Peter Hofelich
Appearances
Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an die beiden Vorred ner anschließen und den Standpunkt vertreten, der bei diesem Thema heute auch vertreten werden muss. Ich glaube, dass die heutige Debatte für diesen Landtag von Baden-Württem berg einen großen Schritt nach vorn bringen kann, indem wir nämlich gerade kurz vor der Europawahl eine Schneise schla gen für eine positive europäische Grundüberzeugung in Ba den-Württemberg, an der wir alle arbeiten, zu der die Elemen te Freiheit, Solidarität und Demokratie gehören. Es wäre ein Gewinn, wenn diese Grundüberzeugung über diesen Plenar saal hinausstrahlt.
Ich denke, dass es richtig ist – das ist gerade angesprochen worden –, dass der neue Präsident der Kommission von de mokratisch gesinnten Abgeordneten gewählt wird. Das soll ten wir uns auch gegenseitig hier versprechen, meine Damen und Herren.
Da wir hier im baden-württembergischen Landtag über Nati onalismus in Europa reden, erinnere ich an einen Satz, der ein Vermächtnis ist, besonders für diejenigen, die in unserer po litischen Tradition stehen: „Die Nationalisten grenzen sich ge gen andere Nationen ab; sie sind negativ. Die Patrioten setzen sich für ihr Land ein.“ Das hat uns Willy Brandt ins Stamm buch geschrieben. Deswegen ist es wichtig, dass wir aus Deutsch land heraus auch europäische Patrioten sind. Darauf kommt es in dieser Situation besonders an, meine Damen und Her ren.
Die SPD hat schon zwischen den Kriegen mit dem Heidelber ger Programm die Grundlagen gelegt. Dennoch ist es schwie rig, das immer wieder neu zu begründen. Das wissen wir als Politikerinnen und Politiker. Nicht jeder Tag kann ein Sonn tag sein. Wer redet, muss über die Realität sprechen. Gerade dieser Patriotismus für Europa ist für manche eine Pflicht und nicht unbedingt eine Berufung. Deswegen haben wir da, den ke ich, immer wieder an uns selbst zu arbeiten.
Rechtspopulismus ist eine Realität in Europa. Es gibt einen fließenden Übergang zum Rechtsextremismus. Das darf uns nicht in Ruhe lassen. Der Kern dieses Rechtspopulismus ist das Ressentiment; das Ressentiment gegen irgendetwas ist das Verbindende. Dahinter steckt die Unsicherheit über die eige ne Identität. Viele fragen sich in dieser größer gewordenen, zusammengewachsenen Welt: „Wer bin ich?“ Das muss man auch in Deutschland ernst nehmen. Wir sehen vor allem in an deren Ländern, dass dieses Ressentiment und die Suche nach der eigenen Identität Probleme sind.
Wenn die Politik zulässt, dass es heißt, „die da oben“, „die an deren“ oder „die Verhältnisse“ seien schuld, entsteht eine Si tuation, in der nach Blitzableitern gesucht wird. Dieser Blitz ableiter ist derzeit Europa. Ich sage in diesem Landtag: Wir dürfen nicht zulassen, dass Europa der Blitzableiter ist in ei ner Situation, die wir bezogen auf das Verhältnis von Bürgern und Politik wieder verändern müssen.
Es ist unsere Aufgabe, dass wir das rechtzeitig aufspüren. Dies ist nicht überall gelungen. Dies wird man an dieser Stelle kon zedieren müssen, wenn man die Bewegungen in manchen eu ropäischen Ländern betrachtet wie in Ungarn – mit der dorti gen Situation können wir in keiner Weise zufrieden sein – oder auch in Italien, von wo wir von der Lega Nord nur Dinge hö ren, die uns unruhig werden lassen.
Deswegen müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass wir diese Bewegungen nicht allein auf der politischen, auf der ra tionalen Ebene einfangen werden. Es haben sich – gestatten Sie mir diese etwas unpolitische Bemerkung – bei vielen Men schen, die Teil dieser Bewegungen sind – das sieht man, wenn man fernsieht –, sozusagen archaische Lebensformen – der Umgang mit der Waffe, der kraftstrotzende Auftritt – wieder eingeschwungen. Es ist beunruhigend, dass der zivile Umgang miteinander in Europa nicht gesichert ist. Das ist enorm schwie rig. In der Ukraine sieht man bis vor den Wahllokalen Men schen mit Waffen. Das ist zutiefst beunruhigend.
Ich will dazu einfach sagen: Meine Partei – ich will es aber nicht gegen andere wenden – hat nicht zu denen gehört, die es nicht erwarten konnten, im Fernsehen von drei Program men auf 30 Programme, auf 300 Programme zu kommen. Es ist eine Schwierigkeit, dass kulturelle Prägungen bestehen, die nahelegen, dass rechtsextremes, rechtspopulistisches Verhal ten Platz greift. Das ist eine Schwierigkeit.
Es geht jetzt darum, dass wir hinstehen, dass wir sicherlich auch abwehren und sagen: „Die Errungenschaften BadenWürttembergs dürfen nicht gefährdet werden.“ In Wirklich keit geht es darum, dass wir mit unserer demokratischen Kul tur in Europa all denen, die anders auftreten wollen, die Stirn bieten. Wir brauchen in der politischen Auseinandersetzung einen offensiven Geist, meine Damen und Herren.
Ich will dazu ein paar Sätze sagen: Gerade Baden-Württem berg, ein international ausgerichtetes Land, ist darauf ange legt, dass mit Minderheiten tolerant umgegangen wird, dass Religionsfreiheit betont wird, dass Freizügigkeit gewollt wird. Das ist sozusagen das Lebenselixier, und nur daraus können wir unsere Stärke beziehen. Wir haben überhaupt keine Wahl, uns in eine andere Richtung zu bewegen.
Ich will ein paar Punkte nennen, die ich für ein solches offen sives Verständnis für wichtig halte.
Das eine ist – davon habe ich schon gesprochen –, dass wir Patriotismus für Europa brauchen. Dessen Kern bilden die Verfassungen, die ab 1789 geschaffen worden sind. Deswe gen ist es das Wichtigste, dass wir einen Verfassungspatrio tismus leben, der auch tatsächlich von unserem Land, von Ba den-Württemberg aus, von Deutschland aus ausstrahlt. Es ist wichtig, bei Kontakten auch darauf hinzuweisen, was Grund rechte bedeuten. Wir sollten sie nicht bloß larmoyant sozusa gen im Gepäck mitschleppen. Aspekte, die hier für uns eine Rolle spielen, wie etwa die kommunale Selbstverwaltung, können an anderer Stelle auch sinngebend und wohltuend sein. Deswegen bin ich dafür, dass wir mit unserem Verfas
sungspatriotismus offensiver umgehen. Meine Damen und Herren, ich halte das für die künftige Praxis in unseren Aus landsbeziehungen für wichtig.
Der zweite Punkt ist das Regionalbewusstsein. Viele der rechts populistischen Bewegungen speisen sich aus einem miss brauchten Regionalbewusstsein. Die Situation in Baden-Würt temberg ist anders. Wir wissen, dass Globalisierung keine Abwehr verträgt, sondern eine Aufnahme, einen Ausgleich braucht. Dies erkennt man, wenn man daran denkt, dass wir mit regionalen Lebensmitteln künftig besser umgehen müs sen. Deswegen gilt immer: Regionalität und Globalität sind zwei Seiten einer Medaille. Ein solches Regionalbewusstsein kann man in Europa tatsächlich brauchen und nicht eines, das auf Abschottung angelegt ist. Der baden-württembergische Weg gemäß dem Prinzip „Stark hier im Land und solidarisch in Europa und in der Welt“, den wir mit unserem Regionalbe wusstsein gehen, ist der richtige Weg.
Der dritte Beitrag ist eine Beispielkultur. Wir können die Köp fe nicht allein im Abstrakten gewinnen. Man muss denen, die verführt und die verleitet sind, auch sagen können, was daran gut ist, wenn man aus dem demokratischen Fundus heraus et was tut. Ich nenne einfach einmal die duale Ausbildung, von der wir hier in diesem Haus – Gott sei Dank – zunehmend re den. Das ist ein Beispiel, das man nach außen transportieren kann. In der dualen Ausbildung gibt es auch ein persönliches Verhältnis zwischen dem Ausbilder und dem Auszubildenden, in dem der Ausbilder, wenn er eine Autorität ist, z. B. auch sa gen kann: „Junge, du bist beim falschen Klub, wenn du bei Jobbik in Ungarn mitmachst.“ Das ist etwas, was dann viel leicht auch geschieht.
Deswegen gilt es bei einer Beispielkultur z. B. auch darüber zu reden, wie sich die Wohlfahrtsverbände für eine zivile und demokratische Gesellschaft positiv auswirken. Das ist auch etwas, was es an anderer Stelle so nicht immer gibt.
Die baden-württembergischen guten Beispiele – nicht im Sin ne eines imperialen Getues – vertragen eine Vervielfältigung.
