(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Dann sa gen Sie doch jetzt einmal was! Jetzt bin ich einmal gespannt!)
Die Aufarbeitung der Geschichte ist natürlich gefährlich, wenn man nur die Hälfte erzählt. Der FDP-Standpunkt in die ser Angelegenheit – das müssen Sie zur Kenntnis nehmen – ist ziemlich lupenrein. Wir haben nämlich auf Bundesebene wie auf Landesebene gesagt, das Gesetz gehe uns nicht weit genug – ähnlich wie Sie es vorhin gemacht haben. Der große Unterschied ist natürlich, dass es damals eine andere Koaliti on gab und man, wie Sie genau wissen, nicht mit wechseln den Mehrheiten vorgeht. Oder machen Sie es? Machen Sie es uns vor?
Da wir nicht mit wechselnden Mehrheiten vorgegangen sind – wie Sie dies auch nicht tun –, gab es bis zum Regierungs wechsel 2011 keine realistische Durchsetzungsmöglichkeit. Das ist so. Seitdem läuft die Uhr von vorn, weil man jetzt han deln könnte.
Es spricht überhaupt nichts dagegen, so vorzugehen, wie es etwa in Hamburg der Fall war. Dort wurde in einem ersten Schritt ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, und in ei nem zweiten Schritt wurde dann überlegt, ob es Verbesse rungsmöglichkeiten gibt. Wenn Sie nicht gemäß unserem Ge setzentwurf vorgehen wollen, dann nehmen Sie doch den Hamburger Entwurf. Ich sage nur: Machen Sie irgendetwas! Tun Sie nicht so, als wäre das zu kompliziert.
Aufgrund der Äußerungen habe ich schon wieder den deutli chen Verdacht, dass es bei Ihnen wieder einmal knirscht im Gebälk bei der Frage, wie weit man da gehen kann. Ich wün sche viel Spaß bei den Diskussionen. Aber in dieser Zeit hät te man unseren Entwurf längst umsetzen können.
Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/3114 zur weiteren Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so beschlossen, und Punkt 3 der Tagesordnung ist erledigt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesrichtergesetzes – Druck sache 15/3161
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Es freut mich sehr, dass ich heute ein Reformvorha ben der Landesregierung vorstellen kann, mit dem wir die Mitbestimmung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte entscheidend verbessern wollen, und zwar die Novellierung des Landesrichtergesetzes.
Bei Richterinnen und Richtern soll die Stärkung der Mitbe stimmung erreicht werden, indem wir die Präsidialräte – das sind die Mitbestimmungsorgane – –
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Ihre Gespräche nach außerhalb des Plenarsaals zu verlagern.
Bei Richterinnen und Richtern soll die Stärkung der Mitbestimmung erreicht wer den, indem die Präsidialräte – das sind die Mitbestimmungs organe in Personalangelegenheiten – mehr Kompetenzen er halten und indem zusätzlich das Beteiligungsverfahren ver einfacht wird.
Bei Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wollen wir die Mit bestimmung verbessern, indem ein neuer Staatsanwaltswahl ausschuss beim Landtag von Baden-Württemberg eingeführt wird, der sich an den schon bestehenden Richterwahlaus schuss anlehnt. Außerdem werden alle Verbesserungen der Mitbestimmung im Richterbereich 1 : 1 auf die Staatsanwäl tinnen und Staatsanwälte übertragen. Da besteht bislang ein gewaltiger Unterschied, den wir ausgleichen wollen.
Daneben, ebenfalls in Umsetzung des Koalitionsvertrags, wird erstmals eine Fortbildungspflicht der Richterinnen und Rich ter verankert. Das ist, glaube ich, ein sehr wichtiges Signal.
Außerdem wird die Novellierung dazu genutzt, dass wir das Disziplinarrecht für Richter, Staatsanwälte und Amtsnotare sowie für die Mitglieder des Rechnungshofs an das Landes disziplinargesetz angleichen, das schon seit 2008 gilt. Herr Kollege Rech, ich glaube, Sie haben dies damals federführend vertreten. Wir ziehen jetzt für den Richter- und Staatsanwalts bereich nach.
