Protocol of the Session on October 24, 2012

Nun gibt es aber – diesen Aspekt möchte ich noch einmal be leuchten – 78 Millionen € mehr vom Bund. Teilweise wollen es die Länder nicht, weil sie sagen: zu hohe Bürokratie.

Meine Damen und Herren, die Vereinbarung wurde am 16. August dieses Jahres beschlossen, und an den Auszah lungsbedingungen hat sich seither nichts geändert. Auch für Fördermittel des Landes für Investitionen, an Unternehmer usw. ist ein Nachweis über die Mittelverwendung erforder lich. Das ist verfassungsrechtlich und haushaltstechnisch ge boten. Wenn es hier Missverständnisse gibt, müssen wir uns alle an einen Tisch setzen, die Länder und der Bund.

Ich fordere Sie, die Landesregierung, auf, diesen Weg zu be schreiten. Auch wir werden mit dem Bundesfamilienministe rium, Herr Dr. Mentrup, Gespräche führen.

Frau Boser, Sie hatten gesagt, die CDU mache Politik gegen die Familien, oder so ähnlich. Ich möchte Ihnen nur sagen: Das Landeserziehungsgeld hat nicht die CDU gestrichen, son dern Grün-Rot. Das muss man auch einmal betonen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Staatssekretär, Sie hatten gesagt, dass die Vorgängerre gierung bereits mit der Qualitätsoffensive Bildung einen gro ßen Schritt in die richtige Richtung gegangen ist. Ich möchte nur noch in Erinnerung rufen: Setzen Sie diese damalige Qua litätsoffensive Bildung konsequent um. Gemeinsam mit PIA sind wir dann auf einem richtigen Weg und schaffen es auch, unseren Fachkräftebedarf zu decken.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Unsere Unterstüt zung haben Sie; das wissen Sie. Im Schulausschuss diskutie ren wir oft intensiv. Aber ich denke, wir sind uns einig: Kin der und Familien gehen vor.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Boser.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben kein Problem mit Mittelverwendungsnachweisen, aber wenn es jetzt zu derar tigen Änderungen kommt, dass diese Nachweise monatlich erbracht werden müssen und nicht mehr vierteljährlich, bringt das für das Land und auch für die Kommunen enorme neue Hürden mit sich, sodass diese Bedingungen am Ende nicht unbedingt erfüllt werden können.

Zudem hat Frau Ministerin Schröder für den Fall, dass die Fördermittel bis zum 31. Dezember 2012 nicht zu mindestens 96 % abgerufen worden sind, angekündigt, dass diese Förder töpfe dann gekürzt werden und die nicht abgerufenen Mittel an die anderen Bundesländer verteilt werden. Hiergegen weh ren sich die Länder, und sie wehren sich zu Recht.

Eine Bemerkung zu Herrn Dr. Kern: Natürlich gehören die Tageselternvereine bei uns auch dazu. Das haben wir immer wieder betont. Sie spielen bei uns genau die gleiche Rolle. Wir

müssen aber auch da schauen, wie wir es schaffen, mehr Ta gesmütter und Tagesväter in die Tageselternvereine zu bekom men. Denn die Zahl der Tageseltern war in den vergangenen Jahren immer annähernd konstant; es gab kein Auf und Ab. Wir liegen nach wie vor auf dem gleichen Niveau. Da braucht es Veränderung.

Noch eine Bemerkung zu Herrn Wald: Ich habe nicht davon gesprochen, dass Sie Politik gegen Familien machen würden. Vielmehr habe ich davon gesprochen, dass Sie derzeit falsche Prioritäten setzen. Wenn Sie auf der einen Seite so vehement das Betreuungsgeld im Bund verteidigen, dann müssen Sie auf der anderen Seite auch vehement den Ausbau der Kinder tagesplätze voranbringen, damit es am Ende auch tatsächlich zu einer Wahlfreiheit kommt. Denn diese Wahlfreiheit gibt es derzeit nicht. Wir sind der Auffassung, es muss erst einmal Wahlfreiheit bei den Kinderbetreuungsplätzen geschaffen wer den, bevor wir am Ende über ein Betreuungsgeld überhaupt diskutieren können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte un ter Punkt 2 der Tagesordnung beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Schaffung einer grundgesetzkonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwah rung in Baden-Württemberg – Drucksache 15/2450

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Justizminister Sti ckelberger.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Er steht schon am Rednerpult!)

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich darf heute den Gesetzentwurf zur Sicherungsver wahrung einbringen.

(Unruhe)

Herr Präsident!

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diejenigen, die vorhin gesprochen haben, müssten jetzt darauf achten, dass auch die nachfolgenden Redner Ru he haben. Insofern würde ich einfach darum bitten, dass die Gespräche nach außerhalb des Plenarsaals verlegt werden, so dass man dem Herrn Minister zuhören kann. – Bitte.

