Die Vermarktung regionaler Produkte, beispielsweise in Lip tingen im Landkreis Tuttlingen, die man nur unterstützen kann, ist ein weiteres Beispiel.
Meine Damen und Herren, die neue Förderperiode wird Än derungen bringen. Ich halte es aber vor allem für wichtig, dass man die Dinge ganzheitlich betrachtet und hierbei nicht in fal sche Eifersüchteleien verfällt. Wichtig ist auch – darum bitte ich Sie, Herr Minister –, dass man in der Handhabung des Pro gramms, dort, wo man Spielraum hat, dies auch wirklich prak tikabel gestaltet. Es ist klar: Die EU fordert immer vieles; aber man sollte es nicht in eine überbordende Bürokratie ausufern lassen. Geben Sie Ihren Beamten im Haus den Freiraum, da mit man dies draußen erträglich umsetzen kann.
Ich wünsche diesem neuen Programm viel Erfolg. Ich denke, man sollte die Chance nutzen, für alles, was kofinanziert wer den kann, was mit den Möglichkeiten der Wirtschaftsförde rung für den ländlichen Raum über die Ministerien hinweg mit den lokalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften, mit den privaten Initiativen kombiniert werden kann, Mittel zur Ver fügung zu stellen. Dazu wünsche ich mir, dass wir über die Grenzen hinweg – auch über die Landkreisgrenzen und, wenn es sich anbietet, über die Landesgrenzen hinweg – besser zu sammenarbeiten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Baden-Württemberg ist ein Flächenland, ge prägt von einem erfolgreichen ländlichen Raum. 34 % der Menschen leben im ländlichen Raum, und 30 % der Wert schöpfung dieses Landes werden im ländlichen Raum erwirt schaftet. Es ist eines der zentralen Anliegen der grün-roten Landesregierung, den ländlichen Raum in dieser Stärke zu be wahren und mit einer differenzierten Strukturpolitik den not wendigen Rahmen dafür zu schaffen, dass der ländliche Raum diese lange Erfolgsgeschichte weiterschreiben kann.
Es gibt viele wichtige Faktoren. Wir sprechen heute über ein Programm aus dem Korb der Strukturpolitik des Landes. Wir reden heute über LEADER, ein von der EU gefördertes Pro gramm, das gezielt Regionalentwicklung von unten ermög licht, das die Akteure in den Regionen, kommunale Akteure, Akteure aus dem Bereich der Wirtschafts- und Sozialpartner, aus der Zivilgesellschaft, mit Entscheidungsmöglichkeiten in die Lage versetzt, Entwicklungen von unten anzustoßen.
Wir stehen am Beginn einer neuen europäischen Förderperi ode. Das heißt: Auch bei LEADER gibt es die Möglichkeit, Anpassungen vorzunehmen. Vorgaben aus Brüssel spielen hierbei eine Rolle, aber mit den europäischen Mitteln und dem, was das Land an zusätzlicher Finanzierung einbringt, besteht ein landespolitischer Gestaltungsspielraum, um einen
Rahmen zu setzen und weitere sieben Jahre eine erfolgreiche Regionalentwicklung in Baden-Württemberg zu ermöglichen.
Eine entscheidende Frage ist natürlich die Finanzierung. Wir haben noch immer keine Klarheit über die Höhe der Mittel für Baden-Württemberg im Rahmen des ELER, also der zweiten Säule der europäischen Finanzierung des ländlichen Raums und der Landwirtschaft. Wir wissen, dass die Mittel auf euro päischer Ebene und auch für Deutschland insgesamt abneh men. Das ist das Ergebnis von Verhandlungen, die die Bun desregierung nicht zu unseren Gunsten geführt hat. Das ist das Ergebnis der Verhandlungsposition der Bundeskanzlerin, die gerade im Bereich der zweiten Säule bewusst, aktiv auf we niger Mittel hin verhandelt hat.
