(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Auch für den Landtag! – Zuruf des Abg. Thomas Marwein GRÜ NE)
Im Verkehrsministerium gibt es das Referat 55 – Rad- und Fußverkehr, Kommunale Verkehrskonzepte, Bürgerbeteili gung. Insofern wäre dies doch ein Ansatz, diese Prozesse für die eigenen Landesbehörden und eigenen Ministerien voran zutreiben.
Wir werden dem Beschlussantrag dennoch nicht folgen. Das wird Sie vielleicht etwas verwundern, da wir grundsätzlich – das haben wir auch beim runden Tisch deutlich gemacht – den Fahrradverkehr unterstützen. Aber wir haben bei den Haus haltsberatungen andere Vorschläge eingebracht, wie man die Mittel bei den Haushaltspositionen entsprechend einsetzen sollte. Deswegen wollen wir Ihnen jetzt keine Plattform da für bieten, dass Sie die Rechtfertigung finden, diese Haushalts mittel – die wir anders verteilt hätten – nach Ihren Vorstellun gen einzusetzen. Deswegen werden wir dieser Beschlussemp fehlung nicht folgen.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle zunächst einmal fest: Wir sind uns fraktionsübergreifend alle einig, dass das Fahrrad ein wichtiges Verkehrsmittel ist und dass wir im Bereich Radverkehr etwas tun müssen. Wir haben uns im Ko alitionsvertrag vorgenommen, Baden-Württemberg zu einem fahrradfreundlichen Land zu machen.
Radverkehr ist ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Ver kehrspolitik. Auch deshalb verfolgen wir das Ziel, den Anteil des Radverkehrs an der Zahl der zurückgelegten Wege auf 20 % zu steigern. Herr Kollege Marwein hat vorhin schon auf dieses Ziel hingewiesen. Gemäß der letzten Erhebung „Mo bilität in Deutschland“ lag Baden-Württemberg im Jahr 2008 aber lediglich bei einem Radverkehrsanteil von 8 %, was die Zahl der Wege betrifft. Unser Ziel bedeutet demnach mindes tens eine Verdopplung des Radverkehrsanteils.
Wir werden das Radwegenetz attraktiver und sicherer machen und es flächendeckend ausbauen. Wir werden für eine gute Beschilderung sorgen. Es ist uns bereits gelungen, einen ei genen Titel im Haushalt für den Bau von Radwegen an Lan desstraßen einzurichten und die GVFG-Förderung für Rad verkehr auf neue Füße zu stellen.
Wir haben im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ein Referat eingerichtet, das sich mit Rad- und Fußverkehr, kom munalen Verkehrskonzepten und Bürgerbeteiligung beschäf tigt. Wir haben natürlich auch Dienstfahrräder und Pedelecs angeschafft.
Radverkehrsförderung hat positive gesundheitliche und wirt schaftliche Effekte und ist extrem effizient. Mit geringem fi nanziellen Einsatz können große Effekte erzielt werden. Das zeigt sich z. B. in Karlsruhe. Dort ist es gelungen, durch eine gezielte Förderung den Radverkehrsanteil innerhalb von nur zehn Jahren von 16 % im Jahr 2002 auf 25 % im Jahr 2012 zu steigern, und das, obwohl auch dort der Anteil des Radver kehrs am Verkehrsetat deutlich geringer ist als der Anteil am Modal-Split.
Diese Entwicklung auf das gesamte Land zu übertragen – auch auf den ländlichen Raum –, das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Hierzu bedarf es noch einiger Anstrengungen.
Die erste Säule ist der Ausbau der Fahrradinfrastruktur. Dar auf gehe ich gleich noch ausführlicher ein.
Die zweite Säule ist das „Drumherum“, der Service, die Öf fentlichkeitsarbeit. Wir wollen ein gutes Klima für den Rad verkehr in Baden-Württemberg schaffen. Bausteine dabei sind z. B. der Radroutenplaner, unsere Initiative RadKULTUR, die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen usw. Auch das Thema „Verknüpfung des Radver kehrs mit anderen Verkehrsmitteln“ ist für uns ganz wichtig.