Das Vierte ist: Wir haben ein Interesse an einer europäischen Wirtschaftspolitik. Ich möchte mich schon noch einmal mit dem Thema Haftungsgemeinschaft auseinandersetzen, das Sie, Kollege Reinhart, angesprochen haben. Wir haben dieses Thema hier in letzter Zeit etwas liegen lassen. Ich will deut lich machen: Allein zu sagen, Frau Merkel liege richtig mit ihrer Ansicht, dass wir sozusagen nicht gegenseitig immer für die anderen bezahlen wollen, ist europäisch zu kurz gesprun gen.
Europa ist aufgrund seiner Position in der Welt nicht mehr in der Lage, eine Steuerung mit 20 Wirtschaftspolitiken zu ha ben. Es ist notwendig, eine europäische Wirtschaftspolitik zu entwickeln. Sie wird auch darauf angelegt sein müssen, dass es Ausgleiche gibt.
Ich finde es schwach, Herr Kollege, wie die Eurobonds her untergeredet worden sind.
Herr Hauk, hören Sie mir zu. – Was ist zu tun, wenn ein Land, das noch nie richtig Industrie hatte, eine Industrie be kommen soll? Da können wir doch nicht sagen: „Die Markt kräfte regeln das schon.“ Da ist es doch notwendig, eine Pro jektfinanzierung zu machen. Bestimmte Industrien können durch Eurobonds tatsächlich auch einmal hochkommen. Das sind Finanzierungen, bei denen investiert und nicht Geld aus gegeben wird. Das sollten Sie an dieser Stelle vielleicht ein mal bedenken, meine Damen und Herren.
Sie werden merken, wie dieses Thema wieder aufkommen wird. Dann werden Sie sagen: „Hoppla, wir haben es gar nicht so gemeint.“
Zum Schluss will ich Ihnen noch sagen: Dieses Land und die ser Kontinent brauchen vor allem etwas, was bisher auch et was untergegangen ist. Ich kann mich erinnern: Als ich Wei ßen Sonntag hatte, bin ich mit dem Buch „Zivilcourage“ von John F. Kennedy beglückt worden.
Darin stehen ziemlich viele gute Geschichten aus Amerika da rüber, wie man sich gegen etwas wehrt, wie man für etwas hinsteht und wie man sich für etwas einsetzt.
Deswegen sage ich: Es ist ganz wichtig, dass wir in der Situ ation, in der wir uns befinden, keine Gleichgültigkeit, sondern Zivilcourage haben. Vor allem darauf kommt es an.
Danke schön.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Kollegen Hans-Peter Storz entschul digen, der zu diesem Thema hätte sprechen sollen, aber aus persönlichen Gründen heute nicht anwesend sein kann. Da her darf nun ich einige Gedanken zum Thema vortragen. Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit, zumal ich mich mit diesem Thema auch immer wieder einmal befasst habe.
Möglicherweise weichen die Gedanken, die Sie jetzt hören werden, etwas von dem ab, was bisher gesagt wurde.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie im Dom von Siena sind, nicht weit von der Piazza del Campo, sehen Sie ein Gemälde des Malers Lorenzetti, das den Titel trägt – ich bin kein Kunstkenner, aber das habe ich mir gemerkt –: „Il Buon Governo“ – „Das gute Regieren“. Auf diesem Bild ist zu lesen: „Citta“ und „Campagna“ – „Stadt“ und „Land“. Dargestellt werden die Austauschbezie hungen zwischen beiden Bereichen. Es wird gezeigt, was dort jeweils geleistet wird. Manufakturen, Handwerk sowie auch das Administrieren gehören zur Stadt; die Früchte des Feldes und die entsprechenden Arbeitskräfte werden dem Land zu geordnet. Zwischen beiden findet ein Austausch statt – ein sympathisches Bild.
Die Frage ist, ob dieses Bild auch heute noch auf Baden-Würt temberg zutrifft und ob die klare Zweiteilung zwischen länd lichem Raum und städtischen Räumen aufrechtzuerhalten ist. Tatsächlich – das schlägt sich auch in der Landesentwick lungsplanung nieder – ist es anders. Es gibt Verdichtungsräu me, es gibt Randzonen von Verdichtungsräumen, es gibt länd liche Räume, es gibt Verdichtungsräume in den ländlichen Räumen – die übrigens voll in der Förderkulisse des ländli
chen Raums enthalten sind. Das Bild ist heute also differen zierter.
Bei genauer Betrachtung des Bruttoinlandsprodukts je Erwerbs tätigem zeigt sich: In Baden-Württemberg liegt der schwächste Landkreis, Breisgau-Hochschwarzwald, bei 84 %, der stärks te Kreis, Stuttgart, liegt bei 112 % des Landesdurchschnitts. Im Nachbarland Bayern ist die Spanne viel größer, sie reicht von 79 bis 175 %. In Hessen sieht es ähnlich aus. Baden-Würt temberg weist also faktisch, empirisch, eine große Flächen stärke auf.
Die erste These, die ich in diese Debatte einbringen möchte, lautet daher: Es hat keinen Wert, die einzelnen Räume in Ba den-Württemberg gegeneinander auszuspielen. Baden-Würt temberg ist insgesamt ein flächenstarkes Land, und es kann nur im Miteinander stark bleiben, Kolleginnen und Kollegen.
Der zweite Punkt: Diese Ausdifferenzierung zeigt die große Bedeutung der ländlichen Räume. 28 % der Beschäftigten lan desweit arbeiten im ländlichen Raum; gleichzeitig werden dort 23 % des landesweiten Umsatzes erzielt. Natürlich liegt ein starker Schwerpunkt in der Produktion; daneben gibt es aber auch einen ausgeprägten Trend zur Tertiarisierung, also in Richtung des Ausbaus des Dienstleistungssektors. Laut einer Studie gibt es in Baden-Württemberg 252 Hidden Champi ons; 122 davon – das sind weit mehr als 40 % – sind im länd lichen Raum.
Das ist eine Momentaufnahme; es zeigt aber auch die gewach senen Strukturen. Wir alle können daher zu Recht stolz dar auf sein – und sollten dies auch zum Ausdruck bringen –, dass wir in Baden-Württemberg einen starken ländlichen Raum ha ben.
Dennoch ist es heute möglicherweise notwendig, zu einer neu en Denkweise zu gelangen. Der ländliche Raum weist insbe sondere eine Stabilität der sozialen Beziehungen auf. Man weiß voneinander, und man kann sich gegenseitig helfen. Die Abläufe sind weitgehend bekannt; es gibt keine solche Ano nymität. Auf der anderen Seite ist eine Verletzlichkeit vorhan den, und zwar gerade dann, wenn es einmal konjunkturell nicht so gut läuft und wenn eine bestimmte Branche einmal in den Schatten gerät. Die Hauptaufgabe des Staates – und Ba den-Württemberg ist ein Staat – besteht darin, Infrastruktur politik zu betreiben, sodass eine gute Infrastruktur als Voraus setzung für eine gute wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den ländlichen Räumen gewährleistet ist. Genau das tut die se Landesregierung mitsamt den sie tragenden Parteien und Fraktionen.
Mit Freude.
Zunächst einmal ist es schön, dass Sie mir attestieren, meine Ausführungen seien wortreich. Ich habe zu diesem Thema gerade einmal einen Satz gesagt.
Zu Ihrer Frage: Wir verhindern keine Verkehrsprojekte, son dern wir haben eine Ausbauplanung. Sie müssen nur einmal in den Haushalt hineinschauen, um festzustellen: Wir tun ei niges für die Infrastruktur, und zwar auch im Straßenbau, Herr Kollege.
Sogar im Nachtrag.
Ich fahre fort; Zwischenfragen können mich in meiner Argu mentation nur aufbauen.
Was sich hingegen geändert hat, meine Damen und Herren, ist die Philosophie. Denn es ist nicht mehr angemessen, pau schal an die Dinge heranzugehen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten vor dem Regierungswechsel hatte für den länd lichen Raum im Wesentlichen eine Politik mit der Gießkanne stattgefunden. Wir hingegen machen eine Politik der konkreten Hilfsangebote, und zwar dort, wo es wichtig ist. Der EFRE-Wettbewerb, der gerade stattfindet und bei dem wir für mehr Mittel gekämpft haben – wohingegen die Vorgängerre gierungen bereits zweimal mit ihren Entwürfen wegen Män geln in der Darstellung zurückgeschickt worden waren –,
zeigt unser Bestreben: Wir wollen – und zwar als Angebot –, dass sich Regionen im Wettbewerb aufgefordert fühlen, mit den besten Ideen zu kommen. Wir betreiben keine Politik mit der Gießkanne, sondern wir treten in einen Wettbewerb um gute Ideen ein. Das ist die neue Philosophie, meine Damen und Herren.
Ich darf Ihnen also sagen: Die Politik, die wir brauchen, ist eine Politik, die die Räume so betrachtet, dass konkrete Hilfs angebote möglich werden. Darum wird es im Wesentlichen gehen – übrigens im Konzert aller Ministerien; es ist wichtig, dass wir in diese Richtung denken.
