Protocol of the Session on October 10, 2013

Das Bundesland Baden-Württemberg mit seiner dynamischen Bevölkerungsentwicklung ist auf den Ausbau der ÖPNV-In frastruktur angewiesen. Ich sage es ganz deutlich. Wir haben ja Projekte in der Pipeline. Denken Sie an das Mobilitätsnetz Heidelberg oder andere Vorhaben. Hier darf der Bund die Län der und die Gemeinden nicht im Stich lassen, was die Finan zierung angeht. Wir brauchen hier eine verlässliche Perspek tive des Bundes.

Das Thema Gemeindeverkehrsfinanzierung ist aber auch wichtig, wenn wir über den kommunalen Straßenbau reden. Hier geht es um Entflechtungsmittel. Ich bin der Landesregie rung dankbar, dass im Zuge der Fiskalpaktverhandlungen die Entflechtungsmittel zumindest über 2015 hinaus gesichert werden. Wichtig ist aber, dass diese Entflechtungsmittel, Herr Minister Hermann, jetzt auch über 2019 hinaus den Ländern zur Verfügung gestellt werden. Das betrifft kleinere Maßnah men im öffentlichen Verkehr, und es betrifft den kommuna len Straßenbau. Auch hier besteht also Handlungsbedarf.

Jetzt fragen Sie: Wie könnte das finanziert werden? Eine Mög lichkeit ist, Infrastrukturfonds zu bilden. Auch dafür haben sich die Verkehrsminister ausgesprochen. Das unterstützen wir. Was den Schienenbereich angeht, haben wir eine ganz einfache Möglichkeit: Momentan muss die Deutsche Bahn AG

eine halbe Milliarde Euro an den Bundesfinanzminister ab führen. Wir fordern, dass dieses Geld in das Schienennetz ge steckt wird und nicht in die Kasse des Bundesfinanzministers.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war eine gute Sitzung der Landesverkehrsminister mit dem einstimmigen Beschluss. Ich denke, es ist für jede Bundesregierung, egal welcher Couleur, ein wichtiges Ziel, die Mittel für Mobilität und Verkehrsinf rastruktur zu verstetigen und auf eine verlässliche Grundlage zu stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Razavi das Wort.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt kommt eine wahrhafte Löwin!)

Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Die Wirtschaft und die Menschen in Baden-Württemberg leben von einer guten Infrastruktur. Da rauf sind wir angewiesen. Nach der Rede von Herrn Schwarz heute Morgen kann ich nur sagen: Es geschehen wirklich noch Zeichen und Wunder. Sogar die Grünen haben das erkannt.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle wissen, wir müssen dringend den Investitionsstau im Land, in den Kommunen und vor allem im Bund abbauen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Vor allem im Bund!)

Die Grünen haben das jetzt nach einer Phase der Orientierung ebenso erkannt und sagen inzwischen das Gleiche, was wir schon seit Langem sagen: Wir brauchen dringend mehr Geld für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Das, Herr Schwarz, ist wirklich keine neue Erkenntnis, die Sie uns heu te Morgen hier kundgetan haben.

Die Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzie rung“ hat dies mit großem Aufwand bestätigt. Es ist wirklich überhaupt keine Kunst, und es ist auch nichts Neues, dass sich die Länderverkehrsminister einig sind, wenn es um Forderun gen an den Bund geht. Auch das ist jetzt keine Löwenleistung unseres Ministers, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Länder zusammenstehen.

Klar ist aber: Erkenntnis und Wissen, dass wir mehr Geld brauchen, reichen allein nicht aus, sondern wir brauchen kla re Konzepte. Unser Land braucht ein klares Konzept; unser Landesverkehrsminister und unsere Landesregierung müssen klare eigene Konzepte dafür aufzeigen, wie dies gelingen kann. Wenn Sie den Kommissionsbericht genau lesen, dann sagt er nicht nur aus, was der Bund tun muss, sondern er sagt auch aus, was Länder und Kommunen tun müssen. Deswegen liegen die Hausaufgaben auch bei unserer Landesregierung.

Da muss man sagen – das gilt weniger für die SPD als viel mehr für die Grünen –: Sonntagsreden, taktisches Reden und tatsächliches Handeln, aktives Handeln klaffen weit ausein ander. Dafür ein paar Beispiele:

Wenn die letzte Bundesregierung Sonderprogramme aufge legt hat, wer hat dann dagegen gestimmt? Die Grünen.

