Protocol of the Session on April 18, 2012

Welche Koalition Sie nun in vorauseilendem Gehorsam zu al lem, was der Ministerpräsident sagt, bilden mögen, sei dahin gestellt. Das werden wir locker ertragen. Aber es ist lobens- und dankenswert, dass Herr Ministerpräsident Kretschmann eine Meinung äußert, und dass die CDU sofort auf den Wa gen aufspringt, ist eine erfreuliche überparteiliche Form des neuen Bürgerverständnisses.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Inhalt! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Das hat er nicht ver standen!)

Nochmals: Der Straßenbau ist nutzerfinanziert. 8 Milliarden € kommen aus der Kfz-Steuer, 42 Milliarden € aus der Mine ralölsteuer. Allein durch die Benzinpreiserhöhungen der letz ten Monate fließen rund 200 Millionen € aus der Mehrwert steuer mehr in den Bundestopf. Da kommen Sie und sagen, das sei nicht nutzerfinanziert. Es ist nur so: Steuermittel sind nicht zweckgebunden.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Also! Ganz ge nau!)

Aber nutzerfinanziert ist es, weil von den 50 Milliarden € viel leicht 30 Milliarden € in den Verkehr zurückfließen, und mit den übrigen 20 Milliarden € wird sonst was aus Steuermitteln finanziert.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Ökosteuer zum Beispiel!)

Das ist völlig wurscht, vom Sozialen bis zu „Ihrem“ Betreu ungsgeld, das so überflüssig ist wie ein Kropf.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Oh!)

Insoweit ist klar: Wir brauchen mehr Geld. Eines kann ich Ih nen zusagen: Angenommen, Herr Ramsauer legt ein „Sonder programm Baden-Württemberg“ mit 1 Milliarde € für den Straßenbau auf, dann fahren wir nach Berlin und machen den Kotau. Das ist uns das Ganze wert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/799 (geänderte Fassung). Abschnitt I – ein Berichtsteil – kann für erledigt erklärt werden. Ab schnitt II – ein Beschlussteil – enthält ein Handlungsersuchen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Er kann auch für erle digt erklärt werden!)

Er kann auch für erledigt erklärt werden. – Damit ist der An trag für erledigt erklärt und Tagesordnungspunkt 6 erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft – Wirt schaftsstandort Baden-Württemberg – Die Perspekti ven der Elektromobilität und notwendige Strategien – Drucksache 15/935 (geänderte Fassung)

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft – Gewerb liche Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Elektromobilität – Drucksache 15/936 (geänderte Fas sung)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu den Buchsta ben a und b fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minu ten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Für die Begründung der Anträge erteile ich Herrn Abg. Hofe lich für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Von der Straße zum Fahrzeug: Elektromobilität.

Als wir im November 2011 die beiden Anträge mit den Titeln „Die Perspektiven der Elektromobilität und notwendige Stra tegien“ und „Gewerbliche Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Elektromobilität“ gestellt hatten, war die Situati on – erinnern wir uns ein knappes halbes Jahr zurück – eher ambivalent. Das galt auch für die Monate davor.

Wir alle hatten natürlich erkannt – das lässt sich politisch nicht trennen –: Es geht auch darum, dass es wichtig ist, dass die Bedeutung elektromobiler Fahrzeuge und Systeme in Zukunft zunimmt. Es gab auch sich aufbauende Aktivitäten im Land Baden-Württemberg und darüber hinaus, die angestrengt wur den.

Auf der anderen Seite war die Situation ambivalent. Wir hat ten in gewisser Weise Zweifel, ob Baden-Württemberg mit seiner starken Tradition des herkömmlichen Automobilbaus – immer auf hohem technologischen Niveau – relativ zu dem, was im Weltmarkt passiert, was technologisch an anderer Stel le passiert, zurzeit noch da steht, wo man gern stehen würde. Eine ambivalente Situation: Man tut etwas, aber man kommt mit der neuen Welt, da wir in der alten Welt sind, noch nicht ganz klar.