Die Clusterpolitik ist ein aussagekräftiges Beispiel dafür. Wir haben die Situation, dass es in den Bereichen Feinmechanik, Optik, Uhren – Produktionszweige, die gerade in der Region Schwarzwald/Breisgau vorherrschen – schwierig wurde. In zwischen spürt man aber – ähnlich wie im Schweizer Jura oder wie am Rande des französischen Jura, in Besançon –, dass diese Tradition mithilfe neuer Technologien, etwa mit Mikro systemtechnik, wiederbelebt werden kann. Deswegen sind wir froh, dass Cluster wie etwa die Mikrosystemtechnik in Süd baden so groß herauskommen und tatsächlich auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene mit Preisen und Dotierun gen geehrt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir schauen – das will ich auch ansprechen – natürlich nach vorn. Es ist gut, Bilanz zu ziehen; aber es gibt Bereiche, die für die Zukunft wichtig sind und bei denen wir eine differen zierte Wirtschafts- und Strukturpolitik in diesem Land ma chen müssen.
Der demografische Wandel ist bereits angesprochen worden. Es ist völlig klar, dass wir dem demografischen Wandel be gegnen müssen; denn gerade im ländlichen Raum muss man der Gefahr der Abwanderung gegenhalten.
Es darf im ländlichen Raum nicht sein wie in Frankreich: Dort ziehen die reichen Pariser alle in den Luberon. Das ist eine schöne Gegend. Dort ist alles prima. Aber dort findet nicht mehr das pralle Leben statt. Deswegen ist es wichtig, dass tat sächlich Menschen aller Generationen und aller Einkommens gruppen im ländlichen Raum vertreten sind. Darum muss man sich kümmern.
Der erste wichtige Punkt: die Fachkräfte. Wir haben eine In itiative, die regionale Fachkräfteallianzen schafft und die, lie be Kollegen Locherer und Lucha, in Ravensburg in der Regi on Bodensee/Oberschwaben mit einem Welcome Center ei nen tollen Start genommen hat.
Wir müssen an das Thema Schulen herangehen. Es ist wich tig, dass die beruflichen Schulen in der Fläche Voraussetzun gen erfüllen; sie müssen Qualität bieten, aber auch präsent sein, nah an den Handwerksbetrieben sein. Es ist notwendig, in der beruflichen Schulentwicklung nach vorn zu schauen und hierfür zu sorgen.
Bei der ärztlichen Versorgung ist auch der Bund gefordert.
Hinsichtlich des Einzelhandels darf die Städtebauförderung nicht nur Stadtkulissen schaffen, sondern die Städte müssen belebt werden; da muss Servicequalität drin sein. Das hat das Wirtschaftsministerium zusammen mit dem Einzelhandels verband im Rahmen eines Wettbewerbs aufgegriffen.
Außerdem muss im Tourismus eine moderne Infrastruktur vorhanden sein. Der Kunde hat heutzutage bestimmte Ansprü che. Es darf nicht so sein wie früher, 1974 im Fußballtrai ningslager in Malente, als sich zwei WM-Spieler ein Bett tei len mussten.
Ich komme zum Ende. – Deswe gen sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn es um Politik für den ländlichen Raum geht, geht es immer um gu te Politik für ganz Baden-Württemberg. Wir brauchen eine Politik für die Zukunft, die problemorientiert ist und sich nicht am Gießkannenprinzip orientiert.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, wer te Kolleginnen und Kollegen! Ich darf ein paar Gedanken zum Thema des heutigen Vormittags äußern. Dieses Thema ist, wie man auch an den Redebeiträgen gemerkt hat, nicht ganz ein
fach zu fassen. Denn dabei kommen ganz unterschiedliche Aspekte hoch. Am Anfang ist man also schon gezwungen, auf das einzugehen, was dabei nun so angekommen ist.
Herr Hauk, ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Ich habe Ihre Rede als ein Hin- und Herschwanken zwischen ökono mischer Einsicht und politischen Ressentiments empfunden. Sie finden Ihre eigene Position nicht. Ich meine, die Position muss die sein, dass die gesellschaftliche Einsicht bestehen muss, dass das, was wir hier besprechen, notwendig ist. Ich sage Ihnen auch: Wir sind hier keine Gutmenschen, sondern wir sind Realisten. Das ist es, worum es hier geht.
Wir tun hier im Land die Dinge, die notwendig sind; auch das will ich sagen. Wenn Sie sagen, die Potenziale würden nicht erschlossen, und das mit einem kurzen Seitenhieb auf die Schulpolitik verbinden, frage ich Sie: Haben Sie jemals von der Fachkräfteallianz gehört, Herr Kollege Hauk? Haben Sie schon einmal davon gehört, dass es über 3 000 Ausbildungs botschafter gibt? Haben Sie gehört, dass wir die Kontaktstel len „Frau und Beruf“ stärken? Haben Sie gehört, dass wir im Ausland gezielte Werbeaktionen machen?
Wir tun etwas für die Förderung der Potenziale. – Es gibt noch viel mehr, Herr Röhm. Versuchen Sie doch gar nicht erst, da zwischenzureden.
Es passiert vieles – übrigens gemeinsam –, es passiert etwas. Das darf nicht in Abrede gestellt werden. Wir heben die Po tenziale hier im Land. Das ist das Wichtigste; das ist die ers te Aufgabe.
Baden-Württemberg ist, meine Damen und Herren – ich fin de, das sollten wir hier einmal gemeinsam feststellen –, ein wirtschaftsstarkes Land, und Baden-Württemberg ist ein welt offenes Land. Dies beides kann nicht gegeneinander in Stel lung gebracht werden; vielmehr bedingt sich beides gegensei tig. Darauf kommt es an.
Wenn man diese Einsicht hat und dies umsetzen will, muss man die Köpfe und die Herzen der Menschen erreichen. Da darf man nicht damit anfangen, Kopf und Bauch gegeneinan der auszuspielen. Darum geht es; das will ich Ihnen an dieser Stelle auch einmal sagen.
Unser Land wird keine Rosinenpickerei machen können. Das mag ein Bergvolk versuchen; Deutschland ist die größte Öko nomie in Europa, und Baden-Württemberg ist das wirtschafts stärkste Bundesland, die wirtschaftsstärkste Region in Euro pa – jedenfalls strengen wir uns an, das zu sein. Wir können keine Rosinenpickerei machen.
Ich finde es toll, dass die FDP/DVP eine Aktuelle Debatte zu diesem Thema für die heutige Sitzung beantragt hat. Das ist mutig. Es gibt auch gute Aussagen. Aber es ist ein bisschen rührend, wenn man dann sieht, wie sozusagen das Zentralor gan, der Leuchtturm des Schweizer Freisinns, die „Neue Zür cher Zeitung“, fragt: „Warum seid ihr unseren rationalen Ar gumenten nicht gefolgt?“ So etwas kann man hören. Wenn ich Kolumnist wäre, würde ich sagen: Die Pfeffersäcke haben die Spießbürger verloren.
An den Ereignissen in der Schweiz sieht man – das ist die Er kenntnis –, dass man seine Überzeugungen nicht allein dar auf gründen kann, dass sich das ökonomisch rechnen muss. Vielmehr ist klar: Wir brauchen in unseren hiesigen europäi schen Ökonomien auch soziale Mindeststandards. Wir brau chen einen Mindestlohn, wir brauchen ein Tariftreuegesetz, wie wir es gemacht haben. Das schafft Sicherheit, um sich als Individuum in dieser offener gewordenen Welt tatsächlich gut bewegen zu können. Darum geht es.
Jetzt komme ich in wenigen Sätzen noch einmal auf die Fak ten zu sprechen, damit wir das Thema vielleicht auch einmal eingrenzen können. Der Fachkräftemangel in Baden-Würt temberg ist im Vergleich mit dem im gesamten Bundesgebiet überdurchschnittlich groß. Was wir vor allem brauchen, sind dual ausgebildete technische Facharbeiter. Deswegen noch einmal das Lob der dualen Ausbildung. Auf diese kommt es an, auch mit Blick auf die Werbung im Ausland. Potenzial aus dem Ausland steht als zweite Säule neben dem einheimischen Potenzial zur Debatte. Wir brauchen Ingenieure, Informatiker, Pflegekräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher.
Deswegen freue ich mich über diese Debatte. Ich freue mich auch darüber, dass der Ausschuss für Europa und Internatio nales morgen als gemeinsame Initiative über die Mobilität und Mobilisierung von Fachkräften in Europa reden wird. Ich freue mich, dass der Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft in der vorvergangenen Woche in Spanien war und sich diese Themen vorgenommen hat.
Das, was wir derzeit an Fachkräftemangel spüren, mag eine Folge der starken, der guten Konjunktur sein. Aber es scheint schon auf, dass wir uns irgendwann, etwa ab 2020 – Stichwort Demografie –, natürlich mit der strukturellen Frage beschäf tigen müssen: Wie können wir es schaffen, einen attraktiven Standort für Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kom men, zu bieten?
Deswegen ist alles, was wir heute tun, nicht nur ein reines Be dienen von Arbeitspotenzialen. Vielmehr ist es eine wichtige Weichenstellung, welches Signal das weltoffene Baden-Würt temberg nach außen sendet, wie wir selbst sind, damit wir für andere attraktiv sind. Glaubt denn jemand, alle sitzen auf ge packten Koffern, um nach Baden-Württemberg zu kommen? Das ist nicht unbedingt der Fall. Die Frage ist, wie attraktiv Baden-Württemberg ist. Darum geht es im Landtag von Ba den-Württemberg.
