Protocol of the Session on October 10, 2012

Wir sind da durchaus sehr fantasievoll. Wir sehen das jetzt am Genehmigungsverfahren für die Gemeinschaftsschulen. Die örtliche Ebene ist deutlich weiter. Die Bürgermeister reden ja miteinander, sie machen selbst Vorschläge, wie man Schüler ströme zusammenbringen kann.

Wie kann das ablaufen? Das Gesetzgebungsverfahren erfolgt bis etwa Mitte nächsten Jahres. Ich rechne damit, dass wir dann tatsächlich zum Schuljahr 2014/2015 flächendeckend über das ganze Land die entsprechenden Planungen abge schlossen haben. Das kann sehr schnell gehen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ihre Frage ging aber in die Richtung: Was macht ihr denn jetzt eigentlich mit all den Neuerrichtungen, mit den Neugenehmi gungen, während die Planungen noch nicht abgeschlossen sind? Das ist eine ganz wichtige Erwägung, die wir selbstver ständlich auch angestellt haben. Klar ist, dass wir die Maßstä be, die wir letztlich dann im Abschluss an diesen Planungs prozess anlegen,

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

die Maßstäbe zu Schulgrößen – Zweizügigkeit, Mindestschü lerzahl –, auch jetzt schon bei den Genehmigungen von neu en Schulen anwenden werden, einfach um zu einem fairen und strukturierten Prozess zu kommen.

Vielen Dank. – Eine Zusatzfrage, Herr Abg. Mack.

Frau Ministerin, Sie haben heu te zum ersten Mal ein Gesetz angekündigt, auf dessen Basis Schulschließungen möglich sein sollen, also ein „Schulschlie ßungsgesetz“ für Baden-Württemberg.

(Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: Zu billig! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Oje! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Das ist die Kurzform!)

Ich verstehe den Grund Ihrer Erregung.

(Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a.: Nichts verstanden!)

Jetzt habe ich in der Zeitung gelesen, dass die Regierungs fraktionen vor der Sommerpause beschlossen hätten, dass wei terführende Schulen, die keine 40 Schüler pro Klassenstufe zusammenbringen, geschlossen werden sollen. Erstens: Wird das diesem „Schulschließungsgesetz“ zugrunde gelegt? Und zweitens: Gilt das dann auch für die Gemeinschaftsschulen, von denen jetzt eine erste Tranche beschlossen wurde? Denn dort gibt es sehr viele Schulen, deren Schülerzahl pro Klas senstufe zwischen 20 und 30 liegt.

Bitte, Frau Ministerin.

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie wirk lich bitten, bei den Fakten zu bleiben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich wiederhole das, was ich gesagt habe. Wir werden eine re gionale Schulentwicklungsplanung anstellen, die letztlich ein Planungsprozess ist, um zu betrachten, wie wir in BadenWürttemberg eine leistungsfähige Schulinfrastruktur nachhal tig und mittelfristig, das heißt mindestens über die nächsten zehn Jahre, sichern können. Diese Planung werden wir anstel len und werden das Ganze, damit der Bürger genau weiß, was passiert, gesetzlich verankern. In diesem Prozess werden wir uns gemeinsam mit den Schulträgern und allen Beteiligten al le Schulstandorte anschauen und zu dem Ergebnis kommen, an welcher Stelle eine Schule entsteht oder welche Schule er halten bleibt; ganz einfach.

(Abg. Winfried Mack CDU: Dann geht es doch um Schulschließungen!)

Um es noch einmal deutlich zu machen: Mit einer integrier ten weiterführenden Schulform – einer Gemeinschaftsschule oder aber auch Verbundschullösungen – können wir – das hat bereits Herr Bargel vor einigen Jahren ausgerechnet – die meisten Schulstandorte im ländlichen Raum halten oder, an ders ausgedrückt, für die meisten Gemeinden im ländlichen Raum eine weiterführende Schulart halten. Es wird jetzt eine Frage des Prozesses vor Ort sein, was als Ergebnis heraus kommt.

Es ist klar, dass Sie, wenn Sie nur noch kleinste Schuleinhei ten haben – es geht nur um den weiterführenden Bereich –,

(Abg. Peter Hauk CDU: Wie definieren Sie den? – Abg. Volker Schebesta CDU: 39 sind kleinste Ein heiten!)

die Pädagogik nicht mehr abbilden können, die Sie brauchen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Pädagogik kann ich immer abbilden!)

Nein, Sie können die Ausdifferenziertheit nicht abbilden, Herr Röhm. Das wissen Sie genau.

