Protocol of the Session on July 19, 2012

Wenn Sie gestern Vormittag dem Ministerpräsidenten auf merksam zugehört haben, dann haben Sie gehört, dass es auch Teil der baden-württembergischen Energiestrategie ist, dass wir uns in diese Richtung vernetzen. Natürlich gibt es gerade in diesem Bereich große Marktchancen für Griechenland. Wir werden unser Möglichstes tun, die Projektbonds der Connec ting Europe Facility dafür zu nutzen, eine schnellstmögliche Vernetzung nach Südosteuropa zu verwirklichen.

Ich möchte noch etwas zum Vorschlag der Schaffung einer Koordinierungsgruppe sagen. Wir nehmen diesen Vorschlag sehr gern auf. Dies betrifft übrigens eine Arbeit, mit der wir uns bereits befassen. Der Oberbürgermeister der Stadt Stutt gart hat als Präsident des Rates der Gemeinden und Regionen

Europas einen Vorschlag gemacht, an dessen Umsetzung wir bereits arbeiten, nämlich ein Kooperationsbüro für kommu nale Verwaltungskooperationen einzurichten, das z. B. dafür zur Verfügung steht, Städte und Gemeinden in Griechenland zu unterstützen.

Die Probleme, die es in Griechenland gibt, sind aber nicht auf Griechenland beschränkt. Diese Probleme gibt es in gleicher Weise auch in Ländern wie Bulgarien und Rumänien – hier zu sind uns gerade die Fortschrittsberichte vorgelegt worden – sowie in Ländern auf dem Balkan und in Südosteuropa ins gesamt.

Außerdem haben wir ein Netzwerk. Dazu hatten wir in der vergangenen Woche in Brüssel eine Veranstaltung zur grenz überschreitenden Zusammenarbeit unter Beteiligung aller Län der Europas. Dort hat auch Kollege Frey auf dem Podium ge sprochen. Dabei ging es darum, wie die Probleme der grenz überschreitenden Zusammenarbeit gelöst werden können. Wir bieten an – wir haben es auch gegenüber der Taskforce ange boten –, dass wir in den Bereichen, in denen dies offensicht lich notwendig ist, nämlich in den Bereichen Justiz, Korrup tionsbekämpfung etc., Verwaltungspartnerschaften begrün den, um die Verwaltungen, die Justiz, den Polizeiapparat etc. in diesen Ländern zu unterstützen.

Gleiches gilt für die duale Ausbildung und für die Berufsaus bildung. An der Akademie für Lehrerfortbildung in Esslingen haben wir bereits heute Programme, die dazu dienen, Berufs schulen, Berufsschulstrukturen und Berufsausbildungsgänge international in Kooperation aufzubauen.

Der Druck der Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag hat dazu geführt, dass das Thema Jugendarbeitslosigkeit über haupt in den Blick genommen worden und in die Gipfelergeb nisse vom 28. Juni eingeflossen ist.

Wir waren viele Jahre lang damit beschäftigt, dem Unver ständnis der Europäischen Union gegenüber dem dualen Aus bildungsweg entgegenzutreten. Aufgrund des Drucks von SPD und Grünen und des französischen Präsidenten Hollande ist dies nun zum ersten Mal Teil des europäischen Wachstums programms geworden. Deswegen legen wir, die wir im Be reich der dualen Berufsausbildung besonders viel zu bieten haben, besonderen Wert darauf, dass wir das aufgreifen und die zur Verfügung stehenden Mittel nutzen und dass wir von Baden-Württemberg aus mit den Ländern, sei es im Rahmen der Donauraumstrategie, sei es mit Griechenland, sei es mit anderen europäischen Ländern – das haben wir übrigens auch im Bereich der „Vier Motoren für Europa“ verankert –, die duale Berufsausbildung in Europa mit aufbauen, weil wir da rin tatsächlich exzellent sind und diese Exzellenz auch gern zum Aufbau entsprechender Berufsausbildungen in den euro päischen Ländern zur Verfügung stellen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Anmerkung. Es steht auch der Bericht zur Europapolitik insgesamt zur Dis kussion. Herr Paal, Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass sich momentan in Europa eine große Dynamik zeigt. Kaum ist ein Bericht vorgelegt worden, müsste er eigentlich wenige Tage später schon aktualisiert werden. Ich habe gerade etwas zum ESM und zu Spanien gesagt.