Zwischen 2000 und 2009 hatten wir einen Rückgang der Zahl der Beschäftigten, die zugewandert sind, zu verzeichnen. Zwi
schen 2010 und 2013 hatten wir einen Zuwachs von 30 000 Menschen im Jahr. Es sind vor allem Polen, Ungarn und Ru mänen. Die meisten dieser Zuwanderer sind qualifiziert. Ein Zuwachs, Herr Hauk und alle anderen, liegt auch darin, dass unter denen, die im Jahr 2000 zu uns gekommen sind, erst 60 % Fachkräfte waren, während es im Jahr 2013 fast 80 % Fachkräfte sind, Personen, die einen Bildungsabschluss ha ben, der sich in diese Richtung deuten lässt.
Deswegen: Es gibt keine nennenswerte Zuwanderung in die Sozialsysteme. Es gibt eine attraktive Anziehungskraft hier bei uns in Deutschland und in Baden-Württemberg für Fach kräfte, die etwas können. Wir wollen auch, dass sie bei uns sind; denn wir sind auf einen Austausch angewiesen.
Für Baden-Württemberg gilt zudem, dass die Arbeitslosen quote bei den hier lebenden Migrantinnen und Migranten von 8,2 % im Jahr 2010 auf 5,5 % im Jahr 2012 zurückgegangen ist.
Das sind die nackten Zahlen, mit denen wir umgehen müssen. Diese Zahlen taugen nicht dazu, dass jemand – weil in Bay ern bald Kommunalwahlen stattfinden – einfach sagen kann: „Wer betrügt, der fliegt.“ Es ist besser, wenn wir hier in Ba den-Württemberg sagen: Wir wollen alle Menschen bei uns haben, die sich selbst mit ihrer Arbeit verwirklichen wollen – übrigens nicht „rosinengepickt“ nach Berufen; denn ich glau be, dass wir auf Dauer für relativ viele Berufe Personen an ziehen müssen. Das darf man auch nicht vergessen.
Deswegen will ich Ihnen einfach nur sagen, was auf dem Weg ist, was man tun kann. Wir haben, denke ich, auf der Gesetz gebungsseite keine Defizite mehr. Das Zuwanderungsrecht für Fachkräfte von außerhalb der EU ist in Deutschland geregelt. Die Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Be rufsabschlüsse wurden im Bund im Jahr 2012 geregelt. Bezo gen auf die landesrechtlich zu regelnden Berufe wurde dies, Frau Ministerin, Ende 2013 hier im Landtag vollzogen. Wir haben hier die Hausaufgaben gemacht.
Das Nächste, was zu tun ist, betrifft die Willkommenskultur. Ich freue mich, dass der Innenminister einen Leitfaden für ei ne Willkommenskultur im Verwaltungsalltag herausgegeben hat. Das ist das, was viele der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die zu uns kommen, sozusagen als erste Sta tion sehen.
Ich freue mich, dass sich der dritte Sektor – z. B. alles, was zu Wohlfahrtsverbänden gehört – tatsächlich anstrengt, etwa die Beratungsstellen, wenn es um die Berufsqualifizierung geht.
Die Landesregierung und die sie tragende Koalition machen Pilotprojekte. Wir versuchen, ausländische Studierende in Ba den-Württemberg zu halten; derzeit verlassen 60 % dieser Stu dierenden das Land nach ihrem Studium wieder. Wir versu chen, qualifizierte Menschen, die das Land bereits kennen, die die Sprache kennen, hier zu halten. Wir führen Rekrutierungs maßnahmen im Ausland durch, etwa für Ingenieure oder Fach arbeiter, durch die regionalen Fachkräfteallianzen. Es ist wich tig, dass man dabei so früh wie möglich die Sprache, aber auch die kulturelle Annäherung einbezieht.
Wir haben jetzt die große Initiative in Bezug auf die Welcome Center, die es in ganz Baden-Württemberg geben wird. Wir sind ja gemeinsam der Meinung, dass dies eine gute Sache ist. Die Welcome Center verfolgen sozusagen einen ganzheitli chen Ansatz: Von der Wohnung über die Arbeit bis hin auch zur Schule wird alles gemeinsam betrachtet. Die Welcome Center sind eine wichtige Sache.
Ich sage an dieser Stelle, meine Damen und Herren: Für uns ist wichtig, dass wir das gesamte Bündel von Maßnahmen, das sich auch noch weiterentwickeln wird, in einem Klima der Weltoffenheit in Baden-Württemberg vorantreiben. Die Zu kunft Baden-Württembergs wird nicht allein, Kolleginnen und Kollegen, die sein, dass Menschen in aller Welt sagen: „Na ja, das ist die Exportnation, die die Autos verkauft“, und sie gelegentlich zu uns kommen – Monteure, Personen, die auf Montage sind oder etwas verkaufen wollen. Die Zukunft Ba den-Württembergs ist nicht das Exportland.
Die Zukunft Baden-Württembergs ist das Land der internati onalen Wirtschaft. Hier bei uns wird vieles passieren, was sich auf Export und Import bezieht. Wir sind auf dem Weltmarkt unterwegs und haben Anziehungskraft für Menschen unter schiedlicher Kulturen, an den Hochschulen oder auch in den Berufsstätten, die es in Baden-Württemberg gibt. Baden-Würt temberg wird weltweit eine der stärksten Regionen für den in ternationalen Austausch sein.
Es gibt einen alten Witz von Erwin Teufel: Ein schwäbischer oder badischer Unternehmer, der in Australien Geschäfte macht und am Freitag nicht mehr zurückfliegen kann, sitzt im Hotel in Sydney und jammert: „Jetzt hocke ich hier in Sydney; ich müsste zu Hause eigentlich Bäume schneiden.“
Dieser Witz kommt immer wieder gut an. Aber er entspricht leider nicht mehr der Realität für die Zukunft. Die Realität ist eine ganz andere, nämlich die, dass wir weltoffen sind, dass wir Menschen sind, die sich auch in anderen Teilen der Welt gern bewegen. Dieses Signal auszusenden ist wahnsinnig wichtig. Es ist aber auch wichtig, dies im Selbstverständnis zu haben. Wir werben dafür, Herr Hauk und alle anderen, dass wir nicht das, was unsere ureigenste Führungsaufgabe ist, ver säumen, sondern dass wir die Menschen tatsächlich mitneh men.
Das ist unsere Aufgabe. – Das Mitnehmen heißt: Wir ma chen konkrete Projekte, die Mut machen, die anstecken. Wir haben eine klare politische Haltung, was Toleranz und Welt offenheit in diesem Land angeht. Das ist die wichtigste Vor aussetzung dafür, ein wirtschaftsstarkes Land zu sein. Meine Damen und Herren, ich glaube, das sollte unsere gemeinsame Überzeugung sein.
Danke schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zur Abrundung der Diskussion zwei Ge danken aus Sicht eines Abgeordneten im Ausschuss für Finan zen und Wirtschaft vortragen
zur Abrundung der Diskussion aus SPD-Sicht –, die mir am Ende dieser Debatte als wirtschaftspolitische Herausforderun gen bedeutsam erscheinen. Deshalb möchte ich sie hier auch vorstellen.
Es kommt ein bisschen darauf an, dass wir das Thema mit Ver stand, aber auch mit dem Herzen angehen. Deshalb will ich im ersten Punkt das aufgreifen, was hier zur Auseinanderset zung zwischen akademischer und dualer Ausbildung ange tippt worden ist.
Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, dass in der öffentlichen Wahrnehmung eine Schieflage entstanden ist, und es ist klar, dass diese Schieflage Ursachen hat. Ich glaube aber nicht, dass sie durch eine Deutung in irgendeinem Koalitionsvertrag ent standen ist, sondern sie hat eher damit zu tun – das muss man sagen –, dass wir über Jahre und Jahrzehnte hinweg eine po litisch unterfütterte gesellschaftliche Grundhaltung hatten, dass jemand, der mit einem Samsonite-Köfferchen in ein Fi nanzinstitut geht, bedeutsamer ist als derjenige, der im blau en Anton in eine Fabrik geht.
Das ist der Ausgangspunkt der Situation. Deswegen muss man das auch beim Namen nennen, und deswegen sage ich: Wich tig ist, dass wir in dieser gesamten Angelegenheit nicht über ein Entweder-oder, sondern über ein Sowohl-als-auch reden, dass wir vor allem aber auch darüber reden, dass die duale Ausbildung nicht nur gleich wichtig, sondern auch gleichwer tig ist, dass wir also diese Wertigkeit in unserer Gesellschaft ansprechen.
Weil das so ist, blättere ich einmal zurück und sage – man soll nicht zu viel in Nostalgie machen –: 12:30 Uhr sonntags mit tags, Abfahrt zum Auswärtsspiel – Turnhalle Salach –, da ist der Peter Hofelich mit seinem VW Käfer, 1 200 cm3, dage standen, und die Freunde von der dualen Ausbildung sind in der Regel mit einem Manta oder mit einem Capri gekommen, und die meisten sind bei denen mit dem Capri mitgefahren. Auch wenn es um das Fußballspielen ging, waren die Lehr linge stärker als die Oberschüler. Ich weiß, dass die Rollen im Leben dann anders sein werden, aber es war eine Situation, bei der klar war: Man respektiert sich gegenseitig. Es gibt Si tuationen, dass man sagt – –
Noch einmal: Ich trauere dieser Zeit nicht nach, weil ich nicht mit Fußball Geld verdienen konnte.
