Protocol of the Session on July 18, 2013

Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, dass nahezu alle wei terführenden Schulen in unserem Land bereits verbindliche Kooperationen mit den Unternehmen vor Ort abgeschlossen haben

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

und die Lehrkräfte dadurch längst Einblicke in die Unterneh menswirklichkeit gewonnen haben?

Natürlich ist gegen eine freiwillige Fortbildung und zusätzli che Angebote dafür in Betrieben überhaupt nichts auszuset zen. Dieser Vorstoß von Ihnen war aber nicht nur populistisch, sondern er hat auch den Eindruck erweckt, die Lehrkräfte sei en weltfremd. Im Übrigen haben Sie dadurch dem Ansehen der Lehrerschaft Schaden zugefügt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Minister, Sie führen die missglückte Politik Ihrer Vor gängerin uneingeschränkt fort. Sie setzen sogar an entschei dend wichtigen bildungspolitischen Bereichen den Rotstift an.

Man muss nur nach Ludwigsburg schauen: Dort werden wich tige Angebote an sechs Stützpunktschulen eingestellt, wo LRS-Kleingruppen gefördert wurden. Hier handelte es sich um eine ganz besondere Maßnahme der individuellen Förde rung für Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwächen. Die Begründung der Schulverwaltung für die Einstellung dieser Angebote war, dass die Stunden für die Krankheitsvertretung erforderlich seien. Herr Minister, bei jeder Gelegenheit spie len Sie Ihre Kürzungen im Ergänzungsbereich herunter. Sie lassen die Schulverwaltung vor Ort mit dieser Maßnahme al lein. Herr Minister, es ist jetzt erforderlich, dass Sie Klartext reden und anordnen, dass diese wichtige Maßnahme der indi viduellen Förderung im neuen Schuljahr dort uneingeschränkt fortgesetzt werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wie wir in diesen Tagen und Wochen gelesen und gehört ha ben, werden vor Ort Schulplätze inzwischen auch über das Glücksspiel vergeben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Wie bitte? Wie geht denn das?)

Das lassen Sie zu – kommentarlos. Das, was im Moment in Schopfheim im Landkreis Lörrach stattfindet, ist eigentlich kabarettreif.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Aber das Thema ist zu ernst, um es mit diesem Wort zu be zeichnen. Sie haben dort G 9 eingeführt. Es gab 104 Anmel dungen; das waren 14 zu viel. Ihnen bzw. der Schulverwal tung vor Ort fällt nichts Besseres ein, als nun die Lostrommel entscheiden zu lassen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: So etwas gibt es in Berlin auch!)

Das hat mit sachlichen Kriterien überhaupt nichts zu tun. Ich sage in aller Deutlichkeit: Wenn Sie die Wahlfreiheit zulas sen, dann müssen Sie diese auch konsequent ermöglichen, und dann müssen Sie auch nachvollziehbare, objektive Kriterien dafür anlegen, weshalb Sie eine Gruppe von Kindern für das G 9 zulassen und andere nicht.

Sie sind fernab von jeglicher Realität. Schulleitung, Eltern, Bürgermeister wenden sich an den Minister mit der Bitte, ei ne vernünftige Lösung vor Ort zu ermöglichen, gegebenen falls dadurch, dass eine zusätzliche Klasse eingerichtet wird. Aus Stuttgart kam hierzu bislang keine Antwort. Der SPDKreisverband Lörrach hat einen Beschluss gefasst und Sie mit der Bitte angeschrieben, man möge am dortigen Gymnasium eine zusätzliche Klasse einrichten – keine Antwort aus Stutt gart. Selbst Ihr Kabinettskollege Rainer Stickelberger sagt – sogar gegenüber der Presse –, er habe Ihnen zwei lange Brie fe geschrieben mit der Bitte, hier endlich zu handeln. Ent schuldigung, finden bei Ihnen keine Kabinettssitzungen statt, bei denen Sie einmal in der Woche die Möglichkeit hätten, auch persönlich über solche Probleme zu reden?

