Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Mit der heutigen Debatte widmet sich das Haus dem sehr wichti gen Thema Rettungswesen. Der Staat steht in der Pflicht, Le ben zu schützen, und dieser Schutz ist seine oberste Verpflich tung.
Die von 30 integrierten Leitstellen und vier Rettungsleitstel len entgegengenommenen Notrufe führten im Jahr 2012 zu 700 000 Einsätzen. 400 Rettungsfahrzeuge, 140 Notarztfahr zeuge, acht Hubschrauber – diese Mittel stehen durch das Land zur Verfügung. All diese Mittel haben aber nur deswe gen einen Sinn, weil wir über das Wichtigste überhaupt ver fügen, nämlich über knapp 6 000 Helferinnen und Helfer, und diese setzen sich tagtäglich und auch in der Nacht ein. Ich den ke, es ist nochmals einen herzlichen Dank wert, dass diese Menschen vieles auf sich nehmen.
Diese ehren- und hauptamtliche Hilfe muss organisiert wer den. Sie wird hier in Baden-Württemberg gut organisiert, und das soll und wird auch so bleiben.
Wie die Landesregierung in ihrer Antwort ausführt, wird der Rettungsdienst in Baden-Württemberg von gemeinnützigen Organisationen durchgeführt, die im Rettungsdienstgesetz be stimmt sind. Die gesetzliche Aufgabenübertragung an Dritte, die in der Antwort näher ausgeführt wird, macht das badenwürttembergische Modell nicht mit dem bayerischen ver gleichbar. Das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichts hofs hat somit keine Auswirkungen auf Baden-Württemberg. Sollte möglicherweise eine Klage erhoben werden, könnte man dieser sicher gelassen entgegensehen. Ich denke, die Art, wie Baden-Württemberg die Rettungsdienste organisiert, hat sich bewährt und sollte von uns daher nicht infrage gestellt werden.
Fristgerecht für die heutige Debatte hat das Innenministerium gestern die Zahlen für 2012 veröffentlicht. In 25 von 37 Ret tungsdienstbezirken wurde im vergangenen Jahr die Hilfsfrist insgesamt eingehalten. Im Jahr 2011 waren es noch 24. Es ist und bleibt das Ziel aller, die Einhaltung der Hilfsfrist weiter zu optimieren und sie insgesamt flächendeckend zu gewähr leisten. Darin sind wir uns einig.
Die Antwort der Landesregierung legt dar, dass die Gesprächs zeit für den Notruf bei der Hilfsfrist nicht mitgerechnet wird. Ich werde immer wieder darauf hingewiesen, das müsste auch in die Berechnung einfließen. Ich sage aber, man kann natür lich das Regelwerk entsprechend ändern; daraus ergeben sich aber hohe Kosten.
Wichtiger ist vielmehr, bei den Ersthelferinnen und Ersthel fern zu investieren, denn zehn Minuten sind eine lange Zeit, wenn – das wurde schon von meinen Vorrednern gesagt – nicht schon die Ersthelfer, die den Notruf absenden, entspre chende Hilfsmaßnahmen durchführen. Sollte dies nicht der Fall sein, würde der Rettungsdienst leider häufig zu spät kom men. Da unterstützt meine Fraktion den Ansatz der Landes regierung, zuerst die möglichen Verbesserungen bei der Aus bildung der Ersthelferinnen und Ersthelfer durchzusetzen. Mit dem Aufwand hierfür nimmt man eine gute Investition vor. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Qualitätssicherung.
Es ist jedoch mit der Ausbildung allein nicht getan. Auch die Motivation muss stimmen. Alle Untersuchungen bestätigen, dass die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung leider abnimmt, da die Komplexität steigt und junge Menschen aus Angst, et was Falsches zu tun, sich nicht trauen, etwas zu tun. Das kön nen und wollen wir nicht hinnehmen.
Mit der Verbesserung der Ausbildung der Notfallsanitäter wird die Qualität der Hilfe im hauptamtlichen Bereich deutlich er höht. Das geplante entsprechende Bundesgesetz findet unse re Zustimmung. Wir brauchen gut ausgebildete Leute. Die dreijährige Ausbildung ist hier ein angemessenes Mittel, wo bei zu bedenken ist, dass die ersten Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter frühestens 2017 in den Beruf kommen.