Der qualitative Schwerpunkt unserer Novellierung liegt ein deutig auf der Stärkung der Mitbestimmung. Die Mitbestim mung – das ist vielfach nicht bekannt – sieht bei Richtern und Staatsanwälten grundsätzlich anders aus als bei Beamten. Ich weise darauf hin: Bei Richtern ist die Mitbestimmung in Per sonalangelegenheiten – Betonung auf „Personalangelegenhei ten“ – bereits jetzt sehr stark ausgeprägt. Denn die Präsidial räte der Richter besitzen in der Praxis ein faktisches Vetorecht gegenüber den Beförderungsentscheidungen in der Richter schaft. Das ist eine baden-württembergische Besonderheit, die übrigens vor rund 40 Jahren von meinem damaligen Vorgän ger Dr. Rudolf Schieler in der damaligen Großen Koalition eingeführt wurde. Kollege Schieler ist leider vor einigen Wo chen verstorben.
Diese sogenannte Präsidialratsverfassung hat sich in der Ver gangenheit im Prinzip bewährt und ist ein Markenzeichen der baden-württembergischen Justiz. Sie garantiert eine unabhän gige dritte Gewalt, frei von politischer Einflussnahme.
Allerdings haben wir in diesem Regelungssystem bisher eine große Schwachstelle. Das hängt damit zusammen, dass in der Justiz in der Regel nur befördert wird, wer zuvor in der soge nannten Erprobungsabordnung bei einem Obergericht oder ei ner Generalstaatsanwaltschaft war. Über den Zeitpunkt, über die Ausgestaltung der Erprobung entscheidet bisher allein das Justizministerium ohne Beteiligung der Präsidialräte.
Im Zuge der Umsetzung des Koalitionsvertrags wollen wir jetzt normativ die Vorkehrungen dafür treffen, dass künftig auch diese Erprobungsabordnungen effektiv kontrolliert wer den. Wir wollen ein transparentes Verfahren schaffen. Des halb sollen sich die Präsidialräte im Rahmen eines neuen Be teiligungstatbestands auch mit den Entscheidungen hinsicht lich der Erprobungen befassen.
Die Mitbestimmung der Staatsanwälte folgt weitgehend der jenigen der Richterinnen und Richter – mit einer entscheiden den Ausnahme. Die Stellung der Präsidialräte der Richterin nen und Richter wird durch den Richterwahlausschuss beim Landtag abgesichert. Erst die Möglichkeit, den Richterwahl ausschuss zu befassen, verleiht den Präsidialräten ihre starke Stellung. Dieser Richterwahlausschuss – der eine oder ande re von Ihnen gehört diesem Richterwahlausschuss wahr scheinlich an, weiß es aber vielleicht gar nicht so recht – tagt aber so gut wie nie, weil sich die Konfliktlage nicht so zu spitzt, weil wir diese Steuerung haben und deshalb Konflikte sehr früh vermeiden können. Er ist dennoch, glaube ich, ein richtiges Instrument zur transparenten Beförderung von Rich terinnen und Richtern.
Etwas Vergleichbares, einen Staatsanwaltswahlausschuss, gibt es bisher nicht. Der Hauptstaatsanwaltsrat, also das Mitbe stimmungsorgan der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, ist deshalb noch deutlich schwächer ausgestaltet als die Präsidi alräte. Das wollen wir mit diesem Staatsanwaltswahlaus schuss, den ich eben skizziert habe, jetzt ändern. Insgesamt wird unser Gesetzesvorhaben die Mitbestimmung in der Jus tiz auf eine qualitativ neue Stufe stellen.
