Protocol of the Session on June 12, 2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Redezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Zweimal fünf Minuten ist die jeweilige Redezeit. Diese kann auch zu zehn Minuten zusammengefasst werden. Ich darf die Mitglieder der Regierung bitten, sich ebenfalls an diesen Zeitrahmen zu halten, und darf noch einmal auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung hinweisen, wonach die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Blen ke.

Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Am 30. Mai 1963 hat der Landtag, dieses Hohe Haus, das Gesetz über den Freiwilligen Polizeidienst beschlossen. In dessen § 1 heißt es – ich darf zitieren –:

Das Land stellt einen Freiwilligen Polizeidienst auf.

Der Freiwillige Polizeidienst ist Teil des Polizeivollzugs dienstes. Er umfasst die Personen, die sich freiwillig für die Wahrnehmung von Aufgaben des Polizeivollzugs dienstes zur Verfügung gestellt haben, ohne Polizeibeam te zu sein.

Die Aufgaben sind exemplarisch dargestellt: die Sicherung von Gebäuden und Anlagen, also der Objektschutz, die Siche rung und Überwachung des Straßenverkehrs, der Streifen dienst, der Kraftfahrdienst und einiges andere.

Meine Damen und Herren, dies war im Jahr 1963 die Geburts stunde eines einzigartigen Erfolgsmodells in Baden-Württem berg.

(Beifall bei der CDU)

Damals, vor 50 Jahren, wurde das Ehrenamt in die Polizei ein gebunden. Die Polizei wurde damit für die Zivilgesellschaft geöffnet. Es wurde die Möglichkeit gegeben, über das rein Po lizeiliche hinaus, über den Tellerrand zu blicken, unterschied liche Qualifikationen und Kompetenzen in die Polizeiarbeit einzubringen, Einsatzfelder zu eröffnen, die bewusst zivilbe rufliche Kompetenzen nutzen, beispielsweise die Pädagogen, die in Jugendverkehrsschulen gemeinsam mit der Polizei ar beiten, die kommunale Kriminalprävention oder auch das ein fache Streifegehen. All dies hat sich bewährt. Auch Herr In nenminister Gall hat in einer Stellungnahme zu einem Antrag vonseiten unserer Fraktion zu Beginn dieser Wahlperiode ge äußert – ich zitiere –:

Die Erfahrungen sind unterschiedlich, aber überwiegend positiv. Insbesondere die Unterstützung bei... Großver anstaltungen... wird begrüßt.

Das ist, auf Schwäbisch gesagt, schon fast die höchste Form des Lobes. Nicht geschimpft ist genug gelobt.

(Beifall bei der CDU)

In den letzten Jahren hatte der Freiwillige Polizeidienst kon stant 1 200 bis 1 300 aktive Mitglieder. Diese ersetzen immer hin 130 bis 140 Vollzeitpolizeibeamte. Ursprünglich waren das einmal viel mehr. Da war aber im Ursprungsansatz der Freiwillige Polizeidienst als eine reine Reservetruppe ange legt. Mittlerweile ist aus dieser Reserve eine sinnvolle und gu te Ergänzung des professionellen Polizeidienstes geworden.

(Beifall bei der CDU)

Nachdem vor 50 Jahren in diesem Hohen Haus das Gesetz verabschiedet und damit der Grundstein gelegt wurde – am nächsten Mittwoch, genau in einer Woche, jährt sich das In krafttreten –, ist dies für uns, die CDU-Fraktion, Anlass, den vielen Tausend Männern und Frauen, die sich in den vergan genen 50 Jahren eingebracht haben und aktuell immer noch hier einbringen, die ihre Freizeit opfern, die anderen helfen, die sich für die Allgemeinheit einsetzen, unseren Dank, unse re Anerkennung, unsere Wertschätzung auszudrücken.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, es wäre eigentlich angebracht, wenn sich der Rest des Hauses diesem Dank und dieser Anerkennung anschlie ßen würde.

(Zurufe der Abg. Claus Schmiedel und Nikolaos Sa kellariou SPD)

Schade, dass Sie dies nicht tun.

Meine Damen und Herren, die Menschen, die sich im Frei willigen Polizeidienst einbringen, sind die stillen Helden des Alltags. Deren Verdienste, deren Engagement dürfen und müs sen wir heute auch würdigen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kommt – vielleicht – der Sommer,

(Vereinzelt Heiterkeit)

und da finden an Wochenenden viele Großveranstaltungen mit vielen Menschen statt. Da ist der Freiwillige Polizeidienst ei ne willkommene Ergänzung. Er ermöglicht es den professio nellen Polizisten, auch einmal am Wochenende freizuhaben, vielleicht privat selbst bei einem Festumzug mit dabei zu sein. Es bedarf bei solch rein begleitenden Maßnahmen nicht im mer des studierten Polizeikommissars, sondern da ist der im Freiwilligen Polizeidienst Engagierte, der Ordnungsdienst macht, genauso willkommen und qualifiziert.

