Protocol of the Session on October 10, 2012

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Dr. Schmidt-Eisenlohr das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schütz, mit der Bologna-Reform wurde ein zweigliedriges System an unseren Hochschulen ein geführt. Die Abschlüsse heißen heute Bachelor und Master und sind deutschlandweit und international endlich vergleich bar.

Wie Sie wissen, wurde mit dieser Reform aber nicht nur der Titel geändert, sondern wurden auch die Struktur und die Cur ricula geändert. Es geht also nicht nur um den Titel. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie eigentlich nur den Titel verändern, ohne die entsprechenden Strukturen anzupas sen.

(Abg. Katrin Schütz CDU: Ergänzend!)

Sie wollen einen zugegebenermaßen gefälligen, weil altbe kannten Titel, ein Etikett wieder aus der Schublade ziehen und auf neue, geänderte Strukturen kleben. Eine solche Umetiket tierung ohne eine vernünftige Umstrukturierung macht kei nen Sinn.

Die Bologna-Reform war ein echter Kraftakt für alle Betei ligten, insbesondere für unsere Hochschulen, weil es eben nicht nur ein neues Etikett war, sondern weil die Veränderun gen tief in die Strukturen gegangen sind. Anfangs hat das zu viel Verunsicherung geführt, zu viel Verunsicherung bei den Betroffenen, bei den Lehrenden und den Studierenden, aber auch bei den Arbeitgebern am Markt. Es war wichtig, diese Reform mit den klaren Zielen, Transparenz zu schaffen und auch international eine Übersichtlichkeit zu gewährleisten, durchzuziehen, um sowohl deutschlandweit als auch interna tional vergleichbar zu sein.

Dieses Ziel ist, Stand heute, erreicht. Bachelor- und Master abschlüsse aus Baden-Württemberg sind inzwischen interna tional anerkannte Siegel. Es sind Etiketten, die zum Inhalt pas sen; Bachelor und Master an unseren Hochschulen sind Eti ketten, mit denen sich überhaupt niemand verstecken muss. Sie sind genauso eine Marke geworden, wie es der DiplomIngenieur war.

Jetzt frage ich mich: Was ist Ihr Ziel, wenn Sie nun ergänzend zu Bachelor- und Masterabschlüssen den Titel „Diplom-Inge nieur“ wieder aus der Tasche ziehen? Welche zusätzliche Chance für die Absolventen wollen Sie denn schaffen? Was für einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt soll das bringen? Mir erscheint das zunächst einmal als eine Rolle rückwärts, die auf der Hälfte gestoppt wird. Ich kann darin keinen Sinn er kennen.

(Beifall bei den Grünen)

Eine Wiedereinführung des Diplomtitels würde erneut Ver wirrung und Verunsicherung bringen und in der Konsequenz insbesondere die Chancen unserer Bachelorabsolventen mas siv schwächen. Genau diese Bachelorabsolventen sind in der Industrie und vor allem bei unserem Mittelstand sehr gefragt. Genau um die geht es.

Ist Ihnen eigentlich klar, wenn Sie hier so stark argumentie ren, wer das wirklich fordert? Die Universitäten vertreten ei ne klare Position. Aber ist Ihnen eigentlich klar, dass die meis ten Ingenieurabsolventinnen und -absolventen von der Dua len Hochschule und den Fachhochschulen kommen? Ist Ih nen klar, dass von dort die meisten Bachelorabsolventen kom men, dass sie alle sofort einen Arbeitsplatz bekommen und dringend in der Industrie gebraucht werden?

Mit der Wiederbelebung des Titels „Diplom-Ingenieur“, den Sie, wie Sie gerade gesagt haben, dem Master zuschreiben, degradieren Sie diese hervorragenden Abschlüsse an unseren Hochschulen. Wenn Sie deren Abschlüsse abwerten, erweisen Sie den Einrichtungen, aber vor allem den Studierenden und den Betrieben einen echten Bärendienst.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Katrin Schütz CDU: Er hat es nicht verstanden!)

Kurzum: Wenn der Master zum Diplom wird, wie Sie es ge sagt haben, wird der Bachelor zum Vordiplom. Damit wäre

das Ziel der gesamten Bologna-Reform komplett ad absur dum geführt.

(Abg. Katrin Schütz CDU: Ich glaube, Sie haben nicht zugehört!)

Doch, ich habe genau hingehört. Wenn Sie heute beantra gen, den ehemaligen Diplomtitel der Ingenieurinnen und In genieure auf die Studiengänge neu aufzukleben, dann ändern Sie lediglich das Etikett, aber den Inhalt verändern Sie nicht mehr, weil das Studium eines Diplom-Ingenieurs auch ganz anders aufgebaut war, als es heute der Bachelor- und der Mas terstudiengang sind.

Die Bologna-Reform hat mit Bachelor und Master klare und vergleichbare Abschlüsse geschaffen. Deren Umsetzung und Weiterentwicklung und die Qualität des Studiums stehen für uns an erster Stelle. So schaffen wir nämlich gerechte Chan cen für alle Absolventinnen und Absolventen – regional und international, egal, ob Bachelor oder Master.

Im Übrigen: Die Arbeitgeber wollen den Bachelor, und Sie können heute noch einmal in der Presse lesen, was die Arbeit geberverbände dazu sagen.

(Zuruf von den Grünen: Hört, hört!)

Die wollen den Diplom-Ingenieur nicht mehr haben. Also tun Sie bitte nicht so, als ob das von allen gefordert würde. Viel mehr ist dort, wo die Menschen hinterher arbeiten, das Votum ganz klar: Bachelor und Master. Das wollen wir so haben. Wir wollen keine Rolle rückwärts.