Gestatten Sie mir aber noch eine Anmerkung zu der Frage, wie insgesamt die europäische Krise bewältigt werden kann. Wir haben jetzt den Fiskalpakt. Baden-Württemberg hat in den Verhandlungen mit dazu beigetragen, dass die Länder ei ne gute Position haben. Wir unterstützen den Fiskalpakt aus drücklich, weil Haushaltskonsolidierung notwendig ist. Wir wollen, dass öffentliche Verschuldung abgebaut wird, weil öf fentliche Verschuldung dazu führt, dass die Staaten Einnah men aus der Besteuerung der Einkommen der Steuerzahler an diejenigen transferieren, die reich genug sind, den Staaten Geld zu leihen. Das ist ein Umverteilungsmechanismus. Des wegen halten wir es für sinnvoll, dass die Staatsverschuldung eingegrenzt und reduziert wird.

Der Fiskalpakt ist aber nicht ausreichend. Ähnlich wie wir mit dem Stabilitätsgesetz für die Bundesrepublik vier gleichwer tige Eckpunkte hatten, brauchen wir auch für Europa eine Fis kalverfassung, die aus vier Elementen besteht. Dazu gehört der genannte Fiskalpakt.

Dazu gehören auch eine gemeinsame Bankenregulierung und eine funktionierende Bankenaufsicht, weil es nicht sein darf, dass durch die Differenzen und Ungleichgewichte in Europa und durch die Verschuldungssituation private Banken nach wie vor einen enormen Gewinn damit machen, dass die Staa ten sozusagen in einem Teufelskreis gefangen sind. Deswe gen brauchen wir in Europa eine vernünftige Bankenregulie rung und Bankenaufsicht, damit sich das, was wir heute für Spanien beschließen müssen, in dieser Art und Weise niemals wiederholen kann.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das hat die FDP noch nicht kapiert!)

Wir brauchen eine Bankenunion – keine einheitliche europä ische Bank – und eine gemeinsame Bankenregulierung, eine gemeinsame durchgreifende Bankenaufsicht in Europa.

Die dritte Säule ist: Wir brauchen auch ein gemeinsames eu ropäisches Schuldenmanagement. Eben wurde schon wieder das Thema Eurobonds angesprochen. Der Satz „Keine Verge meinschaftung von Schulden“ geht einem immer etwas locker von den Lippen. Ich frage mich, ob sich diejenigen, die das sagen – Frau Merkel hat es übrigens in ihrer Regierungserklä rung am 29. Juni wieder gesagt –, bewusst sind, dass momen tan bei der Europäischen Zentralbank durch den Aufkauf von Staatsanleihen eine Vergemeinschaftung von Schulden in ei nem unbekannten Ausmaß stattfindet. Es findet bereits eine Vergemeinschaftung von Schulden durch die EZB statt. Al lein dadurch haftet Deutschland für Staatsanleihen im Wert von 270 Milliarden €, die die EZB aufgekauft hat.

Das ist das Instrument, das im Moment am wenigsten durch die Nationalstaaten zu kontrollieren ist. Darüber betreibt mo mentan auch die Bundesregierung die Vergemeinschaftung von Schulden, während man auf der anderen Seite Instrumen te wie einen Schuldentilgungsfonds oder einen Zinsausgleichs fonds mit dem Argument „Wir wollen keine Vergemeinschaf tung“ ablehnt. Tagtäglich wird die Vergemeinschaftung von Schulden durch die Hintertür durchgeführt. Das ist, mit Ver laub, eine Doppelmoral, die, wie ich finde, in Europa nicht funktionieren wird.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Glück?

Gern.

Herr Minister Friedrich, vie len Dank, dass Sie meine Frage zulassen. – Ich möchte nur kurz auf die Eurobonds eingehen. Sie sagten, die Vergemein schaftung finde ohnehin schon statt; bei Eurobonds würde ei nem die Aussage zu der Vergemeinschaftung immer schnell über die Lippen gehen.

