Mich begeistert bei dieser ganzen Betriebsamkeit besonders, dass die Genossenschaften am Puls der Zeit sind. Als ein Bei spiel darf ich die Energiegenossenschaften nennen. Bereits im Jahr 2009 wurden die ersten Genossenschaften in dieser Form gegründet, und schon im Jahr 2012 belief sich die Anzahl die
ser Genossenschaften nach meinen Informationen auf ca. 110 in Baden-Württemberg und auf 700 in ganz Deutschland. Konkret bedeutet das, dass sich über 80 000 Bürgerinnen und Bürger im Bereich der Energie engagieren, vorwiegend im Bereich der alternativen, regenerativen, erneuerbaren Energi en. Das ist auch ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Betätigungsspek trum der Genossenschaften ist bei allem, was ich angeführt habe – so glaube ich –, noch nicht ausgeschöpft. Der demo grafische Wandel nimmt immer mehr Fahrt auf, die Grund versorgung der Menschen im sozialen Bereich, gerade auch im ländlichen Raum, muss gestärkt werden. Warum nicht durch genossenschaftliche Organisationen?
Denn dadurch werden die Menschen vor Ort eingebunden, und ihr Engagement, ihr Einsatz kann zielgerichtet dort, wo es nötig ist, umgesetzt werden.
Ich möchte mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, den neu en Präsidenten des Baden-Württembergischen Genossen schaftsverbands zitieren
Herrn Dr. Glaser, genau –, der in einem Interview vom 18. Januar 2013 angekündigt hat, dass er die Zahl der Genos senschaftsmitglieder auf vier Millionen steigern wolle. Das bedeutet, dass dann jeder dritte Baden-Württemberger ein Ge nossenschaftsmitglied wäre. Ein beeindruckendes Ziel!
Das geht über Energiegenossenschaften bis hin zur Or ganisation neuer Wohnformen im Alter. Auch Schulen können genossenschaftlich organisiert werden. Oder den ken Sie etwa an Ärztegenossenschaften und Pflegediens te.
All dies sind Dinge, die durch das Land Baden-Württemberg gefördert, gestärkt und begleitet werden können.
Herr Minister Schmid, die CDU steht zu den Genossenschaf ten. Wir fordern Sie und Ihr Haus auf, das Ihrige zu tun. För dern Sie die Genossenschaften in Baden-Württemberg und nicht nur die Genossen im eigenen Haus!
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Vielen Dank den Kolleginnen und Kollegen für den Antrag und der Regierung für die gute Be antwortung der darin gestellten Fragen. Wir haben festgestellt: Die Genossenschaften sind im Aufwind. Sie wachsen in Ba den-Württemberg in der Zahl und hinsichtlich ihrer Geschäfts tätigkeit. Gerade heute – das habe ich vorhin noch online ge
sehen – hat der Baden-Württembergische Genossenschafts verband sein 900. Mitglied aufgenommen; es ist – die Kundi gen ahnen es – eine Bürgerenergiegenossenschaft. Darum von dieser Stelle einen ganz herzlichen Glückwunsch an den BadenWürttembergischen Genossenschaftsverband zum 900. Mitglied und der neuen E-Werk Mittelbaden eG in Lahr eine gute Zu kunft!
Ich sehe drei Gründe dafür, dass die Genossenschaften im Aufwind sind. Sie sind zum einen von einer guten Idee getra gen. Genossenschaften vereinen wirtschaftliche Tätigkeit mit dem Gedanken der Solidarität und der demokratischen Teil habe – ein wahres Meisterwerk, aber es gelingt. Das Zweite ist, dass wir in unserem modernen Staat für die gute alte Idee der Genossenschaft einen passenden und verlässlichen Rechts rahmen geschaffen haben. Das Dritte ist, dass im heutigen Niedrigzinszeitalter und in der heutigen Zeit der Energiewen de die Unternehmensform der Genossenschaften ganz hervor ragend zu den wirtschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahr hunderts passt.