Vielen Dank. – Mei ne Damen und Herren, mit seinem Urteil vom Mai des letz ten Jahres hat das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen der Sicherungsverwahrung für mit dem Grund gesetz nicht vereinbar erklärt. Zugleich hat es den Bund und die Länder verpflichtet, spätestens bis zum 31. Mai 2013 ein

freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln.

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu klare Vorgaben for muliert. Dem Bund hat es aufgegeben, die wesentlichen ma teriell-rechtlichen Regelungen zu schaffen und die Leitlinien für den Vollzug vorzugeben, und die Länder sind jetzt aufge rufen, den Vollzug der Sicherungsverwahrung mit eigenstän digen Rechtsgrundlagen zu regeln und insbesondere das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Abstandsgebot und die intensive Behandlung und Betreuung der Untergebrach ten zu berücksichtigen und durch das Gesetz zu gewährleis ten.

Damit bundesweit einheitliche Standards gewährleistet sind, hat die Justizministerkonferenz eine Länderarbeitsgruppe ein gerichtet, in die wir uns eingebracht haben. Diese hat entspre chende Mustervorschläge für die relevanten Regelungsberei che erarbeitet. In diesen Mustervorschlägen können wir uns vonseiten des Landes Baden-Württemberg in hervorragendem Maß wiedererkennen. Deshalb können wir uns mit unserem Gesetzentwurf weitgehend an diese Mustervorschläge an schließen.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf setzt also die Vorschläge der Arbeitsgruppe in Gesetzesform um und nimmt gewisse Anpassungen vor, wo es länderspezifisch für unsere badenwürttembergischen Verhältnisse notwendig ist. Große Spiel räume verbleiben uns allerdings unter dem Strich nicht, weil uns die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sehr konkret und ins Einzelne gehend vorgeben, was wir zu regeln haben. Dabei nutzen wir die Spielräume natürlich dafür, die Interes sen der Untergebrachten einerseits und die Interessen der Ge sellschaft, insbesondere in Bezug auf Sicherheit, andererseits miteinander in Einklang zu bringen.

Der Gesetzentwurf enthält folgende wesentliche Punkte – die se müssen in Zukunft bundesweit Standard sein –: die Ver pflichtung zu einem intensiven Behandlungsvollzug auf ho hem fachlichen Niveau, eine angemessene Unterbringung und Versorgung der Betroffenen, professionelles Übergangsma nagement und Nachsorge sowie eine wirksame Rückfallprä vention. Das sind die vier wesentlichen Elemente, die in un serem Gesetzentwurf Berücksichtigung gefunden haben. Oberstes Ziel dieses Gesetzentwurfs ist natürlich der Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern.

Der Gesetzentwurf soll daher verdeutlichen, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung gerade auf die Minderung der Ge fährlichkeit dieser Straftäter hinwirkt. Er muss allerdings auch dem verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch der Unterge brachten auf Resozialisierungsmaßnahmen Rechnung tragen, die zu einem straffreien Leben in sozialer Verantwortung be fähigen sollen.

Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass es sich hierbei um Täter handelt, die schwerste Straftaten begangen haben, die allerdings ihre Strafe verbüßt und somit dem Strafanspruch des Staates Genüge getan haben und die, weil sie weiterhin gefährlich sind, in dieser Sicherungsverwahrung untergebracht werden müssen.

Der Entwurf setzt konsequent die vom Bundesverfassungsge richt vorgegebene Verpflichtung zu einem freiheits- und the rapiegerichteten Vollzug um, und zwar für die gesamte Dau

er der Sicherungsverwahrung, indem ein Anspruch auf wis senschaftlich fundierte Behandlungsmethoden normiert wird. Durch intensive und individuelle Therapie und Motivation soll den Betroffenen eine realistische Entlassungsperspektive ge boten werden, soweit dies irgendwie möglich ist. Dazu gehört in dieser Phase natürlich auch die Förderung von Außenkon takten.

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf dem Umstand Rechnung trägt, dass die Untergebrachten kei ne Strafe mehr verbüßen. Deshalb werden Einschränkungen des Alltagslebens im Abstand zum Strafvollzug auf das Un umgängliche reduziert, wobei die Sicherheit und Ordnung der Vollzugsanstalt natürlich gewährleistet sein müssen.

