.
Bei einer vierköpfigen Familie braucht man zunächst einmal 30 000 € für private Belange. Aber der Betrieb soll auch noch die Abschreibung erwirtschaften, soll auch noch weiterentwi ckelt werden. Wir erkennen daran, dass diese Agrarpolitik die Betriebe nicht rettet. Vielmehr brauchen wir Gestaltungsspiel raum für die Betriebe.
Wir müssen die landwirtschaftlichen Unternehmer Unterneh mer sein lassen. Wir sollten sie nicht weiter einschränken, nicht stärker bürokratisieren, ihnen nicht noch mehr Vorschrif ten machen. Wir müssen einen Rahmen schaffen, der es den gut wirtschaftenden Betrieben ermöglicht, fortzubestehen – also nicht noch mehr Vorschriften, nicht noch mehr Gänge lung, nicht noch mehr Bürokratie. Das ist die Aufgabe bei der Umsetzung vor Ort. Das heißt, das Landratsamt, das Land wirtschaftsamt, das Regierungspräsidium und das Landwirt schaftsministerium müssen die Vorschriften erlassen, die den Betrieben in der Praxis die Chance eröffnen, sich auf dem glo balen Markt, auf dem europäischen Markt, im Wettbewerb vor Ort selbst zu helfen.
Hier bestehen riesige Chancen für die Betriebe, meine Damen und Herren. Es besteht ein entsprechender Käufermarkt. Ba den-Württemberg mit seinen 10,5 Millionen Einwohnern hat die kaufkräftigsten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Unabhängig davon, ob die Produkte konventionell erzeugt werden oder es sich um Bioprodukte handelt, hier besteht für die Betriebe eine Riesenchance.
Auch durch Energieerzeugung besteht eine Riesenchance, ein Zusatzeinkommen zu erzielen. Aber wenn ich auf die Ener gieerzeugung verweise, dann sage ich auch: Da gab es einmal etwas. Wenn in einem landwirtschaftlichen Betrieb Solaran lagen auf dem Dach angebracht wurden, erhielt der Betrieb in den folgenden 20 Jahren eine Rendite, die keine Bank garan tieren konnte. Aber damit ist jetzt eigentlich Schluss.
Auch die Betriebskosten müssen berücksichtigt werden. Herr Hahn, Sie wissen von Ihrem Betrieb her ganz genau, was es heißt, wenn man für elektrische Energie 80 % mehr zahlen muss als früher, und Landwirtschaft ist kapital- und energiein tensiv. Das muss man sehen. Wenn man für Diesel anderthalb mal so viel zahlen muss wie früher, dann reichen die 133 € pro Monat – es ist gut, dass der Förderbetrag gestiegen und nicht gesunken ist – nicht aus.
Die Beschlüsse auf Bundesebene müssen im Bundeshaushalt langfristig entsprechend abgebildet werden. Herzliche Grüße an den neuen Koalitionspartner von CDU und CSU, an die SPD.
Ich erinnere daran, dass Herr Steinbrück – vielleicht kann sich noch jemand erinnern, wofür er stand – im Frühjahr dieses Jahres gesagt hat, der Anteil von 38 %, den die Agrarausga ben am Gesamtbudget der EU ausmachen, sei viel zu hoch. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre die Landwirtschaft in Baden-Württemberg ordentlich „rasiert“ worden.
Mit den erzielten Ergebnissen können wir leben. Jetzt gilt es vor allem, umzusetzen, was in Brüssel und in Berlin beschlos sen wurde. Für mich bedeutet das: Wir müssen die Regulie rungswut einschränken. Wir dürfen den Betrieben nicht noch mehr Vorgaben auferlegen und diese auf die bestehenden Re gelungen durch die EU und das deutsche Naturschutzrecht draufsatteln. Vielmehr müssen wir verträgliche Rahmenbe dingungen für die Betriebe in Baden-Württemberg schaffen.
Die Agrarstatistik zeigt auch, in welchen Bereichen die Zahl der Betriebe zugenommen hat. Die Zahl der Betriebe in Deutschland, die eine Fläche von bis zu 50 ha bewirtschaften, ist in den letzten sieben Jahren um 3 % gesunken. Zugenom men hat die Zahl der Betriebe mit einer Fläche von mehr als 50 ha. Hier muss man ansetzen, damit sich die Betriebe wei terentwickeln können.