In den Schulen muss man noch stärker darauf hinwirken, dass sich Jugendliche trauen, bei Notfällen zu helfen. Wir sollten uns auch Gedanken darüber machen, wie entsprechende Ein sätze gewürdigt werden können. Auch dieses in den allermeis ten Fällen ehrenamtliche Engagement gehört zu einer leben digen Bürgergesellschaft und muss gefördert werden.
In der letzten Ausgabe des „Staatsanzeigers“ ist zu lesen, dass die Opposition darüber nachdenkt – von Ihnen, Herr Goll, kam das gerade nochmals –, eine gesetzliche Hilfsfrist nicht nur für Notfälle, sondern auch für Krankentransporte festzusetzen – sicherlich in einem anderen zeitlichen Rahmen. Ich denke, hier ist nicht der Gesetzgeber gefordert. Vielmehr kann Ent sprechendes auch umgesetzt werden, indem z. B. klinikintern etwas unternommen wird. Denn ansonsten kommen hier wie der hohe Vorhaltekosten hinzu. Es handelt sich nicht um eine gesundheitliche Gefahr; es ist sicherlich nicht schön, länger auf einen Krankentransport warten zu müssen. Aus meiner Sicht sollten letztendlich vor Ort Lösungen gefunden werden und die Leistungsträger eine entsprechende Bereitschaft auf bringen.
Eine Gesetzesinitiative ist jedoch an einer anderen Stelle not wendig. Ich spreche vom SGB V, das geändert werden muss. Bisher müssen Rettungsdienste die Patientinnen und Patien ten ins Krankenhaus einliefern, um eine Abrechnung erstel len zu können. Die Zeiten haben sich aber geändert. Dies ist heute nicht mehr sachgerecht, denn die Rettungsdienste sind vielfach selbst in der Lage, alles Notwendige für die Versor gung des Unfallopfers bzw. des zu transportierenden Kranken zu tun. Hier muss das Gesetz geändert werden, damit keine eigentlich überflüssigen Leistungen erbracht werden.
Daher ist es nur zu begrüßen, dass die baden-württembergi sche zusammen mit der hessischen Landesregierung eine Bun desratsinitiative auf den Weg gebracht hat. Das soll dann, wenn der Bundestag neu gewählt worden ist, nochmals for ciert werden; es soll darauf hingewirkt werden, dass Ände rungen erfolgen.
Baden-Württemberg – so kann man nochmals festhalten – steht ebenfalls im demografischen Wandel. Man muss auf den ländlichen Raum achten. Krankenhäuser werden leider ge schlossen. Hier ist die neue Technologie mit einzusetzen. Das wird gemacht. Ich bin überzeugt, dass der Rettungsdienst in Baden-Württemberg auch zukünftig seine Dienste leisten kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! In jeder Legislaturperiode diskutiert man mindestens einmal über die Bedeutung und das Wesen des Rettungsdienstes – zu Recht. Dieser leistet Maßgebliches. Es ist bereits fraktions übergreifend deutlich geworden, dass der Einsatz aller im Ret tungsdienst versammelten Organisationen unser aller Dank verdient.
Stetige Veränderungen im Bereich der Notfallmedizin, der technischen Möglichkeiten, der Versorgungsanforderungen und der Kostenstruktur erfordern immer auch eine aktuelle Bestandsaufnahme und gegebenenfalls eine Anpassung des Rettungsdienstwesens. Weil sich die Notwendigkeit der hoch wertigen medizinischen Versorgung für jeden immer und über all stellen kann, ist und bleibt die Sicherheit, im Notfall schnell adäquate medizinische Hilfe zu bekommen, auch ein wichti ger Baustein für die hohe Lebensqualität im Land.
Zu Recht ist im Fragenkatalog der FDP/DVP auch die Frage angeschnitten worden, was sich auf dem Weg dorthin subs tanziell verbessern lässt. Der Antwort ist u. a. zu entnehmen, dass den ehrenamtlich tätigen Ersthelfern zukünftig eine im mer wichtiger werdende unterstützende Funktion zukommt, um auch in ländlichen Gebieten das therapiefreie Intervall bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu verkürzen. Hier sehen wir für die Zukunft durchaus noch Potenzial und Handlungs bedarf für eine Stärkung der Rettungskette durch eine syste matische Einbindung von Ersthelfern. Auch die Selbsthilfe fähigkeit der Bürgerinnen und Bürger wird ja in der Antwort auf die Große Anfrage angesprochen.
