Protocol of the Session on November 15, 2012

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten bei der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich jetzt Herrn Innenminister Gall das Wort.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Herr Drexler, sind kurze Hosen hier überhaupt zulässig?)

Das wäre unparlamentarisch. Ich würde jeden hinausschi cken, der hier in kurzen Hosen hereinkommt. Das ist klar. Deswegen wundert mich die Debatte auch etwas.

Das Wort hat der Herr Innenminister.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der wäre früher oh ne Krawatte hinausgeschickt worden! – Zuruf: O tempora, o mores!)

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Ich möchte mich zuerst – damit ich es am Schluss nicht vergesse – ganz herzlich für die durchaus breite Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf bedanken. Ich glaube, bereits im Rahmen der ersten Lesung und der Diskussionen im Innenausschuss wurde dies deutlich.

Ich denke, uns ist es mit diesem Gesetzentwurf gelungen, un ser Polizeigesetz den rechtlichen und tatsächlichen Verände rungsprozessen anzupassen und es an den Stellen weiterzu entwickeln, an denen es ganz einfach erforderlich gewesen ist.

Wie gesagt, ich freue mich darüber, dass auch die Opposition diesen Anpassungs-, Veränderungs- und Regelungsbedarf sieht und dass sie ihre Zustimmung heute signalisiert hat. Das erlebt man ja insbesondere bei einem solch schwierigen Ge setz mit wirklich wesentlichen Inhalten unsere innere Sicher heit betreffend nicht alle Tage.

Wir alle wissen, meine Damen und Herren, dass unser Poli zeigesetz, aber auch die entsprechenden Gesetze anderer Län der, heutzutage in weiten Teilen von den polizeilichen Befug nissen zur Gewinnung und Nutzung von Informationen ge prägt sind; das ist schlicht und ergreifend erforderlich. Infor mationsgewinnung und Informationsverarbeitung sind we sentliche Bestandteile unserer Arbeit, der Arbeit der Polizei, der Arbeit der Sicherheitsbehörden insgesamt, um Sicherheit im Land zu gewährleisten.

Mir ist aber der Hinweis wichtig, dass Informationsgewin nung und -verarbeitung keine Selbstzwecke der Sicherheits behörden sind, sondern erforderlich sind, damit die Polizei dem Auftrag zum Schutz unserer Bevölkerung in einem im mer enger zusammenwachsenden Europa gerecht wird.

Eine effektive Gefahrenabwehr, meine Damen und Herren, ohne vorausgehende Gefahrenaufklärung und ohne die Ver arbeitung der Informationen, die man durch diese Aufklärung gewinnen kann, ist heute nicht mehr denkbar.

Andererseits – da sind wir uns in nicht geringen Teilen dieses Hauses einig – weist die Verfassung dem Thema Datenschutz und der Verwendung der Daten einzelner Personen einen au ßerordentlich hohen Stellenwert zu. Unsere Kunst im Parla ment – die Kunst derer, die die Verantwortung tragen; das ist nicht nur die Regierung, sondern auch das Parlament – muss es sein, die entsprechende Balance zu halten. Ich habe den

Eindruck – sonst würden Sie Ihre grundsätzliche Zustimmung nicht geben –, dass uns dies gelungen ist.

Selbstverständlich gab es auch Themen – eines haben Sie, Herr Throm, genannt –, bei denen wir unterschiedlicher Auf fassung sind. Es gab aber auch Themen, bei denen wir in Nu ancen andere Auffassungen haben; ich sagte ausdrücklich „in Nuancen“.

Sie, Herr Kollege Throm, haben das Thema „Regelung zu ei nem Alkoholkonsumverbot“ angesprochen: Ich will da aus meinem Herzen keine Mördergrube machen – es ist völlig le gitim, dass Sie, die Opposition, da den Finger in die Wunde legen – und sage: Da habe ich mich mit meiner Auffassung nicht durchsetzen können. Ich sehe es anders; überhaupt kei ne Frage.

