Protocol of the Session on October 10, 2012

Die Zahl der Eingangsklassen ist unkalkulierbar geworden, gerade weil es in den Eingangsklassen an den Realschulen und Gymnasien mehr Schüler zu Beginn des neuen Schuljah res gegeben hat, obwohl wir einen demografischen Wandel haben. Auch dies ist eine Auswirkung der Beschlüsse der neu en Landesregierung. Aber die Privilegierung der Gemein schaftsschule hat natürlich auch Auswirkungen auf andere Schulstandorte. Vor allem dort, wo diese Gemeinschaftsschu len entstehen, sind in besonderem Maß die Nachbarkommu nen betroffen.

Der Ministerpräsident hat auf einer Regierungspressekonfe renz am 17. Juli dieses Jahres in aller Deutlichkeit ein Kon zept der regionalen Schulentwicklung angekündigt. Dieses soll im Oktober beschlossen und verkündet werden. Dabei hat er sehr deutlich betont – Zitat –:

Das wird natürlich zu Schulschließungen führen.

Er hat die Einzügigkeit infrage gestellt und auch deutlich ge sagt, dass Konzentrationen auf dem Land unabdingbar seien.

Meine Damen und Herren, deswegen möchten wir von der zu ständigen Ressortministerin wissen, inwieweit es jetzt schon ein Konzept der regionalen Schulentwicklung gibt. Wir haben bereits Oktober. Insofern warten alle im Land – vor allem die betroffenen Kommunen – darauf, dass entsprechende Leit planken gezogen werden.

Aufgrund der Aussagen des Ministerpräsidenten kann man den Eindruck haben, diese Landesregierung wolle vor allem die kleinen Schulstandorte in den ländlichen Räumen zer schlagen. Dieses Konzept werde zu Schulschließungen füh ren, sagte der Ministerpräsident bei seiner Pressekonferenz am 17. Juli dieses Jahres in aller Deutlichkeit.

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Das ist eine Fragestun de! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Keine Tratschstun de!)

Dies hat natürlich vorrangig Auswirkungen auf die Einspa rungen; denn der Ministerpräsident hat in diesem Zusammen hang auch gesagt, damit wolle man die Einsparung von rund 11 000 Lehrerstellen erbringen.

Frau Ministerin, ich frage Sie: Wie weit sind Sie mit der Er arbeitung eines Konzepts der regionalen Schulentwicklung? Haben Sie dabei auch die relevanten Partner einbezogen, näm lich die Kommunen, die Vertreter vor Ort, die Wirtschaft, die Eltern und die Lehrerverbände? Was ist Ihr konkretes Ziel? Geht es darum, möglichst große Schuleinheiten zu schaffen mit dem Ziel, kleine Schulstandorte zu zerschlagen, oder wol len Sie – was zielführender wäre – regionale Strukturen schaf fen und dabei insbesondere die Besonderheiten des ländlichen Raums berücksichtigen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte eine Bemerkung machen. Wir haben keine Fragestunde, sondern eine Regierungsbefragung. In den Richtlinien steht, dass die Abgeordneten bis zu drei Minuten lang Bemerkungen voranstellen können, um zur Frage zu kommen. Ich sage das nur deshalb, damit alle auf dem glei chen Informationsstand sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Volker Schebesta CDU: Genau!)

Das Wort hat jetzt Frau Kultusministerin Warminski-Leitheu ßer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Es ist richtig, dass wir die regionale Schul entwicklungsplanung im Land in Angriff nehmen werden. Es wird eine gesetzliche Regelung geben, die festschreibt, wie dieser Prozess vonstattengeht.

Um es explizit zu sagen, Herr Wacker: Es wird nicht so sein, dass wir, das Land, ein fertiges Konzept zum Umgang mit Schulstandorten erstellen. Vielmehr werden wir einen Prozess beschreiben, der klare Zuständigkeiten beinhaltet und in den selbstverständlich in einem qualifizierten Beteiligungs- und Diskussionsprozess alle Betroffenen einbezogen werden. Wir werden einen Prozess beschreiben, der letztlich dazu führt, dass man in den Regionen – übrigens nicht nur im ländlichen Raum, sondern in allen Regionen – zu klaren Entscheidungen kommt, wie mittelfristig eine gute Schulstruktur insbesonde re im weiterführenden Bereich aussehen soll; denn in diesem Bereich haben wir doch folgende Fakten:

Es zeigen sich zurückgehende Schülerzahlen, und es zeigt sich ein verändertes Schulübergangsverhalten. Das bedeutet – die Zahlen sind nicht neu –, dass klar ist und eigentlich immer schon klar war, dass wir, wenn wir weiterführende Schul standorte gerade im ländlichen Raum erhalten wollen, Ent scheidungen darüber zu treffen haben, wie dies konkret aus sehen kann.