Aber Tatsache ist auf jeden Fall, dass es gegenseitigen Res pekt gegeben hat. Darauf kommt es an, Kolleginnen und Kol legen.
Deswegen – zum Thema Gemeinschaftsschule, dass jemand das überhaupt noch hochzieht –: Das Handwerk unterstützt die Gemeinschaftsschule.
Klar ist, dass die Gemeinschaftsschule eine neue Grundlage dafür schafft, dass die Ausbildungsberufe im dualen Bereich sinnvoll genutzt werden können.
Dann noch eine klare Ansage zu dem, was auch zur Wertig keit gehört. Ich sage an dieser Stelle – ich glaube, das können wir alle als Ansage in Richtung Brüssel formulieren –: Bei uns bilden Meisterinnen und Meister aus, und deswegen wollen wir auch, dass der Meisterzwang bei unseren Ausbildungen beibehalten wird.
Zweiter Gedanke in aller Kürze: Wir brauchen am Produkti onsstandort Baden-Württemberg Berufe, die diesen Produk
tionsstandort in Zeiten des demografischen Wandels auch in der Zukunft ausfüllen können. Ich war gestern auf der „Blech expo“ auf dem Gelände der neuen Messe. Da wird genietet, da wird gestanzt, da wird geschnitten, da wird gebogen, da wird alles gemacht. Dort laufen die Leute staunend und neu gierig durch die Ausstellungsstände. Dort sieht man die Sub stanz, mit der die Industrie und das Handwerk unser Land Ba den-Württemberg voranbringen und mit Qualifizierung nach vorn bringen wollen.
Weil das so ist, sagen wir: Die duale Ausbildung ist für uns im Kern die Absicherung der Identität unseres Landes. Dar auf kommt es ganz wesentlich an.
Deswegen sagen wir: Wir wollen, dass diese duale Ausbil dung von uns mit allen Möglichkeiten, die wir haben, unter stützt wird, insbesondere auch in einer guten Kooperation von Schule und Beruf, damit jeder die Zugänge kennt.
Wir als SPD sagen: Wir stehen hinter der dualen Ausbildung.
Danke.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Gestern Abend war ich bei einer Veranstaltung ei nes Wirtschaftsethiknetzwerks an der Katholischen Akademie Hohenheim. Es war sehr beeindruckend, dort den Geschäfts führer der bekannten Firma Ritter Sport, Herrn Ritter, zu hö
ren, der dargestellt hat, wie seine Firma mit Kakaolieferanten umgeht, wie die Qualifizierung in Nicaragua vorangetrieben wird, wie Standards gesetzt werden, wie die Hilfe als Hilfe auf Augenhöhe verstanden wird. Das ist es, was Entwick lungszusammenarbeit ausmacht.
Ich denke, dass es in unserem Land viele solcher guten Bei spiele gibt. Wir, die Politik, sind aufgefordert, diesen guten Beispielen auch eine kontinuierliche und sich weiter verbes sernde Politik der Entwicklungszusammenarbeit an die Seite zu stellen.
Das macht den heute vorliegenden Entschließungsantrag so wertvoll: Wir wollen heute über alle vier Fraktionen hinweg eine gemeinsame Entschließung mit elf Punkten vorschlagen und debattieren, die die Entwicklungspolitik in Baden-Würt temberg sowohl in der Kontinuität, die wir über Jahre hinweg haben, als auch in der Weiterentwicklung, für die wir uns neue Ziele setzen wollen, zum Gegenstand hat.
Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, gemeinsam für ein weltoffenes Baden-Württemberg einzutreten und eine auch im Koalitionsvertrag vorgenommene Schwerpunktsetzung in elf Punkten zusammenzufassen und gemeinsam zu debattie ren.
Eines ist klar – das darf ich als Ausschussvorsitzender sagen –: Die viel beschworene Globalisierung zwingt nicht nur zum Umdenken im Hinblick auf unsere Partner in der Welt, bei de nen klar ist, dass wir Entwicklungszusammenarbeit brauchen. Vielmehr gibt es immer auch Rückwirkungen auf uns selbst, etwa im Verbraucherverhalten und in der Art, wie wir produ zieren. All dies sind Aufgaben, die uns besonders wichtig sind, bei denen wir, das Parlament und die Regierung, die Legisla tive und die Exekutive, aber auch die Fraktionen in ihrer ge samten Pluralität, gefordert sind. Wir freuen uns, dass dies ge schieht und dass damit auch die Idee des Global Marshall Plans als einer breiten Initiative aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft aufgegriffen wird.
Alle Fraktionen werden sich mit ihren jeweiligen Schwer punktsetzungen dazu äußern. Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, anhand ganz weniger Punkte von meiner Seite aus sagen, was geschehen ist und worauf wir aufbauen können.
Erstens: Organisation. Dem Anspruch, dass Entwicklungszu sammenarbeit eine Querschnittaufgabe ist, ist in den letzten Jahren, denke ich, auch dadurch Rechnung getragen worden, dass die Rolle des Staatsministeriums bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe gestärkt wurde.
Zweiter Punkt: Budget. Wir sehen, dass wir bei den Budgets ein Stück vorangekommen sind. So haben wir für die Be kämpfung der Armutsprostitution in unserem Partnerland Bu rundi genauso einen Betrag vorgesehen wie für die Trinkwas sergewinnung aus sogenannten Nebelnetzen – das ist übrigens eine interessante Technologie, die auch am Textilforschungs institut in Denkendorf vorankommt. Jedenfalls sind im Haus halt die Mittel für diesen Bereich aufgestockt worden. Das ist erfreulich.
Drittens: Dialog. Es ist gelungen – das ist bundesweit einma lig –, den entwicklungspolitischen Dialog „Welt:Bürger ge fragt!“ zu führen. Dies hat hervorragende Resonanz gefunden,
soweit wir das jeweils im Detail nachvollziehen konnten. Ich bin mir da sehr sicher, weil ich bei solchen Veranstaltungen dabei bin.
Vierter Punkt: Programm. Es gibt im Ministerrat beschlosse ne entwicklungspolitische Leitlinien, die auch angenommen sind.
Fünftens: Vernetzung. Das Eine-Welt-Promotorenprogramm für Baden-Württemberg hat eine gute Resonanz.
Das möchte ich als allgemeine Information zum Einstieg sa gen. Wir freuen uns auch sehr, dass wir bei der Partnerschaft der Parlamente mit unserem Partnerland Burundi einen wei teren Schritt zu gehen versuchen. Wie weit das trägt und wann man wirklich einsteigen kann, wird man sehen. Aber ich den ke, auch das ist ein schönes Signal.
Wir wollen Solidarität nach außen und Entschlossenheit nach innen. In diesem Sinn haben wir, denke ich, mit diesem ge meinsamen Entschließungsantrag eine hervorragende Grund lage, über die wir heute diskutieren können.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Eigentlich ist alles ganz einfach. Wir wollen Regeln und Standards in der Welt wirtschaft haben, damit sich der Freihandel gut entwickeln kann. Damit wird Baden-Württemberg am besten gedient. Das ist unsere Grundüberzeugung, mit der ich heute hierherge kommen bin.
Ich muss sagen: Es ist schon eine einigermaßen kafkaeske Si tuation, wie die beiden Oppositionsfraktionen versucht haben, irgendetwas von Protektionismus aufzubauen. Dieses Bemü
hen war so peinlich und offensichtlich, dass ich am Ende jetzt nur noch über etwas anderes reden kann, nämlich darüber, wie es nach vorn geht, wie man Gas gibt. Herr Paal, das, was Sie als Fassade aufzubauen versucht haben, war schlichtweg pein lich.
Herr Paal, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Eines muss ich Ihnen jetzt schon sagen: Sie haben behauptet – dieser Satz ist offenbar in Ihrem Fundus –, den früheren Regierungen sei es zu verdanken, dass Baden-Württemberg zum Technologiefüh rer wurde. Mit dieser Art von Anmaßung muss Schluss sein. Es sind die Betriebe, die Arbeitnehmer und Unternehmer, die dieses Land zum Technologieführer gemacht haben.
Da scheint immer noch etwas nachzuwirken, was Ihnen schon genug Probleme bereitet.
Nein, das war genau der Punkt, mein lieber Kollege. Es ist auch nötig, dass man Ihnen das einmal sagt.
Ich stelle Ihnen drei Punkte in aller Kürze vor: Der erste han delt von der Lage der Branche. Die Kollegin Lindlohr hat be reits darauf hingewiesen. Der zweite Punkt ist eine kurze Aus einandersetzung zum Thema Subvention, und mit dem drit ten Punkt komme ich auf das Gasgeben zu sprechen sowie auf die Frage: Wo müssen wir eigentlich hin?
Ganz kurz zur Situation selbst: Es ist vollkommen klar, dass sich eine Branche ausdifferenziert, je reifer sie wird. Dann passieren andere Dinge als am Anfang. So sind wir bei dieser Branche auch mitten im Prozess. Es gibt neue Technologien: Dünnfilmtechnologie, Silizium-Fotovoltaik. Es gibt spezielle Komponenten, mit denen wir erfolgreich sind. Der Maschi nen- und Anlagenbau in Baden-Württemberg ist Ausrüster für die Welt. Das weiß der Wirtschaftsexperte Claus Schmiedel am besten, meine Damen und Herren.