Zusammengefasst: Für uns zählt der Inhalt, nicht das Etikett.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Rivoir.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ist das auch ein Bachelor? – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Er ist Diplom-Ingenieur!)

Genau. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir jetzt in Österreich wären, dann hätten Sie mich als „Herr Diplom-Ingenieur Rivoir“ ansagen müssen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Herr Oberingeni eur!)

Insofern, meine Damen und Herren, bei aller Wertschätzung und Loyalität zur Regierung und zur Ministerin: Dass ich in einer Stellungnahme lesen muss, die Reputation des DiplomIngenieurs werde überschätzt, hat mich doch schwer getrof fen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Unglaub lich!)

Das einmal als kleine Vorbemerkung.

Meine Damen und Herren, ich will zu Beginn einfach noch einmal etwas klarstellen, weil auch in Presseerklärungen, die

heute kursieren, glaube ich, ein paar Dinge durcheinanderge worfen werden. Niemand hat die Absicht, diese BolognaStruktur, die Bachelor- und Masterstruktur zurückzuentwi ckeln und daran irgendetwas zu ändern. Sie ist akzeptiert; es ist ein Prozess, der über unsere Hochschulen gegangen ist, den unsere Hochschulen mit viel Energie, mit viel Kraft, mit viel Engagement hinter sich gebracht haben. Niemand will da et was ändern. Das muss an dieser Stelle so festgestellt werden.

(Abg. Katrin Schütz CDU: Genau! Danke! Einer, der zuhört!)

Festgestellt werden muss aber auch, dass auch das etwas gilt, was heute Mittag schon ein Thema war, nämlich die tätige Reue. Ich kann mich schon erinnern, wie in den letzten zehn Jahren dieser Prozess auch hier im Wissenschaftsausschuss vorangetrieben worden ist und es gerade auch die damalige Regierung war, die da massiv Gas gegeben und auch auf War nungen nicht gehört hat. Vielleicht hätte an der einen oder an deren Stelle auch damals schon ein Innehalten gutgetan, und vielleicht hätten wir die heutige Diskussion nicht, wenn man sich frühzeitiger – wie auch wir schon vor fünf, sechs Jahren mehrfach angemahnt haben – darüber unterhalten hätte, ob man den Titel „Diplom-Ingenieur“ trotz des Bologna-Prozes ses erhalten kann.

Der vierte Punkt ist der folgende: Heute hat mich durch Zu fall ein Brief von Herrn Professor Hippler erreicht, dem Prä sidenten der deutschen Hochschulrektorenkonferenz. Er – das muss man auch sagen – ist der Präsident der Universitäten und der Fachhochschulen. Er spricht also für beide Hochschular ten.

Er schreibt in diesem Brief an die Kultusministerkonferenz, der mir als Kopie vorliegt, er bitte darum, die Verleihung des Titels „Diplom-Ingenieur“ für die Bachelor- und für die Mas terabschlüsse nochmals zu prüfen und zu diskutieren.

(Zuruf der Abg. Katrin Schütz CDU)

Ich will hier nicht von einer Wiedereinführung dieses Titels reden. Es geht einfach darum, dass mit „Wiedereinführung“ so getan wird, als ob wir etwas Rückwärtsgewandtes tun woll ten, als ob wir wieder Strukturen ändern wollten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wie bei G 9!)

Ich habe es schon gesagt: Das wollen wir nicht. Wir wollen nur die Hochschulen in die Lage versetzen, ihren Absolven ten sowohl beim Bachelor- als auch beim Masterabschluss den Titel „Diplom-Ingenieur“ zu verleihen. Diese Initiative der Hochschulrektorenkonferenz wird von uns begrüßt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Katrin Schütz CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, trotzdem: Freuen Sie sich nicht zu früh.

(Abg. Katrin Schütz CDU: Jetzt machen Sie sich nicht wieder unbeliebt!)

Ich denke, es geht in der Tat nicht, dass wir einen Alleingang in Baden-Württemberg machen, sondern wir unterstützen die

se Forderung der Hochschulrektorenkonferenz. Ich denke, die KMK wird in der nächsten Zeit darüber diskutieren. Deswe gen gibt es keine baden-württembergischen Alleingänge in diesem Punkt, sondern wir müssen alle zusammen im Dialog mit den Betroffenen, mit den Verbänden, mit den Ingenieurs verbänden, eine bundesweite Lösung finden. Deswegen kön nen wir heute dem Beschlussteil Ihres Antrags leider noch nicht zustimmen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das ist aber schade! Lassen Sie uns doch ein Zeichen setzen und Vorrei ter sein! – Abg. Katrin Schütz CDU: Das ist aber schade!)

Langsam. – Wir werden die Hochschulrektorenkonferenz, Herrn Professor Hippler in dieser Sache unterstützen. Wir wollen, dass die Verleihung dieses Titels wieder ermöglicht wird.

Ich will noch einen Punkt hinzufügen: Es heißt in der Tat Bo logna-Prozess. Ein Prozess ist eine dynamische Angelegen heit, eine Sache, bei der man sich auf einem Weg befindet; da bei kann man auch einmal erkennen, dass eine Fehlentwick lung vorliegt. Wir erkennen in der Abschaffung der Verlei hung des Titels „Diplom-Ingenieur“ eine Fehlentwicklung.

(Abg. Claus Paal CDU: Da könnt ihr doch zustim men!)