Das, was ich jetzt ausgeführt habe, betrifft die Mitbestimmung in Personalangelegenheiten. Ausdrücklich möchte ich beto nen, dass wir uns weiterhin mit einem ähnlichen Thema be schäftigen werden. Denn ich möchte als Nächstes die Mitbe stimmung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auch außerhalb der Personalangelegenhei ten untersuchen. Das ist ein Thema, das unter dem Stichwort Stufenvertretung diskutiert wird. Dabei handelt es sich um ei ne sehr komplexe Materie. Wir werden mit vielen Beteiligten sprechen müssen. Wir werden eine Länderabfrage machen. Wir werden die Erfahrungen anderer Länder auswerten. Wir müssen dann austarieren, wie sich die Stärke der Fachgerichts barkeiten zur ordentlichen Gerichtsbarkeit verhält und wie diese sich dann in diesem Spektrum repräsentiert. Alles das sind viele Fragen, die wir klären müssen.
Dabei müssen wir natürlich auch auf die laufende Reform des Landespersonalvertretungsgesetzes Rücksicht nehmen, die derzeit im Innenministerium in Angriff genommen worden ist. Auch da müssen wir uns abstimmen. Denn diese Regelun gen müssen kompatibel sein und zusammenpassen.
Wir machen jetzt diesen Reformschritt. Dieser Reformschritt trifft bisher in der Justiz auf breite Zustimmung. Wir können
uns in der Praxis auf einen breiten Konsens stützen, weil wir die Betroffenen frühzeitig und intensiv in dieses Gesetzesvor haben einbezogen haben. Wir haben einen ersten Entwurf ein mal ohne allzu große Bindungswirkung ins Intranet gestellt und waren sehr überrascht, wie groß die Resonanz seitens al ler betroffenen Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte war. Wir haben in dieser Diskussionspha se wertvolle Anregungen und Hinweise erhalten und werden künftig ein Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz bekom men, das von der Justiz, von den Betroffenen schon jetzt breit getragen wird.
Ich freue mich auch, dass es bisher zusammen mit den Regie rungsfraktionen gelungen ist, hier eine sehr konstruktive Dis kussion zu führen. Ich bedanke mich aber auch bei der CDUFraktion, bei der ich auch Gelegenheit hatte, das Projekt vor zustellen. Ich würde mich freuen, wenn wir in diesem konst ruktiven Geist auch die Ausschussberatungen gestalten wür den, und werbe schon jetzt für Begleitung und Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
Für die Aussprache über den Gesetzentwurf hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Herr Justizminister, Sie haben den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Landesrichtergeset zes ausführlich dargestellt und begründet. Ich will Ihnen vor weg dafür danken, dass Sie zum einen sehr frühzeitig ein Eck punktepapier hierzu vorgelegt haben, das – wie Sie zu Recht gesagt haben – auf breite Resonanz gestoßen ist; das hat vie le Anregungen mit sich gebracht. Zum anderen möchte ich Ih nen dafür danken, dass Sie unserer Fraktion Rede und Ant wort standen, was mit dem Gesetz beabsichtigt ist. Deswegen wird es Sie wenig überraschen, dass ich prognostiziere, dass sich die CDU am Ende auf eine Zustimmung zu Ihrem Ge setzentwurf hinbewegen wird. Ich komme nachher noch dar auf zu sprechen.
Es gibt allerdings beim Thema „Anhörungsrecht der Präsidi alräte und des Hauptstaatsanwaltsrats bei Erprobungsabord nungen“ noch einen gewissen Nachbesserungsbedarf; darü ber werden wir mit Ihnen im Ständigen Ausschuss in der seit her praktizierten Offenheit diskutieren. Ich bin mir sicher, dass wir zu einem Konsens kommen werden. Aber wir müssen da rüber reden.
Worüber wir, die CDU-Fraktion und ich, jedenfalls in dieser Debatte nicht mehr ausführlich reden müssen, sind die Punk te, die Sie angesprochen haben und die auf unsere Zustim mung stoßen.
