Protocol of the Session on July 18, 2012

(Abg. Winfried Mack CDU: Das geht aus wie das Hornberger Schießen!)

Wir müssen oh nehin verhandeln, Herr Kollege Mack.

(Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident, zu nächst bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihre Feststellung, dass nach 58 Jahren CDU-Regierung in Baden-Württemberg die Kommunen so gut dastehen wie in keinem anderen Bundes land.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Aber nun zum Länderfinanzausgleich: Das Grundgesetz schreibt vor, dass wir einen Länderfinanzausgleich haben sol len, der gleichwertige Lebensbedingungen im Land ermög licht. Jetzt führt, wie Sie selbst gesagt haben, dieses außeror dentlich komplizierte System dazu, dass wir derzeit extrem große Verwerfungen und nur noch drei Einzahlerländer und zwölf bzw. 13 – das schwankt ganz knapp hin und her – Neh merländer haben.

Es ist auch richtig, dass zunächst Verhandlungen geführt wer den sollten. Aber Sie haben selbst gesagt: „Bei einem solchen Verhältnis ist klar, dass die Verhandlungen kaum zu einem Er folg führen.“ Sie verhandeln schon eine ganze Zeit – das wird von uns ausdrücklich anerkannt –, und Sie kommen nicht wei ter, weil die anderen Länder eben sagen: „Wir sind der Mei nung, der Finanzausgleich ist für uns positiv, und wir wollen deshalb keine Änderung.“

Deshalb sind wir der Auffassung, dass eine Klage durchaus erfolgreich sein kann, wobei man vor Gericht und auf hoher See immer in Gottes Hand ist. Der Weg kann aber durchaus erfolgreich sein, und wenn das der Fall ist, dann ist doch eine

Verhandlung aufgrund eines Auftrags des Bundesverfassungs gerichts für die Geberländer deutlich aussichtsreicher als ei ne Verhandlung, ohne dass ein Gericht dazu beauftragt hat.

Deshalb meine Frage: Wie lange wollen Sie denn noch ver handeln – man kann auch sagen, im Jahr 2019 läuft der Län derfinanzausgleich ohnehin aus –, wenn die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen? Wann ist für Sie der Zeitpunkt gekommen, dass man sich der Klage anschließt, damit wir wieder eine Einheit in der Südschiene haben, um eine starke Verhandlungsposition gegen die anderen aufzubauen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe schon gesagt: Der Kollege Scholz hat noch einmal den Auftrag, der Ministerpräsidentenkonferenz einen Vorschlag vorzulegen. Das wird er nach der Sommerpause machen. Zweitens habe ich auch schon gesagt: Wir überprüfen parallel dazu die Aus sichten einer Klage unter den besonderen Bedingungen Ba den-Württembergs. Die unterscheiden sich in mancher Hin sicht von denen in den anderen Geberländern. Das ist nun ein mal so, und deswegen müssen wir das selbst untersuchen.

Der Zustand der bayerischen Kommunen ist natürlich völlig anders als der unserer Kommunen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Gut, dass Sie das einmal sagen!)

Die bayerischen Kommunen sind viel höher verschuldet als die Kommunen in Baden-Württemberg, von der innerfödera len Gestaltung einmal ganz abgesehen.

Das sind also die zwei Bedingungen, die jetzt anstehen. Dann entscheiden wir: Klagen wir selbst, schließen wir uns einer Klage an, machen wir sie gemeinsam mit anderen? Aber es besteht im Moment kein Trend in diesem Sinn, weil auch Bay ern die Klage erst im Jahr 2013 einreichen wird. Hessen hat das Gleiche angekündigt, und so lange wird auf jeden Fall ge wartet.

Ich war immer der Ansicht, dass die drei Geberländer an ei nem Strang ziehen sollen. Das haben wir auch bisher gemacht. Wir haben ein gemeinsames Papier in die Ministerpräsiden tenkonferenz eingebracht. Sie können also ganz beruhigt sein. Aber wir wahren auch unsere eigenen Interessen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Eine weitere Zusatzfra ge des Herrn Abg. Stoch.