Glauben Sie nicht, dass der Unterschied vor allem darin be steht, dass Eurobonds langfristig und dauerhaft ausgelegt sind, wohingegen eine Bürgschaft eher auf einen bestimmten Zeit raum ausgelegt ist, und dass es sich daher um zwei völlig un terschiedliche Ansätze handelt?

Es handelt sich in der Tat um zwei völlig unterschiedliche Ansätze, weil momentan der Er werb von Staatsanleihen durch die EZB mit keinerlei Aufla gen verbunden ist, während alle Vorschläge für die Einfüh rung von Eurobonds – ich sage nicht, dass das ein Allheilmit tel ist – mit klaren Konditionalitäten verbunden sind. Auch der von den fünf Wirtschaftsweisen eingebrachte Vorschlag des Schuldentilgungsfonds ist mit klaren Konditionalitäten verbunden.

In Bezug auf Ihre Bemerkung zur Laufzeit stellt sich auch die Frage: Wann wird die EZB die Anleihen wieder auf den Markt geben?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Und wie? An wen?)

Das ist momentan völlig unkonditioniert. Das heißt, wir ha ben momentan schon eine Vergemeinschaftung von Schulden sozusagen ohne Verfallsdatum, während die Laufzeit bei Eu robonds eine der Konditionalitäten wäre.

Deswegen: Ich glaube nicht, dass Eurobonds per se die Lö sung aller Probleme sind. Aber ich glaube, dass ein vernünf tig reguliertes Instrument, das man z. B. einer demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament unterstellen kann, das bessere Instrument ist als die Vergemeinschaftung durch die Hintertür, wie sie momentan stattfindet. Ich wollte nur die sen Unterschied deutlich machen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich will zum Abschluss noch ein viertes Element hinzufügen: Die ganze Eurokrise geht ja nicht nur darauf zurück, zu wel chen Bedingungen einzelne Länder in die Eurozone aufge nommen wurden, sondern sie geht auf einen Fehler zurück, der damals bei der Geburt des Euro gemacht wurde. Dieser Fehler war, dass man nicht das ausreichende Maß an politi scher Union und Steuerharmonisierung herbeigeführt hat, das eigentlich notwendig gewesen wäre, um eine gemeinsame Währung zu haben.

Wenn man sieht – auch dort besteht das Angebot zur Koope ration im Bereich der Steuerverwaltung –, dass die reichsten Familien in Griechenland noch nie einen Cent Steuern gezahlt haben, muss man fragen: Wovon soll Griechenland eigentlich

seine Schulden zurückzahlen, wenn sich griechische Steuer zahler des Steuerzugriffs entziehen? Wie sollen eigentlich die europäischen Staaten insgesamt ihre Schulden handhaben, wenn es uns nicht gelingt, die Steuerharmonisierung so weit voranzutreiben, dass auch tatsächlich am Ort der Wertschöp fung Steuern gezahlt werden?

Ich füge hinzu: Wie soll denn eigentlich die Reduzierung von Staatsschulden, die ja gleichzeitig das Anlagevermögen von anderen sind – z. B. von Rentenversicherungen, von Kapital lebensversicherungen –, stattfinden, wenn wir nicht zu einer geregelten Besteuerung der Finanzmärkte kommen? Bei der Finanztransaktionsteuer haben wir uns jetzt gegen den lange Zeit erbitterten Widerstand der Bundesregierung durchgesetzt. Gott sei Dank ist die Einführung jetzt verabredet und wird mitgetragen, sodass es zu einer Beteiligung der Verursacher an den Kosten der Krise kommt.

Ich sage auch: Wir werden einen Ausgleichsmechanismus fin den müssen in der Frage der Vermögensbesteuerung, damit wir auch hier die vorhandenen Vermögen, die das Gegenbild zu den Schulden sind, daran beteiligen, diese Schulden wie der abzutragen.

Nur bei einer europäischen Steuerharmonisierung gerade im Hinblick auf die Körperschaftsteuer und nur bei einer Min destbesteuerung von Vermögen werden wir in der Lage sein, diese Krise dauerhaft einzuhegen. Wenn wir weiterhin einen offenen Wettbewerb nach dem Motto „Wo in Europa werden am schlechtesten und die wenigsten Steuern kassiert?“ zulas sen, werden wir aus der Krise nie mehr herauskommen.