Der eine Punkt ist, dass die Rechtsstellung des Hauptstaats anwaltsrats weitgehend an diejenige der Präsidialräte ange glichen werden soll. Dazu soll ein neuer Staatsanwaltswahl ausschuss gebildet werden. Diese Regelung erscheint sinn voll. Sie haben sie begründet. Ich will es nicht weiter ausfüh ren. Hierzu haben Sie unsere Zustimmung.
Der zweite Punkt des Gesetzentwurfs betrifft die Regelung der Fortbildung der Richter und Staatsanwälte. Der Gesetz entwurf will eine Fortbildung spezialgesetzlich regeln. Es wird eine Fortbildungspflicht der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwälte und eine Förderungsplicht des Dienst herrn normiert. Auch dies halten wir, Herr Justizminister, für sinnvoll.
Ferner sieht der Gesetzentwurf eine Umstellung des Diszip linarverfahrensrechts auf das Landesdisziplinargesetz vor. Durch diese Umstellung entfällt – um den Hauptpunkt zu nen nen – die bisher in § 72 des Landesrichtergesetzes vorgesehe ne Anwendung der Landesdisziplinarordnung. Das Verfahren nach dem LDG ist gegenüber der Landesdisziplinarordnung vereinfacht und hat sich – so auch die Stellungnahme des Prä sidenten des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – im Wesentlichen bewährt. Auch diese Regelung ist somit sinn voll, und wir können ihr zustimmen.
Jetzt komme ich auf das Beteiligungsverfahren zu sprechen, das verbessert werden soll. Hier melde ich Gesprächsbedarf an. Es soll ein Anhörungsrecht der Präsidialräte und des Hauptstaatsanwaltsrats bei Erprobungsabordnungen – darum geht es – von Richtern und Staatsanwälten eingeführt werden. Grundsätzlich ist dies sinnvoll, keine Frage. Die Erprobungs abordnung bei den Obergerichten und Generalstaatsanwalt schaften des Landes ist ein – so würde ich sagen – wesentli cher Bestandteil der Personalentwicklung in der Justiz. Wir sprechen von dem sogenannten dritten Staatsexamen.
Das Gesetz soll die Transparenz – Sie haben es gesagt – bei dieser Erprobungsabordnung verbessern. Ein neuer Beteili gungstatbestand soll eingeführt werden. Die Präsidialräte sol len vor der Abordnung eines Richters an ein Obergericht an gehört werden. Bis dahin besteht Übereinstimmung.
Die konkrete Durchführung des Anhörungsverfahrens wird aber im Gesetzentwurf nicht näher geregelt. Die Gesetzesbe gründung begnügt sich mit dem Hinweis darauf, dass die Grundsätze für die Durchführung einer Anhörung im Verwal tungsrecht allgemein anerkannt seien. Diese würden auch die Befugnis enthalten, genau die Daten an den Präsidialrat zu übermitteln, die er zur Ausübung seiner Kontrollaufgabe be nötigt, also z. B. das Dienstalter oder den Zeitpunkt der bis herigen Ernennungen der betroffenen Richter.
Im Diskussionsentwurf, Herr Justizminister, war das Anhö rungsverfahren noch konkretisiert. Schon damals hatte aber beispielsweise der Landesarbeitskreis Christlich Demokrati scher Juristen angemerkt, dass die vorgesehenen Verfahren nicht geeignet seien, den Präsidialräten die Kontrolle über die Anwendung der Kriterien zu ermöglichen. Erforderlich sei vielmehr die Übermittlung einer Gesamtliste aller Abord nungsinteressierten, also einschließlich derjenigen, die nicht zum Zuge gekommen waren, also derjenigen Bewerber, die nicht auf dieser Liste standen.
Dieser Einwand ist weiterhin berechtigt, zumal die Begrün dung des Gesetzentwurfs keinen Hinweis auf die Gestaltung des Anhörungsverfahrens enthält. Der Hinweis, dass Abord nungsentscheidung und Beförderungsentscheidung verschie den strukturiert seien, hilft nicht darüber hinweg, dass mit der Entscheidung über die Erprobungsabordnung Beförderungs