Trotzdem lege ich großen Wert darauf, dass ich heute nicht in kurzen Hosen vor Ihnen stehe. Ich habe große Zweifel daran, dass dies irgendjemanden in diesem Haus in Ekstase bringen würde; deswegen habe ich es gleich bleiben lassen.

(Heiterkeit – Abg. Alexander Throm CDU: Davon habe ich auch nicht gesprochen!)

Ich hätte es jedenfalls, Herr Throm, trotzdem für angemessen empfunden, wenn Sie wenigstens mit einem einzigen Wort, mit einem einzigen Satz auf die positiven Veränderungen, die Sie allesamt mittragen, eingegangen wären und sich Ihr Re debeitrag zu dieser wichtigen Novellierung des Polizeigeset zes nicht nur mit diesem Thema beschäftigt hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Alexander Throm CDU: Wenn ich mehr Re dezeit gehabt hätte, wäre das kein Problem gewesen!)

Ich will ausdrücklich ergänzen, was Kollege Sckerl gesagt hat: Wenn wir unsere Verfassung ernst nehmen, dann sollten Sie bei diesem Thema den Kommunen keinen Sand in die Augen streuen und nicht die Hoffnung wecken, dass eine entspre chende Änderung des Polizeigesetzes ein Allheilmittel für die Mehrzahl der Kommunen unseres Landes hätte sein können. Die Größenordnung bewegt sich in der Tat in dem Umfang, wie ihn Kollege Sckerl dargestellt hat. An allem anderen hin dert uns schlicht und ergreifend die Verfassung. An allem an deren hindert uns das Mäßigungsgebot in unserem Land. Da darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Das ge hört bei diesem Thema ganz einfach zur Wahrheit dazu.

Ich will damit sagen: Beispielsweise das Problem, Herr Throm, bei Ihnen in der Stadt Heilbronn in der Nähe meines ehemaligen Büros am Neckar hätten wir auch mit einem Al koholkonsumverbot nicht beseitigen können.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ja!)

Da sind Sie vor Ort entsprechend gefordert. Das will ich ein fach erwähnen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Facebook-Partys!)

Meine Damen und Herren, im Innenausschuss haben wir auch über eine präventivpolizeiliche Befugnis zur Aufzeichnung von Telefongesprächen diskutiert. Ihr Kollege Blenke hat da zu entsprechende Argumente ins Feld geführt. Wir haben uns

seinerzeit ausgetauscht. Da Sie dieses Thema heute nicht er wähnt haben, gehe ich davon aus, dass die Gegenargumente durchaus so gewichtig waren, dass Sie sich nicht zu einem Änderungsantrag veranlasst gesehen haben. Ich will das The ma heute trotzdem erwähnen. Ich sage gleich noch, warum ich es heute noch einmal selbst erwähnen möchte.

Ich halte, Stand heute, die bestehenden Vorschriften für aus reichend.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Fachleute – auch aus den Reihen der Polizei – halten sie üb rigens auch für ausreichend, Kollege Zimmermann, weil der fachliche Bedarf – das will ich schon auch sagen – für eine solche Regelung nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist. Deshalb habe ich nicht davon gesprochen, dass alles vollum fänglich in Ordnung sei, sondern davon, dass die bestehenden Vorschriften, Stand heute, ausreichen. Ein Bedarf ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Allerdings würde sich – das haben wir im Ausschuss deutlich machen können – eine sol che Befugnis, Stand heute, eigentlich nur auf bestimmte Aus nahmen auswirken können.

Sicherlich: Es gibt Fälle – insbesondere bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, bei politisch motivierter Ge walt –, bei denen die Überwachung von Telefongesprächen in einem frühen Stadium erforderlich sein könnte. Aber da ist – das wissen die Fachleute allemal – eine Aufzeichnung von Te lefongesprächen nach den Vorschriften der Strafprozessord nung – § 100 – zur Strafverfolgung bereits möglich – natür lich unter der Voraussetzung, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine schwere Straftat be gangen hat. Zu diesen schweren Straftaten gehört dann schon die Vorbereitung z. B. einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Wir haben also schon heute entsprechende Möglich keiten.

