Dieser Einwand ist weiterhin berechtigt, zumal die Begrün dung des Gesetzentwurfs keinen Hinweis auf die Gestaltung des Anhörungsverfahrens enthält. Der Hinweis, dass Abord nungsentscheidung und Beförderungsentscheidung verschie den strukturiert seien, hilft nicht darüber hinweg, dass mit der Entscheidung über die Erprobungsabordnung Beförderungs
chancen vermittelt werden oder auch nicht. Die Gesetzesbe gründung deutet darauf hin, dass sich das Justizministerium hier nicht auf ein bestimmtes Verfahren festlegen will. Darü ber, Herr Justizminister, müssen wir reden.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mit der heutigen Einbringung des Ent wurfs des Gesetzes zur Änderung des Landesrichtergesetzes wird für die baden-württembergische Justiz ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Regierungsfraktionen haben sich im Ko alitionsvertrag dazu verpflichtet, die Autonomie der Justiz im Laufe der Legislaturperiode weiter zu stärken.
Die im Bundesvergleich einzigartige Präsidialratsverfassung wird weiter fortentwickelt. Personalentscheidungen der Rich terinnen und Richter können durch das Justizministerium nicht gegen den Beschluss des Mitbestimmungsgremiums getrof fen werden. Dieses Instrumentarium hat sich in der Vergan genheit für die baden-württembergische Justiz hervorragend bewährt und ist, wie in der Erläuterung zum Gesetzentwurf ausgeführt, der Garant einer unabhängigen dritten Gewalt, die frei von politischer Einflussnahme ist.
Aber – der Herr Justizminister hat darauf schon hingewiesen – feststellbar war und ist, dass die Beteiligungsrechte bei der sogenannten Erprobungsabordnung bislang noch unzurei chend ausgestaltet sind. Zur effektiven Kontrolle in der Per sonalentwicklung ist nunmehr ein Anhörungsrecht der Präsi dialräte vorgesehen.
Entsprechend den Regelungen für die Richterinnen und Rich ter soll für die Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege der Hauptstaatsanwaltsrat durch die Einführung eines Staats anwaltswahlausschusses bei Personalangelegenheiten weiter gestärkt werden. Der Gesetzentwurf berücksichtigt die beson dere Stellung der Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspfle ge und lehnt sich, soweit verfassungsrechtlich möglich, wei testgehend an die Vorschriften über den Richterwahlausschuss an. Nur unter engen Voraussetzungen kann die oberste Dienst behörde gegen den Staatsanwaltswahlausschuss eine binden de Entscheidung treffen.
Schließlich sollen die Vorschriften für Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte und die badischen Amtsno tare im Gesetzentwurf mit dem Ziel der Verfahrensvereinfa chung und -beschleunigung, jedoch unter strenger Wahrung der besonderen Schutzrechte der Betroffenen, angepasst wer den.
Durch die beabsichtigte Gesetzesänderung sollen die Richte rinnen und Richter, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Vergleich zu den Beamten im Disziplinarverfahren weiter hin eine verfahrensrechtlich stärkere Position genießen, die ebenfalls der besonderen Stellung der Organe der Rechtspfle ge entspricht. Es verbleibt bei den unabhängigen Richter dienstgerichten; sie sind in disziplinarrechtlichen Fragen nicht dem Dienstvorgesetzten untergeordnet.
Der vorliegende Gesetzentwurf stärkt die dritte Gewalt – al so die Judikative – gegenüber der Exekutive und der Legisla tive.
Geradezu vorbildlich wurde die Politik des Gehörtwerdens bei den Vorberatungen des Gesetzentwurfs durch das Justiz ministerium umgesetzt. Das Vorhaben wurde bereits im Feb ruar 2012 – vor gut einem Jahr – im Intranet öffentlich be kannt gegeben. Die Beschäftigten der Justiz nahmen das An gebot sehr interessiert wahr. Eine Vielzahl von Stellungnah men von Richtern und der Staatsanwaltschaft gingen dem Mi nisterium zu. Insgesamt waren es 63 Stellungnahmen von Ein zelpersonen, Berufsverbänden, Präsidialräten und auch dem Hauptstaatsanwaltsrat. Darüber hinaus wurde vom Justizmi nisterium der Gesetzentwurf allen Richtern, Staatsanwälten und badischen Amtsnotaren mit Schreiben vom 8. Januar 2013, also noch vor der Einbringung, vorgestellt.
