Protocol of the Session on May 15, 2013

Insofern: nichts Neues, abgesehen davon, dass Sie am Ende selbst Schulen schließen. Das gehört auch zur Wahrheit. Sie brauchen einen rhetorischen Aufschlag – das verstehe ich –, allerdings ist auch dieser rhetorische Aufschlag zu kurz ge sprungen.

Ein Stück Ehrlichkeit ist auch angesagt. Wir brauchen die Spitzenwerte der Schulabschlüsse auch in Zukunft.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Im Jahr 2011 haben 77 % aller Schülerinnen und Schüler, die einen Abschluss an baden-württembergischen Schulen ge macht haben, mindestens die mittlere Reife erworben. Das ist ein exzellent hoher Wert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Jede zweite Hochschulzugangsberechtigung, die in BadenWürttemberg erworben wird, wird an einem nicht allgemein bildenden Gymnasium erworben. Dadurch arbeiten wir uns sogar zur Spitzengruppe deutschlandweit vor, was die Hoch schulzugänge betrifft.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Mit Quali tät!)

Das hat übrigens auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit im Bil dungssystem zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn Sie jetzt etwas Neues machen wollen, Herr Minister, muss ich Ihnen sagen: Diese hohe Messlatte der hohen Qua lität und auch der Quantität der Abschlüsse müssen Sie erst einmal überspringen.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Rudolf Köberle CDU)

Ich sage Ihnen voraus: Mit einer solchen Strukturpolitik, wie Sie sie gestalten, werden Sie da Schiffbruch erleiden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Zum Schluss stelle ich an Sie ganz konkret folgende Frage. Sie basiert auf einem Fall, von dem ich persönlich gehört ha be, Herr Minister. Es gibt beispielsweise ein Konsensgespräch in einem Schulamtsbezirk, zu dem das Schulamt eingeladen hat und bei dem die Bürgermeister und die Schulleiter an ei nem Tisch sitzen. Ein Standort beantragt eine Gemeinschafts schule. Der erste Nachbarstandort sagt: „Nein, wollen wir nicht. Dadurch ist unser Schulstandort gefährdet.“ Der zwei te Nachbarstandort sagt: „Nein, wollen wir nicht. Wir wollen selbst eine Gemeinschaftsschule haben.“ Das kann auch ein Argument sein. Der dritte Standort sagt: „Nein, wollen wir

nicht. Unsere Realschule wird gefährdet, wenn dort in der Nachbarschaft eine Gemeinschaftsschule entsteht.“ Die bei den anderen Standorte äußern auch Bedenken.

Wissen Sie, was passiert ist? Normalerweise dürfte man im Sinne des öffentlichen Bedarfs – das war bisher gängige Ver waltungspraxis – eine zusätzliche Schule nicht genehmigen, weil alle Schülerinnen und Schüler in hochqualitativen Bil dungseinrichtungen versorgt sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber nicht in der Gemeinschaftsschule!)

Wissen Sie, was aber in diesem konkreten Fall geschehen ist, Herr Minister? Die Gemeinschaftsschule wurde trotzdem ge nehmigt,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Basta!)

und das Regierungspräsidium hat das bestätigt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ist doch klar!)

Ist das Ihre regionale Schulentwicklungsplanung? Ein solcher Vorgang darf sich nicht wiederholen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol legin Boser.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wissen Sie, was Schulen uns be richten, wenn wir zu Schulen kommen?

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das können wir uns vorstellen!)

Sie hatten die Hoffnung, dass sich unter Grün-Rot alles än dert und verbessert.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und jetzt sind sie enttäuscht! – Zurufe von der CDU)

Dass wir bis heute noch nicht alles verändern und verbessern konnten, liegt daran, dass wir Ihre Versäumnisse immer noch aufarbeiten müssen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf: Na, na, na! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich komme auf die Übergänge zurück, wie Sie sie hier be schreiben. Das veränderte Übergangsverhalten hat 1990 be gonnen. Sie haben damals und heute nichts getan, um den da raus entstehenden Problemen zu begegnen. Sie stehen weiter hin für das dreigliedrige Schulsystem,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ja, richtig!)

das nach den heutigen Zahlen in Baden-Württemberg keine Zukunft hat.

Wenn Verbände wie der Philologenverband nach außen gehen und sagen – ohne eine Grundlage dafür zu haben –, 10 % der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien seien in diesem Jahr versetzungsgefährdet, dann frage ich Sie: Waren Sie bei

den Gymnasien und haben mit ihnen darüber gesprochen? Wir haben über die Regierungspräsidien bei allen Gymnasien nachgefragt. Diese Tendenz ist so nirgendwo nachzuvollzie hen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es! Haltlose Angstschü rerei!)

Sie machen Angst, Sie polemisieren, Sie verunsichern, und Sie bringen damit keine konstruktive Kritik.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Sie beschreiben hier ja immer, das baden-württembergische Bildungssystem sei 2011 so großartig gewesen. Wir hatten in vielen Bereichen sehr gute Werte, aber wir haben beispiels weise die Situation, dass 25 % der jungen Menschen zwischen 25 und 35 Jahren mit Migrationshintergrund in den vergange nen Jahren keine Ausbildung hatten. Die Betriebe haben dies damit begründet, dass diese Personengruppe nicht ausbil dungsreif gewesen sei.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das ist das, was der Handwerkstag und die IHKs uns zutra gen: Verändert da etwas, bringt uns besser ausgebildete Schü lerinnen und Schüler, damit wir sie nach dem Ende der Schul zeit in die Ausbildung bringen können.

Das sind die Punkte, die wir in puncto Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg voranbringen wollen.

Wenn Sie weiterhin nur polemisieren und verunsichern, bringt das weder den Schülerinnen und Schülern etwas noch den El tern, weder den Lehrerinnen und Lehrern noch der Bildungs landschaft in Baden-Württemberg. Beteiligen Sie sich konst ruktiv, anstatt hier immer nur eine Farce abzuliefern, die mit Inhalt überhaupt nichts zu tun hat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Dr. Fulst-Blei.

Kollege Dr. Kern, Sie hat ten mich um Darlegung gebeten. Wenn jemand das Gymna sium abschaffen wollte, warum stattet er es dann mit weite ren Poolstunden aus? Wenn jemand das Gymnasium abschaf fen wollte, warum ermöglicht er die Reformoption G 9? Wenn jemand die Realschulen abschaffen wollte, warum stattet er sie erstmals – das ist bei Ihnen nie passiert – mit weiteren 1,5 Poolstunden aus? Und beim Assessment-Center haben wir weitere Mittel draufgelegt. – Diese Behauptungen sind etwas, was mich maßlos ärgert.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Warum schaffen Sie die Hausaufgabenbetreuung ab? – Abg. Georg Wacker CDU meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Kollege Dr. Fulst-Blei, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt nicht. – Das ist das, was mich vor allem ärgert. Ich habe in diesem Haus immer dafür plädiert, dass es eben keinen – –

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)