Protocol of the Session on March 14, 2012

Durch die bisherige Planungshoheit waren die Verhältnisse klar geregelt. Die Kommunen waren als Familie unter sich. Interkommunalen Konflikten konnte vorgebeugt werden. Die nun angestrebte Reaktivierung der kommunalen Planungsho heit ist kleinteilig, komplex und birgt erhebliche Konfliktpo tenziale. Sie werden damit nicht zwei starke Ebenen haben, wie Sie, Frau Dr. Splett, es eben ausgeführt haben, sondern Sie werden künftig Konflikte zu lösen haben.

Künftig wird jede Gemeinde grundsätzlich machen können, was sie will. In vielen Gemeinden ist schon eine wahre Gold gräberstimmung ausgebrochen. Wie mir berichtet wurde, sind Investoren bereit, bis zu 300 000 € Pacht für die Errichtung von sechs Windkraftanlagen bzw. Windkrafträdern auf einer gerade einmal 3 ha großen Grundfläche zu bezahlen. Insoweit – da gebe ich Ihnen, Herr Minister Untersteller, natürlich recht

können die Kommunen endlich direkt in das Geschäft ein steigen.

Die Probleme, die sich aus den grün-roten Planungen erge ben, sind offensichtlich. So musste die Aufhebung der Festle gung von Standorten für regionalbedeutsame Windkraftanla gen zum 1. September 2012 bereits revidiert und auf den 1. Ja nuar 2013 verschoben werden. Hinzu kommt, dass Standort ermittlung, Flächensicherung, Projektentwicklung und nicht zuletzt der Bau einer Windkraftanlage bis zu dreieinhalb Jah re in Anspruch nehmen können. So bekommt man einen un gefähren Eindruck davon, wie mangelhaft diese neue Geset zesplanung ist.

Nicht zuletzt: Das Erreichen eines Anteils der Windenergie an der Stromerzeugung von 10 % bis 2020 entspricht der Errich tung von bis zu 1 200 Windkraftanlagen. Fest steht aber auch: Windkraftanlagen werden nicht gebaut, indem man perma nent erzählt, wie wichtig und vordringlich ihre Errichtung für die Energiewende ist, sondern indem man die ohnehin schon geringe Zeit bis 2020 respektive 2022 effektiv nutzt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜ NE: Genau das machen wir!)

Da bin ich einmal gespannt.

Meine Damen und Herren, erwähnen möchte ich auch, dass die Kommunen die Möglichkeit haben, etwaige Einzelbauan träge für die Genehmigung von Windkraftanlagen ab Januar 2013 für zwölf Monate zurückzustellen. Es zeigt sich: Eine durchdachte Planung braucht Zeit. Somit scheint sich einmal mehr die alte Weisheit zu bewahrheiten: Gut Ding will Weile haben.

Insbesondere für die zuständigen Ministerien unter grüner Führung – das Verkehrsministerium auf planerischer Seite und das Umweltministerium auf fachtechnischer Seite – ist das bisherige Ergebnis insoweit sehr dürftig.

Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Baden-Württemberg nicht zu den prädestinierten Windenergiestandorten in Deutsch land zählt. Gerade der Vergleich mit Niedersachsen und der Nordsee macht deutlich, dass die Windenergie in Baden-Würt temberg wohl nie zu einem Flächenthema werden wird. Da werden Sie mir wohl zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Kein Widerspruch!)

Gleichwohl gibt es Standorte, die für die Windkraft sinnvoll genutzt werden können – wie etwa in Teilen des Schwarz walds, der Schwäbischen Alb oder in der Region Hohenlohe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen uns wei terhin für die Rolle der Regionalverbände in der Regionalpla nung ein, da diese einem planerischen Flickenteppich bei der Ausweisung von Windkraftanlagen durch Flächennutzungs pläne entgegenwirken und vorbeugen können. Durch die Re gionalverbände bleibt die interkommunale Abstimmung op timal gewährleistet. Ausbauziele werden einheitlich definiert. Die Planung erfolgt aus einer Hand. Die Bürgerbeteiligung wird effizienter gehandhabt, weil großräumig gedacht und festgelegt wird, was geht und was nicht geht. Jeder weiß al so, woran er ist.