Deswegen mache ich auch an dieser Stelle das klare Angebot, zusammenzuarbeiten, die Steuerverwaltung mit aufzubauen und dann dafür zu sorgen, dass den Staaten das, was ihnen zu steht, auch letztlich zukommt, damit sie ihre Schulden auch abtragen können. Sonst wird das nicht gelingen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der CDU erteile ich das Wort Herrn Abg. Paal.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Ich habe ein paar Dinge mitgeschrie ben, die ich herausheben möchte.

Freundschaft heißt Verlässlichkeit, heißt, sich aufeinander zu verlassen. Deshalb muss man auch offen ansprechen, dass die Griechen natürlich die Reformen, die vereinbart sind, durch zuführen haben. Auch das muss eine Freundschaft vertragen.

Herr Minister Friedrich, ich habe insgesamt jetzt ein gutes oder ein besseres Gefühl. Aber genau in der jetzigen Situati on sind Eurobonds das falsche Mittel. Wir würden von den griechischen Kolleginnen und Kollegen in der Politik den Druck nehmen, die vereinbarten Reformen durchzuführen. Der Druck muss hoch bleiben. Eurobonds können in der Zu kunft einmal ein richtiges Mittel sein. Aber momentan wären sie Gift. Ich behaupte – und ich weiß es –, dass die Reformen in Griechenland erlahmen würden, wenn wir die Zinslast deut lich zurücknehmen würden. Der Druck muss bestehen blei ben. Sonst würden unsere Kolleginnen und Kollegen hier nicht durchhalten.

Insgesamt hat das Thema Griechenland mehrere Ebenen, Herr Grimm. Zum einen geht es um den europäischen Gedanken, den ich für äußerst wichtig halte. Wir haben davon profitiert. Unser Fachkräftemangel zwingt uns, zu schauen, wie wir zu rechtkommen. Frau Lindlohr, wir haben neue Worte dafür, aber ich nenne es noch Fachkräftemangel. Man muss Proble me ansprechen.

Dann geht es auch um die Hilfe, dass Griechenland Wert schöpfung aufbauen kann. Das ist ganz klar. Aber diese Hil fe kann man nur gewähren, wenn man sich versteht, wenn man freundschaftlich miteinander umgeht. Denn der, der Hilfe be nötigt, muss sie natürlich auch annehmen. Deshalb sind Maß nahmen wie Partnerschaften wichtig, um Probleme auf glei cher Augenhöhe und in Freundschaft zu lösen.

Ich möchte mir nicht vorwerfen lassen, dass wir nicht versucht hätten, zu helfen. Aufzugeben wäre genau der falsche Weg. Freundschaft herstellen, Hilfe gewähren – darum geht es.

Herr Minister Friedrich, zu Griechenland: Ich habe, wie ge sagt, ein besseres Gefühl. Wir gehen einen sehr langen Weg, aber wir müssen diesen Weg gehen. Stehen zu bleiben und zu zuschauen, wie Griechenland am Boden bleibt, wäre falsch.

Ich nehme an, das Thema wird im Europaausschuss noch re gelmäßig behandelt werden. Mir war wichtig – deshalb noch mals Dank an die SPD dafür, dass sie einen ähnlichen Antrag gestellt hat –, dass wir hier im Landtag und auch öffentlich für dieses Thema sensibilisieren und dafür werben, Griechen land zu helfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Frau Abg. Haller-Haid.

Ich möchte mich ausdrücklich bei der Landesregierung für das Angebot bedanken, hier ak tiv zu werden und Initiativen zu starten.

Ich habe jetzt noch zwei Bitten. Herr Minister, Sie haben die Kohäsionsmittel und die Möglichkeit angesprochen, in dieser Richtung mehr zu machen, auch in Verbindung mit der Do nauraumstrategie. Eine Möglichkeit, über die im Moment in Europa diskutiert wird, ist ja, dass als Kofinanzierungsmittel auch Sach- oder Personalleistungen anerkannt werden. Da, finde ich, könnte gerade Baden-Württemberg ein gutes Bei spiel geben und sich dafür einsetzen, dass Personal- oder Sachleistungen als Kofinanzierungsmittel gelten können.