Wie sich das auf die Verteilung zwischen den Ländern aus wirkt, ist Teil der aktuellen Auseinandersetzung in der Fach ministerkonferenz. Bei der letzten Tagung sind wir nicht zu einem Ergebnis gekommen, und dies übrigens vor allem des halb nicht, weil die Bundesregierung nicht bereit war, die bis herige Situation zu verändern, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Länder wie Baden-Württemberg durch einen unfairen Verteilungsschlüssel beispielsweise gegenüber den Ländern im Osten unserer Republik mit einem überdurchschnittlich hohen Betrag benachteiligt werden. Das wird eine der großen Diskussionen der nächsten beiden Wochen sein.
(Abg. Peter Hauk CDU: Was hat das damit zu tun? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Dieselbe Säule! – Zuruf des Abg. Günther-Martin Pauli CDU)
Herr Kollege Hauk schreit herein: „Was hat das damit zu tun?“ Das hat miteinander zu tun, weil laut Verteilungsschlüs sel die Mittel in der zweiten Säule, beim ELER, im Moment zu 55 % in die neuen Länder fließen, obwohl sie nur 35 % der Fläche haben, und weil es nicht hinnehmbar ist, dass ein Flä chenland wie Baden-Württemberg systematisch weniger Geld bekommt.
Wenn Sie der Auffassung sind, dass das so bleiben soll, dann befinden Sie sich auf einer Linie mit der von Ihnen getrage nen Bundesregierung, aber nicht auf einer Linie mit all jenen in Baden-Württemberg, die wissen, dass man Geld braucht, um Regionalentwicklung zu betreiben.
Insofern ist dies ein guter Hinweis für alle 30 Regionen, die sich dafür interessieren, in der nächsten Förderperiode im Rahmen von LEADER aktiv Entwicklung von unten zu be treiben: Nach diesem Zwischenruf des CDU-Fraktionsvorsit zenden wissen sie, wer für ihr Geld kämpft und wer hier sitzt, eine Bundesregierung verteidigt und Profite für andere Län der zulasten dieses Landes verteidigt. Das haben Sie gerade wieder sehr deutlich gemacht, Herr Hauk.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt ist die Katze aus dem Sack! – Zurufe von der CDU: Besser machen! – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)
Denn natürlich geht es auch darum, die europäischen Mittel für Baden-Württemberg zu bekommen, die wir brauchen, um die positive Entwicklung fortzuführen. Die Landesregierung steht dazu: Wir werden unsere Kofinanzierung erbringen. Sie steht.
Aber selbstverständlich brauchen wir auch die Mittel der Eu ropäischen Union. Wegfallende europäische Mittel – das wis sen Sie – wird das Land nicht kompensieren können.
Wie halten Sie es denn mit der mittelfristigen Finanzplanung in Ihrem Haushalt? Sind Sie wie zu Beginn der letzten Pla nungsperiode bereit, zuzusagen, dass die Landesmittel zur Ko finanzierung auf alle Fälle in unveränderter Höhe aus dem Haushalt zur Verfügung gestellt werden?
Sehr geehrter Herr Hauk, ich habe es ge rade gesagt: Die Landesregierung steht dazu: Wir werden al le notwendigen Kofinanzierungen erbringen
und sicherstellen, dass jeder Euro, den wir an europäischem Geld bekommen und umsetzen können, ins Land, in die Re gionalentwicklung und in die anderen wichtigen Programme der zweiten Säule fließt. Das ist eindeutig und klar.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Das war nicht meine Fra ge! – Glocke des Präsidenten)
Herr Minister, sind Sie darüber informiert, dass die letzte Landesregierung und der letzte Landwirtschaftsminister damals im Ausschuss erklärt haben, würden die EU-Programme gekürzt, sei das Land nicht in der Lage, dies aufzufangen?
Mir sind die Geschichte und die Plenar protokolle bekannt. Da sie Ihnen allen auch bekannt sind, ha be ich jetzt vorausgesetzt, dass man nicht an jeder Stelle den Finger in die Wunde legen muss, Herr Abg. Winkler.