Das bedeutet immer, dass letztlich auch die örtliche Gemein schaft keine Sicherheit über den Schulstandort hat. Diese Si cherheit stellen wir her. Wir werden gemeinsam mit den Kom munen die Entscheidungen sorgfältig angehen, damit wir ei ne gute, sichere Schulstruktur in Baden-Württemberg halten. Damit beantworten wir eine Frage, an die Sie sich bisher nicht herangetraut haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Frau Abg. Boser, Zu satzfrage.

Frau Ministerin, können Sie in diesem Zusammenhang noch etwas dazu sagen, wie sich die Situation der Haupt- und Werkrealschulen in diesem Bereich in den vergangenen Jahren entwickelt hat und wie die aktuel le Situation bei der Einrichtung von fünften Klassen an den Werkrealschulen ist, was für Auswirkungen dies auch für das örtliche Bildungsangebot hat, wenn hier nicht eine Verände rung mit eingebracht wird?

Bitte, Frau Ministerin.

Ich will das gern beantworten. Die An meldezahlen an den Werkrealschulen und Hauptschulen sind kontinuierlich zurückgegangen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist ja völlig überraschend!)

Das hat etwas damit zu tun, dass einfach die Menschen in diesem Land – –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Weil Sie sie kaputt gemacht haben!)

Wir haben gar nichts kaputt gemacht. Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Menschen in diesem Land – das sind nämlich die Abnehmer, das sind die Kunden von

Schulen – sich nicht zwingen lassen, eine Schule zu besuchen. Die haben nämlich einen freien Willen und nehmen sich tat sächlich die Freiheit, ihre Kinder an der Schule anzumelden, die sie für gut halten

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

oder von der sie sich versprechen – um es zu präzisieren,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

damit es nicht wieder heißt, ich hätte gesagt, die Werkreal schulen seien schlecht –, dass ihre Kinder zumindest die Chan ce auf einen mittleren Schulabschluss, einen Realschulab schluss haben, ohne die Schule zu verlassen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dafür gibt es ja die Realschule!)

Das ist Fakt. Unsere Aufgabe als Bildungspolitiker ist es, das Schulsystem so weiterzuentwickeln, dass es den Kundenwün schen entspricht. Darum geht es.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Also ohne Haupt schulabschluss!)

Wie hat sich das bei der Werkrealschule entwickelt? Wir hat ten in der Vergangenheit zurückgehende Schülerzahlen. So konnten im letzten Schuljahr 19 % der Haupt- und Werkreal schulen keine eigenständige fünfte Klasse mehr bilden. Dann haben wir die verbindliche Grundschulempfehlung aufgeho ben. Heute sind es etwa ein Viertel der Werkrealschulen, die aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen keine eigenstän dige fünfte Klasse mehr bilden konnten.

Das bedeutet, es ist natürlich ein Trend verstärkt worden. Aber dieser Trend war ohnehin da und ist keineswegs erst ausge löst worden. Die Gesellschaft in Baden-Württemberg verän dert sich eben auch.

Eine weitere Zusatzfra ge, Herr Abg. Dr. Kern.

Frau Ministerin, Sie haben ausgesagt, dass es bisher keinen regionalen Schulentwick lungsplan gegeben hätte. Ist Ihnen bekannt, dass z. B. im Or tenaukreis eine Schulentwicklungsplanung stattfindet? Kön nen Sie sich vorstellen, dass dies so, wie es dort organisiert ist, auch Modellcharakter für andere Landkreise in BadenWürttemberg hat? Wie beurteilen Sie ganz allgemein – wenn Ihnen das bekannt ist – die Schulentwicklungsplanung im Or tenaukreis?

Danke.

Bitte, Frau Ministerin.

Selbstverständlich sind mir kommunale Bildungspläne bekannt. In meiner alten Funktion als Bil dungsbürgermeisterin habe ich solche selbst vorgelegt.

Es ist selbstverständlich klar, dass sich jeder, der vor Ort Ver antwortung für die Infrastruktur, für das Gemeinwesen in sei nem Land- oder Stadtkreis trägt, Gedanken über die Schul

struktur macht. Wir werden all die Erwägungen, die in der Re gel mit den Staatlichen Schulämtern zusammen auf den Weg gebracht werden, selbstverständlich mit einbeziehen.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich mir z. B. sehr gewünscht hätte, dass sich auch die kommunalen Landesverbände offen siver in diesen Prozess eingeschaltet hätten. Die kommunale Kompetenz hinsichtlich der Schulstruktur, das Sonderwissen der Kommunen muss unbedingt in diesen Prozess einbezogen werden.