Schauen wir uns einmal die Sektoren an, in denen Genossen schaften tätig sind. Genossenschaften haben sehr vielfältige Tätigkeitsfelder. Dennoch ist der Bereich der Kreditgenossen schaften mit einem Geschäftsvolumen von 133 Milliarden € mit Abstand die größte Gruppe in Baden-Württemberg. Das Geschäftsmodell ist jedoch durch die Verhandlungen auf eu ropäischer Ebene über die Umsetzung von Basel III und der europäischen Bankenaufsicht zumindest gefährdet. Ich zitie re dazu:
Das sagte der Europaabgeordnete Sven Giegold, Mitglied der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament, am 9. Janu ar der „Börsen-Zeitung“ zum Thema Bankenaufsicht. Er ist hierzu Berichterstatter im Europäischen Parlament. Er wen det sich dagegen, dass die EBA kleinen Kreditinstituten die selben Berichtspflichten auferlegen will wie Großbanken. „Verschiedenes verschieden behandeln“ – damit hat er recht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Noch wichtiger ist sicherlich die Formulierung der europäi schen Kapitalrichtlinie und der entsprechenden Verordnung sowie deren nationale Umsetzung. Es gibt einen neuen Ver handlungsstand aus dem Trilog von Ende Februar. Auch da haben gerade unsere deutschen Kollegen im Europäischen Parlament einen großen Fortschritt erreicht. Nun hat Deutsch land die Möglichkeit, auf den Eigenkapitalabzug bei den un tereinander im Verbund gesicherten Volks- und Raiffeisenban ken zu verzichten. Das unterstützen wir, die grün-rote Koali tion. Dafür setzt sich die Landesregierung im Bundesrat ein. Eine Unterstützung dieses Vorhabens verlangen wir auch von der Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Denn wir wissen, wie stark die Volksbanken in Baden-Würt temberg in der Finanzierung der Kleinbetriebe und der mit telständischen Wirtschaft engagiert sind, und wir wollen dies auch weiter ermöglichen.
Zum Thema Energie hat der Kollege Rüeck schon etwas ge sagt. Die Energiewende ist ein Projekt der nachhaltigen wirt schaftlichen Chancen in allen Regionen Baden-Württembergs. Sie ist zum einen ein Zukunftsprojekt, aber zum anderen fin det sie auch schon Tag für Tag statt. Daran haben die neuen Energiegenossenschaften einen großen Anteil. Sie machen ei nen Großteil der Neugründungen von Genossenschaften in Baden-Württemberg aus. Sie haben sich weiterentwickelt. Früher hatten Energiegenossenschaften als Satzungszweck et wa die Errichtung von Fotovoltaikanlagen, beispielsweise auf einem Schuldach, verankert. Jetzt werden flexible Energiege nossenschaften gegründet, die etwa die Windenergiegewin nung, die Kraft-Wärme-Kopplung oder die Errichtung von Nahwärmenetzen angehen. Denn die Energiewende findet de zentral statt, und die Bürgerinnen und Bürger wollen dafür Kapital geben. Sie beteiligen sich damit nicht nur ideell an der Energiewende, sondern auch finanziell, und das ist gut so.
In der Stellungnahme zu dem von den Kollegen der CDU vor gelegten Antrag hat die Landesregierung ausgeführt, dass das Umweltministerium hierzu an einer Broschüre arbeitet.
Wie Sie sehen, ist diese Broschüre jetzt fertig. Ihr Titel lautet „Bürger machen Energie“. Diese Broschüre ist ganz hervor ragend geworden. Ich will kurz daraus zitieren:
Langfristige, verlässliche und nachhaltige Investitionen in die Energiewende sind eine hervorragende Leistung der Bürge rinnen und Bürger in unserem Land und werden durch Genos senschaften möglich gemacht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Genossenschaften sind viel mehr als nur ein gemeinsames In vestieren von Kapital, Wissen und Zeit. Sie sind der Beweis, dass eine aktive Bürgergesellschaft vor Ort für die lokale Wertschöpfung bares Geld wert ist. Dafür bedanken wir uns bei den Genossenschaften; wir bedanken uns für die gute Ar beit und unterstützen sie weiter.
Erlauben Sie mir noch eine lokal geprägte Schlussbemerkung – auch mit Blick auf den Präsidenten –: Genossenschaften bringen viele gute Dinge hervor. Gerade die Weingärtner- und Winzergenossenschaften im Land produzieren Produkte, die wir gern zu uns nehmen, ganz besonders auch bei uns in Ess lingen.
Bei dieser Gelegenheit noch ein kleiner Dank an das Minis terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz für die Initiative, dass seit letztem Jahr die Ökokontopunkte gesam melt und für die Finanzierung von Trockenmauern verwendet werden können.