In anderen Fällen, über die wir im Ausschuss diskutiert ha ben, beispielsweise die Androhung eines Amoklaufs oder ei ner Geiselnahme, kann bei Vorliegen eines entsprechenden Anfangsverdachts, Stand heute, schon frühzeitig eine Über wachung der Telekommunikation nach den Vorschriften der Strafprozessordnung vorgenommen werden.

Ich glaube allerdings, Herr Throm – deshalb habe ich das The ma heute selbst noch einmal angesprochen –: Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, dass sich Kommunikation insgesamt immer mehr in den virtuellen Raum verlagert, muss dies wie der ein Thema sein und müssen wir uns erneut damit ausein andersetzen.

Daran wird schon deutlich: Auch diese Novellierung unseres Polizeigesetzes wird nicht auf lange Zeit festgeschrieben sein. Vielmehr wird sich bei der Verbrechensaufklärung, bei der Verbrechensbekämpfung immer wieder Bedarf zur Verände rung ergeben – so, wie sich die Gesellschaft insgesamt wan delt. Deshalb wird es auch immer wieder eine Anpassung des Polizeigesetzes geben müssen, und wir reagieren dann ent sprechend darauf.

Es sei mir aber gestattet, wenigstens stichwortartig noch drei, vier wesentliche Punkte anzusprechen, warum es notwendig gewesen ist, dieses Gesetz jetzt, im November dieses Jahres, zu novellieren.

Es geht in der Tat darum, drei Rechtsakte der Europäischen Union umzusetzen. Es geht darum, die bestehenden Befug nisse zur Erhebung von Telekommunikationsdaten an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen und die entsprechende Regelung, die im Gesetz bisher befris tet ist, zu entfristen.

Ich glaube, viele haben uns nicht zugetraut, dass wir, die grünrote Landesregierung, dies tun werden. Aber wir machen es, weil es richtig ist.

Wir erweitern auch – das hat der Kollege Sakellariou erwähnt – die Zuständigkeit z. B. bei der Blutentnahme nach dem In fektionsschutzgesetz. Das ist eine außerordentlich wichtige Maßnahme zum Schutz unserer Polizeibeamtinnen und Poli zeibeamten.

Wir erweitern – auch darüber haben wir hier bei der zurück liegenden Novellierung strittig diskutiert – den absoluten Schutz von Berufsgeheimnisträgern auf Rechtsanwälte. Das war ein wesentliches Anliegen auch ihrer Berufsverbände.

Wir optimieren die verfahrensrechtlichen Regelungen zum Gewahrsam, und wir schaffen eine Rechtsgrundlage für den präventivpolizeilichen Einsatz von Vertrauenspersonen.

Das alles sind Regelungen, die man Grün-Rot nicht von vorn herein zugetraut hat. Aber wir stellen damit unter Beweis: Wir sind im Bereich der inneren Sicherheit nicht nur handlungs fähig, sondern wir verbessern die innere Sicherheit in unse rem Land Schritt für Schritt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ergänzend und abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich noch darauf hinweisen, dass in dieses Gesetzes vorhaben auch eine Änderung aus dem Bereich des Personen standsrechts integriert worden ist. Das Personenstandsrechts reformgesetz vom 19. Februar 2007 ermächtigt die Länder zu entsprechenden Regelungen. Wir vollziehen diese Ermächti gung nun insbesondere, wenn es um die Übermittlung perso nenbezogener Daten an andere Stellen als Standesämter geht. Von dieser Ermächtigung machen wir mit diesem Gesetz jetzt Gebrauch.

Meine Damen und Herren, auch wenn Sie es bereits signali siert haben, bitte ich Sie, unserem Gesetzentwurf in der vor liegenden Fassung zuzustimmen und die Änderungsanträge der Opposition abzulehnen.

Ich bedanke mich ausdrücklich und ganz herzlich für die kon struktive Diskussion im Plenum und in den Ausschüssen hin sichtlich der Novellierung der beiden Gesetze.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weite ren Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 15/2434. Abstimmungsgrundlage ist die Be schlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 15/2486. Der Innenausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetz entwurf zuzustimmen.

Ich rufe auf

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