Ein zentraler Punkt ist, wie so häufig in dieser Debatte, das Thema „Hilfsfristen und ihre Verbesserung“, wenngleich man dazusagen muss – ich habe es ja schon erwähnt –: Das ist ein Thema, das uns in jeder Legislaturperiode immer wieder be gegnet und bei dem die Antworten, die dann jeweils von der Regierung gegeben werden, immer nur vorläufiger Art und nicht hundertprozentig zufriedenstellend sein können. Gleich wohl ist uns bewusst: Der Rettungsdienst in Baden-Württem berg ist weltweit wohl einer der besten, auch wenn die Ein satzzahlen in den vergangenen Jahren gestiegen sind und auf grund des demografischen Wandels weiter steigen werden.
Zur Verbesserung der Hilfsfrist werden zahlreiche Anstren gungen und Maßnahmen auf allen Ebenen unternommen. Ich nenne hier beispielhaft die Überprüfung der Alarm- und Aus rückzeiten, Standortverlegungen von Rettungswachen oder die Beschaffung zusätzlicher Einsatzfahrzeuge. Auch die Ein führung von landeseinheitlichen, GPS-gestützten Flottenma nagements geht sicherlich ein Stück weit in die richtige Rich tung.
Viel entscheidender aber als das Thema Hilfsfrist ist für uns der Punkt der Qualitätssicherung. Hier fällt mir zumindest auf, worauf Sie bei Ihren Ausführungen nicht eingegangen sind, was aber durchaus eine Verbesserung in den letzten zwei Jah ren darstellt: Das ist beispielsweise die neu eingeführte Stel le zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungs dienst Baden-Württemberg. Wir haben damit nicht nur einen Punkt des grün-roten Koalitionsvertrags umgesetzt. Gleich zeitig hat die Landesregierung auch Fördermittel für die ret tungsdienstliche Versorgung beschlossen, und zwar in diesem Doppelhaushalt eine Aufstockung um 3,2 Millionen €. Da durch erreichen wir im Bereich der Rettungsdienste eine Bün delung und eine bessere Vernetzung. Gleichzeitig sorgen wir mit der Dokumentation und Erfassung von Daten auch für mehr Transparenz.
Ein weiterer Punkt, den Sie zu Recht angesprochen haben, war die Frage im Zusammenhang mit Wartezeiten bei nicht prädisponierbaren Krankentransporteinsätzen. Die SPD hat dafür nicht das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung gese
hen, denn man darf nicht verschweigen: Die Folge wären Vor haltekosten auch für mehr Fahrzeuge und Personal und damit letztlich wohl auch eine Mehrbelastung für den Beitragszah ler. Das ist aber nicht das einzige Argument. Zentral ist, dass es bisher in der Praxis kein Problem gab, eilige und termin gebundene Krankentransportfahrten vorrangig zu behandeln. Gleiches gilt natürlich auch für Fahrten mit Patienten, denen lange Wartezeiten nicht zuzumuten sind. Selbstverständlich haben nach unserem Verständnis auch Anwärter auf nicht prä disponierbare Fahrten Anspruch, nicht unangemessen lange warten zu müssen.
Dass wir im Bereich der Mitgliederwerbung noch viele Auf gaben vor uns haben, die es zu schultern gilt, ist klar. Wir ha ben an anderer Stelle über die Förderung des Ehrenamts und mehr Attraktivität im Bereich des Rettungsdienstwesens ge sprochen. Wir begrüßen die Anstrengungen der Landesregie rung im Hinblick auf eine Werbe- und Informationsplattform und auch die Anstrengungen, die im Bereich einer Ehrenamts plakette unternommen werden. Im Bereich der guten Fahr zeug- und Geräteausstattung hat sich, denke ich, diese Regie rung ohnehin keine Vorhaltungen machen zu lassen.
Abschließend heißt das für uns: Die Einrichtung der Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung sowie die Aufsto ckung der Fördermittel für den Rettungsdienst um mehr als 3 Millionen € sind mitentscheidende Schritte, um die hohe Qualität im Bereich des Rettungswesens zu halten und künf tig weiter zu verbessern.
