Protocol of the Session on May 15, 2013

Herr Dr. Kern, Ihre „Realschule plus“ bleibt nach wie vor ein Angebot für diejenigen, die ein Gymnasialniveau haben. Sie haben kein Interesse daran, dass Hauptschüler in diesem Land entsprechend gefördert werden, dass am Ende ein Hauptschul abschluss gemacht werden kann, und Sie bieten keine Lösung für dieses Problem.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie schaf fen die Hauptschule ab!)

Sie weisen von dieser Seite her nichts in dieser Sache vor. Ich vermisse da von Ihrer Seite die konstruktive Kritik. Die „Re alschule plus“ kann am Ende doch nicht alles sein, was Sie hier vorstellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Ich möchte noch zwei oder drei inhaltliche Bemerkungen zu den Darstellungen machen. Es gibt etwas, Herr Wacker, was einen immer wieder frust riert: Wir weisen in unseren Redebeiträgen darauf hin, dass beispielsweise die beruflichen Gymnasien einbezogen wer den. Sie hingegen sagen, wir nähmen darauf überhaupt kei nen Bezug. Wir haben es aber dargelegt: Es gibt – auch mit Blick auf die Komplexität – Gründe dafür, dass wir das be rufsbildende System, insbesondere auch das duale System, noch einmal gesondert und intensiv, also sozusagen privile giert, betrachten werden.

Ich bin verwundert darüber, dass Sie uns sagen – vielleicht er klärt dies aber auch manches –: „Ihr Fehler ist, dass Sie Ge meinschaftsschulen nur in integrativer Form zulassen.“ Das ist für mich eine erstaunliche fachliche Aussage.

(Abg. Georg Wacker CDU: Es geht um die Aus schließlichkeit!)

Dies ist doch gerade das absolute Moment einer Gemein schaftsschule; es ist der Grund, warum diese Schulform auch

bei der Elternschaft attraktiv ist. Dies bestätigen die vorlie genden Anmeldezahlen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Vorhin gab es ein Bei spiel dafür!)

Ich würde Sie übrigens auch gern an Ihre sächsischen Kolle ginnen und Kollegen erinnern. Sachsen ist ein Land, in dem die CDU seit Langem an der Regierung ist. Dort wird bereits der Weg in Richtung Gemeinschaftsschule beschritten.

(Zuruf von der CDU: Was? – Abg. Georg Wacker CDU: Da haben Sie etwas verwechselt, Herr Kolle ge!)

Dort wird übrigens im Rahmen der Lehrerbildung gerade der Aspekt der individuellen Förderung besonders stark betont.

(Abg. Winfried Mack CDU: Waren Sie schon einmal dort?)

Herr Dr. Kern, zum Thema „Berufliche Gymnasien“ gab es von Ihnen wieder die Unterstellung nach dem Motto: Da läuft zu wenig. Wir sind diejenigen gewesen, die die 50 Eingangs klassen eingerichtet haben.

Zu Ihrem Vorschlag – ich habe hier schon einmal versucht, Ihnen das darzulegen; das ist meine Heimatrealschule, von der Sie immer sprechen; das finde ich schön – möchte ich Fol gendes anmerken. Die Situation war damals: Die Schule hat te einen Antrag gestellt in einer Zeit, in der die berufsbilden den Gymnasien, insbesondere das Wirtschaftsgymnasium, nicht in der Lage waren, alle Schulklassen aufzufüllen.

Es ist doch doppelzüngig, wenn Sie einerseits den Kollegin nen und Kollegen an den berufsbildenden Schulen Angst ma chen mit der Unterstellung, wir würden zu wenig für sie tun – übrigens vor dem Hintergrund, dass die Unterrichtsversor gung dort so gut ist wie noch nie –, andererseits aber Model le favorisieren, die die beruflichen Gymnasien mit Blick auf die Schülerschaft ganz massiv unter Druck setzen würden. Das sagen Sie nicht. Es ist einfach nicht fair in der Argumen tationslinie, neue Modelle aufzumachen, die richtig ressour cenintensiv sind, die hinsichtlich der Schulstruktur gar nicht weiterführen und extreme neue Probleme im Bereich der be rufsbildenden Gymnasien aufweisen würden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Tagesordnungspunkt 1 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Grün-rote Verbotspolitik – Ideologi sche Gängelung von mündigen Bürgern – beantragt von der Fraktion der CDU