(Beifall bei der CDU)

Wer würde die Arbeit des Freiwilligen Polizeidienstes erset zen? Die örtliche Polizei allein kann das nicht leisten. Also muss die Bereitschaftspolizei oder müssen Nachbarkräfte hin zugezogen werden. Vor allem muss – das haben Sie noch nicht gesehen – auch die Kommune bzw. der kommunale Ordnungs dienst verstärkt mit einbezogen werden. Es stellt eine kom munale Belastung dar, wenn der Freiwillige Polizeidienst ab gebaut wird.

Meine Damen und Herren, 50 Jahre Ehrenamt in der Polizei, 50 Jahre Erfolgsmodell in Baden-Württemberg – soll es das nach 50 Jahren gewesen sein?

Was in aller Welt hat Sie eigentlich geritten, dieses Erfolgs modell Freiwilliger Polizeidienst aufzulösen? Was hat Sie da geritten?

(Beifall bei der CDU und des Abg. Leopold Grimm FDP/DVP – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das können wir Ihnen erklären!)

Meine Damen und Herren, Sie begehen damit einen kapita len politischen Fehler. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich im Freiwilligen Polizeidienst ehrenamtlich einbrin gen; es ist ein fatales Signal an das Ehrenamt im Bereich der Sicherheit insgesamt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Leopold Grimm FDP/DVP)

Sie werden uns nachher mit nettem Augenaufschlag sagen, Sie lösten den Freiwilligen Polizeidienst nicht auf, Sie ließen ihn nur auslaufen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Richtig!)

Nein, Sie lassen den Freiwilligen Polizeidienst aushungern. Es werden keine Mittel mehr bereitgestellt, es wird keine ge scheite Fortbildung mehr angeboten, es gibt keine gescheite Ausrüstung mehr. Diejenigen, die heute noch im Freiwilligen Polizeidienst aktiv sind, werden sich frustriert und mit Grau sen abwenden. Genau dies nehmen Sie in Kauf, meine Damen und Herren von der Landesregierung.

(Abg. Konrad Epple CDU: Genau!)

Es ist ein ganz schlimmes Signal, dass bei den Freiwilligen nicht nur ankommt: „Sie brauchen uns nicht mehr.“ Das wä re schon schlimm genug. Aber das Signal, das dort ankommt, lautet auch: „Sie wollen uns nicht mehr.“ Das ist das Schlim me.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Leopold Grimm FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, unser Bevölkerungsschutz ist weit gehend auf das Ehrenamt gestützt. Herr Minister Gall, Sie sind selbst in diesem Bereich als aktiver Feuerwehrmann ehren amtlich engagiert. Sie wissen das, und trotzdem unterstützen Sie es und tragen diese Entscheidung, den Freiwilligen Poli zeidienst aufzulösen, mit.

Der Bevölkerungsschutz ist auf das Ehrenamt gestützt; es gibt Hunderttausende in Feuerwehren, Rettungsdiensten, Katast rophenschutz, THW – um nur einige zu nennen – und eben auch im Freiwilligen Polizeidienst. Die ehrenamtlich Enga gierten machen das für die Allgemeinheit; sie üben diese Tä tigkeit nicht als Freizeitvergnügen aus. Ohne dieses ehrenamt liche Engagement wäre bei uns in Deutschland der Bevölke rungsschutz nicht leistbar. Wir sehen das, ganz aktuell, wenn wir im Fernsehen Berichte über die Hochwasserlagen verfol gen, die uns in ganz Deutschland belasten.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren von Grün und Rot, möchte ich an Sie appellieren: Gehen Sie noch ein mal in sich. Überdenken Sie bitte Ihre Entscheidung; sonst tragen Sie ausgerechnet nach 50 Jahren des baden-württem bergischen Erfolgsmodells Freiwilliger Polizeidienst diesen zu Grabe. Im englischen Sprachraum würde man vielleicht sagen, Sie machten sich dadurch zu den Undertakern des Eh renamts beim Freiwilligen Polizeidienst. Das können auch Sie nicht wollen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Häffner das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtags präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Blenke, ich mache jetzt einen Spagat zwischen einer Antwort an Sie mit einem netten Augenaufschlag, der Sie anscheinend betört oder anturnen soll, und einer Darstellung der Realität in Bezug auf die freiwillige Polizeiarbeit.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Bitte?)

Im Verbraucherschutz möchten wir Klarheit haben. Wenn wir einen Joghurt kaufen, möchten wir sicher sein, dass das, was auf der Verpackung steht, auch drin ist. Bei der Polizei ist die Opposition etwas großzügiger: Da muss nicht unbedingt drin sein, was draufsteht. Im Sinne des Verbraucherschutzes wäre das ein vehementer Betrug. Wollen wir das haben? Wir wol len in der Gesellschaft nämlich Sicherheit und Vertrauen ha ben. Genau das ist doch das – –

(Unruhe bei der CDU – Zurufe von der SPD: Ruhe! – Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin Häffner, einen Moment bitte. – Kolleginnen und Kollegen, bitte verle gen Sie Ihre Gespräche hinten im Plenarsaal – da stehen fast zehn Abgeordnete – nach außerhalb des Saales, damit es hier leiser wird.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Dann ist es bei uns fast so leer wie bei den Grünen! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Jetzt redet zufäl lig wieder eine Kollegin!)

Es geht hier um die Lautstärke.

Bitte, Frau Abgeordnete.