Werte Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst einmal ganz herzlich bei den Vorrednern bedanken für die ausgespro chen sachliche Erörterung dieses ganz wichtigen Themas in unserem Land, für die Würdigung dessen, was geleistet wur de, und für das, was an Verbesserungen erzielt werden konn te. Das zeigt mir, dass wir dies als gemeinsame Aufgabe be trachten und uns nicht daran ereifern, was noch verbessert werden könnte – da gibt es ja einige Beispiele; diese sind auch unstrittig –, sondern dass wir schon auch darauf hinweisen, was tatsächlich in diesem Bereich tagtäglich geleistet wird. Dafür bin ich außerordentlich dankbar.
Herr Dr. Goll, Sie haben zu Recht umfangreiche, vielfältige und ins Detail gehende Fragen gestellt. Es ist mehr als legi tim, das System, das wir haben, zu hinterfragen: Ist es über haupt richtig? Besteht grundsätzlicher Änderungsbedarf? Oder besteht nur an einigen Stellen Nachsteuerungs- und Verbes serungsbedarf?
Ich will das Resümee ziehen – ich habe am heutigen Vormit tag auch nichts Gegenteiliges gehört –, dass sich die den Ret tungsdienst im Land prägenden Strukturen mit der gesetzlich festgelegten Übertragung von Aufgaben hinsichtlich der Not fallrettung auf gemeinnützige Hilfsorganisationen außeror
dentlich bewährt haben. Alle Redner haben die Anknüpfungs punkte und die Verbindung dieses Bereichs zur ehrenamtli cher Tätigkeit angesprochen. Ich halte es für ein in die Zu kunft gerichtetes, gutes System. Eine sinnvolle Anbindung des Ehrenamts kann ich mir überhaupt nicht anders vorstellen. Gerade die gemeinnützigen Hilfsorganisationen können in vielen Bereichen auf Ehrenamtliche zurückgreifen.
Meine Damen und Herren, angesichts der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden steigenden Ein satzzahlen bei einer sich verändernden Krankenhauslandschaft – das gehört auch in diesen Komplex – sind die flächende ckenden Rettungsdienststrukturen und Personalressourcen ge rade dieser Hilfsorganisationen wichtiger denn je. Deshalb sollten wir daran auch in Zukunft nicht rütteln.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Die hohe Leistungs fähigkeit unseres Rettungsdienstes zeigen allein seine enor men Einsatzzahlen. Insgesamt waren die Rettungskräfte im Jahr 2012 über 1,65 Millionen Mal in der Notfallrettung und im Krankentransport, bei der Verlegung von Patienten, im Ein satz. Meine Vorredner haben die Zahlen zum Rettungsdienst und zum Notarzteinsatz genannt. Es waren immerhin 255 000 Notarzteinsätze; damit waren es über 6 000 Einsätze mehr als im Jahr zuvor. In diesem Zusammenhang spielt auch die Luft rettung eine wesentliche Rolle. Helfer der Luftrettung wurden zur Ergänzung der bodengebundenen Rettungseinsätze im Jahr 2012 immerhin 11 000-mal alarmiert und waren zur in tensivmedizinischen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land im Einsatz.
Herr Minister, ich werde sicherlich nicht nach den Rettungshubschraubern fra gen. – Sie haben gerade das, was mich noch umtreibt, ange sprochen, und zwar die demografische Entwicklung, die Ver änderung der Krankenhausstruktur und die Abdeckung des ländlichen Raums mit Rettungskräften. Wie bewerten Sie die Entwicklung hinsichtlich der Versorgung mit Notärzten? Die Länder organisieren dies unterschiedlich.
Meine zweite Frage ist: Baden-Württemberg grenzt an viele andere Länder, z. B. an Hessen und Bayern. Wie kann man vor dem Hintergrund der Entwicklungen, die ich soeben an geführt habe – demografische Entwicklung, ländlicher Raum –, hier eine Verbesserung organisieren? Ich wäre Ihnen dank bar, wenn Sie mir ein paar konkrete Hinweise geben könnten.
Herr Dr. Bullinger, wenn Sie die Debatte von Anfang an verfolgt hätten, auch die Ausfüh rungen meiner Vorredner,
insbesondere auch die Ausführungen Ihres Fraktionskollegen Dr. Goll, dann hätten Sie Ihre Fragen nicht stellen müssen.