Die dritte Säule unserer Radverkehrspolitik ist das Thema Ver kehrssicherheit. Der Radverkehr spielt bei unserem Verkehrs sicherheitskonzept eine ganz wichtige Rolle. Denn wir wol len Radfahren nicht nur attraktiver, sondern auch sicherer ma chen.
Der Antrag, der heute zur Debatte steht, beschäftigt sich schwer punktmäßig mit der ersten Säule, dem Ausbau der Infrastruk tur. Hier ist festzustellen, dass Baden-Württemberg sehr gro ßen Nachholbedarf hat –
auch im Vergleich zu anderen Bundesländern, z. B. Nieder sachsen. Beim Grad der Ausstattung von Bundesstraßen mit Radwegen stehen wir im Länderranking auf Platz 16, bei den Landesstraßen auf Platz 12. So hat uns die Vorgängerregie rung den Radverkehr im Land übergeben.
Gleichzeitig haben wir eine schwierige Finanzsituation vor gefunden. Radwege wurden bislang aus den Straßenbautöp fen mitfinanziert. Für Landesstraßen ist festzustellen, dass die Mittel für bereits begonnene Maßnahmen gebunden waren und sind. Der derzeit größte Brocken ist der in Bau befindli che Tunnel in Schriesheim, und der hat nun einmal keinen straßenbegleitenden Radweg.
Auch bei den GVFG-Mitteln haben wir den Effekt, dass die Mittel in großem Umfang für bereits bewilligte und zum Teil
schon abgeschlossene Baumaßnahmen gebunden sind. Wir brauchen in den kommenden Jahren allein noch 120 Millio nen € aus den Mitteln des GVFG für Maßnahmen des Altpro gramms, das von 2006 bis 2010 lief. Wenn es also beispiels weise knapp ist, was die Mittelausstattung für Eisenbahnkreu zungsmaßnahmen angeht, liegt das nicht daran, dass wir Mit tel für den Ausbau von Radwegen verwenden, sondern daran, dass die Vorgängerregierung Mittel für die Zukunft schon in der Vergangenheit ausgegeben hat.
Herr Kollege Rapp, Sie müssen sich keine Sorgen machen: Wir kümmern uns auch um das Thema Bahnübergänge ganz intensiv.
Was den Bau von Radwegen an Landesstraßen betrifft, ist es, wie schon gesagt, gelungen, Mittel in einen eigenen Titel ein zustellen. Es ist uns auch im vergangenen Jahr gelungen, neue Projekte zu starten. Es waren sieben Projekte, und das Neue daran ist, dass wir jetzt Radwegelücken an bestehenden Lan desstraßen auch dann schließen, wenn kein Straßenausbau an steht.
Wir hatten die Debatte z. B. bei der L 608 in Durmersheim. Da wollte man mir zunächst weismachen, dass es nicht mög lich sei, einen Radweg zu bauen, ohne gleichzeitig die Straße auszubauen. Wenn wir aber auf den Straßenausbau gewartet hätten, müssten die Radfahrerinnen und Radfahrer noch lan ge auf der Landesstraße fahren. Das wäre auch unter Verkehrs sicherheitsaspekten nicht befriedigend. Durch das Loslösen des Radwegebaus vom Straßenausbau ist es gelungen, dieses Projekt noch im letzten Jahr zu realisieren und die Radwege lücke an dieser Stelle zu schließen.
Generell muss man bei den Angaben über Ausgaben für den Radwegebau berücksichtigen, dass der Radwegebau bisher immer ein Nebenprodukt des Straßenbaus war. Wir ändern das jetzt. Wir bauen nach den Bedürfnissen des Radverkehrs. Wir schauen darauf, dass das Radwegenetz geschlossen wird. Des wegen können wir die Mittel in Zukunft viel sinnvoller und effizienter ausgeben. Dazu dient der eigene Haushaltstitel, und dazu dienen auch die Arbeiten, die wir für die konzeptionel len Grundlagen im Radverkehr leisten.