Eine Arbeitspflicht für die Untergebrachten wird mit diesem Gesetz nicht vorgeschrieben. Sie kennen den Strafvollzug in Baden-Württemberg. Wir haben an dieser Stelle in den Dis kussionen gelegentlich deutlich gemacht, dass wir ein hervor ragendes Arbeitswesen in den Strafvollzugsanstalten haben und ein großer Teil der Gefangenen auch arbeitet. An diesem grundsätzlichen Anspruch halten wir fest. Dies bietet Gefan genen die Möglichkeit, einen strukturierten Gefängnisalltag zu erreichen und sich durch geregelte Arbeit ein Stück weit auf ihre Entlassung vorzubereiten.

Diese Arbeitspflicht können wir aus verfassungsrechtlichen Gründen für die Sicherungsverwahrten nicht gesetzlich vor schreiben. Die Vollzugsanstalten sollen aber in jedem Fall sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten. Dabei sind wir in Baden-Württemberg ganz gut aufgestellt.

Zu den Beschäftigungsmöglichkeiten, damit die Unterge brachten nach ihrer Entlassung in der Arbeitswelt bestehen und auch legal für ihren Lebensunterhalt sorgen können, ge hören natürlich auch schulische und berufliche Bildungsan gebote.

Zur Umsetzung des Abstandsgebots, das ich bereits erwähnt habe, werden Arbeitsvergütung, Ausbildungsbeihilfe und Ta schengeld gegenüber dem Strafvollzug erhöht.

Unser Gesetzentwurf normiert allerdings auch schon für Straf gefangene mit angeordneter und vorbehaltener Sicherungs verwahrung einen Anspruch auf Behandlung sowie auf früh zeitige Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, wenn eine solche Behandlung angezeigt ist. Die Gefangenen, die sich noch in Strafhaft befinden und denen die Sicherungsver wahrung bevorsteht, sollen in einem frühen Stadium auf die se Resozialisierungsmöglichkeiten mit einer Entlassungsper spektive vorbereitet werden. Wir meinen, das ist die beste Form des Schutzes der Öffentlichkeit und der Prävention.

Meine Damen und Herren, im Anhörungsverfahren haben sich keine wesentlichen Einwände ergeben. Der Entwurf wurde durchweg positiv aufgenommen, und soweit Änderungsvor schläge zu Detailfragen eingegangen sind, haben diese die Es senz des Entwurfs nicht mehr verändert. Viele dieser Vorschlä ge haben wir aufgegriffen und berücksichtigt. Morgen wer den wir im Ständigen Ausschuss noch Gelegenheit haben, das eine oder andere Detail zu besprechen.

Wie steht es nun mit der Umsetzung? Wir haben in BadenWürttemberg bereits die Weichen in Richtung der tatsächli chen Ausführung gestellt. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Justizvollzugsanstalt Freiburg eine Konzeption entwickelt,

die neben der verbesserten Unterbringung der Betroffenen in einem eigenen Gebäude auf dem Anstaltsgelände insbeson dere den Ausbau der Behandlung beinhaltet. Diese Konzepti on, die definitiv bis Ende Mai nächsten Jahres umgesetzt sein muss, haben wir bereits in wesentlichen Teilen umgesetzt. Die meisten der knapp 70 in der Sicherungsverwahrung Unterge brachten werden in therapeutisch ausgerichteten Wohngrup pen behandelt und betreut.

Das umgebaute Gebäude entspricht modernen vollzuglichen Standards und ermöglicht in baulich-organisatorischer Hin sicht die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben und damit na türlich auch die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfas sungsgerichts.

Die Unterbringung wird in Einzelzimmern erfolgen, und wir streben weiter an, Behandlungs- und Wohngruppenkonzepte stufenweise durchzuführen, also eine Unterbringung in Wohn gruppen zu ermöglichen, um hier keine Vereinzelung in einer haftähnlichen Situation zu schaffen.

Sie wissen, dass wir dafür Stellen insbesondere für Psycholo gen und Sozialarbeiter im Haushalt geschaffen haben, damit der Standard, den wir erreichen müssen, dem einer sozialthe rapeutischen Anstalt vergleichbar ist. Das gilt für die Justiz vollzugsanstalt Freiburg und auch für die Justizvollzugsan stalt Bruchsal, in der sich die Gefangenen befinden, die an schließend noch in Sicherungsverwahrung kommen. Diese personelle Verstärkung ist bereits im Haushalt abgebildet.

Sie wissen, dass entsprechende Mittel bereitstehen. Die Mit tel für die personelle Aufstockung belaufen sich auf etwa 700 000 € und die Mittel für die bauliche Umgestaltung auf etwa 500 000 €. Die Mittel sind, wie gesagt, schon im Haus halt 2012 etatisiert.

Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, dass wir mit diesem Entwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsge richts konsequent, aber auch mit Augenmaß umsetzen und den Vollzug der Sicherungsverwahrung künftig auf eine verfas sungsmäßige Grundlage stellen. Ich bin sicher, dass der Ge setzentwurf auch weitgehend Zustimmung finden wird.