Protocol of the Session on October 24, 2012

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist der eigentliche Stein des Anstoßes nicht der Bericht darüber, wo und wie die KitaPlätze entstanden sind, sondern eine damit verbundene Erhe bung des tatsächlich bestehenden Bedarfs. Hier stellt sich für meine Fraktion schon die Frage: Warum scheut die grün-rote Landesregierung an dieser Stelle Transparenz?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Fehlanzei ge!)

Natürlich kann es passieren, dass Baden-Württemberg viel leicht einmal keinen Medaillenrang belegt, anders als dies im Schulbereich – noch – der Fall ist. Aber gerade weil BadenWürttemberg insgesamt – das haben Sie zu Recht angespro chen – von einer niedrigen Betreuungsplatzquote aus gestar tet ist, gilt es doch, seine Leistungen relativ am Fortschritt zu messen.

Die Angelegenheit mag im Grunde auch ein verkorkstes Ver hältnis der grün-roten Landesregierung zu Leistung und Leis tungsmessung offenbaren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Leistung misst und vergleicht man deshalb, weil man Stärken und Schwächen identifizieren und Letztere dann aufarbeiten kann.

Zum Schluss möchte ich noch zwei Punkte ansprechen:

Erstens: Qualität geht vor Geschwindigkeit. Der FDP/DVPFraktion ist es wichtig, dass beim U-3-Ausbau vor allem auf die Qualität geachtet wird.

Zweitens: Vergesst die Tageseltern nicht!

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Diese Betreuungsform hat ihre Stärken in Flexibilität

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

und Individualität.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir Liberalen treten dafür ein, die Form der Betreuung durch Tageseltern als gleichwertig anzuerkennen und entsprechend zu fördern.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Mentrup das Wort.

Herr Präsident, Kolle ginnen und Kollegen! Gern nehme ich für das Kultusministe rium und die Landesregierung zu diesem Thema Stellung.

Ich möchte mit Folgendem beginnen, sehr geehrter Herr Wald: Bei der Begründung, warum wir überhaupt über diese Inves titionsprogramme sprechen und den U-3-Bereich noch etwas weiter auffächern, geht es nicht nur darum, dass auch Frauen ein Anrecht bekommen sollen, sich beruflich weiterzuqualifi zieren, überhaupt beruflich weiter tätig bleiben zu können. Vielmehr hat das von der Logik her auch etwas damit zu tun,

dass man das ursprüngliche Erziehungsgeld, das insgesamt drei Jahre ausgezahlt wurde, auf zwölf plus zwei Monate El terngeld reduziert hat. Deshalb stand die Bundesregierung im letzten Jahrzehnt vor der Aufgabe, zu erklären, wie es an schließend weitergehen soll.

Daher geht es an dieser Stelle auch um den unmittelbaren kau salen Zusammenhang zwischen einem Rechtsanspruch mit der Vollendung des ersten Lebensjahrs und einer staatlichen Transferleistung zur Unterstützung von Familien, die eben nach zwölf bzw. 14 Monaten aufhört. Das ist eigentlich die Grundlage all dieser Diskussionen, weil der Staat in der Pflicht steht, eine durchgängige Förderung der Familien sicherzustel len. Das ist an dieser Stelle auch wichtig.