Für Radwege an kommunalen Straßen und sonstige verkehrs wichtige Radwege haben wir im vergangenen Jahr eine neue Förderrichtlinie herausgegeben. Wir haben dabei die Baga tellgrenze abgesenkt, und wir haben erste Projekte anhand die ser Richtlinie gefördert. Es stehen 10 Millionen und künftig 15 Millionen € für die Radwegeförderung zur Verfügung dank der Umschichtung, die wir zugunsten des Umweltverbunds vorgenommen haben. Wir arbeiten in diesem Bereich natür lich sehr eng mit der kommunalen Ebene zusammen.
Auf der kommunalen Ebene ist das Interesse sehr groß. Wir haben deutlich mehr Anträge, als wir bedienen können. Allein mit dem letzten Programmaufruf haben uns 278 neue Förder anträge mit einem Fördervolumen von ca. 60 Millionen € er reicht.
Um auch in diesem Bereich zukünftig nach Dringlichkeit zu fördern und ein mehrjähriges Programm aufstellen zu können, brauchen wir ein klar definiertes Landesradwegenetz. Auch das fehlte bislang. Wir müssen aber wissen: Wo laufen die wichtigen Verbindungen? Wie sieht das Radverkehrsnetz in Baden-Württemberg aus? Wir können es uns nicht erlauben, Brüche zwischen den Landkreisen zu haben. Die Dichte des Netzes muss einheitlich sein, zumindest muss alles zusam menpassen und vergleichbar sein. Ein solches klar definiertes Netz fehlte bisher. Es ist aber eine ganz wichtige Grundlage für den Ausbau der Infrastruktur wie auch für die Beschilde rung und für verkehrsrechtliche Maßnahmen und damit auch für die Verkehrssicherheit.
Deshalb arbeiten wir auch in diesem Bereich sehr eng mit den Stadt- und Landkreisen zusammen und beziehen die Kennt nisse und Vorarbeiten des ADFC in die Erstellung eines lan desweiten Radwegenetzes mit ein.
Wir arbeiten unter Beteiligung von Expertinnen und Exper ten sowie mit einer breiten Bürgerbeteiligung an einem Lan desradverkehrsplan, wie ihn auch der vorliegende Antrag for dert. Dieser Plan soll die strategischen Ziele und Umsetzungs strategien für die nächsten zehn bis 15 Jahre enthalten, und zwar für alle genannten Säulen der Radverkehrspolitik.
Ich fasse zusammen: Die grün-rote Landesregierung nimmt das Fahrrad als Verkehrsmittel ernst. Wir werden den Radver kehrsanteil spürbar steigern und das Radfahren attraktiver und sicherer machen. Wir unterstützen Innovationen im Bereich Radverkehr, Stichwort Pedelecs. Wir arbeiten an einem Lan desradverkehrsplan und erstellen ein Landesradwegenetz. Wir schaffen die Grundlage für einen zielgerichteten Ausbau der Radinfrastruktur und das Erreichen der im Koalitionsvertrag genannten Ziele.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich als Antragsteller bei al len Rednerinnen und Rednern bedanken. Inhaltlich sind wir alle auf gleicher Linie.
Dass Sie den Beschluss offenbar nicht mittragen können, ver stehe ich nicht so ganz. Denn damit verpflichten wir, der Land tag, die Landesregierung, dieses Ziel zu erreichen. Da sollten wir alle zusammenarbeiten, für das Fahrrad, aber natürlich auch für alle anderen Verkehrsträger.
Wir brauchen einen gesunden Mix in der Verkehrspolitik; das ist ganz klar. Beim Fahrrad gibt es einen deutlichen Nachhol bedarf, und dem wollen wir gerecht werden.