Um einmal Zahlen zu nennen: Im aktuellen Schuljahr haben etwa 25 % der Haupt- und Werkrealschulen keine eigenstän dige fünfte Klasse mehr gebildet.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das hat etwas mit dem Organisationserlass und der Anwendung von Ihnen zu tun!)

Das hat auch etwas damit zu tun, dass einfach immer weniger Kinder da sind.

Es liegt auf der Hand, dass man Antworten darauf finden muss, wie wir gerade im ländlichen Raum eine pädagogisch leistungsfähige und vor allem gut erreichbare Schulstruktur erhalten können. Es ist klar – das steht im Bargel-Gutachten, das ist aber auch eine Erwägung des gesunden Menschenver stands –, dass man, wenn man das dreigliedrige Schulsystem so aufrechterhält, wenn man also drei weiterführende Schu len mit Schülern füllen muss, bei zurückgehenden Schüler zahlen nicht mehr so viele Standorte in der Fläche halten kann wie in der Vergangenheit.

Deshalb ist die Gemeinschaftsschule als integrierte Sekundar schule die Antwort darauf, wie man gerade im ländlichen Raum eine pädagogisch leistungsfähige und gut erreichbare Schulstruktur im weiterführenden Bereich erhalten kann, die – das ist das Wesentliche – für alle Schülerinnen und Schüler auch im ländlichen Raum die Chance eröffnet, jeden weiter führenden Schulabschluss zu erreichen.

Die Gemeinschaftsschule hat deshalb auch ein sehr großes In teresse hervorgerufen. 42 sind jetzt am Start, und wir haben im Augenblick um die 100 Interessenbekundungen für die zweite Tranche.

Wie sieht im Augenblick – das war auch die Frage des Herrn Abg. Wacker – der Prozess der regionalen Schulentwicklung aus, wie sieht das Konzept aus? Wir werden spätestens nach den Herbstferien eine Kabinettsvorlage mit den Eckpunkten des Prozesses verabschieden. So weit sind wir schon. Wir sind in der Regierung im Augenblick noch in den letzten Abstim mungen.

Was schon jetzt feststeht, ist: Es wird eine gesetzliche Rege lung geben, die die Schulentwicklungsplanung als Prozess ins Gesetz schreibt, damit wir eine Verlässlichkeit im Prozess ha ben. Es ist klar, dass wir, das Land, Fragen beantworten müs sen, was die Standards angeht, das heißt, was Schulgrößen an geht – insbesondere für neu zu errichtende Schulen – und vor allem was pädagogische Qualität angeht.

Das ist der Prozess – so, wie ich ihn im Augenblick beschrei ben kann. Ich bitte um Verständnis, dass die Regierung erst dann das Konzept vorstellt, wenn es auch endgültig beschlos sen ist.

Vielen Dank, Frau Mi nisterin. – Für die Fraktion GRÜNE eine Zusatzfrage, Frau Abg. Boser.

Sehr geehrte Frau Ministerin, herzlichen Dank für die ersten Ausführungen. – Können Sie etwas dazu sagen, wie das Thema „Regionale Schulentwick lungsplanung“ bundesweit gesehen wird und wie das andere Länder bisher geregelt haben? Warum liegt in Baden-Würt temberg bis heute keine regionale Schulentwicklungsplanung vor, und wie bewerten Sie das Verhalten der alten Landesre gierung in diesem Zusammenhang?

Herzlichen Dank.

Frau Abg. Boser, in der Tat haben wir es in Baden-Württemberg sehr, sehr lange versäumt, eine Schul entwicklungsplanung auf den Weg zu bringen.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wir nicht! Die da maligen!)

Genau. – Es ist in allen Bundesländern üblich, Schulent wicklungsplanung zu betreiben. Teilweise legt die kommuna le Ebene als Schulträger Schulentwicklungspläne vor, teilwei se macht das das Land – in welcher Kombination auch immer.

Es ist vernünftig, Schulentwicklungsplanung zu machen. Na türlich muss man dann auch die Frage beantworten: Wie geht man mit kleinen Standorten um? Aber diese Frage muss man auf jeden Fall beantworten; die kann man nicht aussitzen. Je eher man sich mit dieser Frage beschäftigt, desto besser lässt sich eine gute Lösung finden – beispielsweise durch Koope ration oder durch Errichten von Gemeinschaftsschulen.

Wir stehen heute ganz klar unter einem gewissen Zugzwang, weil wir in Baden-Württemberg bisher keine Schulentwick lungsplanung gemacht haben.

Vielen Dank. – Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abg. Dr. Kern.

Frau Ministerin, ich bleibe dabei: Es wäre gut gewesen, Sie hätten zuerst eine Schulent wicklungsplanung gemacht und anschließend die Verbindlich keit der Grundschulempfehlung infrage gestellt bzw. die Ge meinschaftsschule eingeführt. Aber Sie sind für einen ande ren Weg eingestanden, haben einen anderen Weg beschritten.