Wichtig ist ferner, dass es eben nicht nur darum geht, dass die Frauen oder auch die Männer weiter berufstätig sein sollen. Vielmehr geht es auch darum, dass unser Rentensystem, un ser Versorgungssystem es zunehmend erforderlich macht, möglichst lange eigene Einzahlungszeiten zu erreichen. Wenn Sie sich die entsprechende Versorgung nach Scheidungen oder nach dem Tod eines Ehepartners, einer Ehepartnerin anschau en, wenn Sie vergleichen, wie sie heute gewährleistet wird und wie sie ursprünglich einmal gewährleistet wurde, dann merken Sie, dass man ohne eigene Rentenansprüche große Gefahr läuft – sofern das Ehepaar nicht immer zusammen bleibt oder zusammenbleiben kann –, von Altersarmut bedroht zu werden. Daher hat das Thema „Frühzeitige Aufnahme der Beschäftigung“ auch etwas mit Sozialpolitik zu tun und ist ein Instrument gegen Altersarmut. Auch das ist in diesem Zusam menhang wichtig.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Die wirtschaftspolitischen Aspekte sind genannt. Aber ich will noch einmal auf eines hinweisen. Es gibt gute Studien, die sehr deutlich machen: Je länger man wegen einer Familien phase aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, umso schwie riger wird es von der Qualifikation her, aber auch, was die Be zahlung und die mögliche Karriere betrifft, wieder einzustei gen. Und es wird insgesamt noch schwieriger, wenn man nur eine niedrige Qualifikation oder einen niedrigen Abschluss hat, über zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen doch noch den Anschluss zu bekommen. Daher hat das Ganze nicht nur unter dem Aspekt des Fachkräftebedarfs, sondern auch unter dem Aspekt einer möglichst optimalen Förderung und einer größtmöglichen Abbildung von Talenten, Fähigkeiten und Qualifikationen der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer etwas mit Wirtschaftspolitik zu tun.

Ich kann es jetzt noch um den bildungspolitischen Aspekt er gänzen. Da möchte ich Sie wirklich einladen, das Thema „Wahlfreiheit zwischen Erziehung zu Hause und Erziehung und Bildung in einer Kindertagesstätte“ vielleicht doch ein mal unter folgendem Aspekt zu betrachten: Die Familie ist für das Kind immer die am stärksten prägende Umgebung, aber eine zusätzliche institutionelle oder auch andere Kinderbe treuung außerhalb des Hauses ist ein zusätzliches Bildungs- und Erziehungsangebot, das auch für die Kinder deutlich et was bringt, die von Haus aus gut versorgt sind.

Deswegen lassen Sie uns bitte aufhören, an dieser Stelle im mer von dem Entweder-oder zu sprechen. Stattdessen sollten wir sagen: Jeder sollte die Möglichkeit haben, frühzeitig be

ruflich wieder einzusteigen; aber jeder sollte auch die Mög lichkeit haben – egal, ob er sie nutzt oder nicht –, sein Kind an dieser zusätzlichen Bildungschance teilhaben zu lassen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Kein Vorwurf an Sie. Das hat mit Ihnen jetzt nichts mehr zu tun, Herr Wald. Entschuldigung.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Wenn Sie sich dann jedoch die Anreize durch das Betreuungs geld anschauen, stellen Sie fest, dass genau an dieser Stelle ein falscher Anreiz gesetzt wird. Denn es wird immer der Ein druck erweckt, es ginge nur um ein Entweder-oder, und es wird nicht diskutiert und erkannt, dass in jedem Fall eine in stitutionelle Betreuung bzw. eine außerhäusliche Betreuung – ich will die Tageseltern ausdrücklich hinzunehmen – ein zu sätzliches Bildungsangebot ist, das auch den leistungsstarken Kindern hilft, das aber natürlich für die Kinder umso wichti ger ist, die von Haus aus keine entsprechende Begleitung und Förderung bekommen.

Daher ist das Betreuungsgeld fatal. Unter dem scheinbaren Argument einer Wahlfreiheit wird sozialpolitisch, wirtschafts politisch, bildungspolitisch und für die mögliche Entwicklung der einzelnen Personen – ich meine sowohl das Kind als auch den Elternteil – der falsche Anreiz gesetzt. Ich möchte dazu einladen, dass wir das einmal gemeinsam in dieser Gesamt komplexität diskutieren und vor allem dem Bund gegenüber spiegeln.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Jetzt kommen wir zu den Zahlen, die hier schon heftig disku tiert wurden. Dem Land Baden-Württemberg stehen aus der ersten Tranche der Kinderbetreuungsfinanzierung 2008 bis 2013 297 Millionen € zur Verfügung. Bei den Regierungs präsidien sind bisher schon Anträge in Höhe von insgesamt 343 Millionen € eingegangen. Entscheidend sind jedoch am Ende der Bewilligungszeitpunkt und die Bewilligungssum me.

(Zuruf: Genau!)

