Wichtigster Punkt für die SPD ist dabei die soziale Ausgewo genheit. An einer Haushaltskonsolidierung sollen sich dieje nigen beteiligen, denen es wenig wehtut, die in der Lage sind, mit ihren starken Schultern auch Lasten zu tragen.
Dieser soziale Ausgleich war lange Zeit ein Markenzeichen in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sehen momentan al lerdings eine gegenteilige Entwicklung. Die sozialen Gegen sätze werden größer. Bei Arbeitslosen wurde schon begonnen, Hilfsprogramme in Milliardenumfang zusammenzustreichen. Der Niedriglohnsektor wird größer, und die Mittelschicht schrumpft.
Auf die unteren 50 % der Einkommensbezieher – ich bezie he mich da auf Zahlen des Statistischen Bundesamts – entfällt lediglich ein Anteil von 18,7 % an den Einkünften. Die obe ren 10 %, ab einem Jahreseinkommen von etwa 71 000 €, ha ben einen Anteil von 35,6 %.
Noch viel extremer sieht es bei den Vermögen aus. 10 % der Bevölkerung besitzen 56 % des Vermögens. Die untere Hälf te der Bevölkerung sind die Habenichtse. Auf sie entfällt ein Anteil von lediglich 2 %; das ist für uns Sozialdemokraten schwer vorstellbar.
Die öffentliche Verschuldung ist auch krisenbedingt stark ge stiegen. Dort, wo es Schulden gibt, gibt es Gläubiger, die ihr Vermögen anlegen und es durch Zinsen mehren können. Des halb ist es nach Auffassung der SPD angemessen und sachge recht, dass Spitzenverdiener und Personen mit einem sehr ho hen Privatvermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwe sens herangezogen werden.
Dafür gibt es zwei Instrumente. Das eine ist die Einkommen steuer, die wir übrigens – das ist richtig – in der von Gerhard Schröder geführten rot-grünen Regierung stark gesenkt ha ben. Das andere Instrument ist die Vermögensteuer.
Ich will festhalten, dass wir den Bürgern reinen Wein ein schenken, so weh das manchmal auch tut. Wir sagen, dass wir auf diese großen Vermögen zurückgreifen wollen, und zwar nicht auf Produktivvermögen, sondern in erster Linie auf Pri vatvermögen.
Wir wollen diejenigen schonen, die ihren Beitrag nicht leis ten können. Die Freibeträge werden so hoch sein, dass dieje nigen, die darüber liegen, ihren Beitrag durchaus erbringen können.
Zu Steuern auf hohe Einkünfte und große Vermögen stehen wir. Das ist eine sozial gerechte Verteilung der Lasten in un serem Gemeinwesen. Es ist die Aufgabe unserer Regierung, die Initiative zu ergreifen und auch die Eckpunkte zu klären, wie diese Steuern erhoben werden können.
„Fantasien“ sind es nicht. Es sind Tatsachen. Fantasien waren lediglich die Steuersenkungsfantasien der Opposition hier oder der Regierung im Bund. So sollte ja die Gewerbesteuer abgeschafft werden. Sie ist heute eine aufkommensstarke Ein nahmequelle, der Rettungsring für Städte und Gemeinden, um aus der Krise zu kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie hat ten eine Finanztransaktionssteuer ebenfalls ins Reich der Fan tasie verwiesen und sie abgelehnt. Heute Morgen haben wir ganz andere Töne gehört. Es ist also doch einiges in dieser Sa che möglich.
Die Vermögensteuer ist in vielen Ländern eine gängige Steu er. Es gibt sogar in den Konsolidierungsanforderungen für die jenigen Länder in Europa, die gerade Probleme haben, die Auflage, Vermögen zu besteuern.
Wir begrüßen deshalb die Initiative der Länder Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württem berg, zu prüfen, in welcher Form und zu welchen Bedingun gen eine Steuer auf große Vermögen eingeführt werden kann. Wir sind damit auf dem richtigen Weg, um die Lasten der Kri sen gerecht zu verteilen, unsere Haushalte nachhaltig zu kon solidieren und spätestens ab 2020 keine Schulden mehr auf zunehmen. Deshalb lehnen wir natürlich auch den Antrag von CDU und FDP/DVP ab.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der ameri kanische Verfassungsrichter Wendell Holmes jr. nannte Steu ern einmal den Preis, den wir für eine zivilisierte Gesellschaft bezahlen. Wenn wir also darüber reden, wie wir unser Steu ersystem gestalten, geht es um Grundsatzfragen unseres Ge meinwesens. Handlungsfähiger Staat, ja oder nein? Solide Fi nanzen, ja oder nein? Politischer Gestaltungsspielraum, ja oder nein? Sie von der Opposition beantworten all diese Fra gen mit Nein. Stattdessen fordern Sie in bester populistischer Manier Steuersenkungen und haben Steuersenkungen auf Pump in Ihrer eigenen Regierungsverantwortung umgesetzt. Ich erinnere nur an das Geschenk für die Hoteliers und die großen Hotellerie- und Gastronomiebetriebe.
Ich erinnere an die Diskussion über die kalte Progression – al les Steuersenkungen auf Pump, die Sie zulasten auch dieses Landeshaushalts geplant oder schon umgesetzt haben.