Ich habe noch eine Frage zu einem Teilbereich; dazu haben Sie noch nichts gesagt. Die Ankündigung, dass auch kleinere Berufsschulstandorte geschlossen werden könnten, hat natür lich zu einer starken Verunsicherung in diesem Bereich ge führt. Da hier unterschiedliche Berufe und auch Betriebe als duale Partner betroffen sind, wäre es für uns sehr interessant, zu erfahren, ob und, wenn ja, wie die Landesregierung die du alen Partner bzw. die Wirtschaft – also Handwerkstag, Ver bände, die Industrie- und Handelskammern – in diesen Pro zess einzubeziehen gedenkt.

Frau Ministerin, bitte.

Was das Thema „Duale Ausbildung“ an geht, sind wir uns mit den Verbänden völlig darüber einig, dass wir uns die Klassengrößen genau anschauen müssen. Da gilt es einfach abzuwägen. Das Problem ist ja auch nicht neu. Ich verweise auf das berühmte Beispiel einer Klasse mit an gehenden Bäckern, die nur noch fünf Teilnehmer hat, weil in der Region nicht so viele Auszubildende hinzukommen. Ähn liches gilt beispielsweise für das sonstige Ernährungshand werk.

Diese Fragen müssen wir beantworten. Ich habe bisher den Dialog mit der Wirtschaft, mit den Verbänden als sehr konst ruktiv empfunden. Ich sage es noch einmal: Es geht nicht in erster Linie darum, einzusparen, sondern wir müssen Struk turfragen beantworten. Es muss auch eine bestimmte Quali tät sichergestellt werden. Es liegt auf der Hand: Bei Kleinst schuleinheiten kann man einfach nicht mehr

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger und Abg. Leopold Grimm FDP/DVP unterhalten sich vor dem Abgeordneten platz des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP.)

jetzt muss Herr Kern einen ganz langen Hals machen – das Angebot in der Ausdifferenziertheit machen, die man braucht.

Wie wird dieser Prozess ablaufen? Es ist völlig klar, dass wir, wenn wir uns mit der dualen Ausbildung und den entsprechen den Schulen beschäftigen, die Verbände, die Kammern sehr eng in den Prozess einbeziehen werden. Das gehört für mich nicht nur zur Bestandsaufnahme des tatsächlichen Status quo. Es ist klar: Bevor man anfängt, Handlungsempfehlungen zu einem Bereich auszusprechen, macht man eine Bestandsauf nahme, man legt bestimmte Maßstäbe an. Da werden wir die Verbände, die Kammern sehr eng mit einbeziehen. Denn das Wichtige ist ja, dass wir die Ausbildungsfähigkeit sichern und auf der anderen Seite das Ganze in die regionalen Fachkräf tegewinnungskonzepte, die es schon gibt und die sehr weit ge diehen sind, mit einbetten.

Vielen Dank, Frau Mi nisterin. – Eine Zusatzfrage, Frau Abg. Kurtz.

Frau Ministerin, Sie haben jetzt davon gesprochen, dass Sie die Schulentwicklungsplanung auf eine gesetzliche Grundlage stellen wollen. Könnten Sie uns einmal erläutern, in welchen Zeitdimensionen wir uns das vorstellen müssen? Bis wann, meinen Sie, ist das Gesetz auf den Weg gebracht? Wie lange dauern dann die Vorbereitun gen, bis diese Schulentwicklungsplanung flächendeckend um gesetzt werden kann? Wie lange, glauben Sie, dauert dann die ser Planungsprozess? Und wie stellen Sie sich das Zusammen spiel dieses Planungsprozesses mit dem Regierungshandeln in der Zwischenzeit vor?

(Zuruf des Abg. Georg Nelius SPD)

Vor allem würde ich das gern noch in einem weiteren Zusam menhang sehen: Können Sie einmal die Fristen für die Bean tragung und die Genehmigung der neuen, weiteren Gemein schaftsschulen nennen? Wie ist das alles auf einer Zeitschie ne zu betrachten?

Vielen Dank.

Bitte, Frau Ministerin.

Ja, auch das will ich Ihnen gern beant worten.

Die gesetzliche Regelung ist deshalb erforderlich, weil der Landesgesetzgeber eine klare Ermächtigungsgrundlage braucht, um solche grundlegenden Entscheidungen zu treffen, z. B. wenn es um Schulstandorte geht.

(Abg. Winfried Mack CDU: Schließungen!)

Wir sind da durchaus sehr fantasievoll. Wir sehen das jetzt am Genehmigungsverfahren für die Gemeinschaftsschulen. Die örtliche Ebene ist deutlich weiter. Die Bürgermeister reden ja miteinander, sie machen selbst Vorschläge, wie man Schüler ströme zusammenbringen kann.