In diesem Sinn wünsche ich den Genossenschaften eine gute Zukunft und uns auch weiterhin guten Wein und viel politi schen Erfolg bei der Unterstützung der Genossenschaften.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vorhin schon den Grundgedanken der Genossen schaften, wie ihn Friedrich Wilhelm Raiffeisen kurz und prä gnant formuliert hat, gehört: „Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele.“ Ich wiederhole diesen Satz gern, weil ich ihn selbst auch toll finde. Menschen schließen sich in Ge nossenschaften zusammen, weil sie bestimmte wirtschaftli che Ziele besser gemeinsam erreichen können als allein.
Dennoch galten Genossenschaften lange Jahre als Auslauf modell, als Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Diese öffentliche Wahrnehmung hat sich inzwischen Gott sei Dank geändert. Kein Finanzminister würde heute noch sagen, die GmbH & Co. KG sei die beste Gesellschaftsform, nachdem Staatshaus halte darunter leiden, dass steuerrechtliche Konstruktionen ih nen wichtige Einnahmequellen entziehen. Auch das Konzept der Shareholder-Value hat die Aktiengesellschaft in Verruf ge bracht, weil kurzfristige Gewinnmaximierung wichtiger war als der langfristige Bestand des Unternehmens und seiner Ar beitsplätze.
Die Landesregierung, der ich für die gute Beantwortung der im Antrag gestellten Fragen danke, hat deutlich gemacht, wel che Bedeutung die Genossenschaften für die baden-württem bergische Wirtschaft haben. Es gibt in unserem Land mehr Genossen als Aktionäre. Über Genossenschaften sind ein Drit tel der Baden-Württemberger an Unternehmen beteiligt. Eine Genossenschaft ist ein Unternehmen, bei dem die Eigentümer mit den Kunden identisch sind. Ziel ist eine langfristige Zu sammenarbeit, die von Unternehmerseite nicht aufgrund kurz fristiger Rendite- und Boni-Erwartungen und von Kundensei te nicht wegen kleiner Preisvorteile einfach aufgegeben wird.
Die größte ökonomische Bedeutung im Genossenschaftswe sen haben die Volks- und Raiffeisenbanken. 3,5 Millionen Kunden vertrauen in Geldangelegenheiten einer Genossen schaftsbank. Das ist kein Zufall; denn hier sind auch die klei nen Kunden willkommen. Genauso wenig ist es ein Zufall, dass gerade die Genossenschaftsbanken gut durch die Finanz krise gekommen sind, während anderswo die Zockerei zu Mil liardenverlusten geführt hat.
Die Genossenschaftsbanken sind ein Rückgrat unserer Wirt schaft. Ohne diese Banken hätten kleine und mittlere Unter nehmen größere Probleme, ihren Finanzbedarf zu decken und ihre Investitionen zu finanzieren. Es gehört daher zu unseren wichtigsten Aufgaben in der Wirtschaftspolitik, dem genos senschaftlichen Bankenwesen die Geschäftsgrundlage zu er halten. Es ist klar: Wir brauchen eine bessere Überwachung der Banken. Aber dies darf nicht dazu führen, dass die soli den Genossenschaftsbanken benachteiligt werden.
Wohnungsbaugenossenschaften haben nach dem Krieg ent scheidend dazu beigetragen, die Wohnungsnot zu lindern und
eine wachsende Bevölkerung kostengünstig mit Wohnraum zu versorgen. Wer den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in unserem Land rasch und spürbar bekämpfen will, wird diesen Sektor des Genossenschaftswesens wieder stärken müssen. Wohnungsbaugenossenschaften mobilisieren Sparkapital von Haushalten, von Menschen, für die eine eigene Wohnung im mer ein Traum sein wird, und bieten ihnen die Chance auf ein günstiges Dach über dem Kopf. Unsere Wohnungspolitik ist hier gefordert, und wir werden überlegen müssen, wie wir mit hilfe kommender Wohnungsbauprogramme weitere Anreize für den genossenschaftlichen Wohnungsbau geben können.
Die Landesregierung weist zu Recht darauf hin – Frau Lind lohr hat es schon deutlich gemacht –, dass Genossenschaften vor allem im Bereich der Energieversorgung gegründet wer den. Das ist ein wichtiger Hinweis. Denn der notwendige Um bau der Energieerzeugung wird nur gelingen, wenn er auf ei ne breite gesellschaftliche Basis gestützt ist.