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Die reden doch nicht miteinander!)

Keine Antwort aus Stuttgart.

Das ist, meine Damen und Herren, eine peinliche Vorführung. Herr Kultusminister, Sie lassen die Dinge schleifen und ge hen die Probleme nicht an – zum Leidwesen der Kinder und Jugendlichen vor Ort.

Zum Schluss meiner Ausführungen die Feststellung: Es zeich net sich nach und nach ein Vertrauensbruch zwischen allen am Schulleben Beteiligten und dem Kultusministerium ab. Der einzige Rat, den man Ihnen geben kann, lautet: Sorgen Sie dafür, dass die Schulen die Möglichkeit haben, in Ruhe und Beständigkeit ihren bildungspolitischen Auftrag wahrzu nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Boser.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die grün-rote Landesregierung produziert kein Bildungschaos, sondern die grün-rote Landes regierung geht gemeinsam mit den Regierungsfraktionen die Verbesserungen im Bildungsbereich konsequent an.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf von der CDU: Schwacher Beifall! – Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Im Gegensatz zu Ihnen von der Opposition stellen wir uns den Herausforderungen und Veränderungen in der Bildungsland schaft. Sie haben doch in den vergangenen Jahren konsequent ignoriert, dass der demografische Wandel im Land dazu füh ren wird, dass Schulstandorte im ländlichen Raum nicht mehr in der bisherigen Form vorgehalten werden können. Sie ha ben ignoriert, dass Baden-Württemberg beim Thema „Sozia le Gerechtigkeit“ im Ländervergleich in der Vergangenheit immer mit am schlechtesten abgeschnitten hat. Sie haben die Eltern ignoriert, die bereits mit den Füßen abgestimmt haben, und Sie haben die Forderungen nach Veränderungen bei der Haupt- und der Werkrealschule sowie nach längerem gemein samen Lernen ignoriert.

Was Sie bis heute ignoriert haben, das sind für uns Tatsachen, die Veränderungen notwendig machen. Diesem Auftrag stel len wir uns.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für uns ist klar, dass durch ein „Weiter so!“ in der Bildungs landschaft auf Dauer Qualität und Stabilität nicht so erhalten bleiben können, wie wir dies bisher kennen.

Gerade einmal 40 Haupt- und Werkrealschulen im Land ver fügen in diesem Jahr noch über eine Zahl von 40 oder mehr Schülerinnen und Schülern in der Eingangsstufe. Der Trend der vergangenen Jahre setzt sich hier fort. Eltern treffen – wie bereits in den vergangenen Jahren – ihre Wahl gemäß den Ab schlussmöglichkeiten, die eine Schulart bietet.

Als Antwort auf solche Veränderungen haben wir in BadenWürttemberg die Gemeinschaftsschule als Angebot einge führt. Die Gemeinschaftsschule ist für uns eine Schulform, die diesem veränderten Wahlverhalten entgegenkommt und diese Veränderung aufgreift. Auf deren Basis steht auch wei terhin allen Schülerinnen und Schülern ein wohnortnahes Bil dungsangebot zur Verfügung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Aber Sie schaffen es bis heute nicht, sich über diese Fragen inhaltlich auseinanderzusetzen. Das haben die gestrigen De batten wieder gezeigt. Sie gehen lediglich hin und schüren vor Ort Verunsicherung, und Sie stehen damit den Entwicklungs möglichkeiten vieler Schulen im Weg.

Setzen Sie sich endlich konstruktiv mit diesen Veränderungen auseinander! Wir wollen, dass die Gemeinschaftsschule für die Schulen, die Schulträger und die Schülerinnen und Schü ler vor Ort ein langfristiges Angebot darstellt – auch mit Blick auf die rückläufigen Schülerzahlen.