Die Gesetzesnovelle der Regierung hingegen gefährdet nicht nur das eigene Ziel, einen Anteil von 10 % Windenergie an der Gesamtstromerzeugung zu erreichen, sondern riskiert auch interkommunale Zielkonflikte, die weit über 2020 hinaus wir ken können. Dabei sind Zielkonflikte durch den Artenschutz, den Vogelschutz, den Natur- und Landschaftsschutz, den Tou rismus und schließlich durch die Errichtung eines National parks bereits vorgegeben. Die Verspargelung der Landschaft ist ein weiterer Zielkonflikt, wie er sich durch ein Einzelfall begehren beispielsweise im Nordschwarzwald im Bereich Mehliskopf schon ergeben hat.

Wie Sie sehen, Herr Ministerpräsident – er ist leider nicht da –: Ihr Politikwechsel mit dem Argument, dass künftig der Bau von Windrädern grundsätzlich erlaubt und nicht mehr verbo ten ist, erscheint mehr als ungenügend.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Raufelder das Wort.

Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Ich bin jetzt etwas überrascht, denn ich hatte eigentlich gedacht, wir hätten hier große Einigkeit bei dieser Änderung des Landesplanungsgesetzes. Das Lan desplanungsgesetz – das muss ich doch noch wiederholen – hat ein Gegenstromprinzip. Ich weiß nicht, ob Ihnen das schon aufgefallen ist. Im Landesplanungsgesetz ist eigentlich verin nerlicht, dass die Kommunen in die Planung einbezogen wer den sollen. Dieses Gegenstromprinzip war schon immer so gedacht, dass die Regionalverbände auf die Kommunen zu gehen und gemeinsame Planungen für die Region machen.

Genau dies wird jetzt mit dem neuen Landesplanungsgesetz gemacht, weil man sehr positiv für die Zukunft Flächen aus weist und die Kommunen wissen, woran sie sind.

(Abg. Manfred Groh CDU: Ganz falsch!)

Daher ist es sehr wichtig, diese Änderung des Landespla nungsgesetzes vorzunehmen.

Sie sagen „falsch“. Aber Sie müssen sich einmal vorstellen: Da ich seit 1985 in einem Planungsausschuss bin, weiß ich, wovon ich spreche,

(Abg. Manfred Groh CDU: Anscheinend nicht!)

und ich weiß auch, dass diese Planungsregionen als Hilfestel lung für die Kommunen sehr wichtig sind. Wenn man die Energiewende vorantreiben möchte, dann geht das einfach nur dadurch, dass man den Kommunen die Möglichkeit gibt, durch die Änderung ihrer Flächennutzungspläne mit in diese Energiewende einzugreifen.

Wir müssen auch sehen – das ist doch ganz wichtig –, dass die Kommunen bereit sind, mitzuarbeiten. Ich habe sehr vie le positive Rückmeldungen von Gemeinden bekommen, die auch wirklich daran interessiert sind, die Energiewende vor anzutreiben. Wenn Sie auch sehen, wie positiv sich all die Um weltverbände zu dieser Energiewende äußern und auch zu dem Landesplanungsgesetz geäußert haben, dann stellen Sie doch letztendlich eine Aufbruchstimmung fest, die wir hier

vom Landtag unterstützen sollten. Wir sollten jetzt nicht wie der Bedenkenträger sein, wie das all die Jahre über der Fall war.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Lassen Sie uns doch diese Aufbruchstimmung in den Kom munen bzw. bei den Regionalverbänden aufgreifen und ge winnbringend für die Energiewende umsetzen. Dass es eine schwierige Aufgabe ist, 1 200 Anlagen bis 2020 umzusetzen, und wir deswegen auch die Verbände bzw. Kommunen brau chen, ist doch ganz klar. Deswegen ist es auch wichtig, von unserer Seite ein Zeichen zu setzen, dass wir hinter der No vellierung des Landesplanungsgesetzes stehen. Greifen Sie dies mit auf.

