Protocol of the Session on June 12, 2013

Bitte, Frau Abgeordnete.

Beim Verbraucherschutz geht es uns darum, dass in den Produkten das drin ist, was auf der Verpackung steht, damit wir Sicherheit haben, damit wir Ver trauen in der Gesellschaft haben. Genau darum geht es auch bei der Polizei. Bei der Polizei soll auch die ausgebildete Po lizei drin sein, die außen draufsteht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Peinlich!)

Zur Geschichte und zu den Aufgaben hat mein Kollege schon etwas gesagt. Ja, seit 50 Jahren – – Heute haben wir über 1 000 freiwillige Polizisten, die die Polizei unterstützen. Sie unterstützen sie im Streifendienst, wo sie eine sehr gefährli che Arbeit haben. Überlegen Sie sich einmal: Jemand, der sich für den Freiwilligen Polizeidienst bewirbt, macht eine zwei wöchige Grundausbildung, er macht eine Prüfung, und er macht eine jährliche Fortbildung im Umfang von 18 Stunden. Dem stelle ich einen Hauptamtlichen gegenüber, der seine Jahre an Ausbildung hat. Der Streifendienst ist verpflichtet, pro Jahr 40 Stunden Einsatztraining zu machen.

Der Freiwillige Polizeidienst wird bei Demonstrationen und bei Fußgängerstreifen eingesetzt. Woher soll irgendjemand wissen, wie eine bestimmte Situation, in der Angehörige des Freiwilligen Polizeidienstes gerade Streife laufen, endet? Es kann sein, dass bei einer ganz normalen Verkehrskontrolle der Überprüfte eine Waffe mit sich führt. Damit besteht sofort ei ne hoch riskante Situation.

Spekulieren wir einmal über die Einführung des Freiwilligen Polizeidienstes. Ich kenne keine schriftlichen Darlegungen. Damals war die Polizei in kommunaler Hand. Vielleicht gab es in den Kommunen damals auch besondere Situationen, de nen man nicht Herr geworden ist, sodass man dachte, man könnte Freiwillige zur Unterstützung brauchen. Oder aber es fehlte schon damals Personal. Aber es wäre eine der größten Schanden, wenn wir mit Freiwilligen das Personal aufstock ten, um eine ordentliche Arbeit für die Bürger zu leisten.

Herr Blenke, wenn Ihnen das Ehrenamt so wichtig ist – es ist richtig, die Freiwilligen sind engagiert, sie sind total bei der Sache; sie setzen sich in solchen Situationen ein, und sie set zen sogar ihr Leben aufs Spiel; Sie alle können sich an die Si tuation in Lörrach erinnern – und wenn Sie dieses Ehrenamt so schätzen, warum greifen wir dann nicht diesen Aspekt, den Sie genannt haben – die kommunale Präventionsarbeit –, auf, beziehen diese Menschen in die Ehrenamtstätigkeit ein und bauen die Zahl der „Nachtwanderer“ aus, bei denen genau die

se Aspekte eine Rolle spielen, damit wir innerhalb der Bür gerschaft für Sicherheit sorgen?

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die sind genau so gefährdet!)

Die „Nachtwanderer“ sind nicht so gefordert wie der Frei willige Polizeidienst. Sie müssen sich einmal klarmachen: An gehörige des Freiwilligen Polizeidienstes laufen in Uniform durch die Straßen. Auf dem Rücken ihrer Uniform steht „Po lizei“, und sie haben eine Waffe bei sich. Angenommen, es wurde eine Bank überfallen, oder nehmen Sie die Situation in Lörrach: Glauben Sie, der Täter schaut, ob er einen Freiwilli gen im Polizeidienst vor sich hat, und geht damit jetzt anders um und entschärft die Situation?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Im Alltag hat die Polizei mit Gewalt zu tun. Der Minister for dert, dass wir das Thema Gewalt in die öffentliche Debatte bringen und uns alle dieses Themas bewusst sind. Die Gesell schaft ist heterogener geworden, der Anspruch an die Polizei ist ein viel größerer als früher. Wir brauchen die Professiona lität. Jetzt davon zu reden, die Angehörigen des Freiwilligen Polizeidienstes seien unsere stillen Helden im Alltag, ist ein Hohn gegenüber dem restlichen Polizeikörper.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist doch Quatsch!)

