Gleichzeitig haben Sie auf Bundesebene daran mitgewirkt, zu verhindern, dass etwas gegen die kalte Progression unternom men wird. Diese kalte Progression trifft im Wesentlichen die Mitte der Gesellschaft: den Handwerker, den Facharbeiter, den kleinen Mittelständler. Da waren Sie nicht bereit, zu ir gendeiner Entlastung zu kommen, im Gegenteil: Sie planen neue Steuererhöhungen, die genau dieses Segment der Gesell schaft treffen. In der ersten Debatte des heutigen Tages haben wir über Wachstum geredet. Genau dieses Wachstum wird da durch verhindert.
Der Ministerpräsident hat erklärt – und die Koalitionsfrakti onen haben ihn darin unterstützt –: „Die Lösung der Proble me in Baden-Württemberg und in Europa ist mehr Wachs tum.“ Wie wollen Sie dieses Wachstum bekommen, wenn Sie die Entlastung des Mittelstands und der Mittelschicht bei der kalten Progression verhindern und gleichzeitig dieselben Schichten in der Bevölkerung durch neue Steuern belasten werden? Das ist ein Widerspruch in sich. Hier ist Ihre Politik in keiner Weise stimmig.
Was die Wiedereinführung der Vermögensteuer anbelangt, ist von 1 % Prozent die Rede; 10 Milliarden € Aufkommen ver
sprechen Sie sich. Als der Finanzminister damit an die Öffent lichkeit ging, ist er auf der Populismuswelle gesurft. Er hat erklärt, er wolle gar nicht die Wirtschaft belasten, er wolle an die Villen – eine populistische Neiddebatte, wie sie im Buche steht, meine Damen und Herren.
Der Kollege Herrmann hat ihn zur Distanzierung aufgefor dert. Meine Damen und Herren, die Position ist schon relativ klar. Auf der einen Seite erklärt der Finanzminister öffentlich: „Die Wirtschaft wird geschont.“ Dabei muss man sich schon die Frage stellen: Wie soll das verfassungsrechtlich überhaupt gehen? Welche bürokratischen Implikationen hätte das?
Schauen wir in die Stellungnahme zu unserem Berichtsantrag Drucksache 15/1794. Herr Minister, Ihr Name steht darunter, Sie haben die Stellungnahme unterschrieben. Ich zitiere:
Wie passt das zu Ihrer Ankündigung, dass Sie die Wirtschaft schonen wollen? Das passt überhaupt nicht zusammen. Wenn Sie keine Verschonungsregelungen vorhaben, können Sie die Wirtschaft auch nicht entlasten. Dann können Sie nicht nur auf die Villen gehen, sondern dann belasten Sie alle. Das ist die Wahrheit, und so sieht es aus.
Dann wollen Sie auch wieder an die Erbschaftsteuergesetzge bung. Hier gilt das Gleiche. Auch hier haben Sie mit Ihrer An kündigung, sich wirtschaftsfreundlich verhalten zu wollen, die Unwahrheit gesagt. In Ihrer Stellungnahme steht auch hierzu das Gegenteil. Darin heißt es sinngemäß, die Möglich keit, Privatvermögen in Betriebsvermögen einzubringen, sol le durch steuerliche Belastungen erschwert werden. Auch hier kündigen Sie klar an: Sie wollen der Wirtschaft und dem Mit telstand durch Ihre Steuererhöhungspolitik schaden. Öffent lich haben Sie aber genau das Gegenteil angekündigt.
Das Fazit ist: Das, was Sie vorhaben, ist ein klarer Anschlag auf den Mittelstand in unserem Land. Es ist ein Anschlag auf die Wachstumschancen, die der Ministerpräsident vorhin be schworen hat. Wir, die Oppositionsfraktionen, können Ihnen nur gemeinsam zurufen: Kommen Sie wieder runter. Hören Sie mit diesem Unsinn auf.
Meine Damen und Herren, stimmen Sie unserem Antrag zu. Der Mittelstand im Land Baden-Württemberg wird es Ihnen danken.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“ Das hat Frau Bundesministerin Schavan vor einigen Jahren sehr richtig gesagt. Nun möchte sich die Opposition in dieser Aktuellen Debatte mit Fantasien ausein andersetzen. Das kann ich sogar gut verstehen. Fantasien kön nen so viel schöner sein als der graue Oppositionsalltag.
Trotzdem meine ich: Wer sich mit den vermeintlichen Fanta sien anderer auseinandersetzt, dem fehlt manchmal die Zeit für die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit.
Deshalb schlage ich vor: Wir beschäftigen uns nicht mit den vermeintlichen Fantasien, sondern erst einmal mit den kon kreten Tatsachen. Tatsache ist: Uns Grünen geht es bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen um einen gesunden Mix aus Ausgabenkürzung und Einnahmeverbesserung. Steu ererhöhungen auf breiter Front wird es mit uns nicht geben.