Daher brauchen wir auch die regionale Schulentwicklungs planung. Wir halten nach wie vor ein Zweisäulenmodell, das in der Fläche die Möglichkeit bietet, langfristig alle Abschluss

möglichkeiten bereitzustellen, für den richtigen Weg. Mit die sem Weg stehen wir nicht allein und isoliert da, sondern auch der Städtetag will diesen Weg, der Handwerkstag unterstützt die Gemeinschaftsschule, und die Metall-Arbeitgeber haben in der vergangenen Woche ebenfalls geäußert, dass der Weg in ein Zweisäulenmodell der richtige Weg ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Nicht wir haben die falsche Richtung eingeschlagen, sondern Sie haben den Anschluss verpasst. Was Sie als „Chaos“ be zeichnen, ist der Mut zur Veränderung.

Berichte, wonach sich beispielsweise Lehrerinnen und Leh rer stärker mit den Handwerksbetrieben auseinandersetzen sollen, und die Resonanz darauf zeigen doch, dass eine Ver unsicherung darin besteht, inwieweit man die Möglichkeiten der Kooperation zwischen Schule und Betrieben in Zukunft enger verzahnen kann. Das war ein Vorschlag, den man auch konstruktiv diskutieren kann, ohne sich gleich polemisch da mit auseinanderzusetzen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Wir haben uns nicht pole misch auseinandergesetzt!)

Handwerk und Industrie sehen diesen Vorschlag positiv. Hand werk und Industrie haben sich sehr positiv dazu geäußert und zu erwägen gegeben, ob man nicht solche Möglichkeiten schafft. Wir haben beispielsweise über die Bildungsplanre form mit dem Fach „Wirtschaft und Berufsorientierung“ eine neue Möglichkeit geschaffen, um diese Betriebsorientierung den Schulen näherzubringen, und zwar über die bestehenden Kooperationen hinaus, die für die Schulen sehr wertvoll sind. Diesen Weg können wir weitergehen. Ich denke, dass dies auch ein Weg sein kann, um gemeinsam mit der Opposition am Ende eine noch engere Verzahnung hinzubekommen.

Das, worauf Sie mit Ihrer Aussage, wir hätten ein Chaos in der Bildungslandschaft verursacht, abheben, ist auf Versäum nisse der alten Landesregierung zurückzuführen.

(Oh-Rufe von der CDU – Zuruf von der CDU: Geht das schon wieder los?)

Nehmen wir einmal die Zahlen von vergangener Woche zum U-3-Ausbau. Im Jahr 2011 lag die Quote für den U-3-Ausbau bei 18 %. Wir haben es geschafft, dass die Ausbauquote jetzt bei 25 % liegt. Damit haben wir in Baden-Württemberg einen sehr großen Schritt nach vorn getan.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir werden die Themen, die in Baden-Württemberg bisher stiefmütterlich bzw. stiefväterlich behandelt wurden, angehen, um die Schulen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu un terstützen. Für uns Grüne stehen dabei die Prioritäten fest. Wir wollen eine Stärkung der Grundschulen erreichen. Wir haben bisher noch keine Alternativvorschläge von Ihnen dazu ge hört, wie wir beispielsweise bei den Lese-Rechtschreib-Klas sen, bei den Förderinstrumenten in den Grundschulen vorge hen wollen. Sie beziehen sich nach wie vor auf den Ergän zungsbereich. Für uns ist klar: Die Grundschulen brauchen mehr Stunden, um diese Förderangebote dauerhaft vorhalten zu können.

(Abg. Georg Wacker CDU: Siehe Ludwigsburg!)

Dies geht nicht über den Ergänzungsbereich, sondern es geht über zugeteilte Stunden,

(Abg. Georg Wacker CDU: Das wird aber dann noch teurer, Frau Kollegin! Das wird noch teurer!)

die jedes Jahr gleich an die Schulen verteilt werden und bei denen man eben nicht darauf hoffen muss, dass weniger Krank heitsfälle als im Vorjahr auftreten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)