Aber wir dürfen dort den ideologischen Ansatz vermuten, dass wieder einmal sozusagen die Reinheit des Staates durch eine begrenzte Schar von Bürgerinnen und Bürgern gefährdet sei, die sich an der staatlichen Aufgabe „Polizei“ beteiligen möch ten. Ich wundere mich, was man dagegen haben kann. Denn vor gut 200 Jahren kam bekanntlich Napoleon auf die Idee, die Bürgerinnen und Bürger an der staatlichen Aufgabe „Rechtsprechung“ zu beteiligen.
Der Grund war, dass es dann, wenn „Im Namen des Volkes“ darübersteht, besser ist, das Volk ein bisschen mitmachen zu lassen, damit Transparenz herrscht.
Jetzt ist die Frage, ob Sie morgen auch diese Frage stellen. Aber ich habe das Gefühl, dass Ihre Leute, die Sie aus den kommunalen Parlamenten entsenden, gern mitwirken. Das ist nicht sehr viel anders, als wenn bei der staatlichen Aufgabe „Polizei“ auch ehrenamtlich tätige Freiwillige mitwirken. Vor allem kann man sie gut brauchen.
Es ist ein bisschen scheinheilig, lieber Herr Sakellariou, zu sagen: „Das kann man ihnen gar nicht zumuten, weil es ge fährlich ist.“ Da frage ich mich, ob Sie vielleicht morgen die Frage nach der freiwilligen Feuerwehr stellen.
Abgesehen davon ist halt nicht alles gefährlich. Es ist ein rich tiger Ansatz, zu sagen: Die Zeiten ändern sich. Wie stellen wir uns auf geänderte Zeiten ein? Mir ist gerade in einem Ge spräch bei einem Besuch der Polizei in Heidelberg klar ge worden, wie sich Polizeiarbeit heute verändert hat. Sie hat sich verändert, lieber Herr Sakellariou. Aber dann sagen Ihnen die Polizeibeamten: Unsere Tätigkeit besteht heute zu einem gro ßen Teil darin, Volksfeste abzusichern.
Denn jede Woche findet irgendwo ein Stadtteilfest oder ein Volkslauf statt. Letzte Woche war in Berlin „Tag des Fahr rads“. Was glauben Sie, wie viele Polizeibeamte dafür ge
braucht werden, wenn in Berlin ein „Tag des Fahrrads“ statt findet? Diese Einsätze sollen dann alle gefährlich sein?
Sie wollen die Helfer, die Sie dort brauchen können, heim schicken. Das finde ich letzten Endes sinnlos. Ich finde es rich tig, über die Aufgaben nachzudenken. Ich finde es übrigens auch richtig, Polizeifreiwillige nicht im Streifendienst einzu setzen. Aber ich würde, wenn ich dafür zuständig wäre, den Freiwilligen Polizeidienst in diesem 50. Jahr seines Bestehens eigentlich hegen und pflegen,
weil man die Freiwilligen angesichts der wachsenden Aufga ben der Polizei sehr gut brauchen und unbedenklich einsetzen kann.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! 50 Jahre Freiwilliger Polizeidienst heißt – die Zahl wurde genannt –, dass der Freiwillige Poli zeidienst Anfang der Sechzigerjahre auf den Weg gebracht worden ist, zu einer Zeit – das sollten wir bei einem solchen Rückblick nicht vergessen –, als es noch kommunale Schutz leute und Feldschützen gegeben hat. Das hatte – deshalb er wähne ich es – mit den außenpolitischen Gegebenheiten zu tun, die Herr Sakellariou genannt hat; denn man wollte in ers ter Linie deren Funktionen für den Fall sicherstellen, dass die Polizei angesichts der außenpolitischen Entwicklungen für an dere Zwecke eingesetzt werden sollte.
Ferner will ich in Erinnerung rufen: Den Höchststand der Zahl der Freiwilligen im Polizeidienst hatten wir im Jahr 1967. Ex akt 4 448 Freiwillige gab es damals in den Reihen der Poli zei. Übernommen hat die neue Landesregierung – und ich in meiner Funktion als Innenminister – rund 1 200 Freiwillige im Polizeidienst. Was heißt dies? Sie haben in Ihrer jeweili gen Verantwortung rund 3 200 freiwillige Polizeibedienstete, wenn man so will, abgebaut.
Der Höchststand betrug, wie gesagt, 4 448. Stand Ende letz ten Jahres hatten wir 1 041 Freiwillige in den Reihen der Po lizei.
Wenn wir über die Entwicklung in der Polizei reden, gehört zur Wahrheit, denke ich, auch, dass der Freiwillige Polizei dienst von Anfang an kontrovers diskutiert wurde, umstritten war, und zwar nicht nur in den Reihen der Parteien, sondern auch in den Reihen der Polizei selbst, der Berufsverbände in nerhalb der Polizei, auch in Baden-Württemberg, und in der Gesellschaft sowieso. Dabei ging es insbesondere um die Qua lifizierung für diesen Dienst und die Frage des Besitzes und der Nutzung von Waffen.