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie mir, dass ich meine Verwunderung in eine Frage kleide. Sie sind durchaus schon einige Tage hier in diesem Landtag und haben auch die Vorgänge um den Abschluss des derzeit geltenden Länderfinanzausgleichs mitbekommen. Teilen Sie meine Verwunderung darüber, dass ausgerechnet diejenigen, die den Länderfinanzausgleich ausgehandelt und beschlossen haben – Pacta sunt servanda –, im Rahmen etwa anstehender Wahlkämpfe immer am lautesten nach einer Klage schreien, dass einige derjenigen, die selbst immer die Hand gehoben haben, sich auch an der heutigen Debatte mit Fragen beteili gen? Teilen Sie meine Verwunderung, dass ausgerechnet die jenigen, die diesen Pakt ausgehandelt und abgeschlossen ha

ben, sich heute in dieser Weise von diesem distanzieren möch ten?

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Claqueure!)

Ich teile natür lich die Verwunderung insbesondere deswegen, weil Minis terpräsident Teufel und Ministerpräsident Stoiber – der hat das ja früher verhandelt – das Ergebnis auch noch gelobt hatten.

Ich sage Ihnen noch einmal – das ist natürlich auch ein Punkt –: Das sind Verhandlungen, die man erst einmal bis zum Jahr 2019 abgeschlossen hat. Das ist mit dem Solidarpakt und vie lem anderen verbunden, auch mit dem Altschuldenfonds und anderen Problemen. Das werden schon gewichtige Argumen te sein. Wenn man das zwischendrin ändert, greift man in die ganze Struktur ein, die im Maßstäbegesetz aufgebaut worden ist. Das ist also nicht so einfach.

Deshalb gehe ich davon aus: Wenn ernsthaft verhandelt wird, wird das ohnehin der Zeitraum bis 2019 sein.

(Abg. Winfried Mack CDU: So lange?)

Ob vorher – selbst wenn wir erfolgreich klagen – etwas mög lich ist, möchte ich einmal in Zweifel stellen.

Ich könnte mir allerdings vorstellen – in diese Richtung sind wir gegangen –, dass wenigstens eine Deckelung vorgesehen wird. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, die wir natürlich auch in Betracht ziehen werden.

Eine weitere Zusatzfra ge des Herrn Abg. Professor Dr. Goll.

(Abg. Walter Heiler SPD: Der war auch dabei! – Ver einzelt Heiterkeit)

Ich darf aber trotzdem eine Frage stellen. – Herr Ministerpräsident, Sie haben vorhin den bestehenden Finanzausgleich u. a. deswegen kritisiert, weil er einnahmeorientiert ist. Teilen Sie meine Auffassung, dass wir bei einem ausgabenorientierten Finanzausgleich, der Ihnen und Ihrer Partei offenbar vorschwebt, unter Umständen vom Regen in die Traufe geraten?

(Heiterkeit des Abg. Manfred Hollenbach CDU)

Wir werden na türlich immer versuchen, bei Vorschlägen, die wir machen, die Interessen des eigenen Landes zu berücksichtigen. Aber Sie müssen sehen: Wenn man ein Globalmodell für eine ver nünftige und gute politische Ordnung der Dinge im Finanz ausgleich seriös entwickeln will, dann überlegt man, was ein vernünftiges System ist, und geht nicht einfach von den Inte ressen, die jeder hat, aus. Wenn verschiedene Gruppen so et was einbringen, ist das der Sache dienlich. Denn das erhöht die Verhandlungsbereitschaft.

Ich will Ihnen noch einmal sagen: Wir müssen in jedem Fall verhandeln, auch wenn das Bundesverfassungsgericht gespro chen hat. Es gibt keinen Grund, dass es anders verfahren soll te, als die Entscheidung an den Gesetzgeber zurückzugeben. Auch dann müssen wir als Minderheit von Geberländern mit Nehmerländern verhandeln. Das müssen wir immer.

Meine Überlegung, Herr Kollege Goll, ging vielmehr in eine andere Richtung, nämlich die, ob man überhaupt grundsätz lich einen vertikalen Ausgleich macht, der dann allerdings ausgabenorientiert ist, wie es andere föderale Staaten eben falls machen. Denn der Umfang der Bundesergänzungszuwei sungen ist ohnehin schon fast doppelt so hoch wie der des Länderfinanzausgleichs. Das wäre also auch noch eine Über legung. Natürlich müssten in diesem Fall die Länder mit Si cherheit Umsatzsteuerpunkte an den Bund abgeben. Sonst wird er das nicht einfach machen.

Das alles sind Vorschläge, die wir einbringen können, wenn wir ein großes Rad drehen wollen – dafür plädiere ich –, um die Finanzbeziehungen transparent, fair und anreizfreundlich zu gestalten, damit es keine Dauersubventionen sind, sondern eine Hilfe darstellt, damit man auf die eigenen Beine kommt.