Besonders im Bereich der Batterieforschung und der Batte rieproduktion hat sich das dann festgemacht, wo es auch eine intensive Kommunikation gab. Klar war: Wir müssen noch mehr tun. Klar war: Wir müssen überhaupt handeln. Klar war

auch, dass sich hieraus eine Verantwortung ergibt, auch der öffentlichen Hand, des Staates, weil es darum geht, neue Märkte zu erschließen, auf denen wir tätig sein wollen, wo bei auch ein Zusammenspiel zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor notwendig ist. Darin waren wir uns auch einig.

Deswegen war zu diesem Zeitpunkt für die neue Landesregie rung und die sie tragenden Fraktionen eine Strategie wichtig. Diese konnte nur lauten: noch einmal ein Stück weit wachrüt teln, nicht nachlassen, an den Themen dranbleiben, auch Schwerpunkte setzen, mitfinanzieren und schauen, dass man schnelle Erfolge erzielt. Denn eines war klar – das ist in je dem Fall die Überzeugung von uns, der SPD-Fraktion –: In unserem Land, wo die Wiege des Automobils stand, muss auch die Zukunft des Automobils sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir haben bei uns in Kirchheim schon seit zwei Jahren Elektrofahrzeu ge! Da fängt er von vorn an! – Vereinzelt Heiterkeit)

Okay. Es gibt aber auch noch andere Fahrzeuge in Kirch heim.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Das wird auch noch län ger so sein!)

Ein Wengerter in Kirchheim?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, da sollte man sich erkundigen!)

Wir müssen erst einmal resümieren, Herr Kollege Zimmer mann – ich glaube, Sie machen mit und Sie klatschen auch gleich –, was seither geschehen ist, ob wir Erfolge erzielen konnten. Einiges ist geschehen, auch schon in Zeiten der Vor gängerregierung. So konnten wir die „Aktion Modellregio nen“, die damals übrigens von dem sozialdemokratisch ge führten Ministerium im Bund unter Herrn Tiefensee und der Kollegin Karin Roth ausgegangen ist, mit der „Modellregion Stuttgart“ in das Land hineintragen. Zudem ist die Gründung der Landesagentur für Elektromobilität – ein wichtiger Zug, den Günther Oettinger gemacht hat – mit der Landesinitiati ve Elektromobilität I – erfolgt.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Rücken wir einmal näher an das heran, was jetzt passiert ist: Es gab die Landesinitiative Elektromobilität II, die diese Re gierung angestoßen hat. Wir haben den Gewinn des Spitzen clusterwettbewerbs mit der „Industrialisierung der Elektro mobilität“ als Stichwort zu verzeichnen. Wir haben zusätzli che Ausgaben für Elektromobilität – Stichwort Pfinztal, Stich wort ZSW – getätigt. Und vor wenigen Wochen konnten wir, das Land und die Region Stuttgart zusammen, den Bundes wettbewerb „Schaufenster Elektromobilität“ gewinnen.

Ich bin nicht bekannt für eine große Lyrik. Aber eines ist klar: Das ist eine Perlenkette an Taten, und das ist ein Stakkato an Erfolgen. Wir, das Land Baden-Württemberg, sind bei der Elektromobilität zurück in der Erfolgsspur, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU – Zuruf)

Er hat mitgeklatscht, und da hat er auch recht.