Ich muss sagen, dass das Ministerium noch etwas separat ge macht hat. Schauen Sie sich einmal den Windenergieerlass an, der sozusagen separat zu der Änderung des Landesplanungs gesetzes läuft: Darin sind die ganzen Möglichkeiten enthal ten, wie sich die Kommunen bei den verschiedenen Gesetzes gegebenheiten äußern können. Wenn Sie sich noch einmal den Windenergieerlass vor Augen führen, sehen Sie, wie fort schrittlich und toll das Ministerium in dieser Richtung eigent lich gearbeitet hat. Die Kommunen haben von sich aus bei je der Rechtslage – sei es das Bundes-Immissionsschutzgesetz, seien es wasserrechtliche Belange, seien es naturschutzrecht liche Belange – sofort eine Handhabe und können das Ganze sozusagen gewinnbringend mit in ihrer Planung umsetzen.

Ein ganz großes Lob also sowohl an das Umwelt- und das Ag rar- als auch an das Verkehrsministerium. Es ist ein Erlass he rausgekommen, der den Kommunen vor Ort hilft, die Sache umzusetzen. Lassen Sie uns diese Sache nicht behindern, son dern machen Sie – –

(Glocke der Präsidentin)

Lieber Kollege, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Groh?

Gern, wenn das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.

Natürlich wird das auf Ihre Redezeit angerechnet.

Dann machen wir die Frage zum Schluss; sonst hätte ich sie gern zugelassen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen)

Das Fraunhofer-Institut – um vielleicht auch die wissenschaft liche Ebene einzubeziehen – hat eine Studie herausgebracht, wonach gerade im süddeutschen Bereich – auch in BadenWürttemberg – viele geeignete Windkraftstandorte vorhanden sind. Das sollte man hier unbedingt noch einmal erwähnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Vom Fraunhofer-Institut wird die Erzeugung von 7 TWh bis 2020 ausdrücklich als erreichbar eingestuft. Uns werden noch gut 700 000 m2 an Flächen in Baden-Württemberg als Wind kraftstandorte dargestellt. Ich glaube, wir haben in BadenWürttemberg wirklich noch viele Potenziale zur Nutzung der Windkraft.

Aber es geht natürlich nicht nur um die Windkraft. Sie ist nur ein Mosaiksteinchen. Vielmehr müssen auch andere Energie quellen erschlossen werden. Wir sind daran, letztlich auch das zu umschließen. Aber wir müssen auch sehen, dass wir den Kommunen in dieser Situation bei der Energiewende helfen müssen.

Sie sprechen von der Verspargelung der Landschaft. Schauen Sie einmal in den Neckar-Odenwald-Kreis. Was ist Ihnen lie ber: ein Atomkraftwerk wie Obrigheim oder einige Windrä der auf der Höhe in der Nähe von Mosbach? Ich denke, für die Bevölkerung sind Windräder optisch eindeutig ein schö nerer Anblick als z. B. gerade Atomkraftwerke.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Diese symbolisieren im Grunde eine sehr große Gefahr. Letzt lich ist von der Bundesregierung bzw. auch von den Landes regierungen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz – in den Koalitionsverträgen – deutlich darauf hingewiesen wor den, dass die Windenergie eine der tragenden Säulen ist. Das gilt aber auch für andere Energieformen.

Wir sind also auf dem richtigen Weg. Geben Sie diese Hal tung, über die ich heute sehr erschrocken bin, doch auf. Sa gen Sie „pro Windenergie“. Lassen Sie die ganzen Sorgen, die Sie haben, unter den Tisch fallen. Gehen Sie mit in die Ener giewende. Dann schaffen wir es, dass wir Baden-Württem berg zu einem energiereichen, zu einem windenergiereichen Bundesland machen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Aber jetzt noch die Frage.

Frau Präsidentin, darf ich eine Frage stellen? Geht das jetzt?

Ja, mit einer kurzen Ant wort.

Es kommt darauf an, ob er sie kurz beantworten kann. Ich weiß es nicht.