Tatsache ist aber auch: Die Vermögensbesteuerung in Deutsch land ist verschwindend gering. In den letzten Jahren betrug sie 0,9 % des Bruttoinlandsprodukts.
Tatsache ist auch: Bei der Belastung der Arbeitseinkommen ist die Bundesrepublik gerade bei den Menschen mit niedri gem Einkommen spitze. Laut OECD führt ein alleinstehen der Geringverdiener rund 47 % seines Gehalts an Staat und Sozialversicherung ab – wobei Geringverdiener hier keine 400-€-Jobber sind –, und das, obwohl die rot-grüne Bundes regierung mit der großen Steuerreform im Jahr 2000 die Steu ersätze massiv gesenkt hat. Zu keiner Zeit waren die Belas tungen höher als unter der Regierung Kohl. Hier betrug der Spitzensteuersatz 53 %. Lassen Sie also die Gespenster grünroter Abzocker in der Mottenkiste.
Tatsache ist ferner: Steuersenkungen sind angesichts der Haushaltslage von Bund und Ländern und der Herausforde rungen der Schuldenbremse nur noch ein Thema für Rand gruppen. Selbst Herr Lindner, der Shootingstar der FDP, emp fiehlt seiner Partei – ich zitiere –, „nicht stur wie ein Roboter einer Programmierung zu folgen“. Er meinte die Programmie rung auf Steuersenkungen. Herr Lindner hat recht. Steuersen kungskonzepte sind nicht nur out, sondern auch verantwor tungslos.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich völlig verändert. Die Staatsschuldenkrise in Europa stellt die Poli tik vor enorme Herausforderungen. Gefragt sind deshalb neue Konzepte, die auch Gestaltungschancen eröffnen. Wir wollen gestalten. Das sieht man deutlich an unserer Position zur Haushaltskonsolidierung. Diese grün-rote Landesregierung ist für einen Mix aus Ausgabenkürzung und Einnahmeverbes serung. Ausgabenkürzungen allein reichen aber nicht, um das strukturelle Defizit abzubauen. Deshalb sieht die grün-rote Regierungskoalition durchaus Spielraum für moderate Mehr belastungen.
Damit sind wir übrigens nicht allein. Laut einer aktuellen for sa-Umfrage vom April 2012 sprechen sich 77 % der Deut schen für die Wiedereinführung der Vermögensteuer aus. Üb rigens unterstützen dies 65 % der Anhänger der CDU.
Diese Umfrage ist ein Beleg dafür, dass die Gesellschaft eine stärkere Beteiligung der Vermögenden an der Finanzierung des Gemeinwesens befürwortet.
Letztendlich müssen wir die Frage beantworten: In welcher Gemeinschaft wollen wir leben, und was sind wir bereit, da für zu zahlen? Wir wollen eine sozial gerechte, ökologische und wirtschaftlich starke Solidargemeinschaft, in der die Stär keren einen größeren Beitrag schultern.
Bei allen Maßnahmen werden wir ein gründlich durchdach tes Konzept vorlegen. Die Gesamtsteuerbelastung muss eben so in die Überlegungen einfließen wie die Belastung von Be triebsvermögen und die Belastung im Sozialversicherungswe sen. Der Finanzminister hat hier mit seinem Vorstoß eine wichtige Debatte angestoßen.
Fazit: Unzumutbare Steuererhöhungen, Steuerbelastungen, die Investitionen in den Wandel bremsen, wird es mit uns nicht geben.
Über moderate Mehrbelastungen für große Vermögen muss diskutiert werden. Zu diesem Thema gibt es eine interessan te Empfehlung der OECD. Sie empfiehlt Deutschland, die ver mögensbezogene Besteuerung zu stärken und die Abgaben auf Arbeitseinkommen zu senken. Das ist ein Weg, den wir uns gut vorstellen können. Ich lade alle ein, sich an dieser De batte konstruktiv und mit gestaltender Fantasie zu beteiligen.
Nun möchte ich zum Schluss auf den konkreten Antrag zu sprechen kommen und begründen, warum wir diesem so nicht zustimmen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, bei der gestrigen Debatte, aber auch sonst haben Sie nur Mehrbelas tungen – – Sie werfen uns immer vor, wir würden nicht ge nug investieren, sei es beim Klassenteiler – die Senkung des Klassenteilers hatten Sie in der mittelfristigen Finanzplanung nicht finanziert –, sei es bei der Energie, sei es beim Straßen bau und bei vielen anderen Themen. Da kommen immer mehr Wünsche, ohne dass Sie sich um die Finanzierung kümmern. Auf der anderen Seite wollen Sie die Vorgaben der Schulden bremse sehr viel früher als 2020 erreichen. Das würden wir auch gern, aber das ist zurzeit eben nicht möglich. Außerdem haben Sie in den letzten Haushaltsberatungen keinerlei Vor schläge für Einsparungen eingebracht, die den Haushalt ent lasten können.