Schauen wir zweitens in die Bundestagswahlprogramme von Rot und Grün, Herr Schwarz. Während die CDU klare Ziele für die kommende Legislaturperiode gesetzt hat, was im Be reich der Infrastruktur zu tun ist – dass nämlich Geld in die Hand genommen werden muss –,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was steht dann im Haushalt drin? Was steht für 2014 drin? 2014 gekürzt ohne Ende! Das ist ja unglaublich! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Stimmt doch überhaupt nicht!)

ist in den Bundestagswahlprogrammen von Rot und Grün hier schlicht und ergreifend komplett Fehlanzeige.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Sie haben nicht nur dieses und weitere Themen vergessen und falsch besetzt, Sie haben dieses Thema komplett aus dem Blick verloren.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lehmann?

Zum Schluss, bitte. Lassen Sie mich diese Argumentation zu Ende bringen.

Zum Schluss, wenn noch Zeit ist.

Der dritte Punkt: Wie sieht es auf Landesebene aus? Zugegebenermaßen haben auch wir – in schlechten Haushaltsjahren – weniger Geld investiert, als man benötigt hätte. Aber wir haben Sonderprogramme aufgelegt, haben Zug um Zug die Situation verbessert. Und was machen Sie in guten Haushaltsjahren? Anstatt diesen Weg konsequent fortzusetzen, bleiben Sie auf halbem Weg stecken.

Viertes Beispiel: kommunale Verkehrsfinanzierung, kommu nale Förderung. Zunächst einmal haben Sie umgeschichtet: 40 % Straßenbau, 60 % Umweltverbund. Das Ergebnis sieht man in den Kommunen schon jetzt. Im kommunalen Straßen bau passiert überhaupt nichts mehr; der steckt komplett fest. Jetzt kommen Sie auch noch auf die Idee, den Fördersatz mit dem fadenscheinigen Argument eines effizienteren Einsatzes und einer fairen Verteilung der Mittel auf 50 % abzusenken. Das ist wirklich eine Milchmädchenrechnung, die Sie hier vorlegen. Fakt ist, dass in den Kommunen immer weniger Pro jekte umgesetzt werden können.

Trotz alledem bleiben Sie, Herr Minister, und vor allem auch die Grünen Ihrem Schwarzer-Peter-Spiel treu und fordern vom Bund mehr Geld, ohne die eigenen Hausaufgaben zu erledi gen. Sie vergessen dabei: Drei Finger der eigenen Hand zei gen auf Sie selbst.

Fakt ist, ob im Bereich Straße oder Schiene: Ihre Bilanz der vergangenen zweieinhalb Jahre ist der beste Beweis dafür, wie wenig Ihnen die Infrastruktur, abseits von Ihren Sonntagsre den, in Wirklichkeit wert ist. Sie kommen weder beim Stra ßenbau noch beim Ausbau von ÖPNV und Schienenpersonen

nahverkehr einen Schritt weiter. Wenn man genau hinschaut, haben Sie Ihren Kampf gegen Stuttgart 21 bis zum heutigen Tag nicht aufgegeben.

Jetzt schauen wir uns einmal den Titel der heutigen Debatte an, Herr Schwarz. Sie sprechen von Perspektiven für das Land Baden-Württemberg. Eigentlich hätte dieser Titel lauten müs sen: „Welche Aufgaben ergeben sich aus dem Ergebnis der Strukturkommission für das Land Baden-Württemberg?“ Schon hier hätten Sie besser nachdenken müssen.

Einig sind wir uns in einem Punkt: Wir brauchen langfristig und dauerhaft mehr Geld, unabhängig davon, wer regiert. Die CDU in Baden-Württemberg hat sich immer für die Pkw-Maut und die Vignette eingesetzt, weil wir glauben, dass das der beste Weg ist, langfristig und zweckgebunden Einnahmen zu generieren. Wir sind jedoch auch anderen Lösungen gegen über offen – ob Sondervermögen, ob Nutzerfinanzierung oder eine Finanzierung über den Haushalt. Fakt ist: Wir brauchen dauerhaft mehr Geld, und der Abbau des Investitionsstaus muss gelingen.

Deswegen sind die Ansätze der Bodewig-Kommission rich tig. Ob allerdings die Ausweitung der Lkw-Maut auf das nach rangige Verkehrsnetz die richtige Lösung ist und ob für die Industrie, für Unternehmen und schlussendlich für den Ver braucher diese Lösung tragbar ist, das wird man sich noch ge nau anschauen müssen.