Der Gesetzentwurf – verbunden mit der praktizierten Politik des Gehörtwerdens im Rahmen der breiten Diskussion – wur de von den Verbänden und den Bediensteten einhellig begrüßt.
Von der Neuen Richtervereinigung wurde anstelle eines An hörungsrechts ein Mitbestimmungsrecht bei der Erprobungs abordnung gefordert. Dies mag auf den ersten Blick schlüs sig sein. Jedoch kann die Personalentwicklung im Fall eines Vetos erheblich ins Stocken geraten; denn dann wird eine Be setzung bis zu einer Klärung über den Richterwahlausschuss über längere Zeit nicht möglich sein. Hier wird nur die Praxis zeigen können, ob sich im späteren Verlauf in diesem Sinn ei ne Neujustierung aufdrängt.
Mit dem Gesetzentwurf begibt sich die baden-württembergi sche Justiz auf den Weg, die bisherigen Möglichkeiten der Mitbestimmung auszuweiten und die Autonomie der Justiz insgesamt zu stärken.
Im Rahmen der Diskussion über das Landesrichtergesetz wur de von über 1 000 Richterinnen und Richtern darüber hinaus noch die Forderung erhoben, zukünftig bei den Gerichten ei ne Stufenvertretung einzuführen. Diese Forderung wird von meiner Fraktion unterstützt. Wir wissen hier auch unseren Ko alitionspartner und das Justizministerium an unserer Seite. Sie, Herr Justizminister Stickelberger, haben dies ja gerade auch betont.
Im Namen meiner ganzen Fraktion darf ich dem Justizminis terium für die hervorragende Vorarbeit im Hinblick auf die Einbringung des Gesetzentwurfs danken.
Wir werden dem Gesetzentwurf in der zweiten Lesung, die nach der weiteren Beratung im Ausschuss stattfindet, zustim men.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, der uns nun vorliegt, ist ein erster wichtiger Baustein bei der Umsetzung des im
grün-roten Koalitionsvertrag niedergeschriebenen Ziels, die Mitbestimmungsrechte innerhalb des derzeitigen Systems der Justiz zu stärken und die Fortbildungspflicht für Richter und Staatsanwälte gesetzlich festzuschreiben.
Der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, entspricht aber nicht nur inhaltlich dem neuen Politikstil, dem Politikstil der grün-roten Landesregierung. Bei der Erarbei tung des Gesetzentwurfs – wir haben es gehört – ist das Jus tizministerium in einen sehr konstruktiven Dialog mit der Jus tiz getreten, den es nach meiner Erinnerung in dieser Art und Weise und in diesem Umfang bislang noch nicht gab.
Sicherlich hätte man sich – wenn man die Statistik anschaut, erkennt man das – eine noch größere Beteiligung wünschen können. Wenn man mit Beteiligungsmöglichkeiten beginnt, ist der Ansturm aber eben nicht schon beim ersten Mal sehr groß. Deshalb freuen wir uns, wenn das Justizministerium bei der nächsten Stufe, der Stufenvertretung, auf die ich nachher noch zu sprechen komme, wieder die Beteiligung anbietet, da mit sich die Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg im Hinblick auf die weiteren Mitbestimmungsrechte in der Justiz einbringen können.
Inhaltlich sind bei dem Entwurf insbesondere zwei Dinge her vorzuheben. Zum einen betrifft das die Einführung eines neu en Staatsanwaltswahlausschusses, mit dem die bislang vor handene Ungleichbehandlung bei den Beteiligungsrechten zwischen Richtern und Staatsanwälten im Rahmen der ver fassungsrechtlichen Vorgaben behoben wird.
Neben den Mitwirkungsrechten im Landesrichtergesetz wer den auch die allgemeinen Arbeitsbedingungen für Richter und Staatsanwälte immer essenzieller. Wir freuen uns, dass der Justizminister in Kürze ein umfassendes Personalentwick lungskonzept für Richterinnen und Richter, Staatsanwältin nen und Staatsanwälte auf den Weg bringen wird. Auch hier findet eine Beteiligung der Richter und Staatsanwälte statt, und zwar darüber, wie ein Personalentwicklungskonzept in der Justiz in Baden-Württemberg aussehen kann.
Wir haben im Vorgriff auf dieses neue Richterwahlgesetz deut lich gemacht, dass für uns einerseits die Mitbestimmung bei Personalentscheidungen wichtig ist und dieser Ausbau auch zu unterstützen ist. Wir wollen aber einen Schritt weiter ge hen und nicht nur eine Mitbestimmung über Personalentschei dungen ermöglichen, sondern im Rahmen der Stufenvertre tung eine echte, gut ausgestattete Mitbestimmung für die Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staats anwälte gewährleisten.
