Es sind ganz viele Punkte, die im Integrationsprozess wichtig sind: die Sprache, die Elternbildung, die schulische und die berufliche Weiterentwicklung. Deswegen kann eine Einbür gerung ein Schub und ein Bekenntnis sein und dazu beitra gen, dass man sich gleichwertig fühlt. Auch das ist selbstver ständlich wichtig. Aber es ist eben nicht alles.
Deswegen noch einmal: Lassen Sie uns den historischen Pro zess betrachten. Es ist ja gut, wenn Sie die Spielräume, die das Bundesrecht uns gibt, ausnutzen. Das ist völlig klar. Eine doppelte Staatsbürgerschaft liegt doch im Interesse der Men schen, wenn ein anderer Staat sie nicht aus ihrer eigenen Staatsbürgerschaft entlässt. Das ist völlig klar.
Dass es im Bereich des europäischen Rechts mit den Richtli nien, die umgesetzt wurden, eben einen anderen Integrations prozess gegeben hat und deswegen bei Schweizern und Bür gern von Staaten, die der EU angehören, regelhaft die Mehr staatigkeit hingenommen wird, ist doch auch eine große Er rungenschaft unserer Gesellschaft und unseres Staatswesens. Das ist völlig klar.
Aber dann lassen Sie uns doch nicht einfach plakativ sagen: „Jetzt müssen alle die doppelte Staatsbürgerschaft bekom men“, sondern lassen Sie uns an dem Prozess arbeiten, dass die Staaten Übereinkommen finden, wie das Ganze im gegen seitigen Einvernehmen geregelt wird.
Solange z. B. die Türkei das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit von 1997 nicht ratifiziert, kann
Ich halte es auch nicht für schlimm, 23-Jährige aufzufordern: „Bekennt euch, ob ihr die deutsche Staatsbürgerschaft haben wollt oder nicht.“
Wo liegt denn da das Problem? Wir freuen uns darüber, und sie sind willkommen, wenn sie sagen: „Jawohl, wir optieren dafür.“ Die ersten Zahlen, die uns hierzu vorliegen – seit letz tem Jahr laufen ja die entsprechenden Auswertungen –, zei gen, dass der Großteil dieser Menschen sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden hat; nur 2 % haben sich dage gen entschieden. Das ist doch ein Riesenerfolg in der Integ ration in Deutschland.
Deswegen: Lassen Sie uns eher schauen, wie wir die Integra tionsprozesse für die Menschen in Baden-Württemberg wei ter voranbringen, wie wir die Kommunen bei der Integrati onsarbeit unterstützen, wie wir das Thema Integrationsverein barung in den Kommunen voranbringen. Letzteres wird er reicht, indem klare Verträge geschlossen werden, in denen festgehalten ist: „Was ist deine Erwartung? Du willst eine Ar beitsstelle haben. Du willst irgendwann die deutsche Staats bürgerschaft bekommen. Du brauchst Wohnraum.“ Das muss mit den Beteiligten organisiert werden. Auf der anderen Sei te kann man den Integrationswilligen dann sagen: „Du be kommst einen Sprachkurs, du bekommst einen Integrations kurs. Wir unterstützen dich in der Kinderbetreuung.“ Das sind doch die wichtigen Themen für die Menschen vor Ort. Wenn dies gewährleistet ist, fühlen sie sich integriert und angenom men.
Frau Öney, Ihre Aussage, Eingebürgerte seien erfolgreicher, stimmt natürlich, weil sich diese Menschen zuvor schon auf den Integrationsweg gemacht haben, sich angestrengt haben
und gesagt haben: „Ich will in diesem Land etwas erreichen. Ich will mich einbringen. Ich will für meine Familie, für die Gesellschaft einstehen. Ich will versuchen, hier eine Arbeits stelle zu bekommen, zu arbeiten, fleißig zu sein und mich in diese Gesellschaft einzubringen.“ Deswegen sind Eingebür gerte erfolgreicher.
Lassen Sie uns auf dem Weg vorangehen, zu schauen, was wir als Baden-Württemberger tun können, um diese Menschen zu unterstützen. Ich denke, man sollte aufhören, die alten Plat ten bezüglich der Bundespolitik abzuspielen. Vielmehr soll ten wir uns um die Menschen in diesem Land kümmern. Da sind viele schon viel weiter als wir in der Politik.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Herr Lasotta, Sie haben gerade angesprochen, dass man vieles in der Integrationsarbeit auf kommunaler Ebene ma chen müsste. Ich kann Ihnen sagen: Die Kommunen machen hier bereits vieles. Unser Anliegen ist, dass das Land die Kom munen dabei unterstützt.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Geben Sie den Kommunen mehr Geld!)
Ich kann Ihnen auch sagen, dass sich die Leute an uns wen den, eben weil sie eine Verbesserung bei der Einbürgerung wollen, weil sie Erleichterungen bei der Einbürgerung wol len. Das ist nicht etwas, wovor wir einfach davonlaufen und was wir einfach an die Bundesebene verweisen. Vielmehr wol len wir das hier in Baden-Württemberg aufgreifen. Wir wer den das auch auf die Ebene des Bundesrats weitertragen.
Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen kom men, nämlich auf die Frage der Fachkräfte. Es ist auch im In tegrationsausschuss oft die Rede davon, dass wir hoch quali fizierte Personen anwerben und nach Deutschland, nach Ba den-Württemberg holen wollen, weil wir sie in der Zukunft verstärkt für unsere Betriebe brauchen, weil sie hier arbeiten sollen, weil wir ihre Leistung und ihre Kenntnisse brauchen. Ich sage Ihnen: So, wie Sie an die Frage der Staatsbürgerschaft und der Einbürgerung herangehen, tragen Sie nicht dazu bei, dass Deutschland ein attraktives Einwanderungsland wird.
(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Die Zahlen steigen doch! Das haben Sie doch vorhin selbst gesagt! – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Die Zuwanderungs zahlen steigen!)
Herr Glück, ich sage es noch einmal: Ich habe es nicht ge sagt, aber Sie dürfen es gern weiter verbreiten.
Ich möchte noch einmal das Beispiel der jungen Türkin auf greifen, die sich an Frau Grünstein gewandt hat. Sie haben das kommentiert mit dem Satz: „Sie wird ihren Weg machen.“ Da frage ich Sie: Sind Sie sich da so sicher?
Wenn Frau Grünstein sie unterstützt, vielleicht. Aber die Frage ist, warum wir solche Dinge wie anonymisierte Bewer bungsverfahren nötig haben.
Dort müssen wir helfen. Wir müssen auch ein attraktives An gebot machen, damit diese Personen bei uns im Land bleiben und sich auch weiterhin mit Deutschland identifizieren – auch wenn sie ins Ausland gehen.
Da sind wir bei einem anderen Thema, nämlich dem interna tionalen Arbeitsmarkt. Für viele Menschen, gerade für dieje nigen, die eine doppelte Staatsangehörigkeit haben, ist es at traktiv, international, in verschiedenen Ländern, tätig zu sein. Es ist deshalb auch eine Frage – –
Eben. Aber warum wollen Sie den Menschen, die diese Möglichkeit haben, Steine in den Weg legen, indem Sie die sen einen Pass abnehmen? An uns wenden sich Personen, die sagen: „Wir arbeiten für deutsche Unternehmen im Ausland“, die einen Migrationshintergrund haben und auf ihre erste Staatsbürgerschaft nicht verzichten wollen. Diese Menschen leben hier, sie wollen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie weisen eine hohe Identifikation mit ihrem Land auf. Aber wenn sie ihre erste Staatsangehörigkeit beibehalten, haben sie massive Probleme bei Reisen, bei Visaanträgen und, und, und.
Es ist zu fragen, wie wir diesen Menschen helfen. Ich glaube nicht, dass wir ihnen helfen, indem wir sie vor die Wahl im Sinne eines Entweder-oder stellen.
Dass das von Ihnen erwünschte Optionsmodell kein guter Weg ist, habe ich Ihnen vorhin schon aufgezeigt. Es ist auch des halb kein guter Weg, weil die doppelte Staatsangehörigkeit im Prinzip schon der Regelfall ist. Ich habe Ihnen die Zahlen vor hin genannt. Sie können das weiterhin abtun und sich an die Illusion klammern, dies sei eine Ausnahme. Aber es hat sich gezeigt, dass in den vergangenen zehn Jahren in mindestens 25 % der Einbürgerungsverfahren doppelte Staatsangehörig keit hingenommen wurde.
Alles, was Sie damit erreichen, wenn Sie an diesem Options modell festhalten, ist, dass Sie die Menschen dazu treiben, weitere Ausnahmen zu suchen, Umgehungswege zu suchen, um sich doch noch in den Besitz einer doppelten Staatsange hörigkeit zu bringen.
So war es in der Vergangenheit. Die Menschen der sogenann ten Gastarbeitergeneration haben das gemacht. Jahrelang war es gang und gäbe, dass z. B. türkische Staatsangehörige, die einen deutschen Pass beantragt haben, zunächst ihre türkische Staatsangehörigkeit abgegeben und diese später wieder erwor ben haben. Das ist einfach die Realität. Sie werden sie nicht dadurch abschaffen, dass Sie so tun, als gäbe es sie nicht.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lie be Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, die vorherige Landesregierung hätte im Bereich Integration nichts gemacht. Jetzt einmal ganz ehrlich: Sie wissen, dass das anders ist. Ich entgegne Ihnen: Sie haben nichts extra gemacht, und dafür sind Sie zu teuer.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ge nau! Richtig!)
Ich möchte hier noch einmal die Frage stellen – gerade wur de wieder betont, wir würden uns an der Optionspflicht fest klammern –: Wer hat die Optionspflicht überhaupt eingeführt? Das waren doch Sie von Rot-Grün, meine sehr geehrten Da men und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rich tig! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Und warum? Und warum? – Zuruf des Abg. Florian Wahl SPD)