Meine Sorge richtet sich auch auf die Entwicklung der Kos tenstruktur in den Betrieben. In welche Richtung zeigt die Ent wicklung? Was ist mit den Energiekosten? Was ist mit den Ar beitskosten? In immer mehr Vollerwerbsbetrieben werden auch Fremdarbeitskräfte beschäftigt. Zugleich besteht hier ein Fachkräftemangel. Das spürt auch die Landwirtschaft.
In der Fragestunde werden wir heute noch thematisieren, wie sich ein Mindestlohn auf die Wettbewerbsfähigkeit von Be trieben auswirken würde, die Sonderkulturen anbauen, die im Weinbau tätig sind. Wir müssen abschätzen, wie sich ein Min destlohn auswirken könnte. Ein Mindestlohn ist für die Wett bewerbsfähigkeit der heimischen Land- und Forstwirtschaft, für die Betriebe, die Sonderkulturen anbauen, alles andere als erfreulich.
Zum Abschluss in der ersten Runde möchte ich noch einen weiteren Gedanken anführen: Wir verhandeln über das The ma „Freihandel mit den USA“. Was dabei herauskommt, ist noch unklar. Dies ist ein Unsicherheitsfaktor, denn davon wer den Dinge abhängen, die uns letztlich bilateral beim Export unserer guten Produkte in die ganze Welt berühren werden.
Meine Damen und Herren, vielleicht noch einen Punkt: Die Chancen in der Landwirtschaft sind nicht deshalb gut, weil wir vor Ort einen guten Markt haben, sondern weil weltweit täglich – darüber muss man einmal nachdenken – 220 000 Menschen geboren werden. Das heißt, die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Energie wird weltweit steigen. Grund und Boden werden immer knapper.
Man muss sich auch die Entwicklung der Pachtpreise anschau en. Es hilft dem einzelnen Landwirt gar nichts, wenn er zu sätzliche Flächen pachtet und diese Pacht an den Eigentümer weitergibt. Das bringt dem landwirtschaftlichen Betrieb vom Einkommen her nichts. Deshalb müssen wir auch hier schau en, dass man keine zusätzlichen Hürden aufbaut.
Ich verlange von der Landesregierung vor allem, dass sie die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass sich die Unternehmer in unserem Land, die landwirtschaftlichen Betriebe, entwi ckeln können. Dazu gehört eine Unterstützung bei der Be triebsübernahme, bei Existenzgründungen wie im industriel len oder gewerblichen Bereich. Ich darf auch daran erinnern, dass wir nicht technikfeindlich sein dürfen.
Kurzer Hinweis: Der Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz war in diesem Jahr in Brasilien. Da hat man gespürt, woher der Wind global weht. Das muss man nicht hierher übertragen, aber man muss es im Hinterkopf ha ben.
Es ist auch völlig offen, wohin sich die Energiepreise entwi ckeln, z. B. was den Bioenergieverkauf angeht. Der Gaspreis in den USA beträgt nur ein Drittel des Gaspreises bei uns. Ich sehe, wohin der Preis bei den Möglichkeiten, Strom zu spei chern, geht und was die Landwirte dann zahlen müssen.
Meine Damen und Herren, zum Abschluss noch einmal mei ne Forderungen an die Landesregierung: Sorgen Sie dafür, Herr Minister, dass vor allem durch die Rahmenbedingungen für junge Landwirte, für unternehmerische Landwirtschaft, für die agrarfinanzierten Betriebe ein gutes Klima herrscht. Sorgen Sie dafür, dass die Agrarstrukturpolitik bei aller Be rücksichtigung einer naturverträglichen Landwirtschaft nicht behindert wird. Dazu gehören nach wie vor: Flurneuordnung, weniger Gängelung, weniger Agrarpolizei, Sachverstand vor Ideologie und vor allem keine einseitige Klientelpolitik. Das ist ganz wichtig. Ich habe noch einen weiteren Punkt: kein Draufsatteln von Regelungen auf EU- und Bundesvorschrif ten und nicht noch mehr Gängelung einführen.
Meine Damen und Herren, ich habe noch eine große Bitte: Für Ihre Politik bis 2016 wünsche ich mir, dass Sie Artikel 14 des Grundgesetzes, nach dem das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet werden, verstärkt im Hinterkopf haben, das heißt, das Eigentum nicht nur mit Verpflichtungen und mit Auflagen versehen. Dann bin ich mir sicher, dass unsere Land wirtschaft eine gute Zukunft hat.