Aber ich will ausdrücklich sagen: Der Freiwillige Polizei dienst war, Kollege Blenke, meine Damen und Herren, durch
Denn Freiwillige haben personelle Engpässe überbrückt; sie haben unter Ihrer Verantwortung auch Stellenabbauprogram me kaschiert,
um es einmal so deutlich zu sagen, und haben die Polizei in vielen Bereichen in die Lage versetzt, auch Tätigkeiten aus zuüben, die nicht klassische Polizeiaufgaben im wahrsten Sinn des Wortes sind.
Herr Kollege Goll, viele Beispiele, die Sie genannt haben, sind eben nicht klassische Polizeiaufgaben. Es stellt sich einfach die Frage, ob der Staat verpflichtet ist und in der Verantwor tung steht, die von Ihnen genannten Aufgaben überhaupt aus zuführen.
Meine Damen und Herren, eine Erfolgsgeschichte ist der Frei willige Polizeidienst auch deshalb, weil Polizeifreiwillige, al so Menschen in Uniform, gezeigt haben, dass bürgerschaftli ches Engagement auch im Dienste und in den Reihen des Staa tes möglich und sinnvoll ist, dass bürgerschaftliches Engage ment im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger durchaus anerkennenswert ist.
Sie haben recht: Viele Polizeifreiwillige, Abertausende Poli zeifreiwillige haben sich während dieser Zeit am Wochenen de und in ihrer Freizeit für die Sicherheit unseres Landes ein gesetzt. Deshalb ist es überhaupt gar keine Frage, meine Da men und Herren, dass wir all denen, die bisher freiwillig ih ren Dienst in Uniform für unser Land geleistet haben, zu Dank verpflichtet sind.
Ich tue mich immer ein bisschen schwer – das will ich aus drücklich sagen –, wenn man hierzu einen bestimmten Anlass nimmt und dann quasi auch noch von anderen einfordert, die sen Dank entsprechend zum Ausdruck zu bringen. Da frage ich mich immer ganz einfach: Welche Wertschätzung und wel che Anerkennungskultur haben Sie denn in diesen fünf Jahr zehnten diesen Menschen gegenüber zum Ausdruck gebracht?
Nur weil etwas 50 Jahre Bestand hat, ist das noch lange kein Grund, es nicht zu verändern. Damit haben auch Sie Erfah rung; Sie haben 2011 nämlich erlebt, dass 50 Jahre Regie rungszeit kein Garant für die Zukunft sein müssen.
Aber, meine Damen und Herren – da bin ich schon erfreut, dass dies anerkannt wird –: Wir alle wissen doch, dass sich
der Polizeiberuf in diesen fünf Jahrzehnten und gerade in den letzten Jahren massiv verändert hat. Das Anforderungsprofil hat sich verändert, die Anforderungen an die Polizei haben sich aufgrund veränderter Bedingungen massiv verändert. Da raus entsteht ein Stück weit Verantwortung für mich in Bezug auf die Fürsorge für die Beschäftigten innerhalb der Polizei. Ich frage Sie, Herr Blenke: Wie haben Sie in den zurücklie genden Jahren darauf reagiert, dass Gewalt gegen die Polizei ein zunehmend drängendes Problem geworden ist?
Wie haben Sie Vorsorge getroffen, dass unsere Polizei vor sol chen Gewaltauswirkungen geschützt werden kann?
Wir haben auf die Tatsache reagiert, dass 80 % der Gewaltan wendungen gegen Polizeibeamte im Streifendienst gesche hen; rund 2 000 Fälle pro Jahr ereignen sich im Streifendienst. Deshalb habe ich aus Fürsorge Verantwortung übernommen und habe die Mitglieder des Freiwilligen Polizeidienstes zu Beginn dieses Jahres aus dem Streifendienst genommen.
Meine Damen und Herren, wir haben darüber hinaus für alle Polizeibeamtinnen und -beamten ein mehrstufiges Aus- und Fortbildungskonzept auf den Weg gebracht. Die Stichworte haben wir in diesem Saal diskutiert. Sie kennen sie: Respekt und Anerkennung, sicher und stark, Vernetzung und Verbün dete suchen.
Wir wissen alle, dass diese Verbesserung der Kompetenz zur Konfliktbewältigung umfangreiche Schulungsmaßnahmen er forderlich macht, beispielsweise auch Amoktraining – immer hin 36 Stunden bei einem Fortbildungsportfolio für Freiwil lige von 18 Stunden pro Jahr. Dabei wird völlig klar und deut lich, dass dies für den Bereich der Freiwilligen nicht zu leis ten ist. Wir können diese Fortbildungsmaßnahmen den Frei willigen in diesem Umfang schlicht und ergreifend nicht zu gutekommen lassen, weil der Aufwand in keinem Verhältnis zu den dann möglichen Aufrufstunden stehen würde. Das wä re völlig unwirtschaftlich, um es ganz deutlich zu sagen.