Diese Replik habe ich ihm einfach versprochen, und die muss sein. – Bei der Forschung und Entwicklung werden vor gelagerte Arbeitsplätze entstehen, ebenso nachgelagerte Ar beitsplätze beim Vertrieb, bei denen Baden-Württemberg und Deutschland – vor allem aber Baden-Württemberg – vorn sein können. Das ist nicht zu unterschätzen.
Eines ist klar: Wir haben einiges zu bieten. Herr Paal, als kur ze Illustration aus dem laufenden Regierungshandeln möch te ich anführen: Derzeit bemüht sich ein Unternehmen mithil fe des Innovationsgutscheins B Hightech darum, eine Glas
fassade zur Energiefassade zu machen, um in die Energiege winnung thermische Elemente zu bringen. All das läuft in Ba den-Württemberg dank der Angebote, die wir machen kön nen. Darauf sind wir auch stolz.
Ich komme nun zum zweiten Punkt, zu den Subventionen. Leider finden wir in Baden-Württemberg nicht die gleiche Si tuation wie im Bundesgebiet vor. Im Bundesgebiet liegt der Schwerpunkt der Modulproduktion in Ostdeutschland. Dort ist man leider auf einem technologischen Stand stehen geblie ben, der eher dem europäischen Durchschnittsstand und nicht der Frontposition Baden-Württembergs entspricht. Deswegen gibt es dort nun Betroffenheiten. Daher kommt die Klage, die die EU aufgegriffen hat, aus Deutschland. Sie kommt von ei nem Teil der deutschen Unternehmen. Deswegen ist vollkom men klar: Wir können uns damit auseinandersetzen, dass sie zwar ihr Recht wahrnehmen, aber das ist derzeit nicht das ba den-württembergische Interesse. Wir sind schon weiter und haben deswegen kein Interesse an einer Konfrontation.
Weil das so ist, sage ich Ihnen: Seit den Zeiten von Colbert und der Förderung von Manufakturen war immer klar, dass eine Anschubinvestition als Subvention ordnungspolitisch ge rechtfertigt sein kann, dass sie aber irgendwann einmal been det werden muss. Das einigt uns hoffentlich auch in diesem Raum.
Deswegen ist klar: Subventionen gibt es in China, Subventi onen hat es bei uns gegeben und gibt es weiter bei uns. In der Tendenz muss es so sein, dass sie abgebaut werden. Aber es darf nicht sein, dass man eine reine Fingerzeigposition ein nimmt. Wir haben in dieser Branche bei uns – ein Schwer punkt liegt jetzt in Ostdeutschland – auch eine Situation der Subventionierung.
Lassen Sie uns hier deswegen insgesamt einmal festhalten: Wir wollen eine Richtung haben, bei der wir vor allem mit dem, was wir können, unterwegs sind.
Damit komme ich drittens noch zu einigen Punkten, die ich aber ganz knapp halten darf.
Erstens: Wir haben ein Interesse daran, dass der europäische Wirtschaftsstandort zusammenhält. Deswegen gelten Regeln. Es ist klar, dass auch Verfahren eingeleitet werden können. Wir vertreten einen anderen Standpunkt dazu. Es ist etwas versäumt worden. Aber die WTO oder das Regelwerk der EU – auch als Wirtschaftsbinnenraum – zu diskreditieren, ist nicht in Ordnung. Das bei dieser Gelegenheit kurz einmal mit dem Satz „Das ist alles nichts“ abzuwatschen, darf in dieser Sache nicht mitschwingen.
Zweiter Punkt: Es gibt keine klare Haltung der Bundesregie rung. Der chinesische Premierminister war da. Wir haben ihm gesagt: „Wir werden voll dagegen sein.“ Die EU hat trotzdem weitergearbeitet, und jetzt kommt lauwarm eine Erklärung hinterher. Wir sind enttäuscht davon, dass die Bundesregie rung als verantwortliche politische Instanz nichts gemacht hat.
Dritter Punkt: Es liegt im baden-württembergischen Interes se, dass die Situation nicht hochgeschaukelt wird – schon gar
nicht bei den Autos, auch nicht bei der Premiumklasse und den Wagen, mit denen wir besonders gut im Geschäft sind. Deswegen haben wir ein Interesse daran, dass die Sache jetzt auch gestoppt wird. Auch wir in Deutschland müssen ein In teresse daran haben, dass der EU-Handelskommissar unsere klare Meinung mitbekommt.
Vierter Punkt: Baden-Württemberg ist nach unserem Grund verständnis – da bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Glück – nicht mehr ein Exportland, sondern ein Land der internati onalisierten Wirtschaft.
Es geht bei uns etwas hinaus, und es geht etwas ein. Das ist neu in Baden-Württemberg,
was sich in den letzten zehn, 20 Jahren entwickelt hat. Umso mehr müssen wir in der Welt mitdenken und dürfen nicht nur Exportinteressen vertreten, sondern müssen uns auch in vor handene Prozesse einmischen.
Letzter Punkt: Wir haben ein Interesse daran, dass wir unse re Chinaaktivitäten verstärken. Wir sind auf der Messe in Nan king vertreten, wir sind aufgrund verschiedener Abkommen unterwegs, die wir geschlossen haben, z. B. Hochschulabkom men. Vieles von dem, was wir auch an Standards brauchen – – Ich sage nur einmal: Wir werden versuchen, die deutsche Mitbestimmung mit unseren Wirtschaftsaktivitäten im Hucke pack in der Welt und damit auch in China zu setzen.
Deswegen kann die Strategie in der Tat nur lauten: Nach vorn, Gas geben, aber nicht mit einem Pulverdampf, Herr Glück und Herr Paal und Ihre Fraktionen, sondern mit klarem Kopf und mit einer klaren Richtung. Das ist das, was wir machen.
Danke schön.
Das mache ich nicht; das mache ich immer persönlich und nicht coram publico. – Alle wollen einen versöhnlichen Abschluss; aber es fallen Begriffe wie „Heuchelei“ usw. Das alles ist nicht gerechtfertigt. Es ist auch nicht so, dass Sie einen empfindlichen Nerv getroffen hätten, Herr Paal; Sie sind nur in Fettnäpfe getreten.
Sehr lustig, ein super Witz.
Es ist unglaublich, zu was sich Herr Rülke hochschaukelt.
Alle sind daran interessiert, dass wir das Land Baden-Würt temberg mit Engagement vertreten. Deswegen lohnt es sich,
diese Debatte zu führen, gerade hinsichtlich einer Zukunfts branche wie der Solarbranche. Da stimme ich allen zu. Dazu gehört übrigens auch – vorhin ist wieder einmal versucht wor den, uns dies unterzuschieben –, dass Sozialdemokraten in den 61 Jahren des Bestehens des Landes Baden-Württemberg 22 Jahre lang den Wirtschaftsminister gestellt haben. Vermut lich ist das unter den drei Parteien, die bisher den Wirtschafts minister gestellt haben, sogar die längste Zeit.
Wiederum sehr lustig.
Die Sozialdemokraten haben beim Strukturwandel mitge wirkt. Deswegen lassen Sie jetzt alle Seitengefechte zu Schul den und Steuern im Köcher. Sie haben versucht, all diese The men in Ihrer Rede unterzubringen. Hier geht es aber darum, dass wir in den Köpfen Ordnung schaffen.
Das haben wir versucht. Hier liegt Herr Kelber mit seiner Aus sage „Zügel anziehen“ auch nicht falsch; mehr als diesen Satz, diese Aussage konnten Sie nicht zitieren. Sie konnten nicht auf den Protektionismus Bezug nehmen.
Wenn die Kommission angerufen wird, muss sie auch han deln. Es ist klar, dass man mit den Chinesen darüber reden muss, wenn sie eine Branche subventionieren. Ich glaube, dass in diesem Haus niemand der Meinung sein wird, dass man al les durchgehen lassen sollte. Deswegen war es völlig in Ord nung, dass vor zwei Tagen, am 18. Juni, ein – zumindest in formelles – Gespräch geführt worden ist; hier muss gehandelt werden.
Ich ziehe das Resümee: Wir haben einen klaren Standpunkt. All diejenigen, die an der künftigen Wertschöpfung in BadenWürttemberg, gerade betreffend die Solarbranche, interessiert sind – das sind all jene, die hier im Land Maschinen- und An lagenbau wollen, die Komponentenhersteller, Technologie hersteller wollen, die Forschung und Entwicklung sowie Ver triebswege wollen –, müssen in der Abwägung gegen Straf zölle sein. Wenn man dieses Land unterstützt, muss man des halb hier kategorisch Stellung nehmen. Das haben wir heute auch getan.
Schön, dass Sie uns das Stichwort dazu gegeben haben. Aber wir sind der Meinung, die Wirtschaftspolitik wird in diesem Land gut beraten sein, wenn sie sich in diesem Sinn verhält und sich gegen Strafzölle ausspricht, wie wir es heute gesagt haben. Aber Baden-Württemberg ist auch ein Land, das inter national kommuniziert; deswegen sollte die Zukunft dieses Landes darin gesucht werden, dass wir im Dialog stehen. Am Ende sollte darüber auch Einigkeit bestehen.