Auch die Frage „Was brauchen wir eine studierte Streife?“ ist ein Schlag gegen den mittleren Dienst. Den Freiwilligen Po lizeidienst aufzuheben und in einer ruhigen und langsamen Art auslaufen zu lassen, das zeigt, dass die Regierung ihrer Verantwortung gerecht wird, und zwar nicht nur gegenüber dem Freiwilligen Polizeidienst, sondern auch gegenüber den Hauptamtlichen.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Situationen es tatsächlich im Polizeialltag gab, Fälle, in denen ein Hauptamtlicher eine Situation retten musste oder sie gerade noch retten konnte, weil der Freiwillige Polizeidienst in dieser Situation überfor dert war. Von solchen Situationen haben wir wohl kaum Kenntnis.

(Zurufe von der CDU)

Es ist tatsächlich so: Wir haben den Freiwilligen Polizei dienst aus der Streife herausgenommen, und zwar genau auf grund dieser Gefahrensituationen.

(Zuruf von der CDU: Was heißt „wir“? Die Frakti on?)

Es war richtig, so vorzugehen.

(Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU: Ach Quatsch!)

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der auch immer wieder genannt wird, und zwar das Thema „Bürger und Zivil gesellschaft“. Ich denke, es ist wichtig, dass die Polizei ihre Wertigkeit dadurch unter Beweis stellt, dass tagtäglich ein gu ter Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern stattfindet.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist doch nichts Neues! Das machen die schon immer!)

Dazu bedarf es keiner Hilfspräsenz. Auftrag wird immer blei ben, hier gut zu arbeiten.

Noch etwas: Die Polizisten leben mitten in der Gesellschaft. Sie haben ihren Alltag. Es ist nicht so, dass Polizisten von ir gendwoher zu uns gebeamt würden. Vielmehr leben sie in un serer Gesellschaft, und der Kontakt zur Gesellschaft ist auf je den Fall vorhanden.

Ich möchte folgendes Zitat an den Schluss meiner Ausführun gen stellen:

Wo die Aufgaben der Polizei beginnen, endet das bürger liche Engagement.

Diese Äußerung stammt vom Bundesvorsitzenden der Deut schen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Sakellariou.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Willkommen bei der Polizei, Herr Kollege! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jetzt gibt es Realismus in der Sache!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! 50 Jahre ist es her, dass der Freiwillige Polizeidienst in Baden-Württemberg eingerichtet wurde. Die Rahmenbedin gungen waren damals die Kuba-Krise und der Mauerbau. Da mals herrschte die Vorstellung, dass die Auslandskonflikte da zu führen könnten, dass zu viele Polizeibeamte aus dem Land in solche Konfliktsituationen gehen müssten und dadurch ge bunden sein könnten. Deswegen sind Freiwillige akquiriert worden. Das war die Motivlage vor 50 Jahren.

Unstreitig ist diese ursprüngliche Begründung nunmehr weg gefallen. Deswegen müssen wir uns schon fragen: Wenn wir 50 Jahre später die Situation unter völlig anderen Rahmenbe dingungen betrachten, dann kann sich herausstellen, dass das, was vor 50 Jahren gut war, heute nicht mehr richtig ist. Es ist geradezu unsere Verpflichtung, sich diese neuen Bedingungen anzuschauen. Es reicht nicht, einfach auf dem Standpunkt zu stehen: Was vor 50 Jahren gut und vernünftig war, muss heu te noch genauso gut und vernünftig sein. Dies ist, mit Verlaub, nicht haltbar.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich will Ihnen dies begründen: Die Anforderungen haben sich in den letzten 50 Jahren erheblich verändert. Dies gilt zum ei nen für die Anforderungen an die Polizeibeamten. Die Poli zeibeamten sind heute Psychologen und Helfer. Sie müssen verwirrte Personen aufgreifen, diese möglichst einfühlsam be fragen und sie wieder an ihren Ursprungsort bringen. In der nächsten Sekunde müssen sie schon wieder knochenhart durchgreifen, sie müssen Rechte anderer verteidigen – mit Ge fahr für sich selbst –, müssen sich selbst schützen. Das Hei kelste daran ist: Dies alles geschieht stets in Kenntnis dessen, dass es sich bei jedem einzelnen Polizeibeamten um härteste Eingriffsverwaltung handeln kann. Ein Polizeibeamter muss sozusagen immer mit dem Gesetzbuch unter dem Arm her

umlaufen, um bei seinen Entscheidungen – idealerweise – ei ne vernünftige abschließende Abwägung vorzunehmen.