Die Bewilligungssumme liegt schon bei 278 Millionen €. Da mit sind bereits heute 93,7 % der Baden-Württemberg zuste henden Mittel über Bewilligungen gebunden. Daher hätten wir auch überhaupt keine Probleme mit der Forderung der Bundesregierung, bis Ende des Jahres für 90 % schon eine Be willigung nachzuweisen. Denn wir liegen mit den 93 % heu te schon darüber.

Wenn die Auszahlung – ich glaube, Herr Dr. Kern hat es an gesprochen – im Moment nur bei 55 % der Mittel liegt, dann hat das etwas damit zu tun, dass zwischen der Bewilligung und der Auszahlung erst einmal gebaut werden muss.

(Zuruf: Genau!)

Deshalb schrecken uns diese 55 % überhaupt nicht. Wir sind sicher, dass die verantwortlichen Träger es schaffen werden, bis zum 31. Dezember 2013 auch den Bau abzuwickeln und die Abrechnung vorzunehmen. Insofern ist entscheidend, dass

93,7 % der zur Verfügung stehenden Mittel durch Bewilligun gen gebunden sind, und nicht die Höhe der aktuell schon ab gerufenen Mittel.

Am Antragsvolumen von 343 Millionen € können Sie jedoch ablesen, dass wir dringend zusätzliches Geld brauchen, um dieses Programm weiterzuführen. Da sind diese 78 Millio nen € für Baden-Württemberg eine ganz wichtige Ergänzung. Aber auch an dieser Stelle ist deutlich festzustellen, dass die se 78 Millionen € nicht aufgrund der Erkenntnis des Bundes bereitgestellt werden, dass wir hier mit den vorgegebenen Mit teln nicht ausreichend zurechtkommen, sondern sie resultie ren aus einer klaren politischen Aushandlung im Zusammen hang mit dem Fiskalpakt. Daher sollte Frau Schröder den Län dern jeden Tag dafür die Füße küssen, dass die Länder es er reicht haben, hier noch zusätzliches Geld des Bundes abzuru fen,

(Zuruf des Abg. Georg Wacker CDU)

und ihr hiermit die peinliche Erkenntnis im nächsten Sommer ersparen, dass alles hinten und vorn nicht ausreichend berech net war. Stattdessen überzieht sie uns aber mit Forderungen nach zusätzlichen Berichtspflichten und vielen anderen Ab rechnungsmodalitäten. Das ist das, was die Länder an dieser Stelle – und zwar parteiübergreifend – ärgert und was sie auch zu Recht als unzumutbar bezeichnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Da, werter Herr Kollege Wald, geht es überhaupt nicht dar um, dass irgendein Bundesland etwas dagegen hätte, eine sachgerechte Verwendung der Mittel nachzuweisen.

Für die Investitionen im Rahmen des Investitionsprogramms 2008 bis 2013 ist in einer zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung ausgehandelten Verordnung genau fest gelegt, zu welchen Zeitpunkten es welche Berichtspflicht gibt.

Es kann nicht sein, dass Frau Schröder beispielsweise im Mai oder Juni sagt, sie wolle bis Ende September zusätzliche Be richte, sonst werde sie die Auszahlung der Mittel stoppen. Das kann sie gar nicht. Deswegen ist dieses Ultimatum verpufft, ohne dass irgendetwas passiert wäre. Sie kann zwar sagen: „Die Verordnung, die wir damals gemeinsam beschlossen ha ben, möchte ich aufheben und neu verhandeln.“ Sie kann aber nicht von sich aus einfach Elemente dieser gemeinsam ver einbarten Verordnung plötzlich für nichtig erklären und zu sätzliche Bedingungen stellen. Darum geht es.

Nach der derzeitigen Vorlage möchte man über die Bewilli gung der zusätzlichen Mittel in Höhe von 78 Millionen € für Baden-Württemberg bzw. in Höhe von 580 Millionen € bun desweit noch zusätzliche Berichtspflichten auch für das zu rückliegende Programm einführen, und zwar zum Teil Be richtspflichten, die wir nur unter Betrachtung jedes Einzelfalls und einer erneuten Eingabe jedes Einzelfalls in eine neue Sta tistik überhaupt bewältigen können. Das ist Schikane und hat mit einem angemessenen Umgang als gleichwertige Partner in der Umsetzung dieses Programms nichts zu tun.