Danke.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste, meine Damen und Herren! Es ist schön, einmal wieder hier vorn zu stehen.
„Die Situation in Ungarn nach den Verfassungsänderungen“ ist das Thema der heutigen Debatte, zu der mich meine Frak tion gebeten hat, hier als Redner der SPD Stellung zu nehmen. Das tue ich sehr gern, weil ich glaube, dass das Thema hier in den Landtag gehört und wir gut beraten sind, gerade heute, ei nen Tag vor dem Europatag, Stellung zu nehmen.
Wir haben in wenigen Tagen den Monat Juni. Schauen wir einmal 24 Jahre zurück: Im Jahr 1989 gab es die Szenen, die wir alle noch gut in Erinnerung haben, als der ungarische Au ßenminister Gyula Horn und der österreichische Außenminis ter Alois Mock an einer Stelle der Grenze den Zaun niederge rissen haben. Damit begann eine Entwicklung, die für Deutschland eine glückliche Entwicklung war. Deswegen dan ken wir auch denen, die in Ungarn für uns Sympathie gehabt haben und die uns auf diesem Weg geholfen haben. Wir wer den diesen Dank nicht wegen Irritationen, die wir heute zum Thema machen, vergessen.
Das gehört zu unserem gemeinsamen Fundus. Auch der Frak tionsvorsitzende der CDU hat dazu sicherlich seine Meinung, wenn er die Tageszeitung aufschlägt.
Ich selbst glaube auch, dass es heute hier im Parlament nicht um eine unkundige Einmischung geht. Der Landtag von Ba den-Württemberg debattiert regelmäßig über europapolitische Themen. Er diskutiert auch in seinem Europaausschuss darü ber. Wir machen kein Scherbengericht, sondern wir sind der Meinung, dass wir heute offen über die Situation reden soll ten und dass uns der Dialog weiter begleiten wird.
Wir machen uns aber Sorgen, gerade weil wir eng und part nerschaftlich zusammenarbeiten wollen. Deswegen ist die heutige Debatte wichtig.
Jetzt kommt es, Herr Hauk: Wenn wir Europa nicht zentralis tisch denken, sondern – so, wie wir es uns vorstellen – föde ral denken, ist vollkommen klar, dass es in Europa nicht den politischen Durchgriff auf alle Ebenen geben wird
und geben darf. Es ist klar, dass es weder politisch noch ad ministrativ sozusagen eine reine Hebelwirkung gibt. Wir le ben aber umso mehr von einem Diskurs und von einem ge meinsamen Verständnis dessen, was die Grundlagen von Eu ropa sind und was die Ausrichtung von Europa ist. Auch aus diesem Grund machen wir uns auch Gedanken über das, was in Ungarn passiert. Deswegen sage ich: Im Hinblick auf den morgigen Europatag ist das, was wir heute tun, eine praktizier te europäische, politische Öffentlichkeit. Genau das ist es, was die Bürger von uns erwarten: eine europäische Öffentlichkeit.
Klar ist, dass der Souverän des Landes Baden-Württemberg dies in freier Entscheidung macht. Deswegen ist vollkommen klar, dass das Thema dieser Debatte des heutigen Tages von der sozialdemokratischen Fraktion in keiner Weise zu recht fertigen ist, sondern es passt zum heutigen Tag.
Die Sorge spielt bei dem, was wir in den Zeitungen lesen, ei ne große Rolle. Sie spielt eine Rolle bei Herrn Barroso, der sich in einem Brief zu den Verfassungsnovellen geäußert hat, die in Ungarn im Parlament in den letzten Monaten und Jah ren in einer hohen Dichte vorgenommen wurden und die nicht nur für Ungarn, sondern auch für die europäische Öffentlich keit von Bedeutung sind. Sie spielt eine große Rolle bei Frau Reding, die sich in drei Briefen an den ungarischen Minister präsidenten gewandt hat, in denen sie ihre Sorge geäußert und erklärt hat, in letzter Konsequenz könnte als Ultima Ratio auch ein Vertragsverletzungsverfahrens infrage kommen.
Die Sorge spielt eine Rolle im Europäischen Parlament, in dem nun eine Beratungsgrundlage des Berichterstatters vor liegt – 54 Seiten stark –, die eine Auflistung dessen enthält, was aus europäischer Sicht bedenklich ist, und in der darge stellt wird, dass es als Ultima Ratio zur Anwendung von Ar tikel 7 kommen kann. Das hat auch beim Klima im Land ei ne Rolle gespielt. Außenminister Guido Westerwelle hat sich vor dem Jüdischen Weltkongress geäußert. Wir sind der Mei nung, dass er dort eine gute Rede gehalten hat. Wir hätten uns gefreut, wenn sich im Anschluss an diese Rede auch der un garische Ministerpräsident in ähnlicher Konsequenz geäußert hätte.
Deswegen sage ich an dieser Stelle, auch wenn es nicht im Zentrum des heutigen Debattentags steht: Wenn es um die Ab wehr von Antisemitismus geht, gilt gerade für die Parlamen te in Europa, dass die Abwehr von Antisemitismus keine Zu ständigkeiten und keine Grenzen kennt, sondern nur Entschie denheit und Klarheit.
Weil uns der Dialog wichtig ist, möchte ich an dieser Stelle gern auf einige Punkte eingehen. Darauf haben wir alle, aber auch unsere Gäste, einen gewissen Anspruch. Wir glauben, dass die europäische Öffentlichkeit in dem herzustellen ist, was wir, das Land Baden-Württemberg, in unserem Verhält nis zu Ungarn mit großen historischen Verflechtungen und ak tueller Zusammenarbeit in der Donauraumstrategie bewerk stelligen können.
Wir glauben, dass das, was Gegenstand der besorgten Briefe ist – nämlich die Frage, wie das Justizwesen in Ungarn aus sieht; ich erinnere an den möglichen Eingriff in die Zuord nung von Gerichtsverfahren, den wir nicht nachvollziehen können; es geht auch um die Frage, in welcher Verfassung die Medien in Ungarn sind, die Situation an den Hochschulen und die Chancengerechtigkeit bei den Wahlen, auch bei den an stehenden Europawahlen –, Anlass zur Sorge gibt. Wir wol len unsere Stimme erheben, dass in diesen Fragen in Ungarn auch eine Umkehr in der öffentlichen Diskussion stattfindet und dazu die politisch Verantwortlichen ihren Teil beitragen.
Wir glauben, dass es im politischen Klima Ungarns schwieri ge Tendenzen gibt, sicherlich auch unter dem Druck der Wirt
schaftskrise. Wir sind dabei, zu sehen, dass sich in Ungarn ein Teil der Jugend, was die Parteienpräferenz angeht, in eine völ lig falsche Richtung orientiert. Deswegen glauben wir, dass dafür in der Tat der Dialog, der angemahnt wird, notwendig ist. Wir sehen aber auch mit Spannung, dass es die VenedigKommission des Europarats sein wird, die Mitte Juni zu den Verfassungsnovellen ihre Meinung sagen wird. Wir werden von uns aus, vom Parlament aus Gelegenheit haben, das Ge spräch mit den ungarischen Parlamentariern zu suchen, wenn hoffentlich diese klare Haltung der Venedig-Kommission ge geben ist.
Über all dem steht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir mit einer offenen und klaren Sprache sagen, dass wir eine Ver letzung von Grundrechten – Grundrechte, die wir über Deutsch land hinaus für wichtig halten – nicht akzeptieren wollen und dass wir das auch im Gespräch klar zur Sprache bringen.
Wir denken darüber hinaus, dass wir im Donauraum manches an guten zivilgesellschaftlichen Initiativen fördern können. Ich erinnere an das, was bereits erfolgt ist. Der Minister hat ja eine ausführliche Stellungnahme abgegeben. Ich erinnere daran, dass wir die Freiheit von Kunst und Wissenschaft hoch halten. Wir haben das auch bei einem Literatentreffen ge macht. Wir glauben, dass es wichtig ist, die Freiheit von Me dien und Presse in den Donauraum zu tragen. Wir freuen uns, dass in Ulm ein Treffen mit Journalisten stattgefunden hat. Wir können uns vorstellen, dass ein weiteres Treffen in Bu dapest stattfinden kann.
Wir glauben, dass der Austausch der kommunalen Selbstver waltung eine wichtige Sache ist. Wir kennen auch das Mahn schreiben des Präsidenten des Rates der Donaustädte und -re gionen, Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner, an seinen Kol legen in Budapest zur Situation in Ungarn, und wir glauben, dass es wichtig ist, weiterhin einen Austausch der zivilgesell schaftlichen Organisationen in den Städten zu haben. Ferner ist die Idee einer neuen Urbanität in einem alten Kulturraum wie dem Donauraum wichtig.
All das wird dazu beitragen, dass wir im Donauraum in der Lage sind, mit Ungarn im Gespräch zu sein.