Ich möchte an dieser Stelle etwas erwähnen, was im Parla ment vielleicht nicht immer sofort angesprochen wird. Da wurden Anträge geschrieben. Da wurde unter Hochspannung gearbeitet. Man stellt sich hier die Frage: „Packen wir es?“ Viele sagen: „Die Baden-Württemberger sind sowieso ge stopft, die müssen es nicht haben.“ Es wurde hochwertige Ar beit geleistet. All denen, die in Ministerien, in Wirtschaftsför derungseinrichtungen, in Agenturen dafür gearbeitet haben, dass diese Perlenkette an Erfolgen entstanden ist, muss man heute einmal ein Dankeschön dafür sagen. Sie haben Quali tätsarbeit geleistet. Mit dem, was wir jetzt präsentieren, kön nen wir vorankommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Aber die Arbeit ist mit Sicherheit nicht zu Ende; sie beginnt eigentlich erst. Deswegen äußere ich ein paar Gedanken zu dem, was jetzt eigentlich kommen muss oder was weiter kom men sollte. Da sind wir uns wahrscheinlich auch einig, weil sich dieses Thema nicht dazu eignet, zu politisieren. Aber ein paar Punkte müssen schon angesprochen werden.

Das eine ist: Zur Philosophie der Elektromobilität werden wir alle uns in der Politik wie vor allem auch in der Wirtschaft da rauf einlassen müssen, dass wir noch stärker in eine branchen übergreifende Welt, in eine Welt der konvergierenden Tech nologien, der Konvergenz hineinkommen – von den IKTTechnologien über Energietechnologien bis hin zu Fahrzeug technologien. Das wird bedeuten, dass wir uns gedanklich – sosehr die Zukunft des Automobils weiterhin in Baden-Würt temberg sein wird – ein Stück weit vom Automobil lösen müs sen und uns hin zu Mobilitätstechnologien orientieren müs sen. Das wird für dieses Land wichtig sein. Das geschieht auch. Das ist nichts, was nicht gehen würde.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Im Grunde genommen ist es das, was Gottlieb Daimler – si cherlich würde es Carl Benz genauso sehen – mit seinem Stern gemeint hat. Die drei Elemente des Daimler-Sterns symboli sieren Wasser, Luft und Land. Damit wird dieser Effekt, dass wir in allen Richtungen Mobilität entwickeln können, auch gut ausgedrückt.

In der Wissenschaft kommt es darauf an, dass wir nicht nur in der Forschung und der Entwicklung gut sind, sondern es auch in Produktionstechnologien am Produktionsstandort BadenWürttemberg übersetzen. Das bedeutet auch, dass zusätzliche Lehrstühle geschaffen werden müssen, etwa für die gute alte Elektrotechnik.

Im Hinblick auf den Markt kommt es darauf an, dass BadenWürttemberg selbst Leitmarkt ist, selbst das Schaufenster ist. Die Wettbewerbe verschaffen uns dafür eine gute Plattform, eine gute Ausgangssituation. Aber wir werden hier nachlegen müssen. Wir müssen hier in Baden-Württemberg selbst das beste Beispiel für elektromobile Anwendungen geben.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Andreas Schwarz und Andrea Lindlohr GRÜNE)

Wir wollen auch in den traditionellen Verbrennungsmotor technologien weiterhin ein Lieferant für die Weltmärkte sein. Dabei kommt es darauf an, dass wir vor allem auf Effizienz steigerung setzen. Nach dem, was an Marktstudien vorliegt, besteht in dieser Hinsicht bis 2020 ein großes Potenzial. Das gilt aber eben auch für das, was in der Elektromobilität neu geschehen kann, vor allem bezüglich der einzelnen Kompo nenten, die vielleicht nur schrittweise und nicht immer gleich im Gesamtfahrzeug eingesetzt werden – entlang dem elektri schen Antriebsstrang.

Es werden uns auch wieder Dinge beschäftigen, die wir ei gentlich schon lange hatten. Ich nenne als Stichwort den Leichtbau, der vorangetrieben werden muss – mit alten ba den-württembergischen Industrien, mit der Textilindustrie über die Fasertechnologie oder auch über die Blechbearbei tung mit der guten alten „Blechbätscherei“ aus Baden-Würt temberg, die hier neue Perspektiven eröffnet.