Meine Damen und Herren, Stillstand bedeutet Rückschritt. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn der Wind der Ver änderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Wind mühlen“ – nach den Koalitionsbeschlüssen wahrscheinlich weniger Windräder in Baden-Württemberg, Herr Ministerprä sident.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Da men und Herren! Der Titel der Aktuellen Debatte lautet: „Gu te Politik für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg – jetzt ist Grün-Rot am Zug“. Ich glaube, der Titel macht deutlich: Gute Politik in Baden-Württemberg findet statt. Ja, Grün-Rot ist am Zug und gestaltet erfolgreich in diesem Politikbereich.
Meine Damen und Herren, eine gute Politik haben wir uns 2011 vorgenommen, und wir haben in diesem langen Prozess der Verhandlungen auf europäischer Ebene und im Bund ers te Ergebnisse zu verzeichnen, die deutlich machen, dass sich diese Arbeit gelohnt hat.
Nun haben Sie, Herr Abg. Locherer, vorhin eine Reihe von Dingen orakelt. Ich kann verstehen, dass es für eine Opposi tion schwierig ist, wenn eine Landesregierung mit deutlich mehr Geld aus Brüssel und aus Berlin für die heimische Land wirtschaft nach Hause kommt, als es der Vorgängerregierung gelungen ist.
Ich glaube aber, es wird deutlich, dass auch Sie froh sind, dass es hier für Baden-Württemberg mit einem entscheidenden Ver handlungserfolg vorangeht.
Ich will allerdings auch deutlich sagen: Sie wissen, dass das, was Sie hier zum Vernebeln des Erfolgs vorbringen – Gefähr dung der Finanzierung der Landwirtschaft durch den Natio nalpark und anderes –, nicht zutrifft. Sie wissen, dass der Na tionalpark mit der deutlichen Erhöhung der Naturschutzmit tel durchfinanziert ist und die Landwirtschaft weder in der Sa che noch in der Finanzierung vom Nationalpark betroffen ist, sehr geehrte Damen und Herren aus der Opposition.
Das Ziel unserer Koalition war: Agrarpolitik soll gerechter und ökologischer werden. Das war unser Motto. Genau damit konnten wir Erfolge in Brüssel erzielen. Europa hat sich be wegt. Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik geht man in Brüssel auf neue, auf gerechtere und ökologischere Pfade. Damit können wir sagen: Wir, Grün-Rot, haben einen Beitrag geleistet, dass die Politik in die richtige Richtung geht und sie sich für unser Land, für die Landwirtschaft und für die ländlichen Räume in Baden-Württemberg auszahlt.
Im Rahmen des Budgets in Brüssel sind die Mittel für Deutschland für den Bereich „Ländlicher Raum und Land wirtschaft“ empfindlich gekürzt worden. Warum haben wir es geschafft, für Baden-Württemberg nicht nur Kürzungen ab zuwenden, sondern für die Landwirte, für unseren ländlichen Raum sogar noch mehr herauszuholen? Das ist uns deshalb gelungen, weil sich grün-rote Ideen in Brüssel als wirksam zeigen, weil es gelungen ist, mit einer richtigen Linie in der Landwirtschaftspolitik etwas für kleine und mittelständische Strukturen zu tun, etwas für diejenigen zu tun, die auf Regi onalvermarktung, auf Qualität aus der Region, auf speziali sierten Anbau in kleinräumigen Strukturen setzen und von ei ner Zusammenarbeit mit denjenigen ausgehen, die in den Be reichen Naturschutz, Landschaftspflege und Tourismus tätig sind. Uns ist es gelungen, genau diesen Impuls in der europä ischen Politik zu setzen. Und das, meine Damen und Herren, zahlt sich jetzt aus.
Deshalb ist die Opposition auch auf dem Holzweg, wenn sie hier kritisiert, dass wir uns für das Greening, für die ökologi sche Gestaltung der ersten Säule, eingesetzt haben. Denn oh ne diesen wichtigen Impuls aus Brüssel wäre es nicht zu ei ner gerechteren Verteilung der einkommenswirksamen Direkt zahlungen gekommen. Doch genau das ist der zentrale Punkt, der die Betriebsstrukturen in Baden-Württemberg in der nächsten EU-Förderperiode stärkt.
Gerade weil es gelungen ist, in Brüssel das Prinzip „Öffentli ches Geld für öffentliche Leistungen“ umzusetzen, profitiert Baden-Württemberg. Andernfalls wären die Verbesserungen für die Landwirte im Land weit geringer ausgefallen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren: Grün-rote Politik ist ein Gewinn für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg. Das zeigt das Verhandlungsergebnis.