Wir glauben, dass es wichtig ist, dass wir insgesamt in Euro pa eine Debatte führen – gerade auch mit den wichtigen Län dern Zentraleuropas wie Ungarn –, bei der es darum geht, was eigentlich in diesem neuen Spannungsfeld in Europa – auf der einen Seite sind alle irgendwo vom europäischen Geist getra gen, auf der anderen Seite gibt es aber eine Überdehnung der Institutionen in Europa, die von der Bevölkerung, den Bür gerschaften in unseren Ländern nicht mehr so mitgetragen wird oder nicht mehr so akzeptiert wird – getan werden kann, um Wege anzubieten, die über die rein ökonomische Dimen sion der Europäischen Union und Europas hinausgehen.
Dazu muss die Frage gestellt werden: Wie sieht es mit den Menschenrechten in Europa aus, und wie sieht es damit aus, dass sich Europa auch dafür verantwortlich fühlt, die Men schenrechte in die Welt zu tragen? Dafür braucht man einen gemeinsamen Diskurs. Ferner muss die Frage gestellt werden: Wie sieht es mit den Grundrechten in der Demokratie aus? Sind die Demokratien, die wir in Europa haben, auch Modell für neu hinzukommende Demokratien oder Länder, die sich
wandeln? Schließlich die Frage: Wie sieht der soziale Zusam menhalt in Europa aus als eine Grundbedingung auch für To leranz und für Minderheitenrechte?
All das ist eine spannende Debatte, die wir mit Ungarn füh ren wollen. Wir wissen, dass dieser Dialog Geduld voraus setzt, aber diese Geduld muss auch gepaart sein mit Klarheit und mit Entschiedenheit sowie mit Offenheit. Ein offenes Wort nützt dem europäischen Fortschritt mehr als nur die Il lusion, dass es bereits, wenn man eine Schönwettereuropa front hat, ausreichen würde, die ganze Sache zu heilen. Das tut es nicht. Wir sind für Offenheit und Klarheit.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich am Ende dieses Beitrags unserer Fraktion sagen: Wir haben es am heu tigen Tag für wichtig gehalten, uns materiell und politisch mit einem Thema Europas zu befassen, das aktuell ist und das uns Sorge bereitet, bei dem wir aber auch die Perspektive nach vorn sehen, weil wir im Gespräch sind und weil wir auch im Gespräch bleiben wollen. Baden-Württemberg wird hier in Bescheidenheit seinen Beitrag in diese großen Themen der Menschenrechte, der Demokratie, des sozialen Zusammen halts einbringen können, aber Baden-Württemberg hat auch ein Recht, selbstbewusst seinen Beitrag zu liefern. Deswegen ist dies heute für uns auch ein Tag des Selbstbewusstseins und eine Debatte des Selbstbewusstseins.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, herzlichen Dank. Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, meine Fraktion zu bitten, zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen zu dürfen. Das tue ich gern. Ich sage auch der CDU-Fraktion meinen Dank, dass das Thema auf die Tagesordnung gekommen ist; denn ich bin der Meinung, dass es ein aktuelles und ein wichtiges Anlie gen ist. Ich denke auch, dass uns die Stellungnahme des Mi nisteriums für Finanzen und Wirtschaft weitere erhellende In formationen gibt, die sicherlich auch den Blick nach vorn rich ten, auch wenn nicht alles – das wissen die Beteiligten im Raum – neu sein kann und neu ist. Ich denke, dass wir auf je den Fall an einem Punkt sind, bei dem sich die Debatte sehr lohnt.
Meine Damen und Herren, ich möchte gern voranstellen, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass unser Handwerk in unserem Land eine gute Zukunft hat. Es hat jedoch keine gu te Zukunft, wenn die Ausbildung im Handwerk nicht funkti oniert und wenn es nicht genügend Auszubildende, nicht ge nügend junge Leute gibt, die ins Handwerk gehen wollen. Un sere Dörfer und unsere Städte wären um einiges ärmer, wenn das Handwerk ausgedünnt würde, wenn es weniger davon gä be. Deswegen sagt das Land Baden-Württemberg: Wir wol len, dass das Handwerk ein substanzieller Teil unseres Lan des Baden-Württemberg ist und bleibt, meine Damen und Her ren.
Dass die Situation ambivalent ist, ist in der Analyse, die durch die ersten beiden Redner vorgenommen wurde, schon deut lich geworden. Ich will es mit meinen Worten noch einmal sa gen.
Insgesamt ist die Zahl der offenen Stellen gestiegen. Wir ha ben eine Stagnation bzw. einen Rückgang bei der Zahl der Ausbildungsverträge im Handwerk. Angebot und Nachfrage haben sich gewandelt.
Wir haben unversorgte Bewerber. Wir haben aber auch die be kannten Warteschleifen, in denen sich Personen befinden, die nur sehr schwer zu vermitteln sind. Wir haben besondere Lü cken im Einzelhandel. Wir haben auch Lücken in der Gastro nomie, im Nahrungsmittelhandwerk, und wir haben – nicht zu vergessen – immer noch ein Rekrutierungsgefälle zwischen großen Unternehmen und kleinen Unternehmen und damit ty pischerweise Handwerksbetrieben. Viele sagen: „Na ja, wenn es nach der Ausbildung um den Beruf geht, bin ich vielleicht doch lieber in der Industrie mit geregelten Arbeitszeiten etc.“ Das ist die Lage, über die man nicht lange zu debattieren braucht. Sie ist, wie sie ist.
Der Druck, der daraus resultiert, dass die Zahl der Schulab gänger im Zeitraum von 2012 bis 2020 um insgesamt 18 % sinken wird, baut sich weiter auf. Wenn nichts geschieht, Frau Kollegin Schütz und Herr Kollege Lehmann, haben wir ein Problem. So ist es.
Deswegen sollte man zunächst einmal sagen: Dieses Problem besteht aus drei Teilen. Erstens gibt es ein Mobilisierungspro
blem für das Handwerk. Es stellt sich die Frage: Wer geht ins Handwerk, um einen Ausbildungsberuf zu erlernen? Zweitens gibt es ein Trainings- und Bildungsproblem, vielleicht auch ein Erziehungsproblem. Es stellt sich die Frage: Wie kommen die jungen Leute im Handwerk an? Drittens gibt es ein Attrak tivitätsproblem des Handwerks. Da geht es um die Frage: Stimmt das Image, stimmt das, was wichtig ist, um ins Hand werk zu gehen?
Meine Damen und Herren, ich behaupte – das will ich an die ser Stelle auch sagen –: Das Handwerk tut sehr viel. Es legt nicht die Hände in den Schoß. Es weiß, dass es über Qualität punkten muss. Wenn man bei Abschlussfeiern dabei ist – so wohl bei den Meistern als auch bei den Azubis –, sieht man: Die jungen Leute bringen Qualität. Man sieht auch, dass ihre Handwerksmeister hinter ihnen stehen. Ich sage: Das Hand werk strengt sich an. Das sollte man an dieser Stelle auch ganz klar sagen, meine Damen und Herren.
Die Rolle von uns als Landespolitikern wird sein, zu treiben, zu flankieren, zu finanzieren, wo es geht, und vor allem zu ori entieren. Zum Thema Orientieren möchte ich gern ein paar Anmerkungen machen, weil das auch Aufgabe der Politik ist – natürlich immer in Partnerschaft mit denen, die tatsächlich an der Front sind.
Der erste Punkt zur Orientierung ist – ich will das für meine Fraktion deutlich sagen –: Die duale Ausbildung ist gleich wertig zur akademischen Ausbildung, und wir sollten als Po litikerinnen und Politiker auch sagen, dass wir diese Gleich wertigkeit so leben und so wollen.
Weil das so ist, haben wir auch Erwartungen. Ich habe z. B. die Erwartung, dass ein Lehrer im Gymnasium, in dem heute ein großer Teil der Jahrgänge ist, auch in seinem Gymnasium für eine duale Ausbildung im Handwerk wirbt und darauf hin weist, dass das eine gute Sache ist. Das können Lehrerinnen und Lehrer durchaus tun.
Ich bin ebenfalls dafür, dass die Gemeinschaftsschule in ih rem Wert erkannt wird. Kollege Lehmann hat auf den mittle ren Bildungsabschluss hingewiesen. Das ist das, was heute gefragt ist. Meine Damen und Herren. Das allmähliche Vor dringen der Gemeinschaftsschule wird eine Trumpfkarte für das Handwerk sein. Deswegen hat das Handwerk übrigens auch die Gemeinschaftsschule gefordert.
Wir haben allen Anlass, einiges zu bewerben, weil man auch ein wenig rasseln muss. Deswegen ist das, was unterwegs ist – sowohl vom Bündnis für Ausbildung, weil es schon in der früheren Landesregierung angelegt war, als auch von der Fachkräfteallianz –, richtig. Wir haben gute Ideen. Die Aus bildungsbotschafter oder die Videos auf YouTube werden all gemein gelobt.
Wir sollten jedoch auch darüber nachdenken, wie die Chan cen der Schwächeren verbessert werden. Hier gilt es vor al lem, dass wir, das Land, von der assistierten Ausbildung bis hin zu den Berufskollegs unsere Anstrengungen verbessern.
Wir sollten auch – lassen Sie mich das noch ansprechen – nach den Ausbildungsabbrechern schauen, deren Zahl in einzelnen Branchen in der Größenordnung liegen mag, wie sie darge stellt worden ist. Dort gilt es, mit Coaching-Maßnahmen etc. zu helfen.