Sie wehren sich gegen jede Einnahmeverbesserung, die man ermöglichen kann. So haben Sie auch die Grunderwerbsteu ererhöhung abgelehnt, obwohl diese sehr sinnvoll war und in der Bevölkerung auch Zuspruch findet.
Jetzt wollen Sie mit diesem Antrag sogar erreichen, dass der Landtag beschließt, man möge sich gar keine Gedanken ma chen, wie man Einnahmeverbesserungen vornimmt. Wenn Sie immer noch nicht kapiert haben, dass Maßnahmen auf der Ausgabenseite allein nicht ausreichen, dass die Bilanz zwei Seiten hat, nämlich die Aktiva und die Passiva, und dass man beide Seiten berücksichtigen muss, dann kann man Ihnen wirklich nicht mehr helfen.
Herr Herrmann, ein letzter Satz zu Ihnen: Sie haben gesagt: „Das Bundesverfassungsgericht hat die Vermögensteuer sei nerzeit abgeschafft, weil sie verfassungswidrig war.“ Um ganz korrekt zu sein: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: „Die Vermögensteuer in der Form, wie sie ausgeführt wird, nämlich eine Ungleichbehandlung der Besteuerung von Im mobilien und anderen Vermögen, ist verfassungswidrig; das verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3.“ Da hat das Bundesverfassungsgericht der Politik die Aufgabe ge geben, die Immobilien höher zu bewerten, damit eine verfas sungskonforme Besteuerung aller Vermögensarten zustande kommt. Was haben Sie gemacht? Sie haben das einfach aus gesetzt. Damit ist es nicht getan.
Deshalb liegt die Verantwortung bei der Politik. Wie die Um fragen zeigen, sieht auch die Gesellschaft da durchaus Spiel raum. Diesen sollten wir nutzen, wenn wir unsere Haushalte tatsächlich nachhaltig finanzieren wollen und eine Verantwor tung auch für zukünftige Generationen übernehmen wollen.
Sehr geehrter Herr Präsident, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Schuldenbremse des Grundgesetzes, der Fiskalpakt, über den wir heute Morgen ausführlich diskutiert haben, und auch die eigenen Bestrebun gen, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung zu schrei ben, zwingen uns, künftige Haushalte ohne Neuverschuldung aufzustellen. Die Kreditaufnahme, der bequeme Weg der letz ten Jahrzehnte, kann nicht mehr eingeschlagen werden. Er ent fällt. Das sind einfach die Lehren aus den vergangenen Kri sen.
Die Aufgaben unseres Landes Baden-Württemberg bleiben aber bestehen. Das Land muss als großes Dienstleistungsun ternehmen in der Lage sein, gute Bildung – darüber haben wir gestern diskutiert –, Sicherheit, Innovation, soziale Sicherheit, eine solide Finanzverwaltung und vieles mehr zu gewährleis ten. Es kommen immer wieder neue Aufgaben dazu, z. B. die Energiewende. Dafür brauchen wir einen qualifizierten Per sonalkörper, der seinen Preis hat und der nicht wie ein Unter nehmen einfach verkleinert werden kann. Die Möglichkeit, eigene Einnahmen zu beschaffen, sind für die Länder sehr stark begrenzt.
Ich plädiere deshalb als Erstes natürlich dafür, dass das Ge bot der Stunde Sparen heißt. Daran arbeiten wir gerade mit Hochdruck. Und zwar muss es ein Sparen sein, das nachhal tig ist, das nicht auf Einmaleffekte abzielt, sondern uns in die Lage versetzt, ab 2020 nachhaltig ohne Schulden auszukom men.
Diese langfristige Haushaltskonsolidierung ist allerdings ei ne sehr hohe Hürde. Sparen allein wird nicht reichen, zumin dest am Anfang nicht, sonst müssten wir bewährte Strukturen zerstören.
Das strukturelle Defizit von über 2,5 Milliarden €, das auch in der Vergangenheit aufgebaut wurde, lässt es nicht zu, dass wir alles allein auf der Ausgabenseite abfangen. Es bedarf auch einer Konsolidierung auf der Einnahmeseite.
Wichtigster Punkt für die SPD ist dabei die soziale Ausgewo genheit. An einer Haushaltskonsolidierung sollen sich dieje nigen beteiligen, denen es wenig wehtut, die in der Lage sind, mit ihren starken Schultern auch Lasten zu tragen.