Was steht jetzt bei LEADER und bei der Regionalentwick lung inhaltlich an? In der Debatte wurde es vorhin gesagt: Wir haben bewusst früh begonnen, das Programm aufzusetzen. Wir haben ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt, um allen Regionen frühzeitig die Chance zu geben, sich auf den Weg zu machen und tatsächlich in einen Wettbewerb um die besten Ideen einzutreten. Es gibt 30 Regionen, die ein Inte resse daran haben, in der nächsten Förderperiode als LEADERGebiet teilzunehmen, und die jetzt im Begriff sind, sich die sem Wettbewerb mit Entwicklungskonzepten zu stellen.
Ich hoffe, dass es über die Verhandlungen im Bund gelingt, mit einer adäquaten Finanzausstattung möglichst vielen Re gionen die Chance zu geben, als LEADER-Aktionsgruppe Re gionalentwicklung zu betreiben.
Es gibt in Europa eine Reihe von Neuerungen, die wir nutzen wollen. Wir wollen den LEADER-Aktionsgruppen mehr Ent scheidungsmöglichkeiten in Bezug auf die eigene Schwer punktsetzung geben, beispielsweise indem sie eigene Förder schwerpunkte und Prioritäten setzen können. Wir wollen hier eine weitere Öffnung, um beispielsweise innovative Maßnah men für Frauen im ländlichen Raum zu ergreifen oder Mittel für den Kulturbereich aufzuwenden. Denn Regionalentwick lung, gerade wenn sie von unten entstehen soll, braucht die Möglichkeit, sich auf die Spezifika der eigenen Region zu be ziehen und entsprechende Überlegungen anzustellen, um den sogenannten Bottom-up-Ansatz leben zu können. Diesen An satz wollen wir im Rahmen dessen, was uns die EU erlaubt, stärker ausbauen.
Es ist richtig: Wir werden die Größe der LEADER-Aktions gruppen begrenzen, sodass sich diese auf maximal 120 000 Einwohnerinnen und Einwohner beziehen, um den Prozess der Regionalentwicklung in überschaubareren Räumen zu fas sen. Das bedeutet Veränderungen für diejenigen Aktionsgrup pen, die sich auf größere Gebiete bezogen haben.
Ich denke, das ist ein wichtiger qualitativer Schritt, gerade für die Akteure aus der Zivilgesellschaft, aus dem Bereich der Wirtschafts- und Sozialpartner, damit ein Blick auf die Ge samtregion möglich ist. Viele groß angelegte LEADER-Ak tionsgruppen konnten diesen Blick nicht immer haben. Gera de für diejenigen, die keine Profis aus dem kommunalen Be reich sind, ist die Veränderung wichtig; dazu hat uns die Eu ropäische Kommission auch aufgefordert.
Wir werden im Weiteren die Aktionsgruppen, die sich jetzt zusammenfinden, begleiten. Wir werden, sobald es eine end gültige europäische Rechtsetzung hierzu gibt, versuchen, in Baden-Württemberg möglichst schnell voranzukommen. Da zu gehört auch eine Entscheidung darüber, welche Aktions gruppen dann an den Start gehen.
Ich will zum Schluss sagen: LEADER ist ein gutes Beispiel eines gelebten Europa. Gerade in der heutigen Zeit, in der es viele Diskussionen über Europa gibt, besteht guter Grund, stolz auf die wichtigen Entwicklungen zu schauen, die in Ba den-Württemberg aus einem europäischen Programm heraus entstanden sind.
Ich glaube, es ist sinnvoll, hier in aller Deutlichkeit zu sagen: Dieser Teil baden-württembergischer Regionalentwicklung wäre ohne Europa, ohne das Zusammenwachsen in Europa, aber auch ohne das gemeinsame europäische Denken, auch in Haushaltszusammenhängen, nicht möglich gewesen.