Zurück zu den Aufgaben der Landesregierung. Es reicht nicht aus, mehr Geld zu fordern und darüber zu reden. Man muss auch die eigenen Hausaufgaben machen. Das heißt, Sie müs sen sich für mehr Geld für den Erhalt und für den Neubau ein setzen, Sie müssen den Generalverkehrsplan konsequent um setzen, Sie müssen sich dafür einsetzen, dass Baden-Württem berg zum Investitionsschwerpunkt wird, weil der Nachholbe darf und die Belastungen bei uns am größten sind, und Sie müssen vor allem den Bedarf klar definieren.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das haben Sie alles nicht geschafft!)

Weder gestern in der Regierungsbefragung noch im Ausschuss konnten Sie erklären, welche Idee hinter Ihrer Konzeption, hinter Ihren eigenen Kriterien steckt, die Sie entwickeln soll ten, statt die Konzeption und Kategorisierung des Bundes zu übernehmen. Mir fehlt bislang das Verständnis der Sinnhaf tigkeit. Wir werden im November sehen, wie weit Sie damit kommen.

Die Kommission erteilt Ihnen einen klaren Auftrag, Herr Mi nister. In dem Bericht steht, dass Sie künftig genügend Mittel für Planung einsetzen müssen, und zwar orientiert am ver kehrlichen Bedarf und nicht an der Höhe der liquiden Mittel. Das Gleiche gilt für Personal. Ich kann nur sagen: Sie müs sen Ihren Koalitionsvertrag umschreiben. Darin steht nämlich das Falsche.

Wenn Sie den Auftrag der Kommission ernst nehmen, dann haben Sie unsere Unterstützung. Wir sind gespannt auf die nächsten Entscheidungen Ihrer Regierung. Machen Sie Ihre Hausaufgaben. Wir sind gespannt, wie Sie diese lösen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Haller das Wort.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Wir haben bei den Verkehrspolitikern aller Parteien, die im Landtag vertreten sind, zumindest einen Kon sens festzustellen: Wir brauchen mehr Geld für Verkehrsinf rastruktur. Wenn wir das hier parteiübergreifend feststellen, darf es nicht verwundern, dass die Verkehrsminister der Län der in dieser Republik der gleichen Meinung sind. Es war al so ein 16:0-Ergebnis, was zunächst positiv festzustellen ist; denn in den Landesregierungen sind alle Parteien vertreten: FDP, CDU/CSU, Die Grünen, Linke, SPD. Praktisch alle in den Parlamenten vertretenen Parteien treten für eine verstärk te Bereitstellung finanzieller Mittel für die Verkehrsinfrastruk tur ein.

Insoweit ist das ein starkes politisches Signal, ein Signal, das aber andererseits das Elend dieser Verkehrsinfrastruktur auf zeigt: In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde von der Substanz gelebt, egal, ob bei der Straße, bei der Schiene oder bei Wasserwegen.

Das Versagen ist in Zahlen festzustellen: 40 Milliarden € wer den wir in den nächsten 15, 20 Jahren benötigen – jährlich ca. 3,5 Milliarden € –, nur um die Substanz zu erhalten.

Das ist das eigentlich fragwürdige Stilmittel der Politik der vergangenen Jahre – da darf man wahrscheinlich kaum eine Partei ausnehmen –, nämlich dass sie unverantwortlich von der Substanz lebt und Vermögen verzehrt bei gleichzeitigem Ausbau des Konsums. Es ist ein völlig unschwäbisches Ver halten, von der Substanz zu leben. Während es ins Haus reg net, macht man gleichzeitig Urlaub auf den Malediven – so ungefähr ist das Verhalten in Sachen Substanzerhalt, und zwar im Tiefbau und manchmal auch im Hochbau.

Frau Razavi, bei allem Respekt: Ihre Partei stellt jetzt seit acht Jahren die Bundeskanzlerin. Nochmals: Man kann nicht nur in die Zukunft schauen, fragen: „Was werden wir machen?“ und Zukunftsversprechen abgeben.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Vielmehr ist Ihrerseits zu verantworten, dass der Bund den Verkehrshaushalt zugunsten von anderen Aufgaben geradezu rudimentär behandelt. Da kann man sich nicht herausreden, indem man nur auf die Zukunft verweist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)