Der Justizminister hat zugesagt, dass wir nach der Einbrin gung des Richterwahlgesetzes jetzt in die Diskussion einstei gen, wie eine Stufenvertretung in Baden-Württemberg gut ausgestaltet werden kann. Wir gehen davon aus, dass wir das sehr zügig im Jahr 2013 angehen können und wir sehr zügig ein erstes Eckpunktepapier vorstellen können, damit wir die Mitbestimmung in Baden-Württemberg deutlicher ausbauen können.
Herr Kollege Rech, über Ihre Anregungen diskutieren wir gern im Ständigen Ausschuss – in der offenen Art, wie wir das im Ständigen Ausschuss tun; Sie haben es selbst schon gesagt.
Ich danke auch der CDU-Fraktion herzlich für die Unterstüt zung dieses Gesetzentwurfs. Es ist in diesem Haus bei vielen Themen, die die Fortentwicklung der Justiz in Baden-Würt temberg betreffen, üblich, dass eine einheitliche und gemein same Meinung herrscht. Dafür herzlichen Dank.
Dem Justizministerium danke ich herzlich für die intensive Beteiligung der Betroffenen und die Vorlage des Gesetzent wurfs, und Ihnen danke ich herzlich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Auch wir von der Fraktion der FDP/ DVP wollen diese Harmonie nicht stören.
Es ist richtig, dass wir im Land seit Jahrzehnten das am stärks ten ausgebaute Mitbestimmungssystem in diesem Bereich ha ben. Auf der anderen Seite ist auch richtig, dass es im Großen und Ganzen zu guten Ergebnissen geführt hat. Das kann man nicht anders sehen.
Jetzt erhält dieses System – ich darf das vielleicht ein biss chen herunterzoomen – ein paar weitere Verzierungen, und zwar mit einer Ausnahme. Denn z. B. der Punkt zu den Staats anwaltsräten wirkt sich nach meiner Meinung nicht unbedingt aus. Sie wurden bisher in der Praxis auch schon wie ein Prä sidialrat behandelt.
In der Praxis gibt es eine Veränderung, die auch Kollege Rech mit Recht ausführlich angesprochen hat: die Beteiligung bei der Erprobungsabordnung. Darüber ist früher schon diskutiert worden. Vielleicht war man da nicht fantasievoll genug. Man hat nämlich nur über die Frage der vollen Mitwirkung gespro chen. Da war ich persönlich früher immer der Auffassung – daraus will ich keinen Hehl machen –: Es macht die Personal verwaltung unbeweglich, wenn in jedem Einzelfall die volle Mitbestimmung des Präsidialrats exerziert wird.
Von der Fassung, die jetzt im Raum steht, kann man nicht sa gen, sie würde die Verwaltung unangemessen am Handeln hin dern, sondern sie kann eine sinnvolle Beteiligung des Präsi dialrats sein. Dabei gehe ich von einer Form aus, die einmal ins Auge gefasst wurde, wonach dem Präsidialrat bzw. dem Hauptstaatsanwaltsrat eine Liste zugeht, wer für die Erpro bungsabordnung vorgesehen ist, sodass sich das Gremium äu ßern kann. Dadurch schafft man Transparenz. Das ist ein gu tes Verfahren, das auch wir mittragen können. Insofern kann ich auch für unsere Fraktion schon jetzt Zustimmung zu dem Gesetzentwurf in Aussicht stellen.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/3161 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Sie stimmen zu. Damit ist es so beschlossen und Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgeset zes – Drucksache 15/3209
Das Wort zur Begründung erteile ich nicht Herrn Minister Stoch, sondern Frau Staatssekretärin von Wartenberg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ab dem 1. Au gust 2013, also in etwas mehr als vier Monaten, hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs einen gesetzlich verankerten Anspruch auf die frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem jeweiligen individuellen Bedarf. Dieser Rechtsanspruch – das wissen Sie alle – ist ab dem 1. August einklagbar.
Der bedarfsgerechte Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren liegt sowohl im Interesse von Kindern als auch von jungen Familien.
Familie und Erziehungsverantwortung einerseits und frühe außerfamiliäre Betreuung und Bildung andererseits sind in der Tat kein Widerspruch, sondern eine doppelte Chance für El tern und Kinder.