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten fest gelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht ange

rechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Rede zeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesre gierung bitten, sich ebenfalls an den vorgeschriebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Löffler, der heute Geburtstag hat.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Mit der Frage, wie Men schen ihre Gesellschaft gestalten, haben sich Politiker und Philosophen zu allen Zeiten auseinandergesetzt. Perikles sag te vor 2 500 Jahren: „Das Geheimnis des Glücks ist die Frei heit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“

Diesen Mut haben Politiker wie Kurt Schumacher und Lud wig Erhard bewiesen. Erhard hat auf den mündigen Bürger gesetzt. Er war überzeugt, dass der selbstständige, verantwor tungsbewusste Bürger der Normalfall sein solle. Er traute den Menschen zu, dass sie ihr Leben in eigener Verantwortung meistern, wenn man ihnen nur die Freiheit dazu lässt. Seine Nachfolger Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, aber auch Gerhard Schröder haben Verantwortung getragen, aber auch von dem mündigen Bürger verlangt, dass er Verantwor tung übernehmen muss.

Dies hat dem Land gutgetan. Lothar Späth hat in diesem Haus gesagt: Freiheit, Verantwortung und Würde sind untrennbar. Verantwortung kann ein Mensch nur übernehmen, wenn er die freie Wahl zwischen Alternativen hat. Je weniger Entschei dungsfreiheit ihm die Gesellschaft zubilligt, desto weniger Verantwortung kann er übernehmen. Die Würde des Men schen wächst nicht mit seiner Konsumfähigkeit, nicht mit sei nem Geld, sondern allein dort, wo man Verantwortung über nimmt und für die Folgen einstehen muss. Wer die Menschen von der Eigenverantwortung entbindet, ihnen Verbote aufer legt, nimmt ihnen die Würde.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir erleben gerade eine politische Unkultur des Verbiegens: die Glühbirne,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war doch der Oet tinger! Sag einmal! – Gegenruf von der CDU: Sig mar Gabriel! Betreiben Sie keine Geschichtsklitte rung!)

der Mohrenkopf, das Schweineschnitzel, die Grundschulemp fehlung, das Ponyreiten auf Jahrmärkten, der Zigarettenauto mat um die Ecke, das Bier 1888, Heizpilze, Grillen im Park und auf Grünflächen, Rauchverbot in Biergärten und am Steu er.

Das Wahlprogramm der Grünen trägt den schönen Titel: Zeit für den grünen Wandel.

(Zuruf von den Grünen: Das stimmt ja auch!)

Doch wie sieht es mit dem Wandel aus? Er liest sich wie ein Umerziehungsprogramm.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! So ist es!)

Für die Grünen scheint der Staatsbürger heute ein leicht zu rückgebliebener Pflegefall zu sein, der nicht für sich selbst sorgen kann, sondern einer strengen väterlichen Obrigkeit be darf, die ihm den Weg in die grüne Tugend weist: Sonntags fahrverbot, Nachtflugverbot, Verbot von getrenntgeschlecht lichen Toiletten, Verbot von Alkoholwerbung, Verbot von Stammzellenforschung, Verkaufsverbot für genveränderte Le bensmittel, Verbot von Lichtverschmutzung, Verbot von Sü ßigkeitswerbung im Kinderfernsehen, weg mit den Realschu len und weg mit dem dreigliedrigen Schulsystem,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: So ein Quatsch!)

Verbot von Motorrollern und von Computerspielen, kein Schnäppchenverkauf mehr, Billigflugverbot und Verbot von Weichmachern in Sexspielzeug.

(Vereinzelt Beifall)

Die Verbotsliste der Grünen

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

spart keine gesellschaftliche Nische aus und wird von Clau dia Roth mit Betroffenheitslyrik und einem politischen Exor zismus verfolgt, dass selbst der unschuldigste Säulenheilige ein schlechtes Gewissen bekommt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Die Grünen gestehen den Jugendlichen zwar das Wahlrecht zu, aber trauen ihnen den Umgang mit Zigaretten nicht zu. Das verstehe, wer will.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wie war das mit dem Alkohol?)