Das war aber nicht immer so. In den Anfangszeiten dieser Re publik, in der Ära von Konrad Adenauer, war es überhaupt
keine Frage, dass die hohen Vermögen und die hohen Einkom men ihren gerechten Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Der Spitzensteuersatz in der Adenauer-Zeit lag bei 95 %! Das for dern nicht einmal die wildesten Jusos bei uns. Selbstverständ lich gab es damals und über Jahrzehnte hinweg, während der ganzen Aufbauzeit der Bundesrepublik Deutschland, eine Ver mögensteuer, die den Aufschwung überhaupt nicht behinder te.
Wer... erkannt hat, dass die marktwirtschaftliche Ord nung als Teil der freiheitlich demokratischen Gesamtord nung unentbehrlich ist, wird seine Aufgabe darin erken nen, die Marktwirtschaft vollkommener zu machen und sie durch Elemente zu ergänzen, die ihr einen noch höhe ren Grad an Gerechtigkeit und Menschlichkeit verleihen. Als ein strategischer Punkt ist hierbei die Vermögensver teilung anzusehen.
Damit stellen wir fest: Inzwischen hat sich die CDU vom Leit bild dieser sozialen Marktwirtschaft verabschiedet.
Auch die FDP wusste in ihren besten Zeiten um diesen Zu sammenhang. Ich zitiere aus den Freiburger Thesen, Siebzi gerjahre:
In einer Gesellschaft, in der Besitz und Geld der Schlüs sel für fast alle Betätigung der Freiheit ist, ist die Frage des gerechten Anteils an der Ertragssteigerung der Wirt schaft und am Vermögenszuwachs der Gesellschaft nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage: Sie ist die Freiheitsfrage schlechthin.
Damals war es für die Liberalen selbstverständlich, dass gro ße Vermögen einen Beitrag zu diesem Gemeinwesen leisten müssen. Die FDP ist heute alles andere als eine liberale Par tei.
Die Landesregierung hat ein schweres Erbe übernommen, ei nen hohen Stand an offenen und verdeckten Schulden.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jetzt kommt wieder die Erblast! – Abg. Winfried Mack CDU: Die se Platte! Ihr hättet ja das Erbe ausschlagen können! – Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Um dieses Erbe werdet ihr beneidet!)
Deshalb haben wir in dem Koalitionsvertrag in unserem ers ten Jahr Regierungszeit konsequent auf die Haushaltskonso lidierung gesetzt, und wir haben von Anfang an deutlich ge macht, dass Haushaltkonsolidierung zwei Standbeine braucht: Einnahmen erhöhen, Ausgaben zurückführen. Jede erfolgrei
che Haushaltskonsolidierung in entwickelten Industriestaaten hat diese beiden Komponenten gehabt. Die Einnahmen wur den erhöht, zum Teil über Steuererhöhungen, zum Teil über Wachstum – das ist das, was die USA in den Neunzigerjahren gemacht haben –, und gleichzeitig wurden die Ausgaben ge kürzt. Auch dafür ist das Beispiel der USA in der Clinton-Ära ein gutes Exempel. Damals wurden in der Tat auch im Sozi alstaat Einschnitte vorgenommen.
Deshalb stehen die die Regierung tragenden Fraktionen und Parteien für diese intelligente Haushaltskonsolidierung, die beides in den Blick nimmt. Zum einen geht es um die Bereit schaft, auch in schwierigen Bereichen Einschnitte vorzuneh men – dies werden wir über die Kommission für Haushalt und Verwaltungsstruktur vorbereiten, auch im Bereich der Perso nalkosten –, aber zum anderen ist gleichzeitig klar, dass Haus haltskonsolidierung nur gelingt, wenn wir auch die Einnah men erhöhen. Da ist es nun wirklich kein Privileg von SPD und Grünen, neue Steuern zu erfinden.
(Abg. Winfried Mack CDU: Ja, dann müssen Sie das Gesetz einmal vorlegen! Haben Sie das Gesetz schon vorgelegt?)
Es war Ihre Bundesregierung, die die Ticketsteuer eingeführt hat, eine neue Steuer erfunden hat. Es ist Ihre Bundesregie rung, die jetzt auch bereit ist, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Das heißt, die CDU ist im Bund schon viel wei ter als hier,
(Abg. Winfried Mack CDU: Jetzt legen Sie doch ein mal einen Gesetzentwurf dafür vor! Dafür sind Sie zuständig!)
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Immer nur reden, reden, reden! Wo ist der Gesetzentwurf?)
Deshalb wollen wir – das ist die politische Haltung von SPD und Grünen – den Spitzensteuersatz anheben. Wir haben im Bundesrat einen Antrag unterstützt und mit eingebracht,
der den Steuersatz auf 49 % erhöhen würde. Das würde bun desweit Mehreinnahmen in Höhe von 5 Milliarden € bringen; für Land und Kommunen hier in Baden-Württemberg wären dies 385 Millionen €. Das wäre ein wichtiger Schritt zusam men mit der entsprechenden Anpassung der Kapitalertragsteu er,
(Abg. Winfried Mack CDU: Hier einbringen! Kon kurrierende Gesetzgebung! Dafür braucht man kei nen Bundesrat!)
die auf der Abgeltungsbasis bleiben soll, aber wie der Spit zensteuersatz ebenfalls um 7 Prozentpunkte angehoben wer den sollte. Wir sind davon überzeugt, dass diese moderate An hebung des Spitzensteuersatzes für Baden-Württemberg, für Deutschland der richtige Schritt ist. Denn wer es mit der Haus haltskonsolidierung ernst meint, der muss auch bereit sein, für diese Maßnahmen einzutreten.