Dabei müssen viele Dinge berücksichtigt werden. Wir, die Ge berländer, haben z. B. das Angebot gemacht, über ein intelli gentes Schuldenmanagement zu sprechen, mit dem die hoch verschuldeten Länder in die Lage versetzt werden können, aus den Schulden herauszukommen. Das wären Möglichkeiten für solche Verhandlungen. Ich sage noch einmal: Verhandeln müssen wir sowieso.

Eine weitere Zusatzfra ge des Herrn Abg. Klein.

Herr Ministerpräsident, es ehrt Sie, dass Sie zunächst auf den Verhandlungsweg setzen. Sie haben jedoch bereits vor einem Jahr, aber auch heute erklärt, dass Sie im Endeffekt eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich nicht ausschließen.

Welche Gründe sind es, was macht Sie zuversichtlich, auf dem Verhandlungsweg ein kurzfristiges Ergebnis erzielen zu kön nen?

Die zweite Frage ist: Macht es nicht Sinn, wenn die Geber länder eine Klage bestreiten, dass man möglichst nach einer gemeinsamen Linie sucht und hier versucht, das Bundesver fassungsgericht zu überzeugen?

Und geben Sie mir recht – dies als dritte Frage –, dass sich seit dem letzten Abschluss zum Länderfinanzausgleich bis heute einige wesentliche Dinge getan haben, die für die Ge berländer nachteilig wirken?

Ich habe schon gesagt, Herr Abg. Klein: Es hat sich geändert, dass sich die Zahl der Geberländer noch einmal verringert hat, sodass drei der vier Geberländer fast alle Lasten tragen. Ich habe auch ge sagt, dass diese Tatsache das Bundesverfassungsgericht si cherlich beeindrucken wird. Sie ist sozusagen das gewichtigs te Anzeichen dafür, dass da etwas aus dem Gleichgewicht ge raten ist. Da sind wir uns völlig einig. Sonst brauchte ich ja nicht verhandeln zu wollen.

Zweitens noch einmal: Wir müssen in jedem Fall verhandeln. Ich bin der Ansicht, wenn wir jetzt verhandeln und der Zeit punkt, zu dem das Ergebnis in Kraft tritt, noch etwas weiter weg ist, kann man viel besser verhandeln, als wenn man das zum Schluss machen muss und jeder dann nur noch seine nackten Interessen einbringt. Das führt erfahrungsgemäß zu

einem Kuhhandel. Dann bekommt man wieder ein System, das höchst kompliziert ist, damit jeder noch irgendwie zustim men kann. Wenn ein bestimmter Zeitpunkt etwas weiter weg ist und man nicht genau weiß, welcher Zustand in sieben Jah ren besteht, ist etwas offener zu verhandeln. Das zeigen alle Erfahrungen. Wir haben Erfahrungen aus anderen Ländern wie der Schweiz, die sehr lange gebraucht haben, um einen vernünftigen Ausgleich hinzubekommen.

Deswegen ist mein Plädoyer, jetzt zu verhandeln. Die Chan cen sind nicht so gering, wie Sie denken. Wir haben noch ein mal den Wunsch nach einem Deckel vorgebracht, und das hat eher etwas kontraproduktiv gewirkt, muss ich im Nachhinein sagen. Allerdings müssen wir unsere Interessen auch einmal klar formulieren und Ansprüche an die Nehmerländer stellen.

Die Bayern haben noch einmal gesagt, sie brauchten mit Si cherheit bis zum nächsten Jahr. Hessen hat das Gleiche er klärt, und wir sehen das auch so. Wir werden das jetzt prüfen lassen. Wir sind intern schon seit vielen Wochen bei der Prü fung, werden unter Umständen einen Verfassungsrechtler hin zuziehen, um dann zu erwägen: Reichen wir eine gemeinsa me Klage ein, eine eigene, oder lassen wir das? Das wird das Ergebnis dieser Prüfung sein.

Ich biete noch einmal an, dass wir da möglichst auch im Land tag an einem Strang ziehen.

Ich will noch einmal zusammenfassen. Ich setze auf eine Ver handlungslösung, weil wir sowieso verhandeln müssen. Aber eine Klage wird, wenn alles scheitert, auch nicht ausgeschlos sen, so sie denn Erfolg verspricht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Noch eine Zusatzfrage der Frau Abg. Aras.