Die damit verbundenen Herausforderungen werden immer größer. Ich will ein Beispiel anführen: Ein junger Polizeibe amter musste kürzlich in einen Einsatz, um jemandem zu hel fen. Er ist mit Blaulicht losgefahren und hat auf der Fahrt ei nen tödlichen Verkehrsunfall verursacht. Dies geschah im Dienst, im Einsatz, um seine wichtige Arbeit tun zu können, um einem Dritten zu helfen.

Aber auch die Rahmenbedingungen insgesamt haben sich in Deutschland und in Baden-Württemberg verändert, seitdem der Freiwillige Polizeidienst eingerichtet wurde.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Die Gewalt gegen Polizeibeamte hat zugenommen. Ich nen ne nur die Zahlen, die kürzlich im Raum standen: Im zweiten Halbjahr 2012 gab es allein 2 289 Vorfälle, bei denen Gewalt gegen Polizeibeamte ausgeübt wurde. Pro Tag werden in Ba den-Württemberg also zwölf Polizeibeamte Opfer von Ge walttaten – pro Tag zwölf! Das war vor 50 Jahren, mit Ver laub, nicht so.

Der Anteil schwerster Gewalttaten gegen Polizeibeamte ist in den letzten zehn Jahren bei Demonstrationen von 4,6 auf 8 %, bei familiären Auseinandersetzungen von 5,8 auf 11 % sowie bei anderen Streitigkeiten und Konflikten von 3 auf 12 % ge stiegen. Das heißt, die Rahmenbedingungen, unter denen Po lizeibeamte ihre Arbeit machen, haben sich gravierend geän dert. Die Respektlosigkeit hat zugenommen.

Die Zeiten, an die Sie, Herr Kollege Blenke, noch anknüpfen wollen – die Zeiten des Hauptmanns von Köpenick –, in de nen eine Uniform genügt hat, um Respekt auszudrücken, und der Betreffende auch etwas erreichen konnte, sind vorbei – mit Verlaub.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Mit Verlaub, Herr Kol lege, so alt bin ich noch nicht!)

Wenn heute jemand Uniform trägt, dann braucht er eine Aus bildung, die sich „von“ schreibt, um die richtigen Entschei dungen treffen zu können. Sie sollten das langsam begreifen und nicht immer mit diesen alten Kamellen kommen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ein ganz zentrales Beispiel hat Kollegin Häffner gebracht. Dass bei einem Amoklauf durch den Dienstplan plötzlich ein ehrenamtlich tätiger Freiwilliger zum Zuge kommt, der ge nauso bewaffnet ist wie ein hauptamtlicher Polizist, ist eine Situation, die nicht wieder vorkommen darf. Diese Situation ist auch abgestellt worden. Seit dem 1. Januar 2013 werden freiwillige Polizisten nicht mehr im Streifendienst eingesetzt. Das ist auch gut so, und hinter dieser Entscheidung stehe ich auch. Denn man kann einem professionellen Verbrecher kei nen Hilfspolizisten entgegenstellen. Das geht nicht. Wir tra gen diese Entscheidung vollumfänglich mit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Diese Landesregierung bleibt im Grun de auch hier ihrem Strickmuster treu, das wir bei den meisten angeblichen Problemlösungen vorfinden. Zunächst kommt ei ne ideologische Formel, und dann kommt die praktische Ver nunft, oder sie kommt auch gar nicht.

Eines ist klar: Praktisch vernünftig ist es sicher nicht, den Frei willigen Polizeidienst jetzt aufzulösen oder abzubauen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)